Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §18 Abs4 idF 2008/I/005Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und Hofrat Dr. Thoma sowie Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Magistrates der Stadt Wien gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 24. April 2019, RV/7501044/2018, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde gegen ein Straferkenntnis i.A. Übertretung nach dem Parkometergesetz 2006 (mitbeteiligte Partei: G M in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Nach Erlassung einer Anonymverfügung, die infolge Nichtzahlung der verhängten Geldstrafe gegenstandslos wurde, und nach Erlassung einer Strafverfügung, gegen die der Mitbeteiligte Einspruch erhob, verfasste der Magistrat der Stadt Wien am 28. November 2018 ein Straferkenntnis gegen den Mitbeteiligten, laut dem dieser am 5. September d.J. um 18:34 Uhr durch das Abstellen seines mehrspurigen Kraftfahrzeuges in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone unmittelbar aufeinanderfolgend elektronische Parkscheine mit einer 15 Minuten nicht übersteigenden Abstellzeit um 18:11 Uhr sowie um 18:28 Uhr entwertet und hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 9 Abs. 2 Kontrolleinrichtungen-Verordnung in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Parkometergesetz 2006 begangen habe, wofür über ihn eine Geldstrafe von € 60, für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt wurde und er gemäß § 64 VStG zu einem Beitrag von € 10,-- zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet wurde.
2 Die in den vorgelegten Verwaltungsakten einliegende Erledigung des Straferkenntnisses war „Für den Abteilungsleiter der Magistratsabteilung 67“ „elektronisch gefertigt“ worden. Weiters wies diese das Amtssiegel der Stadt Wien samt dem Hinweis auf, dass dieses Dokument amtssigniert worden sei; Informationen zur Prüfung des elektronischen Siegels bzw. der elektronischen Signatur fänden sich unter: https://www.wien.gv.at/amtssignatur.
3 Die für den Mitbeteiligten bestimmte Ausfertigung des Straferkenntnisses wurde diesem am 30. November 2018 zugestellt, wogegen dieser Beschwerde erhob.
4 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht diese Beschwerde gemäß § 50 VwGVG als unzulässig zurück und sprach aus, dass gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG iVm § 25a Abs. 4 VwGG eine ordentliche Revision des Mitbeteiligten und der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde und gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a Abs. 4 VwGG eine außerordentliche Revision des Mitbeteiligten nicht zulässig seien.
5 Nach einleitender Darstellung des Verfahrensganges traf das Verwaltungsgericht die Feststellung, das in Rede stehende Straferkenntnis vom 28. November 2018
„wurde elektronisch ausgefertigt, war nicht eigenhändig vom Genehmigungsberechtigten unterschrieben und enthielt keine Fertigungsklausel. Das Straferkenntnis enthielt ein Zertifikat, das auch aus dem Wappen der Stadt Wien über der Wortfolge ‚@Amtssignatur‘ neben dem Hinweise ‚Dieses Dokument wurde amtssigniert. Informationen zur Prüfung des elektronischen Siegels bzw. der elektronischen Signatur finden Sie unter: https://www.wien.gv.at/amtssignatur/‘ bestand.“
In rechtlicher Hinsicht erwog das Verwaltungsgericht nach Zitierung von § 18 Abs. 3 und 4 AVG:
„Werden daher Erledigungen des Magistrats der Stadt Wien elektronisch erstellt, kann anstelle der Unterschrift des Genehmigungsberechtigten eine Amtssignatur verwendet werden.
Werden diese Erledigungen amtssigniert, enthalten die Papierausfertigungen auch die Amtssignatur und müssen vom Genehmigungsberechtigten weder eigenhändig unterschrieben werden noch muss die Richtigkeit der Ausfertigung beglaubigt werden (§ 18 Abs 4 AVG). Wird jedoch anstelle der Unterschrift des Genehmigungsberechtigten eine Amtssignatur verwendet, muss diese Amtssignatur alle Daten eines Genehmigungsberechtigten enthalten, die dessen eindeutige Identifizierung ermöglichen, da andernfalls nicht feststellbar ist, wer der Genehmigungsberechtigte ist und wer die Genehmigungsberechtigung erteilt hat.
Wer der Genehmigungsberechtigte gewesen ist, kann der vom Magistrat der Stadt Wien derzeit verwendeten Amtssignatur nicht entnommen werden. Werden daher Erledigungen des Magistrats der Stadt Wien nicht eigenhändig vom Genehmigungsberechtigten unterschrieben und enthalten sie keine Fertigungsklausel, sind sie absolut nichtige Verwaltungsakte (VwSlg 6856 A/1966; 13.10.1994, 93/09/0302; VfSlg 12.139/1989 und VfSlg 14.857/1997; 15.697/1999).
