TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/7 L502 2151958-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.02.2019
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Entscheidungsdatum

07.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L502 2151543-1/13E

L502 2151955-1/13E

L502 2151545-1/9E

L502 2151548-1/9E

L502 2151958-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , und 5.) XXXX , geb. XXXX , jeweils StA. Türkei, alle vertreten durch RA Dr. BLUM, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.03.2017, FZ. XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.11.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) stellte im Gefolge seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 29.02.2016 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am gleichen Tag erfolgte seine Erstbefragung, anläßlich der er als Identitätsnachweis einen türkischen Personalausweis vorlegte, der als unbedenklich qualifiziert wurde.

In der Folge wurde das Verfahren zugelassen.

3. Am 09.12.2016 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

Dabei legte er als Beweismittel mehrere Lichtbilder, einen Datenträger, eine Mitgliedschaftsbestätigung, eine Deutschkursbestätigung, eine Ausbildungsbestätigung und ein handschriftliches Schreiben eines Dorfvorstehers in der Türkei vor.

4. Am 05.05.2016 stellte sich die Ehegattin des BF1, die Zweitbeschwerdeführerin (BF2), mit ihren gemeinsam eingereisten Kindern, der Drittbeschwerdeführerin (BF3), der Viertbeschwerdeführerin (BF4) und der Fünftbeschwerdeführerin (BF5), am Flughafen Wien der Einreisekontrolle.

In weiterer Folge stellte sie für sich und die Kinder vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

5. Die BF2 wurde am gleichen Tag erstbefragt und legte sie für sich und ihre Kinder türkische Personalausweise und einen Auszug aus dem türkischen Familienbuch vor.

6. Am 09.12.2016 wurde die BF2 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.

Sie legte dabei eine Deutschkursbesuchsbestätigung und eine Bestätigung für die Verrichtung von Hilfstätigkeiten vor.

7. Mit Schreiben des BFA vom 13.02.2017 wurde der BF1 zu ergänzenden Angaben sein bisheriges Vorbringen betreffend aufgefordert.

Der Aufforderung kam er mit Eingabe vom 17.02.2017 nach.

8. Das BFA holte Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation vom 16.02.2017 und vom 20.02.2017 ein.

9. Mit den im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde wurden die gg. Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurden die Anträge auf internationalen Schutz auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II.). Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurden nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass Abschiebungen in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sind (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

10. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 09.03.2017 wurde den BF von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

11. Gegen die den BF am 14.03.2017 zugestellten Bescheide des BFA wurde innerhalb offener Frist in vollem Umfang Beschwerde erhoben.

12. Die Beschwerdevorlagen des BFA langten am 03.04.2017 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurden die Verfahren in der Folge der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zur Entscheidung zugewiesen.

13. Bereits am 29.03.2017 langten beim BVwG von der belangten Behörde übermittelte Beweismittel ein (Schulbesuchsbestätigungen für BF3 und BF4, diverse Unterstützungsschreiben, Einstellungszusage zugunsten des BF1, Fotos).

14. Mit Eingabe an das BVwG vom 14.11.2017 gab der anwaltliche Vertreter des BF seine Bevollmächtigung bekannt.

15. Mit 21.11.2017 erstattete der Vertreter eine Beschwerdeergänzung einschließlich der Vorlage weiterer Beweismittel.

16. Das BVwG führte am 21.11.2018 eine mündliche Verhandlung in den gg. Beschwerdesachen im Beisein von BF1 und BF2 sowie ihres Vertreters durch.

In dieser legten die BF weitere Integrationsnachweise vor und führte das Gericht länderkundliche Informationen zum Herkunftsstaat als Beweismittel ins Verfahren ein.

17. Mit Eingaben vom 27.11.2018 und 10.12.2018 legte der Vertreter weitere Beweismittel sowie Integrationsunterlagen vor.

18. Das BVwG erstellte aktuelle Auszüge aus dem Informationssystem Zentrales Fremdenregister, dem Grundversorgungsinformationssystem, dem Strafregister und dem Zentralen Melderegister.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Identitäten der BF stehen fest. Sie sind türkische Staatsbürger und Angehörige der kurdischen Volksgruppe.

Der BF1 wurde in XXXX , Provinz XXXX , geboren, absolvierte die Grundschule, die Hauptschule und ein Lyceum ohne Matura und inskribierte dann für einige Monate ein Fernstudium. Im Anschluss genoss er eine zweijährige Ausbildung zum Friseur, bestand die Meisterprüfung und eröffnete Anfang 2009 sein eigenes Friseurgeschäft, das er bis zur Ausreise betrieb und anschließend einem Freund überlassen hat, der schon zuvor sein Geschäftspartner war. Er hat den Grundwehrdienst abgeleistet.

Die BF2 wurde ebenso in XXXX geboren, besuchte acht Jahre lang die Grund- sowie die Hauptschule, war für kurze Zeit in einem Damenfriseurgeschäft tätig und im Anschluss daran Hausfrau.

Der BF1 reiste am 18.02.2016 legal aus der Türkei aus und über Drittstaaten illegal nach Österreich ein, wo er im Gefolge der Einreise am 29.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und sich seither hierorts aufhält.

Die BF2 reiste am 01.05.2016 legal aus der Türkei aus und auf dem Luftweg über Drittstatten illegal nach Österreich ein, wo sie am 05.05.2016 für sich und ihre drei mitgereisten minderjährigen Kinder jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Die Eltern, Brüder und Schwestern des BF1 leben, mit zwei Ausnahmen, nach wie vor in XXXX in einem zweigeschossigen Wohnhaus der Familie, eine Schwester lebt in XXXX und eine weitere in Deutschland. Der Vater ist Pensionist, die Mutter Hausfrau, ein Bruder arbeitet als Schneider, ein anderes als Wachmann einer Bank, eine Schwester absolviert ein Studium, die übrigen sind verheiratet und Hausfrauen. Die Herkunftsfamilie besitzt auch eine Olivenplantage.

