TE OGH 2019/5/28 10Ob33/19d

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Veröffentlicht am 28.05.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Kindes K*****, geboren ***** 2006, vertreten durch das Land Wien (Magistrat der Stadt Wien, Wiener Kinder- und Jugendhilfe, Rechtsvertretung, Bezirke 12 und 23, 1230 Wien, Rößlergasse 15) als Kinder- und Jugendhilfeträger, über den Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. Jänner 2019, GZ 45 R 307/18g-140, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Meidling vom 27. Juni 2018, GZ 2 Pu 153/14f-126, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Im Scheidungsvergleich vom 21. 5. 2010 verpflichtete sich der Vater (ein türkischer Staatsangehöriger) zu monatlichen Unterhaltsleistungen für das 2006 geborene Kind (117 EUR) und dessen beide älteren Geschwister (je 187 EUR). Bemessungsgrundlage war sein als Hilfsarbeiter in Österreich erzieltes durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen.

Das Kind beantragte am 26. 6. 2018 (ON 124) die Gewährung von Richtsatzvorschüssen nach § 4 Z 2 zweiter Fall UVG. Der Vater sei seit 2011 nicht in Österreich gemeldet und gehe keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Nach den Angaben der Mutter bestehe seit 2010 kein Kontakt zum Vater oder dessen Familie. Eine Auskunft über den Aufenthaltsort des Unterhaltsschuldners sei nicht möglich.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab (ON 126). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 27. 11. 2012 seien die monatlichen Unterhaltsbeträge für die ältere Schwester erhöht worden. Die Voraussetzung für die begehrte Gewährung von Richtsatzvorschüssen, dass eine Erhöhung des Unterhaltstitels trotz unbekannten Aufenthalts des Vaters (seit 28. 11. 2011) nicht möglich sei, liege deshalb nicht vor.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und verneinte die Aussichtslosigkeit einer Erhöhung des bestehenden Unterhaltstitels (ON 140). Über Antrag des Kindes (ON 143) ließ es nachträglich den Revisionsrekurs zu.

Rechtliche Beurteilung

Der – nicht beantwortete – Revisionsrekurs des Kindes ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

1. Die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 2 zweiter Fall UVG setzt voraus, dass der Exekutionstitel iSd § 3 Z 1 UVG mehr als drei Jahre alt ist und eine Erhöhung des Unterhaltsbeitrags aus vom Unterhaltsschuldner zu vertretenden Gründen nicht gelingt, außer dieser ist offenbar zu einer höheren Unterhaltsleistung nicht imstande.

2. Das Kind (sein Vertreter) muss alles Notwendige und Zumutbare unternehmen, um eine Unterhaltserhöhung zu erreichen (RIS-Justiz RS0076100 [T1]). Die Behauptungs- und Beweislast für die Unmöglichkeit einer Titelerhöhung trifft das Kind. Nach der Aktenlage praktisch aussichtslose Versuche fordert die höchstgerichtliche Rechtsprechung allerdings nicht (RS0076100 [T2, T3]). Die Zumutbarkeit und Aussichtslosigkeit von Bemühungen um eine Unterhaltserhöhung kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.

3. Der älteren Schwester des Kindes gelang es, gegen den durch eine Zustellkuratorin vertretenen Vater trotz dessen längeren unbekannten Aufenthalts eine Unterhaltserhöhung des Titels (Scheidungsvergleich) von 187 auf 250 EUR zu erreichen (ON 61). Die Kuratorin hatte sich nicht gegen den Unterhaltserhöhungsantrag ausgesprochen. Ob diese 2012 ausgesprochene Unterhaltserhöhung der hier im Juni 2018 beantragten Gewährung von Richtsatzvorschüssen entgegensteht, was das Kind im Revisionsrekurs aufgrund der fehlenden Voraussetzung für eine Anspannung des Vaters bezweifelt, kann aber dahingestellt bleiben:

4. Wenn evident ist, dass sich die materielle Unterhaltsschuld gegenüber den im (mehr als drei Jahre alten) Titel festgesetzten Beträgen nicht erhöht hat, kommt ein Unterhaltsvorschuss nach § 4 Z 2 zweiter Fall UVG nicht in Betracht (10 Ob 46/12f; vgl RS0118524). Der Aufenthaltsort des Vaters, eines türkischen Staatsangehörigen ist seit 28. 11. 2011 unbekannt. Ein anderes als das im Scheidungsvergleich vom 21. 5. 2010 bezifferte Einkommen aus einer Hilfsarbeitertätigkeit ist nicht aktenkundig. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sich der Vater in Österreich oder in einem anderen Mitgliedstaat der Union mit vergleichbarem Einkommensniveau aufhält. Das Kind schließt im Revisionsrekurs offenbar selbst eine Anspannung des Vaters auf ein Einkommen aus, das eine Unterhaltserhöhung zuließe, weil die wahre materielle Unterhaltspflicht den Unterhaltstitel betragsmäßig übersteigt.

5. Anzumerken ist, dass das Kind am 11. 7. 2018 (einige Wochen nach der Einbringung des hier zu beurteilenden Antrags) Titelvorschüsse nach §§ 3, 4 Z 1 UVG begehrte (ON 130) und das Erstgericht diese Vorschüsse für den Zeitraum 1. 7. 2018 bis 30. 6. 2023 mit rechtskräftigem Beschluss vom 22. 8. 2018 (ON 132) auch bewilligt hat.

Textnummer

E125547

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0100OB00033.19D.0528.000

Im RIS seit

17.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

21.11.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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