Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Parzmayr und Dr. Faber als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers J*****, vertreten durch Dr. Georg Lehner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die Antragsgegnerin Wassergenossenschaft *****bach, *****, vertreten durch Dr. Thomas Gratzl, Rechtsanwalt in Wels, wegen Festsetzung einer Entschädigung nach § 117 Abs 4 WRG, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den (berichtigten) Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 11. April 2019, GZ 3 R 25/19w-56, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 28. Dezember 2018, GZ 1 Nc 1/16g-50, teilweise bestätigt und teilweise (einschließlich des vorangegangenen Verfahrens) als nichtig aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird insoweit, als die Entscheidung des Erstgerichts samt des vorangegangenen Verfahrens als nichtig aufgehoben wurde, aufgehoben und dem Rekursgericht die meritorische Entscheidung über den Rekurs des Antragstellers aufgetragen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt dem Rekursgericht vorbehalten.
Text
Begründung:
Der Antragsteller ist Fischereiberechtigter an einem Bach, der von der wasserberechtigten Antragsgegnerin aufgrund einer wasserbehördlichen Genehmigung abgekehrt wurde. Der Antragsteller begehrt – nachdem sein diesbezüglicher Antrag von der Wasserrechtsbehörde abgewiesen worden war und er fristgerecht die Entscheidung des Gerichts beantragt hatte den Zuspruch einer Entschädigung in Höhe von 4.974,49 EUR für die durch die Bachabkehr und das dadurch bewirkte Trockenfallen des Bachs bzw einzelner Bachabschnitte entstandenen Nachteile (Kosten des Abfischens sowie Schädigung der Biozönose).
Das Erstgericht sprach dem Antragsteller (hinsichtlich des „S*****bachs“ als Teil des abgekehrten Bachs) eine Entschädigung von 658,80 EUR zu und wies das Mehrbegehren von 4.315,69 EUR ab, wobei es unter anderem – nur dies ist für das Revisionsrekursverfahren relevant – davon ausging, dass ein Trockenfallen des sogenannten „I*****wasser“ trotz Einhaltung der vorgeschriebenen Dotation des Mühlbachs mit 500 l/s nicht vorhersehbar gewesen sei, weshalb dem Antragsteller für die dadurch verursachten Nachteile keine Entschädigung zustehe.
Das von beiden Parteien angerufene Rekursgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung hinsichtlich der für den S*****bach zugesprochenen Entschädigung von 658,80 EUR sowie hinsichtlich der Abweisung eines (ebenfalls diesen Gewässerteil betreffenden) Entschädigungsbegehrens von 1.047,25 EUR. Im Umfang der Abweisung eines (aus dem Trockenfallen des „I*****wassers“ abgeleiteten) Entschädigungsbegehrens von 3.268,44 EUR hob das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichts samt dem vorangegangenen Verfahren wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs als nichtig auf und trug dem Erstgericht in diesem Umfang die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über den insoweit als Klage zu wertenden Antrag auf. Es begründete die Aufhebung damit, dass – wie aus der im wasserrechtlichen Verfahren ergangenen Entscheidung abgeleitet wurde – die Wasserrechtsbehörde mit den aufgrund des Trockenfallens des „I*****wassers“ entstandenen Schäden bei Erteilung der Bewilligung zur Bachabkehr nicht gerechnet (dazu allerdings ein „Monitoring“ aufgetragen) habe. Der dafür begehrte Ersatz könne nicht gemäß § 15 Abs 1 (iVm § 117) WRG (im Rahmen der sukzessiven Kompetenz) im außerstreitigen Rechtsweg, sondern nur (gestützt auf § 26 Abs 6 WRG) im streitigen Verfahren geltend gemacht werden.
Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nachträglich zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, ob auch Schäden, welche die Behörde bei der wasserrechtlichen Bewilligung eines Vorhabens (hier: der Bachabkehr) „nicht ausschließen“ habe können, hinsichtlich derer sie jedoch ein „Monitoring“ für erforderlich gehalten habe, als „vorhergesehene Folgen“ zu qualifizieren seien.