Die Eltern, ein Bruder und drei Schwestern der BF2 leben in der Türkei in XXXX ebenfalls in einem zweigeschossigen Wohnhaus. Der Vater betreibt ein Teehaus, die Mutter ist Hausfrau, die Schwestern sind verheiratet und Hausfrauen.

Vor der Ausreise des BF1 lebten die Beschwerdeführer bei dessen Eltern in deren Haus in XXXX , danach hielt sich die BF2 mit den Kindern bis zu ihrer Ausreise bei ihren Eltern in XXXX auf.

Ein Cousin des BF1 lebt in Österreich, im Übrigen pflegen die BF hierorts normale soziale Kontakte.

BF1 und BF2 sind erwerbsfähig, sind in Österreich aber bisher keiner unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Die BF2 verrichtete kurzfristig bezahlte Hilfstätigkeiten ohne Anstellungsverhältnis.

Der BF1 gründete im Juli 2018 gemeinsam mit einem Mitgesellschafter die XXXX , die im österr. Firmenbuch seit 21.09.2018 eingetragen ist. Die XXXX betreibt seit 21.11.2018 in Salzburg das Friseurgewerbe, Gewerbeberechtigte ist eine dritte Person. Welches Einkommen der BF1 aus einer Tätigkeit als selbständiger Friseur in Österreich erwirtschaftet, war nicht feststellbar.

BF1 bis BF5 beziehen seit der Einreise bis dato Leistungen der Grundversorgung für Asylwerber und bewohnen in diesem Rahmen auch eine organisierte Unterkunft.

BF3 und BF4 besuchen aktuell die dritte bzw. vierte Klasse einer Volksschule. Die BF5 besucht einen Kindergarten. Die BF2 war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2018 schwanger, der avisierte Geburtstermin war der 02.01.2019. Ein allfälliger Antrag auf internationalen Schutz eines nachgeborenen Kindes war nicht festzustellen.

Der BF1 besuchte Deutschkurse und absolvierte mit Erfolg die Sprachprüfungen auf den Niveaus A1 und A2, die BF2 jene auf dem Niveau A1.

BF1 und BF2 sind bisher in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 wegen seiner Mitgliedschaft bei der (pro-kurdischen) Partei HDP oder im Zusammenhang mit den Ereignissen in seiner Heimatstadt XXXX im Jahr 2015 einer Verfolgung durch staatliche Organe ausgesetzt war oder im Falle einer Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt ist.

1.3. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak aus sonstigen individuellen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort einer maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt wären oder dort keine hinreichende Existenzgrundlage vorfinden würden.

1.4. Zur allgemeinen Lage in der Türkei wird festgestellt:

Bei den vorgezogenen Präsidentschaftswahlen am 24.6.2018 errang Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan 52,6% der Stimmen, sodass ein möglicher zweiter Wahlgang obsolet wurde. Bei den gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahlen erhielt die regierende AK-Partei 42,6%

der Stimmen und 295 der 600 Sitze im Parlament. Zwar verlor die AKP die absolute Mehrheit, doch durch ein Wahlbündnis mit der rechts-nationalistischen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) unter dem Namen "Volksbündnis", verfügt sie über eine Mehrheit im Parlament. Die kemalistisch-sekuläre CHP gewann 22,6% bzw. 146 Sitze und ihr Wahlbündnispartner, die national-konservative Iyi-Partei, eine Abspaltung der MHP, 10% bzw. 43 Mandate. Drittstärkste Partei wurde die pro-kurdische HDP mit 11,7% und 67 Mandaten.

Im Juli 2015 flammte der Konflikt zwischen Sicherheitskräften und PKK wieder militärisch auf, der Lösungsprozess kam zum Erliegen. Die Intensität des Konflikts innerhalb des türkischen Staatsgebiets hat aber seit Spätsommer 2016 nachgelassen. Mehr als 80% der Provinzen im Südosten des Landes waren zwischen 2015 und 2016 von Attentaten der PKK, der TAK und des sogenannten IS, sowie Vergeltungsoperationen der Regierung und bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften betroffen. 1,6 Millionen Menschen in den städtischen Zentren waren während der Kämpfe 2015-2016 von Ausgangssperren betroffen. Die türkischen Sicherheitskräfte haben in manchen Fällen schwere Waffen eingesetzt. Mehre Städte in den südöstlichen Landesteilen wurden zum Teil

schwer zerstört. Der Ausnahmezustand wurde am 18.7.2018 aufgehoben.

Es ist weiterhin von einem erhöhten Festnahmerisiko auszugehen. Behörden berufen sich bei Festnahmen auf die Mitgliedschaft in Organisationen, die auch in der EU als terroristische Vereinigung eingestuft sind (IS, PKK), aber auch auf Mitgliedschaft in der so genannten "Gülen-Bewegung", die nur in der Türkei unter der Bezeichnung "FETO" als terroristische Vereinigung eingestuft ist. Öffentliche Äußerungen gegen den türkischen Staat, Sympathiebekundungen mit von der Türkei als terroristisch eingestuften Organisationen und auch die Beleidigung oder Verunglimpfung von staatlichen Institutionen und hochrangigen Persönlichkeiten sind verboten, worunter auch regierungskritische Äußerungen im Internet und in den sozialen Medien fallen.

Türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen Gefahr polizeilicher oder justizieller Maßnahmen, wenn sie in die Türkei einreisen. Insbesondere Personen, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden, müssen mit strafrechtlicher Verfolgung durch den Staat rechnen.

Öffentliche Äußerungen, auch in sozialen Netzwerken, Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange sind strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen nach dem türkischen Strafgesetzbuch gewertet werden können. Aus bekannt gewordenen Fällen ist zu schließen, dass solche Äußerungen zunehmend zu Strafverfolgung und Verurteilung zumindest als Propaganda für eine terroristische Organisation führen.

Kurden (ca. 20% der Bevölkerung) leben v.a. im Südosten des Landes sowie, bedingt durch Binnenmigration und Mischehen, in den südlich und westlich gelegenen Großstädten (Istanbul, Izmir, Antalya, Adana, Mersin, Gaziantep). Mehr als 15 Millionen türkische Burger haben einen kurdischen Hintergrund und sprechen einen der kurdischen Dialekte.

Die kurdischen Gemeinden waren überproportional von den Zusammenstößen zwischen der PKK und den Sicherheitskräften betroffen. In etlichen Gemeinden wurden seitens der Regierung Ausgangssperren verhängt. Hunderte von kurdischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und kurdisch-sprachigen Medien wurden 2016 nach dem Putschversuch per Regierungsverordnung geschlossen. Die Verschlechterung der Sicherheitslage in der Region seit dem Zusammenbruch des Friedensprozesses im Jahr 2015 setzte sich fort und betraf im Jahr 2017 die städtischen Gebiete in geringerem Maße. Stattdessen waren ländliche Gebiete zusehends betroffen. Es gab keine Entwicklungen in Richtung der Wiederaufnahme eines glaubwürdigen politischen Prozesses, der für eine friedliche und nachhaltige Lösung notwendig ist. Nach dem Putschversuch im Juli 2016 wurden zahlreiche kurdische Lokalpolitiker wegen angeblicher Verbindung zur PKK inhaftiert. Im Osten und Südosten gab es zahlreiche neue Festnahmen und Verhaftungen von gewählten Vertretern und Gemeindevertretern auf der Basis von Vorwürfen, terroristische Aktivitäten zu unterstutzen. Mehr als 90 Bürgermeister wurden durch von der Regierung ernannte Treuhänder ersetzt. 70 von ihnen befinden sich in Haft. Insgesamt wurden mehr als 10.000 Funktionäre und Mitglieder der pro-kurdischen HDP verhaftet.

(Quelle: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA v. 18.10.2018)

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der BF, der von ihnen vorgelegten Beweismittel, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes, Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, Einsichtnahme in die im Beschwerdeverfahren vom Vertreter der BF vorgelegten Stellungnahmen und Beweismittel, Heranziehung aktueller länderkundlicher Informationen und amtswegige Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters, des Firmenbuchs und des Grundversorgungsdatensystems.

2.2. Die Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, Religionszugehörigkeit sowie regionale Herkunft der BF konnten aufgrund der persönlichen Angaben der BF und der vorgelegten Identitätsnachweise als glaubhaft festgestellt werden.

Die Feststellungen zu den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen im Herkunftsstaat wie auch in Österreich stützten sich auf die Angaben der BF in Verbindung mit den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Beweismitteln und in der Zusammenschau mit den Auszügen aus genannten Datenbanken.

Die Feststellungen zum jeweiligen Verfahrensgang ergaben sich aus dem Verfahrensakt und einer zuletzt beim BFA eingeholten Verfahrensinformation.

2.3. Die Feststellungen zur jüngeren Lage in der Türkei stützen sich auf die og. Quelle, deren Inhalt kein gegenteiliges länderkundliches Vorbringen der BF bzw. ihres Vertreters entgegenstand.

2.4. Zur Feststellung fehlender individueller landesweiter Verfolgung des BF vor der Ausreise bzw. der fehlenden Gefahr einer solchen pro futuro gelangte das erkennende Gericht auf der Grundlage folgender Erwägungen:

2.4.1. Der BF 1 gab im Rahmen der Erstbefragung zu den Antragsgründen an, dass in seiner Heimatstadt XXXX "so etwas Ähnliches wie Krieg zwischen der Regierung und den Kurden" herrsche. Es seien Menschen umgebracht, Häuser zerstört und Männer inhaftiert worden. Er habe nicht bloß zuschauen können und habe daher mitgekämpft. Es seien auch Freunde von ihm inhaftiert worden. Dann habe der "Muhtar" (Anm.: Dorfvorsteher bzw. Vorsteher eines Stadtteils) zu ihm gesagt, dass nochmals Männer verhaftet werden und auch sein Name auf der Liste der zu Verhaftenden stünde. Ihm sei geraten worden sich in Sicherheit zu bringen.

