Entscheidungsdatum
25.10.2019Norm
BBG §40Spruch
G304 2217586-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Rudolf KRAVANJA als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Kärnten, vom 04.02.2019, Sozialversicherungsnummer: XXXX, beschlossen:
A)
Das Verfahren wird gemäß § 41 Abs. 3 iVm § 40 BBG idgF iVm § 28 Abs. 1 VwGVG idgF eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
1. Nach Antrag des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. Neufestsetzung seines Behindertengrades vom 09.03.2018 wurde mit dem als Bescheid geltenden Behindertenpass des Sozialministeriumservice, Landesstelle Kärnten, (im Folgenden: belangte Behörde) vom 04.02.2019 ein Grad der Behinderung des BF von 60 v.H. festgestellt.
2. Dagegen erhob der BF fristgerecht Beschwerde. Dabei ersuchte er, da er sich "im Moment noch" in Berlin aufhalte, um "eventuelle" ärztliche Untersuchung in Österreich.
3. Am 17.04.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die Beschwerdevorlage ein.
4. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des BVwG die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Orthopädie und orthopädische Chirurgie, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF, für nötig gehalten.
4.1. Der BF wurde deshalb mit Schreiben des BVwG vom 24.05.2019, Zl. G304 2217586-1/2Z, zu einer Untersuchung bei einem Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie geladen. Diese Ladung war verbunden mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass das Verfahren gemäß § 41 Abs. 3 BBG eingestellt wird, wenn der BF "ohne triftigen Grund der schriftlichen Aufforderung zum Erscheinen zu einer zumutbaren ärztlichen Untersuchung nicht entspricht".
4.2. Die Aufforderung zur ärztlichen Untersuchung vom 24.05.2019 wurde jedoch dem BVwG am 28.05.2019, eingelangt am nächsten Tag am 29.05.2019, mit dem Vermerk "Verzogen" - Nachsendung ins Ausland nicht möglich, rückgesendet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF, österreichischer Staatsbürger, war in Österreich von 07.11.2000 bis 11.03.2019 mit Hauptwohnsitz gemeldet und ist nach seiner Wohnsitzabmeldung nach Deutschland verzogen.
1.2. Mit Behindertenpass vom 04.02.2019 wurde nach Durchführung eines ärztlichen Begutachtungsverfahrens und Einholung eines Gesamtgutachtens einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 01.02.2019 festgestellt, dass der Grad der Behinderung des BF 60 v.H. betrage.
1.3. Dagegen erhob der BF fristgerecht mit am 21.03.2019 bei der belangten Behörde eingelangtem Schreiben vom 15.03.2019 Beschwerde. Dabei ersuchte er, da er "im Moment noch in Berlin" sei, um eventuelle ärztliche Begutachtung in Österreich.
Der BF war demnach zum Zeitpunkt seiner Beschwerdeerhebung in Deutschland.
1.4. Bereits vor Erhebung der Beschwerde mit Schreiben vom 15.03.2019, eingelangt bei der belangten Behörde am 21.03.2019, und vor seiner Wohnsitzabmeldung in Österreich am 11.03.2019 hielt sich der BF - arbeitsbedingt - nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland auf.
Im Zuge seines Antrages vom 09.03.2018 gab der BF unter dem am Antragsformular aufscheinenden Punkt 4 "Mein Wohnsitz bzw. mein gewöhnlicher Aufenthalt befindet sich im Inland (...)" an, "z. Zt. Wegen Arbeit Wohnsitz (...) Berlin (...), sonst (an der Adresse in Österreich)."
1.5. Obwohl der BF in seiner Beschwerde von März 2019 ausdrücklich um eventuelle ärztliche Begutachtung in Österreich ersucht hat, hielt sich der BF dafür in Österreich nicht bereit, konnte die schriftliche Aufforderung des BVwG vom 24.05.2019 dem BF doch nicht mehr in Österreich zugestellt werden und wurde diese mit dem Vermerk "Verzogen" - "Nachsendung ins Ausland nicht möglich" - am 28.05.2019 dem BVwG rückgesendet, woraufhin diese beim BVwG am 29.05.2019 eingelangt ist.
1.6. Fest steht, dass im Beschwerdeverfahren keine Anhaltspunkte auf eine dem BF unzumutbar gewordene ärztliche Untersuchung hervorgekommen sind und der BF sich seit Beschwerdeerhebung weder bei der belangten Behörde, noch beim BVwG um den aktuellen Verfahrensstand erkundigt und wegen einer in Aussicht stehenden ärztlichen Untersuchung nachgefragt hat.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der Verfahrensgang ergab sich auf dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes, aus welchem auch die Unzustellbarkeit der Aufforderung zur ärztlichen Untersuchung vom 24.05.2019 und deren Retoursendung mit dem Vermerk "Verzug" - "Nachsendung ins Ausland nicht möglich" - hervorgeht.
2.2. Dass der BF nach Wohnsitzmeldung in Österreich von 07.11.2000 bis 11.03.2019 nach Deutschland verzogen ist und seit seiner Wohnsitzabmeldung am 11.03.2019 keinen Wohnsitz in Österreich mehr hat, ergab sich aus einem Zentralmelderegisterauszug.
