Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv.-Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Christian Willmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** C*****, vertreten durch Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 7. März 2018, GZ 4 R 326/17h-49, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 19. Oktober 2017, GZ 6 C 5/16z-43, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Ersturteil in der Hauptsache wiederhergestellt und im Kostenpunkt dahin abgeändert wird, dass die Entscheidung über die Kosten erster Instanz wie folgt zu lauten hat: „Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 24.070,52 EUR (darin 3.900 EUR USt und 670,52 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.658,72 EUR (darin 942,70 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 4.075,16 EUR (darin 679,19 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht bewilligte der Beklagten über deren Antrag am 4. März 2016 die Exekution gegen den Kläger. Dieser Exekutionsbewilligung lag als Titel das rechtskräftige Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 24. Mai 2006 zu 50 Cg 10/05h, mit dem der nunmehrige Kläger sowie die zu 99,8 % in seinem Eigentum stehende Ä***** Beteiligungsgesellschaft mbH (im Folgenden: B-GmbH) solidarisch zur Zahlung von 1,1 Mio EUR sA an die Beklagte verpflichtet wurden, zugrunde.
Mit seiner am 9. März 2016 erhobenen Oppositionsklage erhebt der Kläger Einwendungen gegen diese Exekution, weil der aus dem Exekutionstitel hervorgehende Anspruch durch außergerichtliche Aufrechnung mit einer abgetretenen Gegenforderung getilgt und erloschen sei; Abtretung und Aufrechnung seien am 23. Juli 2007 – und damit erst nach Entstehen des Titels – erfolgt. Im Juni 2015 habe die Beklagte überraschend erklärt, diese Aufrechnung „nicht zu genehmigen“. Mit einem Schriftsatz vom 19. Februar 2016 habe die B-GmbH die Aufrechnung gegen die Beklagte ausdrücklich („vorsorglich“) wiederholt. Die Exekution sei auch rechtsmissbräuchlich, weil die Beklagte ihre durch Aufrechnung getilgten Ansprüche mit immer neuen Klagen und Anträgen durchzusetzen versuche. Später brachte der Kläger ergänzend vor, die Inkassozession und Aufrechnung vom 23. Juli 2007 habe auch die Zedentin (die W***** AG) von einer Verbindlichkeit befreit; die Beklagte habe außerdem durch achtjähriges Schweigen nach der Aufrechnungserklärung auf den Einwand eines vertraglichen Aufrechnungsverbots verzichtet; schließlich sei sie auch zahlungsunfähig.
Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, der Kläger habe die behauptete Aufrechnung bereits im Titelverfahren geltend gemacht, weshalb sie kein Oppositionsgrund sein könne. Ein Recht zur Aufrechnung gegen die dem Exekutionstitel zugrunde liegende Darlehensrückforderung stehe materiell-rechtlich weder dem Kläger noch der B-GmbH zu, weil die Vertragsparteien eine Aufrechnung gegen die Rückzahlungsverpflichtung vertraglich wirksam ausgeschlossen hätten; dies sei schon im Titelverfahren geklärt worden. Die angebliche Gegenforderung (Bargeldeinlagenforderung) dürfe außerdem seitens der Beklagten wegen aktienrechtlicher Vorschriften nur an die W***** AG geleistet werden (§ 60 AktG), die ihrerseits dieses Recht nicht weitergeben dürfe, weshalb schon die Zessionarin keine Berechtigung zur Aufrechnung gehabt habe.
