Entscheidungsdatum
07.01.2020Norm
FSG 1997 §7 Abs1 Z2Text
Im Namen der Republik!
Erkenntnis
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Magdalena Honsig-Erlenburg über die Beschwerde des E B, B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 19.09.2019 betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:
Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.
Begründung
1. Mit angefochtenem Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs 1 und Abs 3 Z 9 iVm § 24 Abs 1 Z 1 und § 25 Abs 1 und Abs 3 des Führerscheingesetzes (FSG) die Lenkberechtigung für die Klassen A, B und AM für die Dauer von acht Monaten, gerechnet ab dem 01.10.2019, somit bis einschließlich 01.06.2020 entzogen (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt II. wurde ausgesprochen, dass der Entzugsbescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 25.03.2019 weiterhin aufrecht bleibt, weshalb die Entziehungsdauer jedenfalls nicht vor Befolgung der darin angeordneten Maßnahmen endet. In Spruchpunkt III. wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs 2 VwGVG ausgeschlossen.
2. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt er im Wesentlichen vor, dass die im Bescheid enthaltenen Angaben nicht stimmen würden. So werde unrichtigerweise ausgeführt, dass er am 23.09.2019 sein Fahrzeug wiederholt in Richtung des Fahrzeuges von Herrn M B gelenkt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei der Beschwerdeführer bereits in der Justizanstalt F in Haft gewesen und habe kein Fahrzeug lenken können.
3. Das Landesverwaltungsgericht hat in dieser Angelegenheit eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Folgender Sachverhalt steht fest:
3.1. Der Beschwerdeführer ist Besitzer einer Lenkberechtigung für die Klassen A, B und AM.
3.2. Der Beschwerdeführer hat in B im Zeitraum von 01.06.2009 bis 13.12.2018 gegen Frau S B eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, nämlich durch fortlaufende körperliche Misshandlungen, Körperverletzungen, Nötigungen und gefährliche Drohungen, indem er sie
1. an nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten in einer Vielzahl von Angriffen vorsätzlich am Körper misshandelte, indem er sie mehrfach mit der flachen Hand in das Gesicht schlug, trat, stieß und zog;
2. am 15.01.2012 vorsätzlich am Körper zu verletzen versuchte, indem er sie im Hausflur abpasste und ihr mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzte;
3. am 28.06.2012 am Körper vorsätzlich verletzte, indem er ihr einen Faustschlag in das Gesicht versetzte und sie stieß, wodurch S B zumindest einen Kratzer an der Hand erlitt und
4. am 26.06.2018 durch Gewalt und gefährlich Drohung zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme die Polizei zu rufen, zu nötigen versuchte, indem er sie auf das Bett stieß, sich auf sie setzte, sie am Handgelenk festhielt, ihr das Handy aus der Hand nehmen wollte und sinngemäß äußerte, dass er wegen ihr austicken werde, sie umbringen werde und dann ins Gefängnis gehen müsse.
Zudem hat der Beschwerdeführer S B in B im Zeitraum vom 26.06.2018 bis zum 11.03.2019, sohin eine längere Zeit hindurch in einer Weise, die geeignet war, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, widerrechtlich beharrlich verfolgt, indem er im Wege einer Telekommunikation Kontakt zu ihr herstellte und mehrmals die räumliche Nähe aufsuchte, nämlich trotz aufrechter einstweiliger Verfügung wiederholt ihre Wohnung und ihre Arbeitsstelle aufsuchte, dort auf sie wartete, an der Wohnungstür klingelte und klopfte und sie nachts wiederholt anrief.
Der Beschwerdeführer hat darüber hinaus Herrn M B zu nachgenannten Zeitpunkten, an nachgenannten Orten, zu 1. zumindest mit der Zufügung einer Verletzung am Körper, zu 2. mit dem Tode, gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er
1. am 29.03.2019 in B sein Fahrzeug wiederholt in Richtung des Fahrzeuges von M B lenkte und ihm dadurch den Eindruck vermittelte, als wolle er ihn während der Fahrt von der Straße abdrängen;
2. am 30.03.2019 in H ihm gegenüber äußerte, dass er ihn umbringen werde.
Zudem hat der Beschwerdeführer M B am 30.03.2019 in H vorsätzlich am Körper verletzt und eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung herbeizuführen versucht, indem er mit einem ca 5 cm dicken und über einem Meter langen Holzstab zumindest zweimal gezielt und mit voller Wucht in den Kopfbereich des M B schlug, wobei M B beide Schläge gerade noch mit dem Arm abwehren konnte und lediglich eine Prellung des linken Unterarms erlitt.