2.4.2. Er führte in der Einvernahme vor dem BFA weiter aus, dass er im November 2015 geholfen habe seine Heimatstadt XXXX zu verbarrikadieren, als sich die Regierungstruppen näherten. Es seien vorher schon einige Städte in der Umgebung zerstört worden und hätten die Kämpfe von 25.11.2015 bis 03.12.2015 angedauert. Er selbst habe sich wie viele andere Einwohner der Stadt bewaffnet und hätten sie versucht mit Barrikaden die Straßen zu versperren, damit die Regierung die Stadt nicht zerstören kann. Es seien viele Personen geflohen und habe es ca. neun Tage lang einen Kampf gegeben, bei dem Häuser zerstört worden seien. Es hätten sich auch Kämpfer der PKK unter die Bevölkerung gemischt, mit der Absicht ihr zu helfen. Anfang Dezember sei er in das Dorf XXXX gegangen, da man in der Stadt verlautbart habe, dass Häuser und Wohnungen zu verlassen seien. Dann hätten überall in der Stadt Hausdurchsuchungen stattgefunden. Seine Ehegattin und die Kinder seien in eine weiter entfernte Stadt gebracht worden. Er sei nach ca. 1,5 Monaten des Aufenthalts im Dorf wieder in die Stadt zurückgekehrt, wo jedoch Verhaftungen begonnen hätten, weshalb er wieder ins Dorf gegangen sei. Viele seiner Freunde, die auch Barrikaden errichtet hätten, seien verhaftet worden. Er habe über den Bürgermeister erfahren, dass er auf einer Liste stehe und verhaftet werden solle. Es würden noch immer Leute wegen der damaligen Vorfälle verhaftet werden und sei es im Februar 2016 auch erneut zu Kämpfen gekommen.

Er sei seit Jahren für die (Anm.: pro-kurdische Partei) HDP politisch aktiv und Mitglied derselben. Er habe Koordinationsarbeit geleistet und sei für Wahlen zuständig gewesen. Es seien zwei Verfahren gegen ihn wegen seiner politischen Tätigkeit in seiner Heimatstadt geführt worden, er sei aber jeweils freigesprochen worden. Er sei kein Mitglied der PKK, aber Sympathisant. Er könne in der Türkei an keinem anderen Ort als Kurde leben, da es einen Hass gegen Kurden gebe. Er habe keine Probleme wegen seiner Religionszugehörigkeit gehabt. Aber wegen seiner kurdischen Abstammung habe es viele Probleme gegeben, im Privatleben, während des Präsenzdienstes, im Gymnasium sei es einmal zu körperlicher Gewalt gegen ihn gekommen, bei Demonstrationen sei er von Pfefferspray getroffen worden. Er sei oft bei der Polizei einvernommen worden, wo er beleidigt und beschimpft worden sei wegen der Kundmachungen, die er mitorganisiert habe. Man habe ihm gedroht und gesagt er solle aufhören bei der HDP Politik zu machen. Er sei selbstständig erwerbstätig gewesen und habe sein Geschäft einen kurdischen Namen getragen, weshalb er oft den Namen wechseln oder eine Geldstrafe zahlen mußte.

Von 2012-2014 sei er im Übrigen im Nordirak aufhältig gewesen aufgrund der Unruhen in seiner Heimatregion. Anfang 2015 sei wieder in die Türkei zurückgekehrt, weil Friedensgespräche angefangen hatten.

In Österreich habe er ab und zu an "Meetings" zur Türkei teilgenommen. Er sei nicht sehr aktiv, aber wenn "etwas ist", mache er mit.

Als Beweismittel legte er eine Bestätigung über seine Mitgliedschaft bei der HDP, einen Datenträger mit Medienberichten über die Ereignisse in XXXX Ende 2015, mehrere Fotos dazu, Ausbildungsnachweise seine berufliche Tätigkeit als Friseur betreffend und ein handschriftliches Schreiben eines Muhtar vor (vgl. den Akt des BFA).

2.4.3. Die BF2 führte aus, dass es in ihrer Heimat Kämpfe zwischen der türkischen Armee und kurdischen Kämpfern gebe. Sie habe Angst gehabt, da sie dort niemand beschützen hätte können, und sei sie deshalb zu ihrem Mann nach Österreich gekommen.

2.4.4.1. Aus den im erstinstanzlichen Verfahrensakt befindlichen Auskünften des Verbindungsbeamten bei der österr. Vertretungsbehörde in Ankara an das BFA war zu gewinnen, dass es in XXXX (Anm.: XXXX ist der Name sowohl einer Stadt mit ca. 20.000 Einwohnern als auch eines gleichnamigen Landkreises mit ca. 60.000 Einwohnern in der Provinz XXXX ) im Zeitraum zwischen 25.11.2015 und 03.01.2015 zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und Angehörigen militanter kurdischer Gruppierungen gekommen ist, wobei es auf beiden Seiten Verletzte und Todesopfer gab. Von den türkischen Behörden war der Ausnahmezustand ausgerufen worden und wurde vor diesem Hintergrund eine Ausgangssperre über die Stadt verhängt. In den Straßen wurden auch Barrikaden errichtet. Ca. 5.000 Einwohner flüchteten vor den Kämpfen aus der Stadt. Diese allgemeinen Informationen, die sich auch mit den Angaben des BF1 vor der belangten Behörde und dem Inhalt des von ihm dazu vorgelegten Datenträgers deckten, waren der gg. Entscheidung zugrunde zu legen.

Bereits vor dem BFA hat er auch glaubhaft dargelegt, dass er mit seinen Angehörigen in diesem Zeitraum in der Stadt war, sich aber nicht direkt an den Kampfhandlungen beteiligt hat, zumal berichteter Weise diese von türkischen Militär- und Polizeikräften sowie Mitgliedern der militanten PKK bzw. deren Jugendorganisation ausgeführt wurden. Plausibel war auch, dass er sich im Gefolge der Kampfhandlungen, ähnlich wie zahlreiche andere Zivilpersonen auch, aus der Stadt heraus in das von ihm genannte Dorf XXXX im Landkreis XXXX begeben hat um dort die weiteren Ereignisse abzuwarten, während Gattin und Kinder zu den Schwiegereltern in die - ca. 400 km von Derik entfernte - Stadt XXXX gebracht wurden.