Vorweg ist klarzustellen, dass der Kläger die seiner Oppositionsklage zugrunde gelegte Gegenforderung aus einem gesellschaftsrechtlichen Vorgang im Zusammenhang mit einer im Jahr 1999 vereinbarten Konzernveränderung bzw Unternehmensübernahme ableitet. Nähere Einzelheiten dieser gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen wurden bereits in der Entscheidung 9 Ob 68/13k (die eine Unterlassungsklage des nunmehrigen Klägers als Zweitkläger gegen die auch hier Beklagte betraf) dargestellt. Im Wesentlichen beschloss die W***** AG (im Folgenden: W-AG) im Oktober 1999 eine Kapitalerhöhung, wobei die nunmehrige Beklagte und ihr Bruder, dessen Gesamtrechtsnachfolgerin die Beklagte ist, insgesamt 12.286.820 EUR in das Vermögen der W-AG einzahlten. Dieser Betrag wurde daraufhin (innerhalb von rund drei Wochen) von der W-AG zum Großteil für den Kauf der jeweiligen Aktienpakete zum Erwerb der sogenannten „W***** Gruppe“, die im Eigentum der Beklagten sowie dessen Bruder standen, verwendet, sodass die Beklagte und deren Bruder letztlich den Betrag wieder ausbezahlt erhielten.
Bereits am 18. August 2003 forderte die W-AG die Beklagte auf, die Einlage aus der Kapitalerhöhung vom Oktober 1999 von 12.286.820 EUR (nochmals) zu leisten.
Im (Titel-)Verfahren des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz zu 50 Cg 10/05h (ursprünglich 16 Cg 32/03s) wurde – wie bereits ausgeführt – der nunmehrige Kläger (als dort Erstbeklagter, gemeinsam mit der B-GmbH) schuldig erkannt, der nunmehrigen Beklagten (als Erstklägerin) 1.100.000 EUR sA zu zahlen; dies aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung (ebenfalls im Zusammenhang mit der Unternehmensübernahme 1999 sowie weiterer Umwandlungen und erforderlicher Erhöhungen von Eigenmitteln einzelner Gesellschaften) vom 24. September 2002, die eine Darlehensgewährung der nun Beklagten und eine sofortige Rückzahlungsverpflichtung des nunmehrigen Klägers sowie der B-GmbH (als „Garanten“) unter bestimmten Voraussetzungen regelte. Dieses Verfahren (Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz war der 18. November 2005) ergab also eine Zahlungsverpflichtung des Klägers und der B-GmbH aus dem Vertrag vom 24. September 2002, welcher einen umfassenden Einwendungsverzicht der beiden Rückzahlungsgaranten zu Gunsten der Darlehensgeberin enthält. In diesem (Titel-)Verfahren wendeten der nunmehrige Kläger und die B-GmbH ein, die Klageforderung sei durch Aufrechnung mit der Forderung der W-AG gegen die Beklagte aus der Kapitalerhöhung 1999 erloschen. Mit Hinweis auf die vertraglich vereinbarte abstrakte Zahlungsverpflichtung der beiden „Garanten“, die auch ein Aufrechnungsverbot enthalte, ging das Gericht im Titelverfahren auf diesen Einwand nicht näher ein.
Am 23. Juli 2007 vereinbarte die W-AG mit der B-GmbH schriftlich die Abtretung eines Teils ihrer Bareinlagenforderung gegen die nunmehrige Beklagte in Höhe von 1.370.000 EUR „zum Inkasso“ an die B-GmbH. Mit Schreiben (ebenfalls) vom 23. Juli 2007 erklärten der Kläger und die B-GmbH gegenüber der Beklagten, mit der zum Inkasso abgetretenen Forderung im Betrag von 1.370.000 EUR gegen die aus dem Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz zu 50 Cg 10/05h resultierende Forderung von 1.100.000 EUR aufzurechnen.
Im Verfahren 13 Cg 146/11i des Handelsgerichts Wien begehrte die W-AG von der Beklagten insgesamt 1.540.199,62 EUR sA, aufgrund deren Verpflichtung zur (neuerlichen, nach Aufrechnung gegen andere Forderungen der Beklagten restlichen) Bareinlage (resultierend aus der erwähnten Kapitalerhöhung samt Aktienerwerb 1999). Mit Urteil vom 14. Dezember 2016, bestätigt durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 27. Juni 2017, 5 R 30/17v, wurde der Klage rechtskräftig stattgegeben.