Von dieser Rechtslage ausgehend wird festgestellt: Strafverfügung und Straferkenntnis in diesem Verwaltungsstrafverfahren enthalten eine Amtssignatur, der nicht entnommen werden kann, wer der Genehmigungsberechtigte gewesen ist, sind nicht vom Genehmigungsberechtigten eigenhändig unterschrieben worden und enthalten keine Fertigungsklausel.
Strafverfügung und Straferkenntnis sind daher absolut nichtige Verwaltungsakte.
Sind Verwaltungsakte absolut nichtig, ist so vorzugehen, als ob diese Verwaltungsakte nicht vorhanden sind. Ist das Straferkenntnis vom 28.11.2018 als nicht vorhanden anzusehen, richtet sich die Beschwerde nicht gegen ein rechtswirksames Straferkenntnis. Da nur rechtswirksame Straferkenntnisse mit Beschwerde anfechtbar sind, sind absolut nichtige Straferkenntnisse nicht mit Beschwerde anfechtbar. Werden daher absolut nichtige Straferkenntnisse mit Beschwerde angefochten, ist die Beschwerde als nicht zulässig zurückzuweisen.
Die Beschwerde gegen das absolut nichtige Straferkenntnis vom 28.11.2018 ist daher als nicht zulässig zurückzuweisen und wird mit diesem Beschluss als nicht zulässig zurückgewiesen.
Wird in einem Verwaltungsstrafverfahren innerhalb eines Jahres nach Tatbegehung keine Verfolgungshandlung gesetzt, tritt Verfolgungsverjährung ein. Ist die Verfolgungsverjährung eingetreten, darf die/der Beschuldigte für diese Tat nicht mehr bestraft werden und das Verwaltungsstrafverfahren ist einzustellen (§ 45 Abs 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz - VStG). Die am 05.09.2018 begangene Tat darf bis zum 05.09.2019 verfolgt werden. Das Verwaltungsstrafverfahren ist daher nicht einzustellen.“
Anschließend begründete das Verwaltungsgericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit von Revisionen gegen den angefochtenen Beschluss.
6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Amtsrevision des Magistrates der Stadt Wien mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
7 Die Amtsrevision legt ihre Zulässigkeit - so wie die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses - darin dar, das Verwaltungsgericht habe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2014, Ra 2014/08/0009, das einen anderen Sachverhalt betroffen habe, zu Unrecht auf den revisionsgegenständlichen angewendet. Dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes habe ein nicht gesondert genehmigter Einzelbescheid zugrunde gelegen, welcher als Teil eines automationsunterstützten Massenverfahrens erstellt worden sei. Dagegen liege dem vorliegenden Revisionsverfahren ein Straferkenntnis zugrunde, das von der zuständigen Referentin im Rahmen einer elektronischen Aktenführung erstellt und ihrem für derartige Erledigungen approbationsbefugten Teamleiter in der verwendeten EDV-Anwendung zur Genehmigung vorgeschrieben worden sei; dieser habe sodann die Genehmigung erteilt. Zugleich sei sein Name in der Fertigungsklausel eingefügt und in den Metadaten des Aktes zum Schriftstück der Umstand der Genehmigung samt Zeitpunkt (auf die Sekunde genau) elektronisch gespeichert worden. Die Zuordnung der Erledigung zu einem Willensentschluss eines konkreten Organwalters sei daher eindeutig möglich. Bereits daraus ergebe sich, dass die Grundaussage des zitierten Erkenntnisses vom 15. Oktober 2014 zur Beurteilung der gegenständlichen Rechtsfrage nicht herangezogen werden könne und eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes somit fehle.
Darüber hinaus weiche der angefochtene Beschluss vom zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes in einem anderen Punkt ab: Der Verwaltungsgerichtshof habe dort erwogen, dass die Darstellung der Amtssignatur im Sinn des § 19 Abs. 3 E-GovG nicht die Genehmigung ersetze, sondern darin die Urheberschaft der Behörde dokumentiert sei. Wesentlich sei somit, dass eine Genehmigung vorliege und die Urheberschaft der Behörde dokumentiert sei. Diese beiden Voraussetzungen erfülle das gegenständliche Straferkenntnis vom 28. November 2018. Das Verwaltungsgericht habe daraus hingegen abgeleitet, dass die Amtssignatur alle Daten zu enthalten habe, die notwendig seien, um den Genehmigungsberechtigten zu identifizieren, und weiche insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Revision gemäß § 36 VwGG das Vorverfahren eingeleitet, in dessen Rahmen der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 11 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz VwGG gebildeten Senat erwogen:
9 Die Amtsrevision erweist sich als zulässig und aus folgenden Gründen auch als berechtigt:
10 Gemäß § 24 erster Satz VStG gilt, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, das AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren.