2.4.4.2. Den behördlichen Ermittlungsergebnissen war auch zu entnehmen, dass türkische Spezialeinheiten noch im Zuge der Kampfhandlungen Hausdurchsuchungen durchführten, bei denen es zu Festnahmen kam. Auch im Jänner, Februar und März 2016 wurden verschiedene namentlich bekannte kurdische Kommunalpolitiker inhaftiert, insgesamt sollen 27 Personen aus dem genannten Landkreis festgenommen worden sein.

Vor diesem Hintergrund behauptete der BF1, dass auch er vor der Ausreise behördlich gesucht worden sei, was er von einem Onkel erfahren habe, dem wiederum der "Muhtar" davon berichtet habe, weshalb er sich zur Ausreise am 18.02.2016 entschlossen habe. Diese Behauptung war im Lichte der Aussagen des BF1 dazu sowie der von ihm vorgelegten Beweismittel zu würdigen:

In der Beschwerdeverhandlung vermeinte er auf Befragen, wenn die türkischen Sicherheitskräfte eine "Razzia", gemeint wohl eine Hausdurchsuchung zum Zwecke der Festnahme einer Zielperson, durchführen, werde der örtliche Muhtar eingebunden, der ja zuständigkeitshalber über den jeweiligen Wohnsitz der gesuchten Person in Kenntnis sei, insbesondere wenn diese Person dort nicht auffindbar sei.

Schon diese Aussage war für das Gericht nicht plausibel, ist doch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass Spezialkräften der türkischen Polizei auch ohne Mitwirkung des Muhtar der Wohnsitz und damit mögliche Aufenthaltsort einer gesuchten Person bekannt ist, bzw. wäre die gegenteilige Annahme, dass diese Spezialkräfte erst den Muhtar aufsuchen müßten, damit dieser diese Einheiten zum Wohnsitz des/der Betroffenen führe, als realitätsfremd anzusehen. Diese Schlussfolgerung des Gerichts bestätigte der BF1 schließlich auch selbst, indem er aussagte, dass die Polizei ohnehin Zugriff auf das Melderegister habe.

Als unschlüssig und ebenso realitätsfremd war wiederum die Annahme anzusehen, dass diese Einheiten den Muhtar aufsuchen würden, nachdem sie eine gesuchte Person nicht an ihrem gewöhnlichen Wohnsitz vorgefunden hätten, wie der BF1 auch vermeinte, zumal nicht nachvollziehbar wäre, woher denn der Muhtar dann den unbekannten Aufenthaltsort dieser Person kennen sollte. Dass dieser Muhtar aber aufgrund seiner Position - nach Meinung des BF1 "wie ein Spion" - stets alle Aufenthaltsorte der Bewohner seines Stadtteils wissen würde, wie der BF1 replizierte, war als gänzlich abwegig anzusehen, nicht zuletzt auch im Lichte dessen, dass der fragliche Stadtteil, von dem er sprach, ca. 4.000 Einwohner aufweist.

Diese Aussagen des BF1 waren aus Sicht des Gerichts sohin als untauglicher Versuch zu werten, einer von ihm vorgelegten "Bestätigung" des Muhtar mehr Beweiskraft zu verleihen. Dieses handschriftliche Schreiben samt Rundsiegel und Unterschrift (vgl. AS 175) wiederum brachte er noch vor Bescheiderlassung zur Vorlage, es wurde in die deutsche Sprache übersetzt und enthielt eine mutmaßliche Aussage des Muhtar des Stadtteils XXXX , wonach dieser dem BF1 "mitgeteilt habe, dass er am 15.02.2016 von der Polizei gesucht wurde".

Der Glaubwürdigkeit des Inhalts des Schreibens standen schon die Erwägungen oben entgegen. Dem Schreiben war jedoch auch per se keine maßgebliche Beweiskraft zuzumessen, wurde es doch der Aussage des BF1 folgend von ihm nach seiner Einvernahme vor dem BFA vom Muhtar angefordert und schon im Hinblick darauf als Gefälligkeitsschreiben zu werten. Zudem besaß es trotz eines Rundstempels und einer Unterschrift angesichts seiner äußeren Form keinen urkundlichen Charakter. Schließlich war diesbezüglich noch zu berücksichtigen, dass der Muhtar der Aussage des BF1 vor dem BVwG zufolge "höchstwahrscheinlich" selbst auch der HDP angehörte, also ein Parteigänger des BF1 war, was den Beweiswert des Schreibens weiter minderte.

Von vier vom BF1 erstinstanzlich vorgelegten Fotos zeigten zwei jeweils eine Aufnahme eines nicht identifizierbaren Zimmers, dessen Wände offenbar Einschusslöcher aufwiesen, diese sollten wohl das allgemeine Geschehen in XXXX Ende 2015 illustrieren. Zwei weitere Fotos stellten Aufnahmen eines ebenso nicht identifizierbaren Raumes dar, die abgesehen von einer dort herrschenden Unordnung keine relevanten Aufschlüsse gaben.

Als maßgeblich war noch in Betracht zu ziehen, welche Position der BF1 im politischen Geschehen seiner engeren Heimat eingenommen hatte. Bereits vom BFA war verifiziert worden, dass der BF1 seit 2014 - dem von ihm vorgelegten Dokument folgend seit August 2014 - gewöhnliches Mitglied der HDP war.