Der Revisionsrekurs des Antragstellers, der sich nur gegen die teilweise Nichtigerklärung der erstinstanzlichen Entscheidung (samt des vorangegangenen Verfahrens) richtet, ist zulässig, weil dem Rekursgericht bei der Beurteilung der (Un-)Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs ein Fehler unterlaufen ist; er ist mit dem Aufhebungsantrag berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1.1. Gemäß § 15 Abs 1 letzter Satz WRG gebührt Fischereiberechtigten für sämtliche aus einem Vorhaben erwachsenden vermögensrechtlichen Nachteile eine angemessene Entschädigung im Sinn des § 117 WRG. Auszugleichen sind danach jedoch nur die durch ein solches Vorhaben vorhersehbar verursachten Nachteile (vgl RS0129005). Demgegenüber sieht § 26 Abs 2 WRG vor, dass der Wasserberechtigte im Fall einer durch den rechtmäßigen Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage (auch durch eine Wasserabkehr; vgl 1 Ob 278/00i) verursachten Beeinträchtigung (ua) eines Fischereirechts für den Ersatz des Schadens haftet, wenn bei der Erteilung der Bewilligung mit dem Eintritt dieser nachteiligen Wirkung überhaupt nicht oder nur in einem geringeren Umfang gerechnet wurde (vgl auch RS0082428 [T4, T11]). Ob und in welchem Ausmaß die Wasserrechtsbehörde (vgl RS0082436) mit nachteiligen Wirkungen gerechnet hat, ist konkret im Hinblick auf die betroffenen Geschädigten und den in Betracht kommenden bestimmten Schadensverlauf zu beurteilen (RS0082436 [T9]).
1.2. Der Unterschied zwischen einer Entschädigung nach § 15 Abs 1 WRG (iVm § 117 Abs 1 WRG) und einem Ersatz nach § 26 Abs 2 WRG besteht also darin, dass es bei ersterer um den Ausgleich für die vorhergesehenen Folgen geht, bei letzterem hingegen um jene nachteiligen Wirkungen, die anlässlich der Bewilligung nicht vorhergesehen wurden (vgl 1 Ob 114/18y), wobei entscheidend ist, ob die Wasserrechtsbehörde mit den eingetretenen Nachteilen „in der Tat“ gerechnet hat, und nicht, ob damit bloß gerechnet werden musste (1 Ob 203/02p).
2. Über einen Antrag auf Entschädigung gemäß § 15 Abs 1 WRG ist nach vorhergehender Entscheidung durch die Wasserrechtsbehörde im Rahmen der sukzessiven Kompetenz vom Gericht im Außerstreitverfahren zu entscheiden (§ 117 Abs 1 iVm Abs 4 und Abs 6 WRG sowie § 24 Abs 1 EisbEG). Demgegenüber ist über einen Ersatzanspruch nach § 26 WRG im streitigen Verfahren zu erkennen (§ 26 Abs 6 WRG). Je nachdem welches Begehren erhoben wird (Ausgleich für von der Wasserrechtsbehörde vorausgesehene oder von dieser nicht vorausgesehene Nachteile), hat die Rechtsdurchsetzung (zunächst) in einem anderen Verfahren (Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren; vgl RS0082436 [T11]) bzw – nach Inanspruchnahme der sukzessiven Kompetenz – in einer anderen Verfahrensart (streitiges oder außerstreitiges Verfahren) zu erfolgen.