2.3. Festgestellt werden konnte, dass sich der BF nach seiner Ladung des BVwG zu einer ärztlichen Untersuchung, die dem BF wegen Verzugs nicht zugestellt werden konnte und dem BVwG daraufhin mit dem Vermerk "Verzug" rückgesendet wurde, bis dato nie um den aktuellen Verfahrensstand und einer in Aussicht stehenden ärztlichen Untersuchung erkundigt hat.
2.4. Dass der BF sich bereits vor seiner Wohnsitzabmeldung in Österreich arbeitsbedingt in Deutschland aufgehalten hat und nach seiner in Österreich erfolgten Wohnsitzabmeldung am 11.03.2019 nach Deutschland verzogen ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt von Österreich nach Deutschland verlagert hat und sich nunmehr "gewöhnlich" bzw. "nicht nur vorübergehend" in Deutschland aufhält, ergibt sich im Zusammenschau seiner Angaben im Zuge seines Antrages vom 09.03.2018, sich derzeit arbeitsbedingt in Berlin aufzuhalten, dem nach Wohnsitzabmeldung in Österreich erstatteten Beschwerdevorbringen, sich "im Moment noch in Berlin" aufzuhalten, der Unzustellbarkeit der Ladung des BVwG vom 24.05.2019 wegen "Verzugs" des BF, mit seinem Verhalten, sich im laufenden Beschwerdeverfahren nie mehr um den Verfahrensstand erkundigt zu haben, was sein mangelndes Interesse an der Fortführung des Beschwerdeverfahrens in Österreich zeigt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.
3.2. Zu Spruchteil A)
3.2.1. Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 41 Abs. 3 BBG ist das Verfahren einzustellen, wenn ein Behindertenpasswerber oder der Inhaber eines Behindertenpasses ohne triftigen Grund einer schriftlichen Aufforderung zum Erscheinen zu einer zumutbaren ärztlichen Untersuchung nicht entspricht, er eine für die Entscheidungsfindung unerlässliche ärztliche Untersuchung verweigert oder er sich weigert, die zur Durchführung des Verfahrens unerlässlichen Angaben zu machen. Er ist nachweislich auf die Folgen seines Verhaltens hinzuweisen.
3.2.2. Aufgrund des Beschwerdevorbringens war für die Beurteilung des Beschwerdegegenstandes (Grad der Behinderung) die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF, unerlässlich. Der BF suchte mit seiner Beschwerde um eine "eventuelle" ärztliche Begutachtung in Österreich, halte er sich doch "momentan noch in Berlin" auf, ausdrücklich an, hielt sich jedoch dann für eine ärztliche Begutachtung im Beschwerdeverfahren nicht mehr in Österreich bereit.
Fest steht, dass dem BF die Aufforderung des BVwG zur ärztlichen Begutachtung vom 24.05.2019 nicht zustellbar war und mit dem Vermerk "Verzug" - "Nachsendung ins Ausland nicht möglich" wieder retourgesendet wurde.
Der BF konnte der Ladung zur ärztlichen Untersuchung, um welche er in seiner Beschwerde ausdrücklich angesucht hat, in Österreich somit gar keine Folge leisten, war er doch bereits zum Ladungszeitpunkt nach Deutschland verzogen.
Der BF war mit der Ladung des BVwG zur ärztlichen Untersuchung jedenfalls nachweislich auf die Rechtsfolgen eines "Nichterscheinens zu einer zumutbaren ärztlichen Untersuchung ohne triftigen Grund" hingewiesen worden. Hinweise über eine dem BF unzumutbar gewordene ärztliche Untersuchung, um welche dieser in seiner Beschwerde ausdrücklich angesucht hat, sind dem BVwG nicht bekannt bzw. bekannt gegeben worden.
Da sich der BF nach Erhebung seiner Beschwerde, in welcher er ausdrücklich um eine "eventuell" in Österreich mögliche ärztliche Untersuchung ersucht hat, für eine ärztliche Begutachtung im Beschwerdeverfahren nicht mehr in Österreich bereitgehalten hat, im Beschwerdeverfahren keine Gründe dafür hervorgekommen bzw. vom BF vorgebracht worden sind, dass die von ihm in seiner Beschwerde ausdrücklich beantragte ärztliche Untersuchung unzumutbar geworden wäre, und der BF sich seit Beschwerdeerhebung Ende März 2019 und damit seit mehr als sechs Monaten sich auch nie mehr an die belangte Behörde oder an das BVwG gewandt hat, um sich nach dem Verfahrensstand und einer in Aussicht stehenden ärztlichen Begutachtung zu erkundigen, war kein Interesse des BF an einer Fortführung des Beschwerdeverfahrens mit ärztlicher Begutachtung erkennbar und das Beschwerdeverfahren einzustellen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.3. Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Untersuchung, VerfahrenseinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2217586.1.00Zuletzt aktualisiert am
27.01.2020