TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/21 W275 2217904-1

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Veröffentlicht am 21.05.2019
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Entscheidungsdatum

21.05.2019

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art.133 Abs4
Dublin III-VO Art.28
FPG §76
VwGVG §35

Spruch

W275 2217904-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Nigeria, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.03.2019, Zl. 1174578206-190239293, sowie die Anhaltung in Schubhaft von 08.03.2019 bis 10.04.2019 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG stattgegeben und der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.03.2019, Zl. 1174578206-190239293, sowie die Anhaltung in Schubhaft von 08.03.2019 bis 10.04.2019 für rechtswidrig erklärt.

II. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 17.04.2012 in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 09.11.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Begehung einer strafbaren Handlung im Zustand voller Berauschung gemäß § 287 Abs. 1 (§§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4) StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt.

Mit Kurzbrief vom 28.11.2017 teilte die Landespolizeidirektion XXXX auf entsprechendes Ersuchen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mit, dass versucht worden sei, mit dem Beschwerdeführer Kontakt aufzunehmen. An der genannten Adresse habe jedoch lediglich eine näher genannte Frau angetroffen werden können, welche angegeben habe, dass der Beschwerdeführer nicht bei ihr wohne und bloß seine Briefe an die genannte Adresse erhalte. Der Beschwerdeführer wohne in Italien und hole sich die Briefe ab und zu ab oder sie schicke ihm diese nach Italien; er sei schon lange nicht mehr in Wien gewesen.

Mit Bescheid vom 08.03.2019, Zl. 1174578206-190239293, ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-III-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens an. Begründend wurde unter anderem ausgeführt, der Beschwerdeführer, der in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, unterliege einem Verfahren nach der Dublin-III-Verordnung und es sei daher ein Konsultationsverfahren mit Italien eingeleitet worden. Überdies sei gegen den Beschwerdeführer ein Verfahren zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung eingeleitet worden, welche jedoch noch nicht durchführbar sei. Der Beschwerdeführer halte sich seit dem XXXX (an anderer Stelle: 06.06.2018) illegal in Österreich auf; er habe die österreichische Rechtsordnung missachtet und sei rechtskräftig verurteilt worden. Weiters sei sein italienischer Aufenthaltstitel am XXXX abgelaufen. Der Beschwerdeführer halte an seinem illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet fest, da er entgegen der Rechtslage nicht gewillt sei, in dem für sein Verfahren zuständigen Mitgliedstaat zu verbleiben. Aufgrund der erkennungsdienstlichen Behandlung sei anzunehmen, dass Italien nach der Dublin-III-Verordnung zuständig sei, da der Beschwerdeführer in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe und sein italienischer Aufenthaltstitel nicht länger als zwei Jahre abgelaufen sei.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete mit Schreiben vom 11.03.2019 ein Aufnahmeersuchen unter Hinweis auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-Verordnung an Italien. Mit Schreiben vom 26.03.2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die italienischen Behörden auf die eingetretene Verfristung und nunmehrige Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens hin.

Am 12.03.2019 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Sicherung des Überstellungsverfahrens niederschriftlich einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, er sei gesund und nehme keine Medikamente. Er habe in Italien um Asyl angesucht und ein humanitäres Visum erhalten. Zuletzt habe er diesbezüglich im Jahr 2018 einen Antrag eingebracht, das entsprechende Visum sei ihm jedoch noch nicht zugestellt worden. Er verfüge über EUR 800,-- an Barmittel und habe EUR 1.000,-- auf seinem italienischen Bankkonto, für welches er eine Bankomatkarte bei sich habe. Er arbeite in Italien als Reinigungskraft und besuche in Wien regelmäßig etwa ein bis zwei Mal im Monat seine österreichische Freundin und das gemeinsame Kind. Ein gemeinsamer Haushalt liege noch nicht vor, für sein Kind würde er auch noch keine Alimente bezahlen, da er diesbezüglich noch keinen Bescheid erhalten habe; er unterstütze seine Freundin aber sowieso. Wenn er müsse, würde er zurück nach Italien gehen; seine Freundin werde ihn mit dem Kind begleiten. Er habe noch nie etwas Kriminelles getan, sondern lebe und arbeite legal in Italien. Er sei erst kurz vor seiner Festnahme nach Österreich gekommen.

Mit Bescheid vom 26.03.2019 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, ordnete gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG gegen den Beschwerdeführer die Anordnung der Außerlandesbringung an und sprach aus, dass gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung des Beschwerdeführers nach "Deutschland" zulässig sei.

Der Beschwerdeführer wurde am 10.04.2019 auf dem Luftweg nach Italien überstellt.