11 § 18 AVG lautet in der Fassung des Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetzes 2007, BGBl. I Nr. 5/2008, soweit im Revisionsfall von Relevanz:
„(2) Erledigungen haben jedenfalls schriftlich zu ergehen, wenn dies in den Verwaltungsvorschriften ausdrücklich angeordnet ist oder von der Partei verlangt wird.
(3) Schriftliche Erledigungen sind vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.
(4) Jede schriftliche Ausfertigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.“
12 Die ErläutRV 294 BlgNR XXIII. GP 14 führen zur Neufassung der Abs. 3 und 4 des § 18 AVG aus:
„- Der vorgeschlagene Abs. 3 normiert ausdrücklich, dass schriftliche Erledigungen zu genehmigen sind (was aus der geltenden Fassung des § 18 AVG nur indirekt erschlossen werden kann).
- Der vorgeschlagene Abs. 4 unterscheidet grundsätzlich zwischen Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten und Ausfertigungen, die in Papierform ergehen. Während erstere immer mit einer Amtssignatur zu versehen sind, stehen bei einer Papierausfertigung zwei Wege offen: Die Ausfertigung kann jedenfalls vom Genehmigenden unterschrieben bzw. von der Kanzlei beglaubigt werden. Ausdrucke von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten (oder Kopien solcher Ausdrucke) werden hingegen privilegiert behandelt: sie bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung.
Ist bereits die Genehmigung der Erledigung (Abs. 3) unter Verwendung einer Amtssignatur erfolgt, so hat dies automatisch zur Folge, dass jede elektronische Ausfertigung diese Amtssignatur enthält und auch keine Papierausfertigung des elektronischen Dokuments mehr unterschrieben oder beglaubigt zu werden braucht.
Auf allfälligen Beilagen zur Ausfertigung braucht die Amtssignatur nicht angebracht zu werden.“
13 Gemäß § 2 des E-Government-Gesetzes, BGBl. I Nr. 10/2004 - E-GovG, idF der Novellen BGBl. I Nr. 50/2016 und Nr. 121/2017 bedeutet im Sinne dieses Bundesgesetzes
„1. ‚Identität‘: die Bezeichnung der Nämlichkeit von Betroffenen (Z 7) durch Merkmale, die geeignet sind, ihre Unterscheidbarkeit von anderen zu ermöglichen; solche Merkmale sind insbesondere der Name und das Geburtsdatum, aber auch etwa die Firma oder (alpha)nummerische Bezeichnungen;
...
4. ‚‘Eindeutige Identifikation‘: elektronische Identifizierung gemäß Art. 3 Z 1 elDAS-VO (Z 11);
5. ‚Authentizität‘: die Echtheit einer Willenserklärung oder Handlung in dem Sinn, dass der vorgebliche Urheber auch ihr tatsächlicher Urheber ist;
...
11. ‚elDAS-VO‘: Verordnung (EU) Nr. 910/2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG, ...“
14 § 19 E-GovG lautet in der Fassung der Novellen BGBl. I Nr. 7/2008, BGBl. I Nr. 50/2016 und BGBl. I Nr. 32/2018:
„Besonderheiten elektronischer Aktenführung
Amtssignatur
§ 19. (1) Die Amtssignatur ist eine fortgeschrittene elektronische Signatur oder ein fortgeschrittenes elektronisches Siegel, deren Besonderheit durch ein entsprechendes Attribut im Signaturzertifikat oder Zertifikat für elektronische Siegel ausgewiesen wird.
(2) Die Amtssignatur dient der erleichterten Erkennbarkeit der Herkunft eines Dokuments von einem Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs. Sie darf daher ausschließlich von diesen unter den näheren Bedingungen des Abs. 3 bei der elektronischen Unterzeichnung und bei der Ausfertigung der von ihnen erzeugten Dokumente verwendet werden.