Dazu vor dem BVwG nochmals befragt vermeinte er, er sei als Mitglied auch einer der Delegierten des Landkreises XXXX bei Versammlungen gewesen und habe als solcher das Stimmrecht bei Zusammenkünften der Partei der Provinz XXXX ausgeübt. Aus dieser Aufgabe ließ sich nicht ableiten, dass er eine herausgehobene Position innerhalb der Partei eingenommen hätte, denn das Stimmrecht bei derlei Zusammenkünften wurde seiner Aussage nach einfachen Parteimitgliedern auf deren Ersuchen eingeräumt. Nichts Anderes galt für die Teilnahme an Kundgebungen, der Mithilfe bei der Organisation von Veranstaltungen, der Werbung für neue Mitgliedschaften oder der Wahlbeobachtung. Dazu kam, dass er erst seit 2014 überhaupt Mitglied der HDP war und die behördlichen Fahndungen gegen bestimmte Mitglieder der HDP im Zusammenhang mit den Ereignissen in XXXX schon 2015 stattfanden, der BF1 sohin erst seit relativ kurzer Zeit überhaupt Mitglied war, was ebenso gegen eine exponierte Position des BF1 sprach.

Diesen Erwägungen war gegenüber zu stellen, dass er einige Einzelpersonen nannte, die festgenommen wurden, und dass auch zu deren Schicksal das BFA Ermittlungen vorgenommen hat. Soweit die jeweiligen Funktionen der Genannten festgestellt wurden, waren diese im Unterschied zum BF1 jedoch in hervorgehobenen Positionen innerhalb der HDP politisch tätig, so der Vizebürgermeister von XXXX , der/die stv. Bezirksparteivorsitzende, der/die Bezirkssekretär/in und mehrere Mitglieder des Stadtsenats. Dass es zu einem staatlichen Vorgehen gegen prominente Angehörige der HDP unter dem Vorwurf der Unterstützung einer terroristischen Organisation, gemeint der PKK, kommt, war im Übrigen auch den aktuellen länderkundlichen Informationen zur Lage in der Türkei zu entnehmen (vgl. oben).

In Anbetracht dieser Überlegungen gelangte das Gericht zur Schlussfolgerung, dass es nicht glaubhaft war, dass der BF1 vor der Ausreise behördlichen Fahndungsmaßnahmen aus von ihm vor dem BFA genannten Gründen unterworfen war oder solchen bei einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit unterworfen wäre.

Zwei zu früheren Zeitpunkten erfolgten behördlichen Ermittlungsverfahren, in die er involviert gewesen sei, maß er selbst keine maßgebliche Bedeutung bei, zumal er bei dem einen bloß eine Anzeige gegen den Parteivorsitzenden der MHP erstattet habe und dazu einvernommen worden sei, bei dem anderen es um Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit einer Demonstration gegangen und er auch dort bloß einvernommen worden, das Verfahren aber nicht weiter fortgesetzt worden sei.

Dass er in der Beschwerdeverhandlung erstmals behauptet wurde, seine Eltern seien im Sommer 2018 von der Polizei aufgesucht worden und hätten Kriminalbeamte nach dem Verbleib von ihm und seinen Angehörigen gefragt, jedoch sonst keine Angaben gemacht, konnte mangels Substantiiertheit dieser Aussage keine Relevanz entfalten.

2.4.4.3. Als neuen Sachverhalt führte der BF1 im Beschwerdeverfahren ins Treffen, dass er in Österreich ein Mitglied des Vereins " XXXX " sei und darüber hinaus an vier Kundgebungen in XXXX im August und November 2016 sowie im Jänner und Februar 2018 teilgenommen habe, die sich gegen die Politik der türkischen Regierung und im Besonderen die Festnahme von prominenten Vertretern der HDP in der Türkei gerichtet habe. Vor dem BFA hatte er lediglich dargetan, "einige Male an Meetings teilgenommen zu haben, aber nicht sonderlich aktiv zu sein".

Soweit die Mitgliedschaft in genanntem Verein vorgebracht wurde, wurde diese Behauptung jedoch - ungeachtet dieser Aussage in der Beschwerdeergänzung vom 21.11.2017 - in weiterer Folge nicht belegt und war deshalb unbeachtlich.

Die durch verschiedene Fotos sowie ein Schreiben eines zu Besuch weilenden kurdischen Journalisten belegte Teilnahme an Kundgebungen in XXXX im Jahr 2016 erfolgte ihrerseits schon vor Bescheiderlassung durch das BFA, wurde jedoch erstmals im Rahmen von zwei Beschwerdeergänzungen vom 21.11.2017 und 27.11.2018 vorgebracht. Sachverhalt wie Beweismittel unterlagen sohin dem Neuerungsverbot des § 20 AsylG, wurde doch nicht dargetan, dass diese Tatsachen und Beweismittel dem BF erst nach Bescheiderlassung bekannt geworden bzw. für ihn verfügbar geworden wären.

Die Kundgebungsteilnahmen im Jahr 2018 wurden zwar behauptet, in der Beschwerdeverhandlung angekündigte Beweise dafür langten beim BVwG jedoch nicht ein, diese waren sohin nicht feststellbar.

2.4.4.4. Ungeachtet dessen wäre aber auch aus diesen Umständen nicht auf ein mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit gegen den BF1 gerichtetes Verfolgungsinteresse der türkischen Sicherheitsbehörden zu schließen gewesen. Denn auch in diesem Zusammenhang nahm der BF1 keine hervorgehobene Stellung ein, sondern war er bloß als Ordner und einfacher Teilnehmer im Rahmen dieser Kundgebungen zu identifizieren.