Gegen den oben genannten Bescheid vom 08.03.2019 sowie die Anhaltung in Schubhaft erhob der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter Beschwerde und brachte insbesondere vor, er sei erst kurz vor seiner Festnahme in das österreichische Bundesgebiet gereist, um seine Freundin und sein Kind zu besuchen. Er lebe und arbeite in Italien und sei im Besitz eines gültigen nigerianischen Reisepasses sowie eines italienischen Aufenthaltstitels; es sei ihm daher erlaubt, sich innerhalb von sechs Monaten drei Monate in Österreich aufzuhalten. Er habe diesen Zeitraum nicht überschritten, sodass sein Aufenthalt in Österreich legal sei. Die Behauptung der belangten Behörde, dass er sich seit 06.06.2018 in Österreich befinde, entbehre jeglicher Grundlage, zumal die Aussage seiner Freundin sowie die vorgelegten italienischen Lohnzettel nicht berücksichtigt worden seien. Beantragt wurde, den angefochtenen Bescheid zu beheben sowie auszusprechen, dass die Anordnung der Schubhaft sowie die Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgt seien. Ein Antrag auf Kostenersatz wurde nicht gestellt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte in der Folge den Verwaltungsakt vor und gab dazu eine Stellungnahme ab. Zudem beantragte es, das Bundesverwaltungsgericht möge den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bestätigen und den Beschwerdeführer zum Ersatz des Vorlage- und des Schriftsatzaufwandes der belangten Behörde verpflichten.

Mit Schreiben vom 15.05.2019 gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf entsprechendes Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichtes bekannt, dass der Beschwerde-führer in Italien über einen vom XXXX bis XXXX gültigen Aufenthaltstitel verfüge.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zum Verfahrensgang:

Der unter I. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1. Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger Nigerias, seine Identität steht fest. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht, er ist in Österreich weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Für den Beschwerdeführer wurde (in Italien) am XXXX ein bis XXXX sowie (in Österreich) am XXXX ein bis XXXX gültiger nigerianischer Reisepass ausgestellt. Dem Beschwerdeführer wurde zunächst in Italien am XXXX ein bis zum XXXX gültiger Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen zuerkannt. In weiterer Folge wurde dem Beschwerdeführer in Italien ein vom XXXX bis XXXX gültiger Aufenthaltstitel zuerkannt.

2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 09.11.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Begehung einer strafbaren Handlung im Zustand voller Berauschung gemäß § 287 Abs. 1 (§§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4) StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt. Der Beschwerdeführer hat sich, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und im Rausch eine Handlung begangen, die ihm außer diesem Zustand als Vergehen der schweren Körperverletzung zugerechnet würde, indem er einem näher genannten einschreitenden Polizisten, der bestrebt war, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen, während der Erfüllung seiner Aufgaben und Vollziehung seiner Pflichten einen Faustschlag in das Gesicht versetzte, wodurch dieser eine leichte Schwellung sowie zwei ca. 5 mm große oberflächliche Excoriationen an der Oberlippe erlitt.

3. Der Beschwerdeführer ist gesund und war während seiner Anhaltung in Schubhaft haftfähig.

4. Der Beschwerdeführer wurde vom 08.03.2019 bis 10.04.2019 in Schubhaft angehalten und am 10.04.2019 nach Italien abgeschoben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Zum Verfahrensgang:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus den unbedenklichen und unstrittigen Inhalten des Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1. Die Identität des Beschwerdeführers steht insofern fest, als für ihn entsprechend der im Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl einliegenden Kopien (in Italien) am XXXX ein bis XXXX sowie (in Österreich) am XXXX ein bis XXXX gültiger nigerianischer Reisepass ausgestellt wurde (AS 27ff). Es steht daher fest, dass der Beschwerdeführer ein volljähriger Staatsangehöriger Nigerias ist. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder in Österreich Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist, finden sich weder im Verwaltungsakt noch wurde dies vom Beschwerdeführer in seiner Einvernahme oder in der Beschwerde vorgebracht. Die Feststellungen zu den italienischen Aufenthaltstiteln basieren einerseits auf der im Akt einliegenden Kopie (AS 39) sowie andererseits auf der Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.05.2019.

2. Die Feststellung zu der strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem Auszug aus dem Strafregister sowie dem im Verwaltungsakt einliegenden Urteil.

3. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich aus seinen Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.03.2019, wonach er gesund sei und keine Medikamente einnehme (Seite 2 der Niederschrift). Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen lassen sich weder dem Verwaltungsakt noch der Beschwerde entnehmen. Es haben sich auch keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde; eine solche wurde vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet.