Das Erstgericht wies die Oppositionsklage ab.
Die vom Kläger behauptete Inkassozession vom 23. Juli 2007 weise keine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten auf und sei daher nach österreichischem Recht zu beurteilen. Nach der zwingenden Bestimmung des § 60 AktG dürfe sich eine Aktiengesellschaft nicht ihres Anspruchs auf die Leistung von Einlagen begeben; dieses Verbot umfasse jedes Rechtsgeschäft, das in seinen Wirkungen den Grund, die Höhe, den Inhalt oder den Leistungszeitpunkt beeinträchtige. Die Abtretung von Einlagenforderungen sei grundsätzlich nur gegen vollwertige Gegenleistung und die Verpfändung solcher Forderungen nur für vollwertige Zuflüsse an die Gesellschaft gestattet. Der Kläger habe weder vorgebracht noch nachgewiesen, dass er (oder die B-GmbH) für die Zession der Bareinlagenforderung der Gesellschaft als Zedentin Barmittel in derselben Höhe zugeführt oder andere gleichwertige Sicherheiten dafür geboten habe. Die Aufrechnung stelle eine Umgehung des § 60 AktG dar und mache die Inkassozession unwirksam. Nach ständiger Rechtsprechung könnten Oppositionsgründe, deren Einwendung bereits im Titelverfahren objektiv möglich gewesen sei, im Oppositionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden. Der Kläger habe bereits im (Titel-)Verfahren zu 50 Cg 10/05h den Einwand der Aufrechnung mit einem Teil der Forderung der W-AG aus derselben Rechts- und Tatsachengrundlage (Kapitalerhöhung und Bareinzahlungsverpflichtung) geltend gemacht; dass ein weiterer Teil dieser Forderung nachträglich abgetreten worden sei, ändere daran nichts, weil sonst die Erfüllung der Titelschuld (und damit die Befriedigung des Gläubigers) willkürlich verschleppt werden könne, was verhindert werden müsse. Eine – wie vom Kläger behauptet – rechtsmissbräuchliche Exekutionsführung liege nicht vor, weil keine Änderung der Verhältnisse eingetreten sei. Dem Stillschweigen könne allgemein nur dann eine Verzichtserklärung beigemessen werden, wenn es den zweifelsfreien Schluss auf eine ernstliche Erklärung zulasse. Einen Verzicht habe der Kläger aber zunächst nicht behauptet, weshalb (auch) diesem Argument die Eventualmaxime entgegen stehe.
Das Berufungsgericht hob das Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück.
Für die Zulässigkeit einer Oppositionsklage wegen Tilgung durch eine Gegenforderung sei der Zeitpunkt maßgeblich, in dem von einer Aufrechnung Gebrauch gemacht werden konnte. Hier sei die (im Titelverfahren geklärte) vertragliche Vereinbarung des Kompensationsverbots (der Einwendungsverzicht) einer wirksamen Aufrechnung entgegen gestanden; dem Kläger sei daher während des Titelverfahrens die Aufrechnung nicht möglich gewesen. Eine Beurteilung der Rechtsfragen nach italienischem Zivilrecht sei von den Parteien nicht releviert worden. Die vom Kläger in Aufrechnung gebrachte Forderung sei nach Beendigung des Titelprozesses und außergerichtlich erklärter Aufrechnung rechtskräftig erst mit dem Urteil des Handelsgerichts Wien zu 13 Cg 146/11i vom 14. Dezember 2016 (bestätigt durch das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 27. Juni 2017, 5 R 30/17v) festgestellt worden. Dies habe zur Folge, dass die bisher durch das vertragliche Kompensationsverbot verwehrte Aufrechnung nun grundsätzlich möglich sei. Dieser Umstand sei erst während des Oppositionsverfahrens eingetreten (und daher Vorbringen dazu zulässig). Eine Verletzung der Eventualmaxime