Wegen dieser Vorfälle wurde der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts F vom 26.04.2019 wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und Abs 2 Strafgesetzbuch (StGB), wegen des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und Abs 2 Z 1 und Z 2 StGB, wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB und wegen des Verbrechens der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.
Diese Strafe wurde in Anwendung des § 28 StGB nach § 84 Abs 4 StGB unter Bedachtnahme auf das rechtskräftige Urteil des Landesgerichts F vom 21.11.2018, mit welchem der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten sowie zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt wurde, verhängt. Als mildernd wurden das teilweise Geständnis und der teilweise Versuch, als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von mehreren Vergehen, der längere Tatzeitraum, der rasche Rückfall, die Begehung während eines anhängigen Verfahrens und die Tatwiederholungen gewertet.
3.3. Der Beschwerdeführer hat darüber hinaus seit dem Jahr 2014 ua drei Verwaltungsübertretungen gemäß StVO begangen. Diese drei Verfahren sind alle rechtskräftig abgeschlossen.
3.4. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 25.03.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs 1 und Abs 3 Z 3 iVm § 24 Abs 1 Z 1, § 25 Abs 1 und § 26 Abs 2a FSG die Lenkberechtigung für die Klassen A, B und AM für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab der nachweislichen Zustellung des Bescheides, entzogen. Zudem wurde dem Beschwerdeführer in Spruchpunkt II. aufgetragen, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 FSG sowie eine verkehrspsychologische Stellungnahme beizubringen. Gemäß § 29 Abs 3 FSG wurde verfügt, dass der Führerschein unverzüglich bei der Behörde oder der nächsten Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes abzugeben ist (Spruchpunkt III.). Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde ausgeschlossen (Spruchpunkt IV.).
4. Dieser Sachverhalt wird auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grund der mündlichen Verhandlung am 19.12.2019 und auf Grund der Aktenlage, als erwiesen angenommen und ist unstrittig.
4.1. Die Feststellungen zu den Straftaten konnten aufgrund des rechtskräftigen Urteiles des LG F vom 26.04.2019 bzw aufgrund des rechtskräftigen Urteiles des LG F vom 21.11.2018 getroffen werden. Der Beschwerdeführer bestreitet zum Teil, dass er diese Straftaten begangen hat. Hinsichtlich der Bindungswirkung an ein rechtskräftiges (Straf-) Urteil wird auf die Ausführungen unter Punkt 5.2. verwiesen.
4.2. Die entscheidungsrelevanten drei weiteren Verwaltungsübertretungen seit dem Jahr 2014 ergeben sich aus der im Behördenakt befindlichen Übersicht über die Verwaltungsstrafverfahren betreffend den Beschwerdeführer. Diese Übertretungen werden auch nicht bestritten.
5.1. Nach § 24 Abs 1 Z 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.
Gemäß § 3 Abs 1 Z 2 FSG gehört zu den allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung die Verkehrszuverlässigkeit (§ 7).
Nach § 7 Abs 1 Z 1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs 3) und ihrer Wertung (Abs 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird.
§ 7 Abs 3 FSG führt beispielhaft jene bestimmten Tatsachen an, auf Grund derer bei entsprechender Wertung die Verkehrsunzuverlässigkeit angenommen werden muss. Demnach hat als solche Tatsache nach Z 9 insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat.
Für die Wertung der in Abs 1 genannten und in Abs 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist (§ 7 Abs 4 FSG).
Gemäß § 7 Abs 5 FSG gelten strafbare Handlungen jedoch dann nicht als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs 1, wenn die strafbare Handlung vor mehr als fünf Jahren begangen wurde. Für die Frage der Wertung bestimmter Tatsachen gemäß Abs 3 sind jedoch strafbare Handlungen auch dann heranzuziehen, wenn sie vor mehr als fünf Jahren begangen wurden.
Nach § 25 Abs 1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.
Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen (§ 25 Abs 3 erster Satz FSG).
5.2. Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Der Prognose der belangten Behörde hinsichtlich seiner Verkehrsunzuverlässigkeit ist nicht entgegenzutreten:
Der Beschwerdeführer wurde, wie unter Punkt 3.2. festgestellt, rechtskräftig wegen den festgestellten Verbrechen und Vergehen zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Unter anderem hat er das Verbrechen der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB sowie das Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und Abs 2 StGB begangen.
