TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/7 L524 2138040-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.05.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

07.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L524 2138041-1/18E

L524 2138040-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde von (1.) XXXX , geb. XXXX , StA. Irak und (2.) XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, beide vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 1170 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2016, (1). Zl. 1079261110/150912465, (2.) Zl. 1079260701/150912444, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.03.2019, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer sind irakische Staatsangehörige, reisten illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten jeweils am 22.07.2015 Anträge auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag erfolgten Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er Araber und Moslem sei. Seine Eltern, ein Bruder und drei Schwestern würden noch im Irak leben. Der Erstbeschwerdeführer habe in XXXX gelebt und sei am 07.06.2015 legal aus dem Irak ausgereist. Sein Reisepass befinde sich bei Freunden in der Türkei.

Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor: "Wegen dem Krieg.".

Die Zweitbeschwerdeführerin gab ihrer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Wesentlichen an, dass sie Araberin und Moslemin sei. Im Irak würden noch ihre Eltern und drei Brüder leben. Sie stamme aus XXXX und habe den Irak legal am 07.06.2015 verlassen. Hinsichtlich ihres Fluchtgrundes brachte sie vor: "Wegen dem Krieg.".

2. Am 30.08.2016 wurden die Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Der Erstbeschwerdeführer gab zu seinem Fluchtgrund an, dass er den Irak wegen der Lage dort verlassen habe. Der IS habe am 23.03.2014 sein Auto verbrannt, sei in seinen Ort einmarschiert, habe viele Personen getötet und gesagt, die Bewohner seines Ortes seien Anhänger der irakischen Regierung. Zudem seien die Milizen in seinen Ort einmarschiert und hätten gesagt, dass dies ein sunnitisches Viertel sei. Seine Familie sei kommunistisch. Jeder Kommunist würde als ungläubig bezeichnet werden. Sie seien mehrmals vom IS bedroht worden. Das Leben sei schwierig geworden und er habe die Universität nicht abschließen und auch seine Arbeit nicht fortsetzen können. 20 Tage vor der Ausreise habe sein Vater einen Drohbrief mit einer Patrone erhalten. Darin seien die Namen seiner Familie sowie sein Name gestanden. Er habe auch eine SMS bekommen, die auch eine "Art Drohung" gewesen sei. Das Mobiltelefon habe er aber verloren, weshalb er die SMS nicht zeigen könne. Auch im Jahr 2007 seien sie bzw. sein Vater bedroht worden.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass sie zu einer kommunistischen Familie gehöre. Sie habe im Irak drei Jahre eine Krankenschwesternschule besucht. Sowohl über die Schule als auch über die Schüler sei schlecht geredet worden. Ihr Mann sei bedroht worden. Ihr Name sie in dem Drohbrief gestanden, den ihr Mann vorgelegt habe. Ihre ganze Familie sei bedroht worden. Viele ihrer Verwandten seien getötet worden. Sie würden von der Regierung als Ungläubige angesehen werden. Sie würden von der Regierung und den Milizen bekämpft werden. Zwei Monate vor ihrer Ausreise sei ihr Ehegatte per SMS bedroht worden und 20 Tage vor der Ausreise habe er einen Drohbrief bekommen.

3. Mit den Bescheiden des BFA vom 05.10.2016, (1). Zl. 1079261110/150912465 und (2.) Zl. 1079260701/150912444 wurden die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkte I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkte II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkte III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass eine Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht worden sei. Es sei auch davon auszugehen, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Eine Interessenabwägung ergebe, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

4. Gegen diese Bescheide richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde.

5. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 26.03.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur die Beschwerdeführer als Parteien teilnahmen. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde. Den Beschwerdeführern wurde die Gelegenheit eingeräumt, ihr jeweiliges Fluchtvorbringen zu schildern. Die Beschwerdeführer legten Dokumente betreffend ihre Integration in Österreich vor. Den Beschwerdeführern wurden im Rahmen der Verhandlung Berichte zur Lage im Irak ausgehändigt und hierzu eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt. Mit Schreiben vom 09.04.2019 langte eine schriftliche Stellungnahme der Beschwerdeführer ein. Darin wird im Wesentlichen unter Zugrundelegung verschiedener länderkundlicher Informationsquellen, die Aktivität des IS, die Lage für Sunniten im Irak sowie die Versorgungslage im Irak dargelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind verheiratet, irakische Staatsangehörige, Araber und sunnitische Moslems. Der Erstbeschwerdeführer besuchte zwölf Jahre die Schule und drei Jahre eine Universität. Ab dem Jahr 2014 bis zur Ausreise aus dem Irak arbeitete der Erstbeschwerdeführer in einer XXXX . Die Zweitbeschwerdeführerin besuchte zwölf Jahre, bis ca. Anfang April 2015, die Schule. Sie machte zuletzt eine Ausbildung als Krankenpflegerin.

Der Erstbeschwerdeführer lebte mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder in einem Eigentumshaus in XXXX in der Provinz XXXX . Seine Eltern und sein Bruder leben noch in diesem Haus. In XXXX leben noch drei verheiratete Schwestern des Erstbeschwerdeführers. Sein Vater arbeitet in der XXXX , in der auch der Erstbeschwerdeführer vor seiner Ausreise tätig war. Seine Mutter arbeitet als Beamtin. Die Ehegatten seiner Schwestern arbeiten als Verkehrspolizist, bei der Gemeinde und als Taxifahrer. Zudem leben neun Onkel und acht Tanten des Erstbeschwerdeführers in XXXX . Ein Onkel betreibt ein Lebensmittelgeschäft und ein weiterer Onkel ist Beamter. Der Erstbeschwerdeführer steht in Kontakt mit seinen Familienangehörigen.

Die Zweitbeschwerdeführerin lebte mit ihren Eltern und vier Geschwistern in einem Haus XXXX in der Provinz XXXX . Ihre Eltern sowie drei Brüder leben noch in XXXX . Im Irak leben noch acht Onkel und sechs Tanten der Zweitbeschwerdeführerin. Einige Tanten leben in Bagdad, die übrigen Verwandten leben in XXXX . Zudem leben Cousins und Cousinen der Zweitbeschwerdeführerin im Irak. Der Vater der Zweitbeschwerdeführerin ist Beamter, von dessen Gehalt die Familie lebt.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin verließen ca. im Juni 2015 legal den Irak und reisten schlepperunterstützt nach Österreich, wo sie am 22.07.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten. Danach reisten die Beschwerdeführer nach Schweden weiter und kehrten ca. im Februar 2016 nach Österreich zurück, wo sie sich seither aufhalten.

Die von den Beschwerdeführern vorgebrachten Fluchtgründe, wonach sie Kommunisten seien und vom IS, Milizen und der Regierung bedroht würden, werden der Entscheidung nicht zugrunde gelegt.

Die Beschwerdeführer befinden sich in der Grundversorgung und sind strafrechtlich unbescholten. Die Beschwerdeführer sind gesund. Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem Erstbeschwerdeführer eine Niere fehlt.