sei dem Kläger allerdings im Zusammenhang mit dem behaupteten „Verzicht“ der Beklagten (durch jahrelanges Schweigen) auf das vertragliche Kompensationsverbot vorzuwerfen, weil ihm dies bereits bei Erhebung seiner Oppositionsklage bekannt sein musste; gleiches gelte für den Einwand der Zahlungsunfähigkeit der Beklagten. Eine Aktiengesellschaft könne Einlagenforderungen grundsätzlich abtreten; bei Tilgung einer Gesellschaftsschuld durch die Abtretung müsse auch dieser Anspruch vollwertig sein. Der Kläger habe (nachträglich) vorgebracht, dass die W-AG im Innenverhältnis (einer anderen Gesellschaft gegenüber) zur Zahlung des dem Titelurteil zugrunde liegenden Darlehens verpflichtet gewesen sei und die Abtretung mit darauf folgender Aufrechnung die W-AG von Passiva befreit habe. Auch die Befreiung von Gesellschaftsschulden könne als werthaltige Gegenleistung gelten. Ob in diesem Fall die vom Kläger behauptete Gegenleistung aber dem Korrektiv der Vollwertigkeit Stand halte und die Zession daher wirksam sei, lasse sich nach den bisherigen Feststellungen nicht beurteilen. Das Erstgericht habe daher Beweise darüber aufzunehmen, welche wirtschaftlichen Vorteile der W-AG im Gegenzug zur Abtretung ihrer Einlagenforderung an die B-GmbH zugekommen seien.
Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen seinen Beschluss mit der Begründung zu, dass zur Frage der Zulässigkeit der Abtretung von Einlagenforderungen einer AG nach § 60 AktG im Zusammenhang mit der Tilgung von Gesellschaftsschulden als Gegenleistung bisher keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, ihn aufzuheben und das Ersturteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.
1.1 Die Anwendbarkeit österreichischen Rechts für die inhaltliche Beurteilung der vom Kläger (auch hier) geltend gemachten Gegenforderung aus dem gesellschaftsrechtlichen Vorgang des Jahres 1999 (Bareinlagenforderung gegen die Beklagte) hat der neunte Senat in der Entscheidung 9 Ob 68/13k bereits ausführlich begründet (Punkt III. 1.2 bis 1.7).
1.2 Die Frage, unter welchen Voraussetzungen im Oppositionsprozess Aufrechnung geltend gemacht werden kann, ist prozessual zu qualifizieren und daher nach der lex fori zu beurteilen (RIS-Justiz RS0000786 [T2]).
1.3 Berufen sich beide Parteien im Verfahren auf Regelungen einer bestimmten Rechtsordnung für die Beurteilung ihres Rechtsverhältnisses, kann darin unter Umständen eine konkludente Rechtswahl erblickt werden, die nach Art 3 Abs 2 Rom I-VO auch noch während eines laufenden Verfahrens zulässig ist (RS0077082 [T4]).
Im vorliegenden Fall haben die Parteien im Berufungsverfahren eine allfällige Anwendbarkeit italienischen Sachrechts auf die hier zu beurteilende Oppositionsklage nicht releviert. Die Beklagte argumentiert auch in ihrem Rekurs gegen den Beschluss des Berufungsgerichts nur mit österreichischem Recht. Soweit der Kläger in seiner Rekursbeantwortung eine unrichtige Auslegung einer italienischen Gesetzesbestimmung durch die Gerichte im Titelverfahren behauptet, zieht er damit die Anwendbarkeit österreichischen Rechts auf die Beurteilung seines Oppositionsklagebegehrens ebenfalls nicht in Zweifel.
1.4 Für die Frage der Wirksamkeit der für die vom Kläger als Oppositionsgrund geltend gemachten Aufrechnung nach der Inkassozession vom Juli 2007, die zwei in Österreich ansässige Unternehmen in Wien abschlossen bzw erklärten, ist somit österreichisches Sachrecht anzuwenden.