3. Ob ein Rechtsschutzantrag im streitigen oder im außerstreitigen Verfahren zu behandeln ist, muss nach dem Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und den zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen beurteilt werden (vgl RS0005896 [T5, T17, T19, T40]). Feststellungen, die das Gericht aufgrund bereits durchgeführter Beweise getroffen hat, sind für diese Beurteilung ebenso ohne Belang (RS0005896 [T26]), wie Einwendungen des Prozessgegners oder ob der behauptete Anspruch inhaltlich begründet ist (vgl RS0005896 [T12, T23]). Dies gilt auch für die Abgrenzung der im Rahmen der sukzessiven Kompetenz vom Gericht im Außerstreitverfahren zu beurteilenden Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs 1 WRG von den im streitigen Verfahren zu prüfenden Ersatzansprüchen nach § 26 WRG, die daher – hinsichtlich der Rechtswegszulässigkeit – ebenfalls nur nach den Behauptungen in der Klage bzw im Antrag zu erfolgen hat (vgl RS0045985). Ein – im streitigen Rechtsweg zu behandelndes – schadenersatzrechtliches Begehren ist jedenfalls anzunehmen, wenn das Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 26 Abs 2 WRG (insbesondere dass mit dem Eintritt des geltend gemachten Schadens bei Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung nicht oder nur in einem geringeren Umfang gerechnet wurde) behauptet wird. Macht der Geschädigte hingegen Nachteile geltend, in Ansehung der die Verwaltungsbehörde im Bewilligungsverfahren ein Entschädigungsbegehren ausdrücklich oder schlüssig abgewiesen hat, kann das Gericht nur nach Maßgabe des § 117 Abs 4 WRG im Rahmen der sukzessiven Kompetenz angerufen werden (RS0045985) und es hat dann gemäß Abs 6 leg cit iVm § 24 Abs 1 EisbEG im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden.
4. Das Rekursgericht prüfte die Prozessvoraussetzung der Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs nicht auf Basis der Behauptungen des Antragstellers sondern anhand der dazu vorliegenden Beweisergebnisse und kam zu dem Ergebnis, dass die Wasserrechtsbehörde mit einem Trockenfallen des „I*****wassers“ (und den dadurch verursachten Nachteilen des fischereiberechtigten Antragstellers) nicht gerechnet habe. Auf das Resultat einer solchen meritorischen Prüfung kommt es jedoch – wie ausgeführt – nicht an, vielmehr ist die Zulässigkeit des Rechtswegs allein anhand des maßgeblichen Entscheidungsbegehrens und den dazu vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen zu beurteilen. Der Antragsteller begehrte eine Entschädigung für jene Nachteile, hinsichtlich derer die Wasserrechtsbehörde seinen Entschädigungsantrag meritorisch abgewiesen hatte, wobei sich dem Antragsvorbringen insgesamt auch die Behauptung entnehmen lässt, dass die Wasserrechtsbehörde damit gerechnet habe, dass es durch die bewilligte Bachabkehr zu einem Trockenfallen (auch) des Fischwassers des Antragstellers (sohin auch des „I*****wassers“) kommen könne. Damit begehrte der Antragsteller aber erkennbar eine Entschädigung nach § 15 Abs 1 WRG und keinen Ersatz nach § 26 Abs 2 WRG, sodass über den Anspruch im außerstreitigen Rechtsweg zu entscheiden ist. Der angefochtene Beschluss ist daher – soweit die erstinstanzliche Entscheidung samt des vorangegangenen Verfahrens wegen Nichtigkeit aufgehoben wurde – aufzuheben. Das Rekursgericht wird sich (was bisher unterblieb) mit dem Rekurs des Antragstellers auch hinsichtlich des aus dem Trockenfallen des „I*****wassers“ abgeleiteten Entschädigungsbegehrens auseinanderzusetzen haben.
5. Der
Kostenvorbehalt beruht darauf, dass das Rekursgericht die Kostenentscheidung einem gesonderten Beschluss nach rechtskräftiger Erledigung der Hauptsache vorbehielt (§ 24 Abs 1 EisbEG iVm dem sinngemäß anzuwendenden § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG).
Textnummer
E127146European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00128.19H.1216.000Im RIS seit
29.01.2020Zuletzt aktualisiert am
29.01.2020