Der Erstbeschwerdeführer besuchte von 03.03.2017 bis 12.05.2017 einen Deutschkurs auf dem Niveau A1.1, sowie von 22.05.2017 bis 04.08.2017 und von 28.08.2017 bis 27.10.2017 einen Deutschkurs auf dem Niveau A1.2. Seit Februar 2017 beschäftigt er sich bei XXXX , insbesondere beim dortigen Projekt XXXX . In diesem Zusammenhang nahm er auch an einem zweitägigen Seminar teil. Er hielt von 19.10.2017 bis 21.12.2017 ehrenamtlich einen Computergrundkurs für arabischsprechende Teilnehmer ab. Der Erstbeschwerdeführer war für die Gemeinde XXXX ehrenamtlich in privaten Helfereinsätzen, als Ansprechperson zur Koordination arabischsprechender Helfer sowie im Bauhof zur Beaufsichtigung der wöchentlichen Altpapier- und Biomüllsammlung eingesetzt. Er ist auch seit ca. zwei Jahren in einem nicht näher feststellbaren Ausmaß für den " XXXX " ehrenamtlich tätig. Von Dezember 2018 bis Jänner 2019 war er bei einer Theaterproduktion unterstützend tätig und er ist Elternlotse.

Die Zweitbeschwerdeführerin besuchte von 03.03.2017 bis 12.05.2017 einen Deutschkurs auf dem Niveau A1.1, von 22.05.2017 bis 04.08.2017 auf dem Niveau A1.2, von 11.09.2017 bis 22.11.2017 auf dem Niveau A2.1, von 16.04.2018 bis 08.06.2018 auf dem Niveau A2.2 und von 25.06.2018 bis 02.08.2018 sowie von 29.10.2018 bis 12.12.2018 auf dem Niveau A2.3 und hat am 22.12.2018 die Integrationsprüfung des Österreichischen Integrationsfonds auf dem Sprachniveau A2 sowie zu Werte- und Orientierungswissen bestanden. Die Zweitbeschwerdeführerin hat am 16.06.2018 den Kurs "Clearing Pflichtschulabschluss Klasse B" der Volkshochschule bestanden, der Kurs wurde jedoch nicht durchgeführt. Die Zweitbeschwerdeführerin besucht seit ca. 2017 einen Mädchentreff der XXXX . Die Zweitbeschwerdeführerin war in einem nicht näher feststellbaren Ausmaß bis zumindest Oktober 2018 ehrenamtlich für den " XXXX " und einen Flohmarkt tätig. Dass die Zweitbeschwerdeführerin ehrenamtlich für die Gemeinde XXXX tätig war und ein Praktikum in einem Seniorenheim absolviert hat konnte nicht festgestellt werden.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus. Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt. Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser. 97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus. Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Dora, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

Der Konflikt mit dem IS hat die Wirtschaft des Irak geschwächt. Die irakische Wirtschaft ist weiterhin stark vom Öl abhängig und ihr wirtschaftliches Vermögen hängt eng mit den globalen Ölpreisen zusammen. Die Weltbank prognostiziert, dass sich die Wirtschaft durch den Wiederaufbau nach Konflikten und die Verbesserung der Sicherheitslage erholen wird.

Die Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheitsversorgung, es gibt ein staatliches Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten sind vom Staat bereitzustellen. Die medizinische Grundversorgung erfolgt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Kliniken. Die Gesundheitsinfrastruktur hat unter jahrzehntelangen Konflikten gelitten. Das Gesundheitswesen ist begrenzt, insbesondere in von Konflikten betroffenen Gebieten und in Gegenden mit einer großen Anzahl von Binnenvertriebenen.

Die Verfassung sieht eine obligatorische Grundschulausbildung vor. Für Kinder in der Region Kurdistan besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren. Der Irak war einst regional führend in der Bildung, aber jahrelange Konflikte haben zu sinkenden Bildungsergebnissen geführt. Gemeinschaften bauen Schulen wieder auf. Das US-Außenministerium berichtet, dass Tausende von Schulen in ehemals von IS betroffenen Gebieten wiedereröffnet wurden, aber Kindern von Binnenvertriebenen, insbesondere außerhalb von Lagern, weiterhin die Schulbildung verweigert wird. Wohlhabende Familien in Bagdad haben Zugang zu höherer Bildung von privaten und internationalen Schulen. Die privaten Schulgebühren in Bagdad betragen durchschnittlich rund 1.300 USD pro Monat.

Der öffentliche Sektor ist bei weitem der größte Arbeitgeber und der private Sektor ist unterentwickelt. Während die Regierung den größten Teil ihrer Einnahmen aus Ölexporten erwirtschaftet, beschäftigt die Ölindustrie nur wenige Mitarbeiter. Die Regierung beschäftigt schätzungsweise 40 Prozent der irakischen Arbeitskräfte. Im UNDP-Bericht 2016 wurde eine Arbeitslosenquote von 16,9 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit auf 35,1 Prozent geschätzt.

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status. Die Verfassung sieht eine Hohe Kommission für Menschenrechte vor.

Mehrere Faktoren beeinflussen die Sicherheitslage im Irak, einschließlich der Aktionen verbliebener IS-Kämpfer (oder anderer extremistischer Kämpfer, die seit der Niederlage von IS aufgetaucht sind), anderer bewaffneter Gruppen (einschließlich der staatlich sanktionierten Popular Mobilization Forces) und historische Spannungen innerhalb der Schiiten und innerhalb der Sunniten. In der Region Kurdistan wird die Sicherheitslage durch Spannungen zwischen der Bundesregierung und der KRG, Spannungen zwischen verschiedenen kurdischen politischen Blöcken und Maßnahmen der Türkei und des Irans beeinflusst.

Die verbleibenden IS- und andere extremistische Kämpfer sowie der zunehmende Einfluss der PMF sind die akutesten Probleme, die die gegenwärtige Sicherheitslage im gesamten Irak beeinflussen. Am 15. Januar 2018 griff der IS einen Markt im Zentrum von Bagdad an, wobei mindestens 38 Menschen getötet und 105 verletzt wurden. In der irakischen Region Kirkuk wurden 25 Menschen im Vorfeld der nationalen Wahlen vom IS getötet. Der IS behauptet, seit Dezember 2017 58 Angriffe in der Region durchgeführt zu haben. In der Region Kurdistan tötete der IS im Juni 2018 12 Mitglieder einer Familie. Zu den zahlreichen schiitischen bewaffneten Gruppen im Irak gehören Saraya Al-Salam (SAS, auch Friedensbrigaden genannt, die zum Teil aus ehemaligen Mahdi-Armeekämpfern bestehen), Asaib Ahl al-Haq (AAH), Kataib Hizbullah (KH) und das Badr Corps. SAS und das Badr Corps sind die militärischen Waffen der politischen Bewegungen Sadrist und Badr.

Personen sind aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit einem geringen Risiko einer offiziellen Diskriminierung ausgesetzt. Es besteht möglicherweise ein mäßiges Risiko gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt zu sein, wenn sie in einem Gebiet leben, in dem ihre ethnische Zugehörigkeit in der Minderheit ist.