(3) Die Amtssignatur ist im Dokument durch eine Bildmarke, die der Verantwortliche des öffentlichen Bereichs im Internet als die seine gesichert veröffentlicht hat, sowie durch einen Hinweis im Dokument, dass dieses amtssigniert wurde, darzustellen. Die Informationen zur Prüfung der elektronischen Signatur oder des elektronischen Siegels sind vom Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs bereitzustellen.“
15 Die ErläutRV zur Novelle BGBl. I Nr. 50/2016, 1145 BlgNR XXV. GP 2, führen zu der in Art. 2 vorgesehenen Änderung des E-Government-Gesetzes zunächst aus, die (unionsrechtliche) elDAS-Verordnung harmonisiere nicht die bereits in den Mitgliedstaaten bestehenden elektronischen Identitätsmanagementsysteme und zugehörigen Infrastrukturen, sondern schaffe den Rechtsrahmen zur gegenseitigen Anerkennung der verschiedenen elektronischen Identifizierungsmittel unter bestimmten normierten Voraussetzungen. Durch die gegenseitige Anerkennung elektronischer Identifizierungsmittel, die in den Mitgliedstaaten zumindest die Authentifizierung für öffentliche Dienste ermöglichten, solle die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen im Binnenmarkt deutlich erleichtert und der „digitale Binnenmarkt“ insgesamt gestärkt werden.
16 Zu der Änderung der Absätze 1 und 3 in § 19 E-GovG führen die ErläutRV, aaO 14, aus:
„Durch die Aufhebung des Signaturgesetzes aufgrund der unmittelbar anwendbaren elDAS-VO müssen die technischen Anforderungen an die Amtssignatur angepasst werden. Bei der Amtssignatur wird ein Zertifikat verwendet, das durch entsprechende Attribute den in Abs. 1 geforderten Herkunftsnachweis erbringt. Das Zertifikat kann dabei entweder ein Zertifikat des Auftraggebers des öffentlichen Bereichs selbst sein oder auf eine natürliche Person (nämlich einen vertretungsbefugten Organwalter) lauten. Im ersten Fall muss ein Zertifikat für elektronische Siegel verwendet werden, da Signaturen nach der elDAS-VO nur natürlichen Personen vorbehalten sind. Anstelle der Mindestanforderung der fortgeschrittenen elektronischen Signatur muss daher auch ein fortgeschrittenes elektronisches Siegel gemäß Art. 36 elDAS-VO möglich sein. Das technische Sicherheitsniveau bleibt damit unverändert und die technischen Anforderungen für Auftraggeber des öffentlichen Bereichs ebenso.
Da nunmehr auch elektronische Siegel zur Erstellung der Amtssignatur möglich sein sollen, sind in Abs. 3 vom Auftraggeber des öffentlichen Bereichs auch die entsprechenden Informationen zur Prüfung des elektronischen Siegels bereitzustellen.“
17 Art. 3 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG enthält Begriffsbestimmungen für Zwecke dieser Verordnung.
Darnach sind
„10. ‚Elektronische Signatur‘ [...] Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden und die der Unterzeichner zum Unterzeichnen verwendet.
11. ‚Fortgeschrittene elektronische Signatur‘ [...] eine elektronische Signatur, die die Anforderungen des Artikels 26 erfüllt.
...
24. ‚Siegelersteller‘ [...] eine juristische Person, die ein elektronisches Siegel erstellt.
25. ‚Elektronisches Siegel‘ [...] Daten in elektronischer Form, die anderen Daten in elektronischer Form beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden, um deren Ursprung und Unversehrtheit sicherzustellen.
26. ‚Fortgeschrittenes elektronisches Siegel‘ [...] ein elektronisches Siegel, das die Anforderungen des Artikels 36 erfüllt.
...
29. ‚Zertifikat für elektronische Siegel‘ [...] eine elektronische Bescheinigung, die elektronische Siegelvalidierungsdaten mit einer juristischen Person verknüpft und den Namen dieser Person bestätigt.
...
35. ‚Elektronisches Dokument‘ [...] jeder in elektronischer Form, insbesondere als Text-, Ton-, Bild- oder audiovisuelle Aufzeichnung gespeicherte Inhalt.
...
40. ‚Validierungsdaten‘ [...] Daten, die zur Validierung einer elektronischen Signatur oder eines elektronischen Siegels verwendet werden.
41. ‚Validierung‘ [...] der Prozess der Überprüfung und Bestätigung der Gültigkeit einer elektronischen Signatur oder eines elektronischen Siegels.“
Im weiteren trifft die zitierte Verordnung u.a. Bestimmungen über Anforderungen an fortgeschrittene elektronische Signaturen (Art. 26), elektronische Signaturen im öffentlichen Dienst (Art. 27) und Anforderungen an die Validierung qualifizierter elektronischer Signaturen (Art. 32), weiters über Anforderungen an fortgeschrittene elektronische Siegel (Art. 36), elektronische Siegel im öffentlichen Dienst (Art. 37) und über die Validierung und Bewahrung qualifizierter elektronischer Siegel (Art. 40) sowie über Anforderungen an qualifizierte Zertifikate für die Webseiten-Authentifizierung (Art. 45), deren nähere Wiedergabe, insbesondere in Zusammenhang mit den Anhängen zu dieser Verordnung, zur Beantwortung der im Rahmen des gegenständlichen Revisionsverfahrens aufgeworfenen Fragen dahinstehen kann.