Das Deutsche Auswärtige Amt schreibt in seinem jüngsten Bericht vom 03.08.2018 zu diesem Beweisthema (vgl. Zitat im Länderinfo-Blatt des BFA v. 18.10.2018):

"Türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen Gefahr polizeilicher oder justizieller Maßnahmen, wenn sie in die Türkei einreisen. Insbesondere Personen, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden, müssen mit strafrechtlicher Verfolgung durch den Staat rechnen. Die türkische Regierung hat im Nachgang zu dem Putschversuch zahlreiche ausländische Regierungen um Mithilfe bei der Ermittlung von Mitgliedern des "Gülen-Netzwerkes" gebeten. Mehrere Auslieferungsersuchen wurden bereits an die Bundesregierung übermittelt. Es ist wahrscheinlich, dass türkische Stellen Regierungsgegner und Gülen-Anhänger im Ausland ausspähen.

Öffentliche Äußerungen, auch in sozialen Netzwerken, Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange sind strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen nach dem türkischen Strafgesetzbuch gewertet werden können. Aus bekannt gewordenen Fällen ist zu schließen, dass solche Äußerungen zunehmend zu Strafverfolgung und Verurteilung zumindest als Propaganda für eine terroristische Organisation führen."

Der BF selbst bzw. sein Vertreter haben keine länderkundlichen Beweismittel dazu vorgelegt.

Stellt man nun die og. Einschätzung des Dt. AA der als bloß untergeordnet festzustellenden Rolle des BF1 bei den genannten Kundgebungen gegenüber, so sprachen auch diese länderkundlichen Informationen gegen die Annahme einer bei einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgung des BF1 wegen dieser Kundgebungsteilnahmen.

2.4.4.5. Den vom BF1 vor dem BFA genannten Diskriminierungen in der Vergangenheit wegen seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Ethnie, im Einzelnen Beschimpfungen, vereinzelte Übergriffe im Rahmen von Demonstrationen, nicht näher genannte Probleme während des Präsenzdienstes und dgl., kam schon angesichts der solchen Ereignissen fehlenden Eingriffsintensität keine als Verfolgung zu qualifizierende Bedeutung zu.

Diesbezüglich ist grundsätzlich festzuhalten, dass allgemeine Diskriminierungen, etwa soziale Ächtung, für sich genommen nicht die hinreichende Intensität für eine Asylgewährung aufweisen können. Bestimmte Benachteiligungen (wie etwa allgemeine Geringschätzung durch die Bevölkerung, Schikanen, gewisse Behinderungen in der Öffentlichkeit) bis zur Erreichung einer Intensität, dass deshalb ein Aufenthalt des Beschwerdeführers im Heimatland als unerträglich anzusehen wäre (vgl VwGH 07.10.1995, 95/20/0080; 23.05.1995, 94/20/0808), sind dahingehend hinzunehmen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die schwierige allgemeine Lage einer ethnischen Minderheit oder der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft im Heimatland eines Asylwerbers für sich allein nicht geeignet, die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorauszusetzende Bescheinigung einer konkret gegen den Asylwerber gerichteten drohenden Verfolgungshandlung darzutun (VwGH 31.01.2002, Zl. 2000/20/0358).

Hinsichtlich des bloßen Umstands der kurdischen Abstammung der Beschwerdeführer ist weiter auszuführen, dass sich entsprechend der herangezogenen Länderberichte und aktuellen Medienberichten die Situation für Kurden - abgesehen von den Berichten betreffend das Vorgehen des türkischen Staates gegen Anhänger und Mitglieder der als Terrororganisation eingestuften PKK und deren Nebenorganisationen - nicht derart gestaltet, dass von Amts wegen aufzugreifende Anhaltspunkte dafür existieren, dass gegenwärtig Personen kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit einer asylrelevanten - sohin auch einer maßgeblichen Intensität erreichenden - Verfolgung ausgesetzt bzw. staatlichen Repressionen unterworfen sein würden. Insbesondere gab der BF1 selbst an, dass es letztlich - mit Ausnahme von Übergriffen bei früheren Demonstrationen - bei "verbalen Angriffen" geblieben ist und keine körperlichen Beeinträchtigungen erfolgten. Dass die behördlichen Eingriffe bei Demonstrationen ein übermäßiges Niveau erreicht hätten, wurde auch nicht vorgebracht.

2.5. Die Feststellung, dass die BF bei einer Rückkehr in die Türkei in wirtschaftlicher Hinsicht in keine existenzbedrohende Notlage geraten würden, stützt sich darauf, dass es sich beim BF1 um einen arbeitsfähigen Mann handelt, der bereits vor der Ausreise aus dem Herkunftsstaat in der Lage gewesen ist für seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie aufzukommen. Er besitzt in seiner engeren Heimat ein Friseurgeschäft, in dem er auch vor der Ausreise tätig war. Auch die BF2 ist - ungeachtet der zum Zeitpunkt der Beschwerdeverhandlung fortgeschrittenen Schwangerschaft - grundsätzlich erwerbsfähig, nicht zuletzt ging sie auch in Österreich Hilfstätigkeiten nach. Die Familie war insofern schon bisher selbsterhaltungsfähig, weshalb nicht ersichtlich wäre, warum es ihr nicht möglich sein sollte, den Lebensunterhalt wie schon zuvor aus eigener Kraft zu bestreiten. Auch die Möglichkeit einer verwandtschaftlichen Unterstützung stünde angesichts entsprechender Anknüpfungspunkte in der Heimat im Hinblick auf beide Herkunftsfamilien (vgl. die Feststellungen oben dazu) zur Verfügung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2016.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheides des Bundesamtes.

Zu A)

1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

1.2. Die belangte Behörde kam zu Recht zum Ergebnis, dass der BF1 nicht in der Lage war mit seinem Vorbringen glaubhaft zu machen, dass er einer asylrelevanten individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt war oder für den Fall der Rückkehr ausgesetzt wäre.