Liegt eine rechtskräftigte Vorfragenentscheidung vor, so mangelt es jedenfalls an einer Voraussetzung für die Anwendung des § 38 AVG (VwGH 31.08.2004, 2004/21/0182). Die Behörde ist vielmehr verpflichtet, diese Entscheidung ihrer rechtlichen Beurteilung und damit ihrer eigenen Entscheidung zugrunde zu legen (VwGH 14.05.2001, 2000/10/0198). Das erkennende Gericht ist an rechtskräftige Bestrafungen insofern gebunden, als damit die Tatsache der Handlungen, derentwegen die Bestrafung erfolgte, feststeht (vgl VwGH 27.02.2008, 2007/03/0222).
Das Landesverwaltungsgericht ist an das rechtskräftige Urteil des LG F vom 26.04.2019 gebunden. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung ist die Schuld von ihm durch das rechtskräftige Urteil bewiesen worden. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, dass er – entgegen der Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid - am 23.09.2019 kein Fahrzeug wiederholt in Richtung des Fahrzeuges von M B lenken habe können, da er zu diesem Zeitpunkt bereits in der Justizanstalt F in Haft gewesen sei, muss ausgeführt werden, dass die belangte Behörde offenbar aufgrund eines Versehens statt des Datums „29.03.2019“ das Datum „23.09.2019“ verwendete und dass es sich hierbei ganz offensichtlich um einen Schreibfehler der belangten Behörde handelt. Es ist jedoch aufgrund des im rechtskräftigen Urteil des LG F umschriebenen Sachverhaltes, auf welchen sich auch die belangte Behörde eindeutig bezieht, klar ersichtlich, dass vom 29.03.2019 auszugehen ist.
Die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen versuchter schwerer Körperverletzung stellt eine in der Wertung gemäß § 7 Abs 4 FSG zu seinem Nachteil (zwingend) zu berücksichtigende bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs 3 Z 9 FSG dar (s dazu auch den diesbezüglichen Wortlaut: „Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand […] begangen hat“).
Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer auch wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und Abs 2 StGB rechtskräftig verurteilt. Der Tatbestand des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und 2 StGB ist nicht in der demonstrativen Aufzählung des § 7 Abs 3 FSG enthalten.
Bei diesem Vergehen handelt es sich – nach der Einteilung des StGB – um eine strafbare Handlung gegen die Freiheit.
Gemäß § 107b Abs 1 StGB ist, wer gegen eine andere Person eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausübt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
Nach Abs 2 übt Gewalt im Sinne von Abs 1, wer eine andere Person am Körper misshandelt oder vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben oder gegen die Freiheit mit Ausnahme der strafbaren Handlungen nach §§ 107a, 108 und 110 StGB begeht.
§ 107b StGB wurde unter die Freiheitsdelikte eingeordnet, weil der Deliktstypus vorrangig nicht die körperliche Unversehrtheit schützt, sondern ein Leben in Freiheit vor Gewaltakten gewährleisten soll (s EBRV 2. GeSchG 24, JAB 106 BlgNR 24. GP 22), zu denen insbesondere auch Drohungen zählen.
Ein Täter, der nach § 107b Abs 1 StGB verurteilt wird, kann nicht zusätzlich für Verletzungs-delikte nach §§ 83 und 84 Abs 1 StGB (seit dem StRÄG 2015 nicht mehr § 84 Abs 4), die Delikte nach § 92 Abs 1 und § 93 Abs 1 StGB, Nötigungen nach § 105 StGB, gefährliche Drohungen nach § 107 StGB (auch qualifiziert) und Hausfriedensbrüche nach § 109 StGB bestraft werden, weil diese verdrängt werden, weil sie alle höchstens mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht sind (Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 107b [Stand 1.5.2016, rdb.at], Rz 54). Echte Konkurrenz des § 107b StGB mit derartigen Delikten ist nur denkbar, wenn der Täter diese Delikte ohne den für § 107b geforderten Vorsatz auf eine längere fortgesetzte Gewaltausübung begeht (OGH 13 Os 71/12h, 72/12f, 14 Os 88/13t, 12 Os 118/13i, 12 Os 138/14g, RIS-Justiz RS0128942).