2.1 Die im Rekurs der Beklagten aufgeworfene
– in der neueren Rechtsprechung bisher nicht abschließend geklärte – Rechtsfrage der (vom Berufungsgericht verneinten) Wirksamkeit eines vertraglichen Aufrechnungsverbots auch im Fall einer (nachträglich) rechtskräftig festgestellten Gegenforderung (dazu etwa Holly in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1440 Rz 39 mwN; Griss/P. Bydlinski in KBB5 § 1440 Rz 10; Dullinger in Rummel, ABGB3 § 1440 Rz 31) stellt sich im vorliegenden Fall nicht:
2.2 Die Entscheidung des Handelsgerichts Wien zu 13 Cg 146/11i vom 14. Dezember 2016 (bestätigt durch das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 27. Juni 2017, 5 R 30/17v) betraf eine Geldforderung der W-AG gegen die Beklagte. Diese (restliche) Forderung bezog sich somit – mangels anders lautenden Vorbringens (wie etwa einer behaupteten Rückabtretung) – auf einen anderen Teil des aus der Kapitalerhöhung 1999 resultierenden Anspruchs der W-AG gegen die Beklagte auf (neuerliche) Leistung der Bareinlage als der davon dem Kläger und der B-GmbH bereits im Jahr 2007 abgetretene Teil. Die im Verfahren des Handelsgerichts Wien geprüfte (Teil-)Forderung ist daher nicht ident mit der vom Kläger im vorliegenden Oppositionsverfahren (mit dem Argument der Schuldtilgung infolge Aufrechnung nach Abtretung zum Inkasso) eingewendeten Gegenforderung. Eine Änderung in Bezug auf das im Titelverfahren bereits geklärte vertragliche Kompensationsverbot, sodass es einer Aufrechnung nicht mehr entgegen stehen würde, liegt daher gar nicht vor.
3.1 Die Oppositionsklage kann aber auch aus einem weiteren Grund nicht erfolgreich sein: Wer eine außergerichtliche Aufrechnung behauptet, muss auch die Aufrechnungshandlung dartun, weil das Gegenüberstehen gleichartiger Forderungen zunächst nur ein Aufrechnungsverhältnis schafft und Schuldtilgung nur bei Hinzutreten der Aufrechnungshandlung erfolgt (RS0033876 [T5]). Für das Vorliegen der Voraussetzungen einer wirksamen Aufrechnung nach § 1438 ABGB kommt es auf den Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung an (RS0120622; Holly in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1438 Rz 11 mwN; Griss/P. Bydlinski in KBB5 § 1438 Rz 3 mwN).
3.2 Der Kläger führte zwar in seiner Klage aus, die Aufrechnungserklärung aus dem Jahr 2007 sei (seitens der B-GmbH) „vorsorglich“ (durch einen Schriftsatz) im Februar 2016 wiederholt worden. Eine (weitere) Aufrechnungserklärung im Jahr 2017 (nach Beendigung des Verfahrens zu 13 Cg 146/11i des Handelsgerichts Wien) hat er jedoch gar nicht behauptet. Eine solche ist weder seinen Schriftsätzen, noch dem im Rahmen der Tagsatzungen zur mündlichen Streitverhandlung erstatteten Vorbringen zu entnehmen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat der Kläger eine (neuerliche) Aufrechnungserklärung nach dem Jahr 2016 also gar nicht vorgebracht.
3.3 Da die betriebene Forderung schon aus diesen Gründen nicht durch Aufrechnung erloschen sein kann, erübrigt sich ein Eingehen auf die von den Vorinstanzen unterschiedlich beurteilte Frage, ob die Zession im Hinblick auf § 60 AktG wirksam war. Es muss auch nicht geklärt werden, ob das ergänzende Vorbringen des Klägers zu dem von der Beklagten eingewendeten (und von den Vorinstanzen als beachtlich erkannten) Verstoß der Inkassozession gegen § 60 AktG noch als zulässige Ergänzung seiner Oppositionsklage zu werten ist, oder ob es im konkreten Fall erforderlich gewesen wäre, dies bereits in der Oppositionsklage entsprechend darzustellen.