1.3. Eine Asylgewährung an die Gattin und die minderjährigen Kinder des BF1 im Rahmen des Familienverfahrens nach § 34 Abs. 2 AsylG kam mangels einer solchen an ihn nicht in Betracht.

1.4. Die Beschwerde war sohin zu Spruchpunkt I als unbegründet abzuweisen.

2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

2.2. Entgegen seiner früheren ständigen Judikatur zum Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz, wo der Verwaltungsgerichtshof (insbesondere) auf den Maßstab des Art. 3 EMRK abgestellt hat, bezieht sich dieser in seiner jüngsten Rechtsprechung (vgl. Ra 2018/01/0106-12 vom 6. November 2018) vielmehr auf die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (Statusrichtlinie) und die dort für die Gewährung von subsidiärem Schutz normierten Voraussetzungen, weist dabei auf das Erfordernis einer richtlinienkonformen Auslegung des Asylgesetzes vor dem Hintergrund der Statusrichtlinie hin und hält dazu fest, dass zu den vom Unionsrecht vorgegebenen Rahmenbedingungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz alleine die nachfolgend dargestellte Rechtsprechung des EuGH maßgeblich ist.

Nach dieser Rechtsprechung hat ein Drittstaatsangehöriger "nur dann Anspruch auf subsidiären Schutz ..., wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, eine der drei in Art. 15 der Richtlinie definierten Arten eines ernsthaften Schadens zu erleiden" (vgl. zuletzt EuGH 24.4.2018, C-353/16, MP, Rn. 28, mwN).

Art. 15 der Statusrichtlinie definiert als "ernsthaften Schaden" die Todesstrafe oder Hinrichtung (lit. a), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland (lit. b) und "eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts" (lit. c).

Zum Vorliegen eines ernsthaften Schadens nach Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie nahm der EuGH im Urteil vom 18. Dezember 2014, C-542/13, M'Bodj, Stellung und führte dazu aus, dass der Umstand, dass ein Drittstaatsangehöriger nach Art. 3 EMRK nicht abgeschoben werden kann, nicht bedeutet, dass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren ist. Subsidiärer Schutz (nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie) verlangt nach dieser Auslegung durch den EuGH dagegen, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten, also von Akteuren iSd Art. 6 Statusrichtlinie, verursacht werden muss und dieser nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist.

Diesen Unterschied zwischen der Gewährung von subsidiärem Schutz einerseits und der Non-refoulement-Entscheidung andererseits hat der EuGH im zeitgleichen Urteil C-562/13, Abdida, nochmals klargestellt (vgl. Rn. 33).

In seinem Urteil vom 24. April 2018, C-353/16, MP, Rn. 45 und 46, hat der EuGH diese Sichtweise bestätigt. Er führte nochmals aus, dass der Schutz vor Ausweisung nach Art. 3 EMRK auch unter Berücksichtigung von Art. 4 der GRC (Non-refoulement) von der Gewährung von subsidiärem Schutz nach der Statusrichtlinie zu unterscheiden ist:

"Zu den Auswirkungen, die es haben kann, dass im Herkunftsland des Betroffenen eine geeignete Infrastruktur zur Behandlung physischer oder psychischer Folgeschäden der von den Behörden dieses Landes verübten Folterhandlungen fehlt, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der in Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83 genannte ernsthafte Schaden nicht bloß die Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten des Gesundheitssystems des Herkunftslandes sein darf. Die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands eines an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen, die auf das Fehlen angemessener Behandlungsmöglichkeiten in seinem Heimatland zurückzuführen ist, ohne dass diesem Drittstaatsangehörigen die Versorgung vorsätzlich verweigert würde, kann keine ausreichende Rechtfertigung dafür sein, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2014, M-Bodj, C-542/13, EU:C:2014:2452, Rn. 35 und 36)".

Zur Voraussetzung des Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie hat der EuGH festgehalten, dass das "Vorliegen einer solchen Bedrohung ... ausnahmsweise als gegeben angesehen werden" kann, "wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt [...] ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein" (vgl. EuGH 17.2.2009, C-465/07, Elgafaji, Rn. 35).

Auch wenn der EuGH in dieser Rechtsprechung davon spricht, dass es sich hierbei um "eine Schadensgefahr allgemeinerer Art" handelt (Rn. 33), so betont er den "Ausnahmecharakter einer solchen Situation" (Rn. 38), "die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre" (Rn. 37).

Diesen Ausnahmecharakter hob der EuGH nochmals im Urteil vom 30. Jänner 2014, C-285/12, Diakité, Rn. 30, wie folgt hervor:

"Außerdem wird das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nur zur Gewährung subsidiären Schutzes führen können, sofern die Auseinandersetzungen zwischen den regulären Streitkräften eines Staates und einer oder mehreren bewaffneten Gruppen oder zwischen zwei oder mehreren bewaffneten Gruppen ausnahmsweise als ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person, die die Gewährung des subsidiären Schutzes beantragt, im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie angesehen werden, weil der Grad willkürlicher Gewalt bei diesen Konflikten ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein".

Die spezifische Betroffenheit eines Antragstellers kann aber nach dieser Rechtsprechung (vgl. EuGH 30.1.2014, C-285/12, Diakité, Rn. 31) insoweit eine Rolle spielen, als "der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist".

2.3. Bereits in seinem Urteil vom 9. November 2010, C-57/09 und C-101/09, B und D, Rn. 118ff, hat der EuGH dargelegt, dass den Mitgliedstaaten die Gewährung einer anderen Form des nationalen Schu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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