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Sie garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabäer-Mandäer. Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt. Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.

Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt. Das US-Außenministerium und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von regierungsnahen Streitkräften, die sunnitische Männer anzugreifen versuchen, die aus IS-kontrollierten Gebieten fliehen und verhindern, dass Sunniten die von der Regierung kontrollierten Gebiete verlassen. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden. Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem moderaten Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt sind. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen.

Die Verfassung sieht für Frauen gewisse Rechte vor, unter anderem das Wahlrecht und gewährleistet soziale und gesundheitliche Sicherheit. Die Verfassung schreibt vor, dass Frauen sowohl im Repräsentantenrat als auch in den Provinzräten mindestens 25% der Sitze innehaben müssen. Die Regionalversammlung der Autonomen Region Kurdistan sieht 30 Prozent der Sitze für Frauen vor. Im Jahr 2011 verabschiedete die Regionalversammlung von Kurdistan ein Gesetz, das häusliche Gewalt unter Strafe stellt und psychische und sexuelle Gewalt sowie weibliche Genitalverstümmelung umfasst. Frauen sind einem mäßigen Risiko gesellschaftlicher Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt. Frauen sind einem hohen Risiko von häuslicher und familiärer Gewalt ausgesetzt. Dieses Risiko wird für Frauen verstärkt, die Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten sind.

Die Verfassung bietet eine umfassende Meinungsfreiheit. In der Praxis gelten gesetzliche Beschränkungen. Die Gesetzgebung verbietet Verleumdung sowie die Herstellung, Einfuhr, Veröffentlichung oder den Besitz von schriftlichem Material, Zeichnungen, Fotografien und Filmen, die gegen die guten Sitten verstoßen. Der Irak verfügt über eine rege Medienlandschaft mit über einem Dutzend privaten Fernsehsendern und Zugang zu den großen arabischsprachigen Satellitensendern. Die meisten Medienunternehmen vertreten die Ansichten ihrer Geldgeber.

Die Regierung hat zeitweise den Zugang zum Internet eingeschränkt, insbesondere um die Rekrutierung durch den IS zu verhindern. Solche Maßnahmen wurden jedoch auch zu anderen Zwecken ergriffen, etwa, um zu verhindern, dass Studenten bei Prüfungen schummeln oder Protestaktivitäten zu verhindern.

Lokale und internationale Quellen berichten, dass Behörden in einigen Teilen des Landes Journalisten verhaftet und schikaniert haben und die Schließung von Medieneinrichtungen erzwungen haben, die sensible Themen wie Sicherheitsfragen behandelten oder die Regierung kritisierten. Reporter ohne Grenzen behauptet, dass viele irakische Journalisten regelmäßig Drohungen, Mordversuchen, Angriffen, der Verweigerung des Zugangs zu den Orten, von den sie berichten möchten, und der Beschlagnahme von Ausrüstung ausgesetzt sind.

Bei der Einreise in den Irak über die internationalen Flughäfen, einschließlich der Region Kurdistan, werden Personen, die illegal ausgereist sind, nicht festgenommen. Es werden jene Iraker bei der Rückkehr festgenommen, die eine Straftat begangen haben und gegen die ein Haftbefehl erlassen worden war. Um den Irak zu verlassen, sind gültige Dokumente (in der Regel ein Pass) und eine entsprechende Genehmigung (z. B. ein Visum) für die Einreise in das vorgesehene Ziel erforderlich. Eine illegale Ausreise aus dem Irak ist rechtswidrig, jedoch sind keine Strafverfahren gegen Einzelpersonen wegen illegaler Ausreise bekannt. Iraker, die einen irakischen Pass verloren haben oder nicht haben, können mit einem laissez-passer-Dokument in den Irak einreisen. Die Einreise mit einem laissez-passer-Dokument ist üblich und Personen, die damit einreisen werden weder gefragt, wie sie den Irak verlassen haben, noch werden sie gefragt, warum sie keine anderen Dokumente haben. Dem britischen Innenministerium zufolge können Grenzbeamte am Flughafen Bagdad ein Schreiben ausstellen, um die Verbringung an den Herkunftsort oder die Umsiedlung einer Person im Irak zu erleichtern. (Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)

Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an: Gemäß Art. 2 Abs. 1 ist der Islam Staatsreligion und eine Hauptquelle der Gesetzgebung, in Abs. 2 wird das Recht einer jeden Person auf Religions- und Glaubensfreiheit sowie das Recht auf deren Ausübung garantiert. Art. 3 legt ausdrücklich die multiethnische, multireligiöse und multikonfessionelle Ausrichtung Iraks fest, betont aber auch den arabisch-islamischen Charakter des Landes. Art. 43 verpflichtet den Staat zum Schutz der religiösen Stätten. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z. B. den Abfall vom Islam; auch spezielle, in anderen islamischen Ländern existierende Straftatbestände, wie z. B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht.

Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. Allerdings ist nach dem Ende der Herrschaft Saddam Husseins die irakische Gesellschaft teilweise in ihre (konkurrierenden) religiösen und ethnischen Segmente zerfallen. Die Hauptsiedlungsgebiete der religiösen Minderheiten liegen im Nordirak in den Gebieten, die seit Juni 2014 teilweise unter Kontrolle des IS standen. Hier kam es zu gezielten Verfolgungen von Jesiden, Mandäern, Kakai, Schabak und Christen. In der Region Kurdistan sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Hier haben viele Angehörige von Minderheiten Zuflucht gefunden. (Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, 12.01.2019)

Im Irak ging die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED's, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60 % zurück. Zu Beginn des Jahres waren es 224 Vorfälle. Im März gab es einen Anstieg der Vorfälle, die sich vor allem in Anbar, Diyala, Kirkuk und Salahaddin ereigneten. Im April sanken sie auf 139. Von Juni bis Oktober schwankten die Zahlen. Das begann in Diyala und Kirkuk, danach in Ninewa und schließlich in Anbar, Bagdad, Kirkuk und Ninewa. Während der letzten beiden Monate des Jahres 2018 gab es - seit dem Rückzug des sog. IS - die wenigsten Vorfälle, die jemals im Land verzeichnet wurden.

Im Jänner 2018 gab es insgesamt 13 "Mass Casualty Bombings", davon 7 Selbstmordattentate (ein Attentat in Bagdad) und 6 Autobomben. Im Verlauf des Jahres bewegten sich diese Vorfälle zwischen 1 und 8. Im Mai ereignete sich ein Selbstmordattentat in Bagdad. Weitere Vorfälle ereigneten sich in Ramadi, Kirkuk, Tikrit, Fallujah und Mossul.

Bagdad, das früher ein Hauptangriffsziel war, entwickelte sich zu einem Nebenschauplatz. Im Jänner gab es 71 Vorfälle. Diese Zahl sank kontinuierlich und lag bei 13 Vorfällen im Juni. Danach erfolgte wieder ein Anstieg und es gab im September 47 Vorfälle. Seither kam es wieder zu einem Rückgang und 13 Vorfällen im November 2018. Bei fast allen Angriffen handelte es sich um kleinere Vorfälle wie Schießereien und IED's. Die meisten Vorfälle ereigneten sich auch in Städten im äußern Norden.