3.4 Ebenso wenig können die weiteren, vom Kläger geltend gemachten, von den Vorinstanzen bereits zutreffend verneinten Oppositionsgründe dem Klagebegehren zum Erfolg verhelfen: Mangels wirksamer Aufrechnung ist die Exekutionsführung entgegen der Behauptung des Klägers nicht rechtsmissbräuchlich. Wie dies bereits in der – ebenfalls die Streitteile betreffenden – Entscheidung zu 6 Ob 209/15a aufgezeigt wurde, liegt allein im „jahrelangen Schweigen“ der Beklagten kein hinreichender Sachverhalt für einen Verzicht auf den zu ihren Gunsten im Titelverfahren entschiedenen vertraglichen Einwendungsverzicht (samt Kompensationsverbot). Auf eine angebliche Zahlungsunfähigkeit der Beklagten hat sich der Kläger – ohne nähere Begründung dazu – erst während des Oppositionsverfahrens gestützt, weshalb dieses ergänzende Vorbringen der Eventualmaxime widerspricht.
4. Da somit keiner der vom Kläger behaupteten Oppositionsgründe vorliegt, ist das klagsabweisende Ersturteil wiederherzustellen.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Gemäß § 23 Abs 9 RATG waren dem Beklagten für die Berufungsbeantwortung nur Kosten auf Basis des dreifachen Einheitssatzes zuzuerkennen.
Hat das Berufungsgericht einer Berufung stattgegeben und das erstgerichtliche Urteil abgeändert (aufgehoben), wodurch ein gegen dieses Urteil erhobener Kostenrekurs oder eine Berufung im Kostenpunkt gegenstandslos wurde, so hat der Oberste Gerichtshof, sofern er das erstgerichtliche Urteil wiederherstellt, auch über den Kostenrekurs bzw die Berufung im Kostenpunkt zu entscheiden (RS0036069 [T1, T4]). Der Kläger hat in seinem Berufungsschriftsatz auch eine Berufung im Kostenpunkt erhoben, womit er die vom Erstgericht vorgenommene Honorierung des Schriftsatzes vom 19. September 2017 nach TP 3A RATG bekämpfte; dieser sei weder nach § 257 Abs 3 ZPO zulässig noch sei er dem Klagevertreter gemäß § 112 ZPO direkt übermittelt worden. Das Erstgericht begründete den bekämpften Zuspruch damit, dass dieser Schriftsatz eine eingehende und umfangreiche Replik enthalten habe und die Honorierung unabhängig vom Zugang beim Gegner sei. Einen Auftrag für einen (weiteren) Schriftsatzwechsel hatte das Erstgericht in der Tagsatzung zuvor (14. März 2017; damals wurden noch außergerichtliche Vergleichsgespräche geführt und daher in Aussicht genommene Termine mehrmals verlegt) nicht erteilt. Die Berufung des Klägers im Kostenpunkt ist insoweit (teilweise) berechtigt, als der Schriftsatz ON 40 weder nach § 257 Abs 3 ZPO zulässig war, noch vom Gericht aufgetragen wurde, weshalb er nur nach TP 2 RATG zu honorieren ist (RS0121828). Damit ergibt sich ein Zuspruch von insgesamt netto 19.500 EUR zuzüglich Umsatzsteuer und (unveränderter) Barauslagen. Der Kläger war damit (nur) zu rund 50 % mit seiner Berufung im Kostenpunkt erfolgreich, weshalb er gemäß § 43 Abs 1 ZPO keinen Anspruch auf Kostenersatz für diesen Teil seines Rechtsmittels hat.
Textnummer
E125731European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00116.18G.0626.000Im RIS seit
07.08.2019Zuletzt aktualisiert am
22.01.2020