4. Dass der Beschwerdeführer vom 08.03.2019 bis 10.04.2019 in Schubhaft angehalten wurde, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie aus einem in Akt einliegenden Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister. Die am 10.04.2019 erfolgte Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien ergibt sich ebenfalls aus dem im Akt einliegenden Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A) - Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 FPG - Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Gemäß Art. 28 Dublin-III-Verordnung dürfen die Mitgliedstaaten zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs darf, wenn der Asylwerber in Haft ist, einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Dublin-Verfahren führt, ersucht in diesen Fällen um eine dringende Antwort, die spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs erfolgen muss. Die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt, sobald diese praktisch durchführbar ist, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten.

"Fluchtgefahr" definiert Art. 2 lit. n Dublin-III-Verordnung als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, 2008/21/0647; 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, 2005/21/0301; 23.09.2010, 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, 2007/21/0512 und 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

3.1.3. Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und in Österreich weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, verfügt jedoch über einen bis XXXX gültigen italienischen Aufenthaltstitel.

Im vorliegenden Fall wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.03.2019 gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-III-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens angeordnet und begründend insbesondere ausgeführt, der Beschwerdeführer unterliege einem Verfahren nach der Dublin-III-Verordnung, zumal sein italienischer Aufenthaltstitel am XXXX abgelaufen und er nicht gewillt sei, in dem für sein Verfahren zuständigen Mitgliedstaat zu verbleiben. Aufgrund der erkennungsdienstlichen Behandlung sei anzunehmen, dass Italien nach der Dublin-III-Verordnung zuständig sei, da der Beschwerdeführer in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe und sein italienischer Aufenthaltstitel nicht länger als zwei Jahre abgelaufen sei.

Aus den oben getroffenen Feststellungen ergibt sich jedoch, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über einen italienischen Aufenthaltstitel verfügt hat und das Verfahren über seinen in Italien gestellten Antrag auf internationalen Schutz bereits inhaltlich entschieden wurde. Mit seinen Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides übersieht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, dass hinsichtlich des Beschwerdeführers somit kein Verfahren anhängig ist, auf welches die Dublin-III-Verordnung (welche die Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, regelt) anwendbar ist.

Auch wenn das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer zu dem Stand seines Verfahrens in Italien in der Einvernahme am 12.03.2019 befragt und dieser vorgebracht hatte, dass ihm hinsichtlich seines im Jahr 2018 eingebrachten Antrages "das Visum [...] noch nicht zugestellt" worden sei (AS 205f), hätte es sich nicht ausschließlich auf die Angaben des Beschwerdeführers stützen dürfen, sondern vielmehr den aktuellen Stand des Verfahrens in Italien ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde legen müssen. Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers hätte auch die im Verwaltungsakt einliegende Verlustmeldung vom 29.01.2019, in welcher als Verlustgegenstand ein auf den Beschwerdeführer lautender italienischer Aufenthaltstitel vermerkt ist (AS 43), hervorrufen müssen.

Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bewirkt nicht jeder Begründungsmangel Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, sondern nur ein wesentlicher Mangel. Das ist ein solcher, der zur Folge hat, dass die behördliche Entscheidung in ihrer konkreten Gestalt die konkret verhängte Schubhaft nicht zu tragen vermag. Ob ein wesentlicher Begründungsmangel vorliegt, ist stets eine Frage des Einzelfalls (vgl. VwGH vom 05.10.2017, 2017/21/0007).

Indem das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das abgeschlossene Verfahren des Beschwerdeführers in Italien über seinen Antrag auf internationalen Schutz und den ihm zuerkannten italienischen Aufenthaltstitel gänzlich unberücksichtigt ließ, den angefochtenen Bescheid jedoch auf Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-III-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG stützte, vermag die behördliche Entscheidung in ihrer konkreten Gestalt die konkret verhängte Schubhaft nicht zu tragen. Der Beschwerde ist daher stattzugeben.

Durch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erweist sich auch die auf diesen Bescheid gestützte Anhaltung als rechtswidrig.

3.2. Zu Spruchteil A) - Spruchpunkt II. - Kostenersatz:

3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG siehe VwGH 23.04.2015, 2014/21/0077).

3.2.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

3.2.3. Der belangten Behörde gebührt als unterlegener Partei kein Kostenersatz, der Beschwerdeführer ist aufgrund der Beschwerdestattgabe obsiegende Partei und hat Anspruch auf Kostenersatz. Dieser wurde jedoch nicht geltend gemacht.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

3.4. Zu Spruchteil B) - Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Weder in der Beschwerde noch in der Stellungnahme der belangten Behörde findet sich ein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt überdies der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aufenthaltstitel, Begründungsmangel, Rechtswidrigkeit, Schubhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W275.2217904.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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