In Diyala gab es rund 30 Vorfälle pro Monat, nur im März und Juni lag die Zahl bei 54 bzw. 51. Es gab Schießereien mit den Sicherheitskräften und Übergriffe auf Kontrollpunkte. (Joel Wing, Musings on Iraq, 15.01.2019)

Nach einer Zusammenstellung von ACCORD auf Basis von ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) gehen im Berichtszeitraum September 2016 bis September 2018 die Konfliktvorfälle mit Todesopfern kontinuierlich zurück. In diesem Zeitraum ereigneten sich die meisten Vorfälle mit Todesopfern in Salah ad-Din, gefolgt von Diyala, At-Tamim (Kirkuk) und Al-Anbar. Die meisten Todesopfer gab es in Salah ad-Din und Al-Anbar, gefolgt von At-Tamim (Kirkuk) und Diyala. In Al-Anbar wurden 80 Vorfälle mit 308 Toten erfasst, in Al-Basrah 84 Vorfälle mit 42 Toten. In At-Ta'mim (Kirkuk) gab es 115 Vorfälle mit 251 Toten, in Baghdad wurden 58 Vorfälle mit 38 Toten erfasst. In Diyala wurden 136 Vorfälle mit 220 Toten, in Ninawa 65 Vorfälle mit 184 Toten und in Sala ad-Din 114 Vorfälle mit 308 Toten verzeichnet. (ACCORD Irak, 3. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), aktualisierte 2. Version vom 20.12. 2018)

Die Sicherheitslage in Bagdad hat sich deutlich verbessert. Die Zeiten, in denen die Hauptstadt Bagdad regelmäßig von Terroranschlägen erschüttert wurde, sind vorbei. Im Dezember 2018 ordnete der neue Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi an, die mit Betonmauern geschützte Hochsicherheitszone im Zentrum der Stadt für einige Stunden am Tag zu öffnen. Seit 2003 war das Gebiet, in dem Ministerien und die US-Botschaft liegen, für normale Iraker praktisch unzugänglich. Die Mauern, die dort über viele Jahre hochgezogen wurden, werden langsam abgebaut. Deutschland hatte den Kampf gegen den IS im Irak vor allem mit der Ausbildung kurdischer Peschmerga-Kämpfer und Waffenlieferungen unterstützt. Im Camp Tadschi nahe Bagdad bildet die deutsche Bundeswehr irakische Soldaten aus. Die deutsche Bundesregierung setzt jetzt verstärkt auf zivile Hilfe. Deutschland ist nach den USA das Land, das den Irak in den vergangenen vier Jahren am stärksten mit Hilfsgeldern für Entwicklung, Stabilisierung und Wiederaufbau unterstützt hat. Mehr als 1,5 Milliarden Euro wurden dafür bereitgestellt. Die Bundesregierung hofft darauf, dass ein stabiler Irak die Nahost-Region insgesamt beruhigen kann. (Irak ruft Flüchtlinge zur Rückkehr aus Deutschland auf, welt.de 17.12.2018)

Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP's) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich. Zum 28.02.2019 wurden 1,7 Millionen IDPs (290.830 Familien), verteilt auf 18 Gouvernements und 104 Distrikte identifiziert. Die Zahl der Rückkehrer steigt seit April 2015 kontinuierlich an. Die Zahl der Rückkehrer betrug zum 28.02.2019 4,2 Millionen (701.997 Familien) in 8 Gouvernements und 38 Distrikten. Im Zeitraum Januar und Februar 2019 gab es 46.662 Rückkehrer. Die meisten kehrten nach Ninewa (27.150 Personen), Salah al-Din (11.214) und Kirkuk (3.744) zurück. Die Zahl der IDPs geht in allen Gouvernements, ausgenommen Erbil und Najaf, zurück. Im Januar und Februar 2019 wurde ein Rückgang von 57,852 IDPs verzeichnet, davon die meisten in Ninewa (-29.358, -5%), Salah al-Din (-9.168, -7%) und Anbar (-6.822, -13%).

Nahezu alle Familien (95%, 4.008.840 Personen) kehrten an ihren vor der Vertreibung gewöhnlichen Wohnsitz zurück, der sich in einem guten Zustand befand. Zwei Prozent (72.378) leben in anderen privaten Einrichtungen (gemietete Häuser, Hotels, Gastfamilien). Drei Prozent der Rückkehrer (130.64) leben in kritischen Unterkünften (informelle Siedlungen, religiöse Gebäude, Schulen, unfertige, aufgegebene oder zerstörte Gebäude). Von den zuletzt Genannten leben 85 Prozent in drei Gouvernements: 41% sind in Ninewa (53.784), 24 % in Salah al-Din (30.864) und 20 % in Diyala (25.878). (Displacement Tracking Matrix, Round 108, Februar 2019)

Im Zeitraum Oktober 2018 bis Jänner 2019 wird von drei sicherheitsrelevanten Vorfällen mit Sunniten als Opfern berichtet. Ein Vorfall ereignete sich in Anbar, bei dem es sich um einen Anschlag auf den Anführer und neun Mitglieder einer sunnitischen Stammesmiliz in Anbar handelt. Bei einem weiteren Vorfall soll es sich angeblich um Mitglieder einer schiitischen Miliz handeln, die gegen das Opfer anti-sunnitische Beschimpfungen richteten. Es gab auch eine Explosion vor einer sunnitischen Moschee in einem südlichen Vorort von Basra, bei der keine Todesopfer gemeldet wurden. Die Explosion ereignete sich in der Stadt Zubayr, mit überwiegend sunnitisch-muslimischer Bevölkerung. (AB - Chronologische Auflistung sicherheitsrelevanter Vorfälle von Oktober 2018 bis Jänner 2019 mit Sunniten als Opfer, 31.01.2019)

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den Beschwerdeführern, zu ihrer Herkunft, zu ihrer Volksgruppenzugehörigkeit, zu ihrer Schulbildung, zur beruflichen Tätigkeit, zu ihrer illegalen Einreise sowie zu ihrer Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren und den Verwaltungsakten. Es ist kein Grund ersichtlich, daran zu zweifeln.

Die Feststellung zum Aufenthalt in Schweden ergeben sich aus den Angaben des Erstbeschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

Hinsichtlich der Religionszugehörigkeit gab der Erstbeschwerdeführer vor dem BFA an, dass er Moslem, aber weder Schiit noch Sunnit sei. Er sei jetzt Kommunist und früher einmal Sunnit gewesen (Seite 5 des Protokolls). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er an, sunnitischer Moslem zu sein (Seite 17 des Verhandlungsprotokolls). Die Zweitbeschwerdeführerin gab sowohl vor dem BFA als auch dem Bundesverwaltungsgericht an, sunnitische Moslemin zu sein (Seite 4 des Protokolls der Einvernahme vor dem BFA und Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Es erfolgte daher die Feststellung, dass die Beschwerdeführer sunnitische Moslems sind.