18 Das Verwaltungsgericht sprach dem angefochtenen Straferkenntnis vom 28. November 2018 seine rechtliche Existenz schon deshalb ab, weil der Amtssignatur nicht entnommen werden könne, wer der Genehmigungsberechtigte gewesen sei; würden Erledigungen des Magistrats der Stadt Wien nicht eigenhändig vom Genehmigungsberechtigten unterschrieben und enthielten sie keine Fertigungsklausel, seien sie absolut nichtige Verwaltungsakte.
19 § 18 Abs. 3 und 4 AVG unterscheiden zwischen der Erledigung der Behörde, daher der Beurkundung ihres Willensaktes einerseits, und der Ausfertigung, d.h. der förmlichen Kundmachung dieses Willensaktes gegenüber Parteien und anderen Beteiligten andererseits.
20 Die Amtsrevision bringt, nachdem hierzu im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kein Gehör eingeräumt worden war, zulässiger Weise neu vor, dass der gegenständliche Verwaltungsakt elektronisch geführt werde. Für diesen Fall sieht § 18 Abs. 3 zweiter Satz AVG vor, dass an die Stelle der für schriftliche Erledigungen geforderten Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden oder der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten kann.
21 Der angefochtene Beschluss setzt an der Erledigung im Sinn des § 18 Abs. 3 AVG aus, dass diese weder eigenhändig vom Genehmigungsberechtigten unterschrieben worden sei noch eine Fertigungsklausel enthalte; all dies war jedoch vor dem Hintergrund des § 18 Abs. 3 AVG iVm § 2 Z 1 und 5 E-GovG für eine elektronisch erstellte Erledigung, wie sie die Amtsrevision ins Treffen führt, nicht erforderlich.
22 Sollte das Verwaltungsgericht davon ausgegangen sein, dass die vorgelegten Verwaltungsakten keine elektronische, sondern eine schriftliche Aktenführung und damit eine schriftliche Erledigung der angefochtenen Strafverfügung wiedergeben sollten, entbehrt der angefochtene Bescheid einer nachvollziehbaren Begründung für eine solche Annahme.
23 Der in den vorgelegten Verwaltungsakten einliegende Ausdruck des angefochtenen Straferkenntnisses weist überdies, worauf die Amtsrevision hinweist, an seinem Ende
„elektronisch gefertigt
Für den Abteilungsleiter
Leopold“
samt dem Amtssiegel der Stadt Wien mit einer Information zur Prüfung des elektronischen Siegels und der elektronischen Signatur auf.
24 Schon von daher erweist sich die Begründung des angefochtenen Beschlusses als nicht tragfähig.
25 Sollte das Verwaltungsgericht schließlich der Ausfertigung des angefochtenen Straferkenntnisses eine Zurechenbarkeit zur belangten Behörde mangels einer Fertigungsklausel abgesprochen haben, so erwiese sich auch diese Erwägung als nicht tragfähig: Gemäß § 18 Abs. 4 zweiter Satz AVG müssen Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten mit einer Amtssignatur versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen erfüllen. Solche Ausfertigungen brauchen daher keine über die Amtssignatur im Sinn des § 19 E-GovG hinausgehenden Daten aufweisen; eine Fertigungsklausel und insbesondere den Namen des Genehmigenden brauchen solche Ausfertigungen nicht ausweisen.
26 Sollte das Verwaltungsgericht letztlich eine Zurechenbarkeit der Ausfertigung im Sinne des § 18 Abs. 4 zweiter Satz AVG allein anhand der Amtssignatur und des Amtssiegels in Zweifel gezogen haben, ist dem angefochtenen Beschluss keinerlei Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass eine Validierung dieser Zertifikate durch das Verwaltungsgericht versucht worden und fehlgeschlagen wäre; es ist nicht Sache des Verwaltungsgerichtshofes, allfälligen Zweifeln des Verwaltungsgerichts an einer Validierbarkeit einer elektronischen Amtssignatur einer vor diesem angefochtenen Erledigung nachzugehen und damit Tatsachenfragen des Verwaltungsgerichts auszuräumen. Somit erwiese sich auch diese Begründungslinie als nicht tragfähig.
27 Der angefochtene Beschluss ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 17. Dezember 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019160140.L00Im RIS seit
15.07.2020Zuletzt aktualisiert am
04.08.2020