TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/22 W209 2209989-1

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Veröffentlicht am 22.08.2019
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Entscheidungsdatum

22.08.2019

Norm

ASVG §18b
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W209 2209989-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 29.08.2018, HVBA- XXXX , betreffend Abweisung eines Antrages auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen gemäß § 18b Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin stellte am 02.02.2017 bei der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG für Zeiten der Pflege einer im Antrag näher bezeichneten nahen Angehörigen (Mutter) ab 11.10.2016.

2. Die belangte Behörde lehnte mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 29.08.2018 den Antrag mit der Begründung ab, dass die Pflegeperson kein Pflegegeld der Stufe 3 oder höher bezogen habe und die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin für die Pflege nicht erheblich beansprucht worden sei.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde, in der sie im Wesentlichen ausführte, dass ihre Mutter seit Oktober 2016 nachweislich Pflegegelt der Stufe 5 beziehe.

4. Die belangte Behörde sah von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ab und legte die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens am 23.11.2018 einlangend dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Dabei führte sie näher aus, dass sich der Ablehnungsgrund des mangelnden Bezugs von Pflegegeld ab der Stufe 3 auf den Zeitraum Februar bis September 2016 bezogen habe, da die Pflegeperson in diesem Zeitraum lediglich Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 2 gehabt habe. Zu dem weiteren im angefochtenen Bescheid angeführten Ablehnungsgrund, dass durch die Pflege die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin nicht erheblich beansprucht worden sei, wurde ausgeführt, dass basierend auf den Angaben der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren der Großteil der Pflegeleistungen von einer 24-Stunde-Pflege erbracht werden würden. Auf die Beschwerdeführerin entfielen demnach nur durchschnittlich 11 Stunden und 12 Minuten wöchentliche Pflege. Im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der Pflegebedarf wöchentlich 14 Stunden betragen müsse, um von einer erheblichen Beanspruchung der Arbeitskraft ausgehen zu können, sei diese Voraussetzung zu verneinen gewesen.

5. Mit Parteiengehör vom 28.11.2018 wurde der Beschwerdeführerin die Äußerung der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit geboten, hierzu schriftlich Stellung zu nehmen. Bis dato langte keine Stellungnahme der Beschwerdeführerin bei Gericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:

Die in Wien wohnhafte Beschwerdeführerin stellte am 02.02.2017 einen Antrag auf Selbstversicherung für eine im angefochtenen Bescheid näher bezeichnete nahe Angehörige, die seit 01.10.2016 Pflegegeld der Stufe 5 bezieht und von der Beschwerdeführerin unter Einsatz ihrer Arbeitskraft im Ausmaß von durchschnittlich 11 Stunden und 12 Minuten wöchentlich in häuslicher Umgebung gepflegt wird.

Laut Antrag wird die Selbstversicherung ab 11.10.2016 begehrt.

2. Beweiswürdigung:

Die Antragstellung sowie der Umstand, dass die nahe Angehörige seit Oktober 2016 Pflegegeld der Stufe 5 bezieht, stehen aufgrund der Aktenlage als unstrittig fest.

Das festgestellte Ausmaß der wöchentlich beanspruchten Arbeitskraft der Beschwerdeführerin gründet auf den schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben der belangten Behörde in ihrer Äußerung vom 23.11.2018, welche sie auf ein ärztliches Gutachten und die Angaben der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren gestützt hat.

Der Beschwerdeführerin wurde Gelegenheit geboten, sich zu den Feststellungen der belangten Behörde zu äußern. Mangels eines stichhaltigen Bestreitungsvorbringens bzw. gegenteiliger Anhaltspunkte wurden die Angaben der belangten Behörde zum festgestellten Sachverhalt erhoben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit im ASVG liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Die im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. 189/1955, lautet:

§ 18b ASVG idF BGBl. I Nr. 138/2013:

"Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger

§ 18b. (1) Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Je Pflegefall kann nur eine Person selbstversichert sein. Die Pflege in häuslicher Umgebung wird durch einen zeitweiligen stationären Pflegeaufenthalt der pflegebedürftigen Person nicht unterbrochen.

(1a) Die Selbstversicherung ist für die Zeit einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. j auf Grund des Bezuges eines aliquoten Pflegekarenzgeldes ausgeschlossen.

(2) Die Selbstversicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, den die pflegende Person wählt, frühestens mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Pflege aufgenommen wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der dem Tag der Antragstellung folgt.

(3) Die Selbstversicherung endet mit dem Ende des Kalendermonats,

1. in dem die Pflegetätigkeit oder eine sonstige Voraussetzung nach Abs. 1 weggefallen ist oder

2. in dem die pflegende Person den Austritt aus dieser Versicherung erklärt hat.

(4) Der Versicherungsträger hat ab dem dem Beginn der Selbstversicherung folgenden Kalenderjahr regelmäßig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Selbstversicherung noch gegeben sind. Die selbstversicherte Person ist verpflichtet, das Ende der Pflegetätigkeit innerhalb von zwei Wochen dem Versicherungsträger zu melden.

(5) Das Ende der Selbstversicherung steht hinsichtlich der Berechtigung zur Weiterversicherung in der Pensionsversicherung dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 lit. a gleich.

(6) Die selbstversicherte Person ist dem Zweig der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz zugehörig, in dem sie zuletzt Versicherungszeiten erworben hat. Liegen keine Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz vor, so ist die selbstversicherte Person der Pensionsversicherung der Angestellten zugehörig."

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Das Begehren der Beschwerdeführerin ist darauf gerichtet, den Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Anspruch auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung ab 11.10.2016 anerkannt wird, da ihre Mutter, die sie unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflege, seit diesem Zeitpunkt Pflegegeld der Stufe 5 beziehe.

Dieses Vorbringen vermag jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Gemäß § 18b Abs. 1 ASVG können sich Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern.

Demnach ist für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen neben dem Bezug von Pflegegeld ab der Stufe 3 durch die zu pflegende Person eine erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft der pflegenden Person erforderlich.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Jänner 2017, Ro 2014/08/0084, klargestellt hat, ist eine erheblichen Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege im Sinn des § 18b ASVG bei einem durchschnittlichen Pflegeaufwand ab 14 Stunden wöchentlich bzw. ab 60 Stunden monatlich anzunehmen.

Den Feststellungen zufolge beträgt der durchschnittliche Pflegeaufwand der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall jedoch nur 11 Stunden und 12 Minuten wöchentlich. Damit ist im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung nicht von einer erheblichen Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin auszugehen.

Damit erfolgte die Abweisung des Antrages durch die belangte Behörde zu Recht, weswegen die Beschwerde dagegen gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen ist.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 3 1. Satz VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Die Beschwerdeführerin hat einen solchen Antrag auf mündliche Verhandlung nicht gestellt. Zwar wird das Unterlassen der Antragstellung im Fall unvertretener oder rechtsunkundiger Parteien nicht als (schlüssiger) Verzicht gewertet (vgl. VwGH vom 14.06.2012, 2011/10/0177), das Bundesverwaltungsgericht erachtete jedoch die amtswegige Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG nicht für erforderlich, weil der maßgebliche Sachverhalt unbestritten feststeht und zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist.

Da somit auch keine Fragen der Beweiswürdigung auftraten, welche die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätten, stehen dem Entfall der Verhandlung auch weder Artikel 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch

Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen (vgl. VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140).

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Arbeitskraft, Pflegebedarf, Pflegegeld, Selbstversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W209.2209989.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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