Die Feststellungen betreffend die Teilnahme des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin an Deutschkursen sowie die Integration der Beschwerdeführer in Österreich ergeben sich aus den entsprechenden Bestätigungen. Die Zweitbeschwerdeführerin brachte in der mündlichen Verhandlung vor, sie sei ehrenamtlich für die Gemeinde XXXX tätig gewesen und habe ein Praktikum in einem Seniorenheim absolviert. Eine Bestätigung dafür konnte sie nicht vorlegen, weshalb keine diesbezügliche Feststellung getroffen werden konnte.

Der Erstbeschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung an, er habe seit seiner Geburt nur eine Niere. Mangels Vorlage von ärztlichen Attesten war dieser Umstand nicht feststellbar. Der Erstbeschwerdeführer brachte auch keine Befundberichte oder dergleichen in Vorlage, aus denen sich eine Behandlungsbedürftigkeit ergeben könnte. Eine Gesundheitsbeeinträchtigung bzw. seine Behandlungsbedürftigkeit hat er im Übrigen selbst auch nicht behauptet. Sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin gaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass sie weder Medikamente nehmen noch in ärztlicher Behandlung stünden (Seite 3 des Verhandlungsprotokolls). Es war daher festzustellen, dass die Beschwerdeführer gesund sind.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführer und zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus eingeholten Strafregisterauszügen und GVS-Auszügen, jeweils vom 30.04.2019.

Die von den Beschwerdeführern vorgebrachten Fluchtgründe sind aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:

In ihren jeweiligen Erstbefragungen gaben die Beschwerdeführer zu ihren Fluchtgründen an, dass sie den Irak wegen des Krieges verlassen hätten (jeweils Seite 5 der Protokolle der Erstbefragungen). Dagegen gaben die Beschwerdeführer in den nachfolgenden Einvernahmen vor dem BFA andere Fluchtgründe an. Der Erstbeschwerdeführer gab vor dem BFA an, dass der IS am 23.03.2014 sein Auto verbrannt habe, der IS in seinen Heimatort einmarschiert sei und dort viele Leute getötet habe. Auch die Milizen seien in ihren Ort einmarschiert und hätten gesagt, dass es ein sunnitisches Viertel ist. Sie seien eine kommunistische Familie und als ungläubig bezeichnet worden. Er sei mehrmals vom IS bedroht worden. 20 Tage vor seiner Ausreise sei ein Drohbrief mit einer Patrone zum Vater des Beschwerdeführers gesendet worden. Darin sei der Name seiner Familie inklusive seines eigenen Namens gestanden. Zudem habe er ein bis zwei Monate vor der Ausreise eine "Art Drohung" per SMS erhalten, der zufolge er getötet werden solle (Seite 8 des Protokolls der Einvernahme des Erstbeschwerdeführers). Die Zweitbeschwerdeführerin brachte in der Einvernahme vor dem BFA vor, einer kommunistischen Familie anzugehören. Ihre gesamte Familie sei bedroht und viele ihrer Verwandten seien getötet worden. Sie würden von der Regierung als Ungläubige angesehen werden und sowohl die Regierung als auch die Milizen würden sie bekämpfen. Weiters gab sie an, dass sie eine Krankenschwesternschule besucht habe und über diese und deren Schüler schlecht geredet worden sei. Außerdem sei ihr Mann bedroht worden und auch sie werde in dem Drohbrief genannt (Seiten 6 und 7 des Protokolls der Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin).

Schon auf Grund dieser Auswechslung des Fluchtgrundes ist es nicht glaubhaft, dass es die vor dem BFA genannten fluchtauslösenden Ereignisse tatsächlich gegeben hat. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass sich gemäß § 19 Abs. 1 AsylG die Erstbefragung nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, allerdings eine generelle Aufnahme der antragsbegründenden Fluchtgründe auch im Rahmen der Befragung nach § 19 Abs. 1 AsylG möglich ist. Zweck der Bestimmung, bei Befragungen durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht auf die näheren Fluchtgründe einzugehen, ist, dass gerade Flüchtlinge Schwierigkeiten haben könnten, sich hierzu gegenüber einem uniformierten Staatsorgan - vor dem sie möglicherweise erst vor kurzem aus ihrem Herkunftsstaat geflohen sind - zu verbreitern (vgl. Erläuterungen zur RV, 952 Blg NR XXII. GP). Dass dies hier der Fall ist, ist jedoch nicht erkennbar. Die Beschwerdeführer haben in den folgenden Einvernahmen vor dem BFA nämlich keine Verfolgung seitens staatlicher Organe geltend gemacht. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführer in den Erstbefragungen einen anderen Fluchtgrund darlegt haben als in den folgenden Einvernahmen vor dem BFA. Der Erstbeschwerdeführer konnte in der mündlichen Verhandlung diese Auswechslung des Fluchtgrundes auch nicht plausibel erklären. Auf die Frage, weshalb er in der Erstbefragung den Drohbrief noch nicht erwähnt habe, meinte der Erstbeschwerdeführer, er sei nicht konkret nach dem Drohbrief gefragt worden und die einvernehmenden Organe hätten die Befragung abgekürzt (Seite 26 des Verhandlungsprotokolls). Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass im Rahmen der Erstbefragung keine detaillierten Angaben zum Fluchtgrund erwartet werden, sondern der Antragsteller gehalten ist, die zentralen Fluchtgründe darzulegen. Wenn der Erstbeschwerdeführer konkret bedroht worden ist (Drohbrief, SMS), ist nicht verständlich, weshalb er dies in der Erstbefragung, wenn auch in wenigen Worten, schildert. Trotz mehrfacher Nachfrage in der mündlichen Verhandlung konnte der Erstbeschwerdeführer nicht überzeugend darlegen, weshalb er "Krieg" als Fluchtgrund angibt, wenn er tatsächlich persönlich mittels Drohbrief und SMS bedroht worden sein soll. Durch diese Vorgehensweise der Beschwerdeführer ist der Eindruck entstanden, dass das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer nicht den Tatsachen entspricht. Dieser Eindruck wird auch dadurch verstärkt, dass die Beschwerdeführer nicht in der Lage waren, ihren vor dem BFA geschilderten Fluchtgrund in der Einvernahme vor dem BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend zu schildern und führt letztlich dazu, dass es den Beschwerdeführern nicht gelungen ist, ihren vorgebrachten Fluchtgrund glaubhaft zu machen.

Der Erstbeschwerdeführer brachte vor dem BFA vor, dass er zu einer kommunistischen Familie gehöre und von den Milizen und dem IS als ungläubig angesehen werde (Seite 8 des Protokolls der Einvernahme des Erstbeschwerdeführers). Der Erstbeschwerdeführer schilderte aber sodann keinen Vorfall, bei dem er von Milizen als ungläubig bezeichnet worden sei. Er brachte nur vor, einen Drohbrief vom IS und eine SMS erhalten zu haben (Seite 9 des Protokolls der Einvernahme des Erstbeschwerdeführers). Es ist daher nicht glaubhaft, dass der Erstbeschwerdeführer mit Milizen Probleme gehabt hätte oder von diesen als ungläubig angesehen werde.