Wie unter Punkt 3.2. festgestellt wurde, hat der Beschwerdeführer eine namentlich genannte Frau über einen längeren Zeitraum (über neun Jahre) ua mehrfach am Körper misshandelt und auch verletzt. Er wurde nicht gemäß § 83 StGB verurteilt, da er durch die fortgesetzten Handlungen den Tatbestand des § 107b StGB erfüllt hat. Er hat jedoch durch die vorsätzlichen Körperverletzungen den Straftatbestand des § 83 StGB mehrfach verwirklicht (zu unterschiedlichen Zeitpunkten). Aufgrund der fortgesetzten Gewaltausübung war er jedoch nach der strengeren Strafnorm des § 107b StGB zu verurteilen (vgl dazu die og Judikatur des OGH). Diese Straftat wurde über einen längeren Zeitraum hinweg gesetzt und endete erst vor ca 12 Monaten.
Gemäß § 7 Abs 3 Z 9 FSG hat als bestimmte Tatsache iSd Abs 1 insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat. Das vom Beschwerdeführer unter Punkt 3.2. festgestellte Verhalten betreffend die fortgesetzte Gewaltausübung gegen eine namentliche genannte Frau stellt aus diesen Gründen – Tatbestand des § 83 StGB mehrfach erfüllt – eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs 3 Z 9 FSG dar, auch wenn § 107b StGB nicht in der demonstrativen Aufzählung des § 7 Abs 3 FSG enthalten ist. Dies insbesondere deshalb, weil im konkreten Fall durch den Beschwerdeführer mehrfach der Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung (iSd § 83 StGB) verwirklicht wurde.
Bei einem Delikt nach §§ 83 und 84 StGB handelt es sich nicht um einen in § 26 FSG angeführten Sachverhalt, der zwingend eine Entziehung der Lenkberechtigung für einen fixen Zeitraum oder einen Mindestzeitraum nach sich zieht, ohne dass es einer Wertung nach § 7 Abs 4 FSG bedarf.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt es bei Gewaltdelikten, wie jenen in § 7 Abs 3 Z 9 FSG angeführten, nicht darauf an, dass sie im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen begangen werden (vgl VwGH 27.05.1999, 98/11/0136, zum damals geltenden § 7 Abs 4 Z 3 FSG, der dem nunmehrigen § 7 Abs 3 Z 9 FSG entspricht). Es ist auch bei diesen Delikten erforderlich, eine Wertung in Bezug auf § 7 Abs 1 Z 1 FSG durchzuführen, ob das Verhalten des Verurteilten nicht auf eine Sinnesart hinweist, auf Grund der anzunehmen ist, dass die betreffende Person im Sinne des § 7 Abs 1 Z 1 FSG beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit. Es muss daher von Kraftfahrzeuglenkern wegen der im Straßenverkehr häufig auftretenden Konfliktsituationen eine gegenteilige, nämlich nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Sinnesart erwartet werden. Unbeherrschte Aggressivität lässt befürchten, dass die betreffende Person entweder mit betont aggressiver Fahrweise oder aggressivem Verhalten nach einem allfälligen Verkehrsunfall auf vermeintliches oder tatsächliches Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer reagiert. Es kommt daher - wie erwähnt - bei Gewaltdelikten wie der gegenständlichen Art nicht darauf an, dass sie im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen begangen werden. Der vom Gesetz vorausgesetzte Zusammenhang zwischen solchen Delikten und dem Lenken von Kraftfahrzeugen besteht vielmehr in der aufgezeigten Art und Weise.
In Anlehnung an die Kriterien für die Festlegung der Dauer der Verkehrsunzulässigkeit in den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 14.09.2004, 2004/11/0119, sowie vom 28.06.2001, 2001/11/0114, kommt das Verwaltungsgericht im Rahmen der Wertung nach § 7 Abs 4 FSG zu folgendem Ergebnis:
Der Beschwerdeführer hat aufgrund des von ihm am 30.03.2019 getätigten Verhaltens ein strafrechtlich relevantes Delikt nach § 84 Abs 4 StGB gesetzt. Auch wenn es bei der versuchten schweren Körperverletzung geblieben ist, hat der Beschwerdeführer versucht, mit einem Holzstab gezielt in Richtung des Kopfes des Opfers zu schlagen. Selbst wenn seit Jahren Unstimmigkeiten mit dem Opfer und Spannungen bestehen, hat der Beschwerdeführer bei diesem Vorfall insgesamt betrachtet unbeherrscht aggressiv gehandelt. Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung selbst an, dass er wütend gewesen sei und für ihn die Demütigungen durch das Opfer unerträglich gewesen seien, sodass er mit einem Holzstab als Tatwaffe auf das Opfer eingeschlagen habe. Der Beschwerdeführer ließ sich von seiner Tat auch nicht durch die Tatsache abhalten, dass sich seine Kinder zum Tatzeitpunkt in seinem geparkten Fahrzeug - unmittelbar neben dem Tatort (zu welchem er mit seinem Fahrzeug gelangt ist) – befunden haben; darin zeigt sich eine zu Aggressionen gegen andere Personen neigende Sinnesart des Beschwerdeführers. Seit Beendigung dieser Tat ist nicht einmal ein Jahr vergangen.
Im Rahmen der Wertung dieses deliktischen Verhaltens nach § 84 Abs 4 StGB ist zudem zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer die versuchte schwere Körperverletzung am 30.03.2019 im Zusammenhang mit einer gefährlichen Drohung gemäß § 107 StGB (Urteil des Landesgerichtes F vom 26.04.2019) verwirklicht hat. Der Beschwerdeführer hat M B mit der Äußerung, er werde ihn umbringen, bedroht. Dieses Verhalten des Beschwerdeführers ist von besonderer Gewaltbereitschaft geprägt. Zudem hat der Beschwerdeführer am 29.03.2019 sein Fahrzeug wiederholt in Richtung des Fahrzeuges von M B gelenkt und ihm dadurch den Eindruck vermittelt, als wolle er ihn während der Fahrt von der Straße abdrängen. Dadurch hat er ebenfalls das Vergehen der gefährlichen Drohung gemäß § 107 StGB (Urteil des Landesgerichtes F vom 26.04.2019) verwirklicht. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer zur Durchführung seiner Tat ein Kraftfahrzeug verwendet hat. Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer M B im Straßenverkehr mit seinem Fahrzeug bedrängt hat, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr gefährden wird.
Darüber hinaus zeigt sich das hohe Aggressionspotential des Beschwerdeführers auch durch die Verwirklichung des Tatbestandes des § 107b StGB. Im konkreten Fall hat der Beschwerdeführer über einen Tatzeitraum von über neun Jahren gegen seine nunmehr geschiedene Ehegattin fortgesetzte Gewalt ausgeübt hat, nämlich durch fortlaufende körperliche Misshandlungen, Körperverletzungen, Nötigungen und gefährliche Drohungen. Diese fortgesetzte Gewaltausübung, welche sich über einen längeren Tatzeitraum erstreckt hat, zeigt deutlich, dass der Beschwerdeführer zu Gewalttätigkeiten neigt.
Schließlich wurde unter Punkt 3.3. festgestellt, dass der Beschwerdeführer drei weitere Verwaltungsübertretung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften seit 2014 zu verantworten hat. Dies zeigt, dass der Beschwerdeführer es offenbar mit der Einhaltung von straßenverkehrsrechtlichen Regelungen nicht so genau nimmt.
Angesichts des verwerflichen, nicht ungefährlichen Verhaltens hinsichtlich der versuchten schweren Körperverletzung vom 30.03.2019 und hinsichtlich der mehrfachen Verletzungen und Misshandlungen einer namentlich genannten Frau über einen längeren Zeitraum (über neun Jahre) und aufgrund des Umstandes, dass die Zeit zwischen dem Vorfall am 30.03.2019 und dem angefochtenen Bescheid zu kurz war, um von einem längeren Zeitraum des Wohlverhaltens ausgehen zu können, erscheint dem Landesverwaltungsgericht die von der Behörde festgesetzte Entziehungsdauer von acht Monaten im Hinblick auf § 25 Abs 3 erster Satz FSG, welcher im Falle einer Verkehrsunzuverlässigkeit eine Mindestziehungsdauer von drei Monaten vorsieht, als gerechtfertigt bzw nicht übermäßig lange.
5.3. Nach 13 Abs 2 VwGVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen. Bei einem Entzug der Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit liegt jedenfalls ein öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollstreckung des Bescheides vor (vgl VwGH 29.09.2005, 2005/11/0123).
6. Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Führerscheinentzug, fortgesetzte Gewaltausübung, bestimmte TatsacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGVO:2020:LVwG.411.73.2019.R18Zuletzt aktualisiert am
17.01.2020