Vor dem BFA gab der Erstbeschwerdeführer anlässlich der freien Schilderung seines Fluchtgrundes an, dass er eine SMS bekommen habe, die "eine Art Drohung" gewesen sei. Als er etwas später in der Einvernahme konkret nach dem Inhalt der SMS befragt wurde, gab er an, darin sei gestanden, "dass ich getötet werde" (Seiten 8 und 9 des Protokolls der Einvernahme des Erstbeschwerdeführers). Nicht nachvollziehbar ist, dass der Erstbeschwerdeführer zunächst von einer "Art Drohung" spricht, wenn er konkret mit dem Tode bedroht worden sein soll.

Dem Erstbeschwerdeführer ist es auch nicht gelungen, sein Fluchtvorbringen vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht widerspruchsfrei zu schildern. Vor dem BFA gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er insgesamt zwei Mal bedroht worden sei. Er habe einen Drohbrief vom IS bekommen sowie eine SMS, in der gestanden sei, dass er getötet werde (Seite 9 des Protokolls der Einvernahme des Erstbeschwerdeführers). Der Auszug aus dem Einvernahmeprotokoll betreffend die SMS sieht wie folgt aus:

"F: Was stand in der SMS?

A: Dass ich getötet werde.

F: Was haben Sie dagegen unternommen?

A: Ich konnte nichts machen.

F: Wan haben Sie die SMS erhalten?

A: Ein bis zwei Monate vor meiner Ausreise."

In der mündlichen Verhandlung gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er einen Drohzettel und sie per SMS einige Drohungen bekommen hätten. Auf Nachfrage behauptete der Erstbeschwerdeführer jedoch, dass er selbst keine SMS bekommen habe, sondern vielmehr seine Mutter per SMS bedroht worden wäre. Diesen Widerspruch zum Erhalt von SMS konnte der Beschwerdeführer auch nicht plausibel erklären. Er behauptete letztlich, er könne sich nicht erinnern, beim BFA gesagt zu haben, dass er in einer SMS mit dem Tode bedroht worden sei. Die Befragung in der mündlichen Verhandlung gestaltete sich wie folgt (Seiten 19 und 20 des Verhandlungsprotokolls; Schreibfehler im Original):

"R: Erzählen Sie mir mehr über die Drohungen, die Sie per SMS bekommen haben.

BF1: Ich persönlich nicht, aber auf das Handy meiner Mutter, sie erhielt die Drohungen. Es stand immer drauf, "Verlasst den Ort, ihr seid Sünder." Es stand immer im Namen des islamischen Lands.

R: Wie oft hat sie solche Drohungen bekommen und in welchem Zeitraum?

BF1: Zirka alle 5 bis 6 Monate eine SMS Drohung erhielten wir, aber das ist, an was ich mich noch erinnere, was darin stand.

R: Sie selbst haben keine SMS bekommen?

BF1: Nein.

R: Beim BFA haben Sie angegeben, dass Sie selbst auch eine Drohung per SMS bekommen haben?

BF1: Nein, ich habe Drohzettel gesagt.

R: Beim BFA haben Sie auch gesagt, dass in der SMS, die Sie bekommen haben, gestanden ist, Sie werden auch getötet?

BF1: Das ich getötet werde?

R: Ja.

BF1: (BF schaut durch die Anwesenden) Ich kann mich nicht erinnern, das gesagt zu haben."

Anhand der beiden Auszüge aus dem Einvernahmeprotokoll und dem Verhandlungsprotokoll wird deutlich, dass der Erstbeschwerdeführer in seinem zentralen Fluchtvorbringen keine übereinstimmenden Angaben machen kann. Eine plausible Erklärung für diese widersprüchlichen Angaben konnte er nicht abgeben, weshalb es nicht glaubhaft ist, dass der Erstbeschwerdeführer bedroht worden sein soll. Diesbezüglich ist dem Erstbeschwerdeführer auch entgegenzuhalten, dass gemäß § 15 AVG - soweit nicht Einwendungen erhoben wurden - eine gemäß § 14 AVG aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis liefert, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig bleibt. Ungeachtet des Umstandes, dass Protokollrügen bei Rückübersetzung der Niederschrift grundsätzlich im Rahmen derselben Amtshandlung vorzubringen sind (§ 14 Abs. 3 und 4 AVG), vermochte der Beschwerdeführer mit seiner Erklärung, er könne sich nicht daran erinnern, vor dem BFA gesagt zu haben, dass er in einer SMS mit dem Tode bedroht worden sei, der Beweiskraft der Niederschrift vom 30.08.2016 nichts Entscheidendes entgegen zu setzen bzw. keinen erfolgreichen Gegenbeweis anzutreten. Schließlich hat der Beschwerdeführer die Richtigkeit der Niederschrift mit seiner Unterschrift auf jeder Seite des Protokolls bestätigt und angegeben, dass es keine Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher gegeben habe und auch nach Rückübersetzung der Niederschrift keine Ergänzungen gemacht. Zweifel an der Richtigkeit des Inhalts der Niederschrift bestehen daher nicht.

Das Vorbringen zu den SMS gestaltete sich nicht nur dahingehend widersprüchlich, wer diese erhalten habe, sondern auch hinsichtlich der Häufigkeit des Erhalts solcher SMS. Vor dem BFA sprach er davon, dass er eine SMS bekommen habe und dies ein bis zwei Monate vor seiner Ausreise aus dem Irak gewesen sei (Seite 9 des Protokolls der Einvernahme des Erstbeschwerdeführers). Vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete er jedoch, dass sie ["wir"] per SMS einige Drohungen bekommen hätten und ca. alle fünf bis sechs Monate eine solche Drohung per SMS gekommen sei (Seiten 19 und 20 des Verhandlungsprotokolls). Diese Steigerung hinsichtlich der Anzahl der SMS in der mündlichen Verhandlung ist auch mit jenem Vorbringen des Erstbeschwerdeführers vor dem BFA nicht in Einklang zu bringen, wonach er insgesamt zwei Mal bedroht worden sei, nämlich einmal mittels Drohbrief und einmal mittels SMS (Seite 9 des Protokolls der Einvernahme des Erstbeschwerdeführers).

Zudem ist in diesem Zusammenhang auch auf die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin zu verweisen. Diese sprach vor dem BFA ausdrücklich davon, dass ihr Mann, der Erstbeschwerdeführer, zwei Monate vor der Ausreise aus dem Irak per SMS bedroht worden sei (Seite 6 des Protokolls der Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin). Demgegenüber brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr vor, dass ihr Mann eine SMS erhalten habe, in der dieser bedroht worden sei. Auch die vom Erstbeschwerdeführer erwähnten SMS, die seine Mutter bekommen habe, erwähnte sie nicht. Die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin vor dem BFA, wonach ihr Mann mittels SMS bedroht worden sei, stehen auch in Widerspruch zu den Angaben des Erstbeschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, wo er behauptete, selbst nicht mittels SMS bedroht worden zu sein. Darüber hinaus machten die Beschwerdeführer vor dem BFA unterschiedliche Angaben dahingehend, wann der Erstbeschwerdeführer die Droh-SMS erhalten habe. Der Erstbeschwerdeführer meinte, es sei ein bis zwei Monate vor seiner Ausreise gewesen (Seite 9 des Protokolls der Einvernahme des Erstbeschwerdeführers), während die Zweitbeschwerdeführerin angab, es sei zwei Monate vor ihrer Ausreise gewesen (Seite 6 des Protokolls der Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin). Auf Grund ihrer widersprüchlichen Angaben, ob der Erstbeschwerdeführer eine Droh-SMS erhalten habe und wann dies gewesen sei, ist es nicht glaubhaft, dass der Erstbeschwerdeführer per SMS bedroht worden sei.

Auch bezüglich des Inhaltes dieser Droh-SMS vermochte der Erstbeschwerdeführer kein gleichbleibendes Vorbringen zu erstatten. So gab er noch vor dem BFA an, in dieser SMS sei er damit bedroht worden, dass er getötet werde (Seite 9 des Protokolls der Einvernahme des Erstbeschwerdeführers), wohingegen er vor dem Bundesverwaltungsgericht angab, es wäre stets "Verlasst den Ort, ihr seid Sünder" in den Droh-SMS gestanden (Seite 20 des Verhandlungsprotokolls). Auch nach Hinweis in der mündlichen Verhandlung auf diesen Widerspruch vermochte er hierfür keine Erklärung zu liefern, sondern gab an, er könne sich nicht erinnern, beim BFA gesagt zu haben, eine Droh-SMS erhalten zu haben, der zufolge er getötet werden solle.

Betreffend den angeblichen Drohbrief gab der Erstbeschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA an, dass er 20 Tage vor seiner Heirat am XXXX bedroht worden sei (Seite 6 des Protokolls der Einvernahme des Erstbeschwerdeführers), wenig später sprach er aber davon, dass er 20 Tage vor der Ausreise am XXXX den Drohbrief erhalten habe (Seiten 8 und 9 des Protokolls der Einvernahme des Erstbeschwerdeführers). Damit machte er zum Zeitpunkt des Erhalts des Drohbriefes vor dem BFA unterschiedliche Angaben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er an, den Drohbrief "ungefähr" 20 Tage vor seiner Ausreise erhalten zu haben (Seite 23 des Verhandlungsprotokolls). Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung erklärte der Erstbeschwerdeführer, den genauen Tag, an dem er den Drohbrief erhalten habe, wisse er nicht (Seite 23 des Verhandlungsprotokolls). Die Zweitbeschwerdeführerin sprach ebenso wie der Erstbeschwerdeführer von 20 Tagen vor der Ausreise als jenem Zeitpunkt, zu dem sie bedroht worden wären (Seite 6 des Protokolls der Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin und Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Es kann jedoch nicht nachvollzogen werden, weshalb weder der Erstbeschwerdeführer noch die Zweitbeschwerdeführerin in der Lage waren, konkret anzugeben, an welchem Tag der Drohbrief gekommen sei. In dem Schreiben werden die Beschwerdeführer damit bedroht, getötet zu werden (OZ 9). Es ist unverständlich, dass sie sich nicht den Tag gemerkt haben wollen, wann sie mit ihrer eigenen Ermordung bedroht worden seien, zumal es sich hierbei um ein einschneidendes Erlebnis handelt.

Die Ausführungen des Erstbeschwerdeführers im Zusammenhang mit dem Drohbrief waren von Widersprüchen und Ungereimtheiten geprägt. Abweichend von seinen Angaben beim BFA, wonach seine Familie im Drohbrief genannt würde (Seite 8 des Protokolls der Einvernahme des Erstbeschwerdeführers), gab er in der mündlichen Verhandlung an, dass ausschließlich sein Vater, der Erstbeschwerdeführer selbst und die Zweitbeschwerdeführerin namentlich genannt worden seien (Seite 19 des Verhandlungsprotokolls). Erst nach der Rückübersetzung des Verhandlungsprotokolls änderte er dieses Vorbringen dahingehend ab, dass der Vater, dessen Familie, der Bruder des Erstbeschwerdeführers, der Erstbeschwerdeführer selbst und die Zweitbeschwerdeführerin namentlich genannt worden seien (Seite 20 des Verhandlungsprotokolls). Diese Abänderung nach erfolgter Rückübersetzung stand jedoch neuerlich im Widerspruch zu seinen späteren in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben, denen zufolge sein Bruder nicht namentlich genannt worden sei (Seite 24 des Verhandlungsprotokolls). Damit konnte der Erstbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nicht übereinstimmend angeben, wer im Drohbrief genannt werde. Darüber hinaus wird die Zweitbeschwerdeführerin im Drohbrief bloß als "Verlobte" angeführt, nicht jedoch ihr Name angegeben (OZ 9). Damit stimmen die Angaben des Erstbeschwerdeführers mit dem Inhalt des Drohbriefs nicht überein.

Auch der Zweitbeschwerdeführerin ist es nicht gelungen, übereinstimmend anzugeben, wer in dem Drohbrief namentlich genannt sei. In der Einvernahme vor dem BFA gab sie an, dass ihr Schwiegervater, ihr Mann, sie selbst, die Familie des Schwiegervaters und der Schwager darin angeführt seien (Seite 8 des Protokolls der Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab sie auf die ausdrückliche Frage, wer im Drohbrief genannt sei an, dass ihr Schwiegervater mit dessen Familie sowie der Erstbeschwerdeführer und sie selbst namentlich genannt gewesen seien (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Ihren Schwager, den sie vor dem BFA noch ausdrücklich anführte, nannte sie vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr.

Aus dem Drohbrief bzw. Drohzettel selbst ergibt sich, dass sich dieser an den Vater des Erstbeschwerdeführers, dessen Frau und seine Kinder, den Erstbeschwerdeführer und seine Verlobte sowie den Bruder des Erstbeschwerdeführers richtet. Konkret lautet der Text: "an die ganze Familie von XXXX , er selbst, seine Frau und seine Kinder XXXX und seine Verlobte und XXXX " (OZ 9). Aus dem Drohbrief ergibt sich somit, dass der Erstbeschwerdeführer, sein Bruder und sein Vater namentlich angeführt werden. Dass die Beschwerdeführer trotz Vorlage des Drohbriefs nicht in der Lage waren, korrekt anzugeben, wer im Drohbrief namentlich angeführt würde, kann nicht nachvollzogen werden. Auf Grund der von den Beschwerdeführern gemachten widersprüchlichen Angaben zum Drohbrief, die mit dem Inhalt des Drohbriefs auch nicht übereinstimmen, ist es nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführer diesen Drohbrief tatsächlich erhalten haben.

Übereinstimmend gaben die Beschwerdeführer an, dass der Vater des Erstbeschwerdeführers den Drohbrief vor dessen Haustüre gefunden habe (Seiten 9 und 23 des Verhandlungsprotokolls). Auffallend war allerdings, dass die Zweitbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung anführte, sie hätten einen Drohzettel vor "unserer" Haustüre erhalten (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). In Anbetracht des Umstandes, dass beide Beschwerdeführer angaben, vor der Ausreise bei ihren jeweiligen Familien gelebt zu haben und keinen gemeinsamen Wohnsitz vorbrachten, ist dies nicht nachvollziehbar (Seite 7 und 18 des Verhandlungsprotokolls).

Der Erstbeschwerdeführer konnte auch nicht plastisch schildern, was an jenem Tag, an dem er den Drohbrief erhalten habe, noch passiert sei. Er gab folgende Antwort: "Zuerst war es ein Schock, weil es Druck auf unserer Psyche war, auf das Denken, Verzweiflung. Dann hat meine Mutter zu weinen angefangen, wie jede Mutter, sie wird dann ängstlich und schwach." (Seite 23 des Verhandlungsprotokolls). Damit schilderte der Erstbeschwerdeführer aber nicht lebensnah, was an diesem Tag noch passiert sei. Zu beachten ist außerdem, dass der Erstbeschwerdeführer bei dieser Schilderung seine Frau nicht einmal erwähnt, die aber ebenso in dem Drohbrief angeführt wird. Dies alles spricht nicht dafür, dass die Beschwerdeführer tatsächlich den behaupteten Drohbrief erhalten haben, weshalb der Erstbeschwerdeführer auch nicht in der Lage war zu schildern, was noch passiert sei.

Nicht nachvollziehbar ist auch, weshalb die damals noch nicht mit dem Erstbeschwerdeführer verheiratete Zweitbeschwerdeführerin in einer Drohung, die sich ausschließlich gegen die Familie des Erstbeschwerdeführers richtete, selbst auch genannt wird. Die Zweitbeschwerdeführerin war außer Stande plausibel darzulegen, weshalb auch sie konkret bedroht werden sollte, wenn sie doch zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht mit dem Erstbeschwerdeführer verheiratet gewesen sei. Sie gab bloß pauschal an, als Verlobte gehöre sie automatisch zur zukünftigen Familie. Schon diese Angaben vermochten nicht zu überzeugen, überdies konnte sie auch nicht aufklären, woher der IS wissen sollte, dass sie mit dem Erstbeschwerdeführer verlobt sei. Sie gab bloß pauschal an, sie vermute, weil sie Mitglieder der kommunistischen Partei seien und daher "alle Augen" auf sie gerichtet seien (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Auch der Erstbeschwerdeführer konnte in der mündlichen Verhandlung diese Ungereimtheit nicht aufklären. Der Erstbeschwerdeführer gab hierzu befragt an, dass die Zweitbeschwerdeführerin deshalb genannt worden sei, weil sie seine Verlobte sei und damit seine Familie ihre zukünftige Familie sei. Aber schon im nächsten Satz erklärte der Erstbeschwerdeführer, wenn er ehrlich sei, wisse er nicht, warum auch sie erwähnt worden sei (Seite 24 des Verhandlungsprotokolls). Diese zuletzt gemachte Aussage verdeutlicht die fehlende Glaubwürdigkeit des Erstbeschwerdeführers, zumal er damit selbst einräumt, in dieser Hinsicht bloß konstruierte Angaben gemacht zu haben. Auch dies zog die Glaubhaftigkeit des Vorbringens massiv in Zweifel.

Der Erstbeschwerdeführer gab sowohl vor dem BFA als auch dem Bundesverwaltungsgericht an, dass mit dem Drohbrief auch eine Patrone geschickt worden sei (Seite 8 des Protokolls der Einvernahme des Erstbeschwerdeführers und Seite 19 des Verhandlungsprotokolls). Die Zweitbeschwerdeführerin hingegen erwähnte die Patrone weder vor dem BFA noch in der mündlichen Verhandlung. Auch diese Unstimmigkeiten sprechen gegen eine Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführer.

Auch zum Verfasser des Drohbriefs machten die Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben. Die Zweitbeschwerdeführerin behauptete vor dem BFA, "vielleicht hat der IS oder die Regierung den Brief gesendet" (Seite 7 des Protokolls der Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin). Demgegenüber änderte sie dieses Vorbringen in der mündlichen Verhandlung dahingehend ab, dass konkret der IS der Absender des Drohbriefes sei (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Nach Vorhalt ihrer Angaben vor dem BFA, führte die Zweitbeschwerdeführerin völlig unplausibel aus, dass die Regierung und der IS gemischt seien und keiner wisse, wer die Regierung sei und wer der IS (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Dass die schiitische Regierung mit dem sunnitischen IS gemischt sein soll, ist völlig abwegig. Zudem widerspricht das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin vor dem BFA, der IS oder die Regierung könnte der Verfasser des Drohbriefes sein, dem eindeutigen Wortlaut des Drohbriefs, wonach dieser vom IS stammt (OZ 9).

Im Übrigen kommt der vorgelegten Fotografie des Drohbriefes keinerlei Beweiskraft zu, da es sich hierbei um einen bloß handschriftlich verfassten Zettel handelt. Ein solcher hätte von jedermann verfasst werden können. Der Drohbrief eignet sich jedenfalls nicht, die unplausibel und widersprüchlich dargelegte Fluchtgeschichte zu untermauern. Insgesamt war daher bei der behaupteten Bedrohung der Beschwerdeführer durch den vorgelegten "Drohbrief" von einem bloßen gedanklichen Konstrukt auszugehen und davon, dass eine tatsächliche Bedrohung in der vorgebrachten Form gar nicht stattgefunden hat.

Der Erstbeschwerdeführer war auch außer Stande plausibel darzulegen, weshalb seine restlichen bedrohten Familienmitglieder nicht ebenfalls die Flucht angetreten haben, obwohl auch diese im Drohbrief angeführt werden. Auf die entsprechenden Fragen in der mündlichen Verhandlung, gab der Erstbeschwerdeführer lediglich ausweichende Antworten (Seite 24 des Verhandlungsprotokolls):

"R: Warum sind Ihre Eltern und Ihr Bruder nicht ausgereist?

BF1: Das Problem ist, mein Vater ist gesundheitlich und körperlich nicht möglich, er ist jetzt 65 Jahre alt, es ist jetzt schwerer als wie früher auch noch. Wo ich damals das Land verlassen habe, wir mussten viel in den Wald gehen, es war ein Horrorweg.

...

R: Haben Ihre Eltern dann keine Angst gehabt, nachdem sie den Drohzettel erhalten haben?

BF1: Natürlich hatten Sie Angst, sie haben immer noch Angst, aber was haben sie in der Hand zu halten, sie können gar nichts tun. Sie haben versucht in Kurdistan zu leben, und in der Türkei, aber momentan ist es unmöglich, denn Kurdistan gibt nur 15 Tage Aufenthalt, die Türkei einen Monat.

R: Warum wohnen sie dann immer noch im Haus der Familie in XXXX ?

BF1: Was liegt in ihrer Hand. Auch meine Mutter, wie ich den I

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten