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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des R A, geboren am 12. Jänner 1973, vertreten durch Dr. Stefan Wurst, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Pergerstraße 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. Mai 1998, Zl. 203.044/0-IX/25/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste am 22. Jänner 1998 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 26. Jänner 1998 Asyl.
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den seinem Asylantrag nicht stattgebenden Bescheid des Bundesaslyamtes vom 16. April 1998 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen.
Mit diesem Bescheid des Bundesasylamtes war der Asylantrag des Beschwerdeführers einerseits (Spruchpunkt I) gemäß § 7 AsylG abgewiesen und andererseits (Spruchpunkt II) gemäß § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran als nicht zulässig erklärt worden.
Das Bundesasylamt sah die vom Beschwerdeführer anläßlich seiner Einvernahme am 3. Februar 1998 gemachten Angaben ausdrücklich als "glaubhaft" an und gab diese in seinem Bescheid wie folgt wieder:
"Befragt, was dann der Grund Ihrer Flucht aus dem Iran gewesen sei, führten Sie an, Angehöriger der assyrischen Volksgruppe und orthodoxer Christ zu sein.
Am 01.01.1998 - Sie seien aus der Kirche in Teheran gekommen - hätten Sie für die Heimfahrt ein Taxi genommen. Auch seien Sie dementsprechend festlich gekleidet gewesen. Der Taxifahrer habe Sie gefragt, ob Sie Christ seien und Ihnen daraufhin auch gratuliert. Darüberhinaus habe er Sie gefragt, ob Sie ihm ein Exemplar der Bibel schenken könnten, zumal sich seine Gattin darüber sehr freuen würde. Nach Ihrer Ankunft zu Hause - gegen 14.00 Uhr - hätten Sie ein solches Exemplar - und zwar die iranische Ausgabe - dem Taxifahrer geschenkt. Sie selbst seien noch im Besitze der assyrischen Ausgabe der Bibel.
Mit Freunden hätten Sie bereits vereinbart gehabt, um 18.00 Uhr desselben Tages nach K zu fahren, dort die Nacht zu verbringen und Silvester zu feiern.
Um 07.00 Uhr des 02.01.1998 sei plötzlich Ihr Vater vor dem Hause jenes Freundes in K erschienen, bei dem Sie übernachtet hätten. Seinen Angaben zufolge sei der Taxifahrer am 01.01.1998 - es müßte nach 18.00 Uhr gewesen sein - in Begleitung zweier Beamten des Nachrichtendienstes zu Hause erschienen. Laut Aussage der Beamten sollen Sie das Christentum gelehrt und darüberhinaus auch versucht haben, Moslem zum Christentum zu bekehren. Als Zeugen hätten die Beamten den Taxifahrer mitgebracht.
Laut Aussage Ihres Vaters müßten Sie das Land sofort verlassen und habe er Sie in weiterer Folge von K nach U zur Großmutter gebracht. Auch er habe sich dann in U aufgehalten, um Ihre Flucht organisieren zu können.
Befragt, ob Ihnen der Vater sonst noch etwas mitgeteilt habe, führten Sie an, daß laut Aussage der Beamten des Nachrichtendienstes dieser nach Ihnen suchen würde und müßten Sie sich dem Nachrichtendienst sofort stellen.
Vor dem 01.01.1998 hätten Sie niemals Probleme mit den Behörden Ihres Heimatlandes gehabt, auch nicht während Ihres noch zehntägigen Aufenthaltes bei Ihrer Großmutter in U, zumal Sie das Haus nie verlassen hätten.
Am 10.01.1998 hätten Sie schließlich den Iran verlassen.
Sie seien nicht vorbestraft. Laut Aussage des Vaters würden sowohl der Nachrichtendienst als auch die Revolutionswächter nach Ihnen fahnden. Im Falle der Rückkehr in die Heimat würde man Sie hängen. Es gebe genügend Beispiele, wo iranische Staatsangehörige im Falle des Vorwurfes der Bekehrung von Moslems von den Revolutionswächtern umgebracht worden seien."
Daraus folgerte die Behörde erster Instanz nach Darstellung der Rechtslage, daß die geschilderte
"Vorladung zum Nachrichtendienst noch nicht auf eine Verfolgung Ihrer Person hindeutet. So steht keinesfalls fest, daß Sie den Vorwurf der Missionierung Andersgläubiger zum Christentum nicht durch Ihr Erscheinen bei der Behörde und Schilderung des tatsächlichen Sachverhaltes entkräften hätten können.
Darüberhinaus stützen Sie Ihre Angaben auf die Behauptung Ihres Vaters. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Anerkennung als Flüchtling gemäß Asylgesetz 1997. Die Aussage des Vaters allein ist zu vage, um eine Asylgewährung zu rechtfertigen.
Hätte im übrigen tatsächlich so großes Interesse der staatlichen Behörden an Ihrer Person bestanden, so hätte man Sie sicherlich bei den Verwandten - also bei der Großmutter in U - gesucht.
Sie vermochten also, insgesamt beurteilt, nichts vorzubringen, was unter einem der Tatbestände der Genfer Flüchtlingskonvention subsumierbar wäre. Sie sind demnach nicht Flüchtling im Sinne dieser Internationalen Norm. Ihnen konnte aus diesem Grunde Asyl nicht gewährt werden."
Den Ausspruch Spruchpunkt II begründete die Behörde erster Instanz zusammengefaßt damit, daß
"die Behörde aufgrund Ihrer Aussagen und der allgemeinen Lage in Ihrem Heimatland zur Ansicht gelangt, daß stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß Sie im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr liefen, in Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, womit festzustellen war, daß eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nicht zulässig ist."
Dieser auf § 8 AsylG gestützte Ausspruch der Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran erwuchs in Rechtskraft.
Die belangte Behörde nahm in Übereinstimmung mit der Behörde erster Instanz entsprechend den Angaben des Beschwerdeführers an, daß er nach einem Kirchenbesuch am 1. Jänner 1998 einem ihm namentlich nicht bekannten Taxifahrer über dessen Wunsch ein Exemplar der Bibel in iranischer Sprache geschenkt habe und ihn deshalb am 2. Jänner 1998 zwei Beamte des Nachrichtendienstes zur Einvernahme vorgeladen hätten. Zweck dieser Einvernahme sei die Abklärung "der Verdachtsmomente eines allfälligen Versuches der Bekehrung von Moslems zum christlichen Glauben" gewesen. Zur Situation der religiösen Minderheiten im Iran hielt die belangte Behörde ergänzend fest:
"Im Artikel 12 der Verfassung werden der Islam und die Zwölfer JA'fari Schule als die offizielle Religion des Iran festgelegt und weiteren islamischen Schulen vollständige Anerkennung zugestanden.
Durch Artikel 13 werden die Zoroastrischen, die jüdischen und die christlichen religiösen Minderheiten anerkannt, die - innerhalb der Grenzen des Gesetzes - frei sind, ihre religiösen Gepflogenheiten und feierlichen Bräuche wahrzunehmen und sich im Hinblick auf ihre persönlichen Angelegenheiten und ihre religiöse Erziehung in Übereinstimmung mit ihren eigenen kirchlichen Vorschriften zu verhalten.
Im Artikel 14 wird zur Respektierung der Menschenrechte von nicht Moslimen aufgefordert, solange diese davon Abstand nehmen sich an Verschwörungen oder gegen den Islam und die islamische Republik Iran gerichteten Aktivitäten zu beteiligen.
Artikel 64 der Verfassung legt darüber hinaus fest, daß die Mitglieder der religiösen Minderheiten in der islamisch Beratenden Versammlung vertreten sein sollen, wobei Assyrier und chaldäische Christen einen gemeinsamen Vertreter entsenden können."
Die belangte Behörde sprach dem Beschwerdeführer somit nicht die Glaubwürdigkeit seiner Angaben ab, verneinte aber nach Darstellung der Rechtslage seine Flüchtlingseigenschaft mit der wesentlichen Begründung, daß die "Vorladung" und
"Einvernahmeabsicht der Behörden die Weitergabe einer Bibel betreffend weder für sich allein, noch in einer Gesamtschau des herrschenden islamisch fundamentalistischen Regimes zu den in der Verfassung garantierten Minderheitsrechten der Ausübung der christlichen Religion einen Verfolgungseingriff solcher Intensität (darstelle), um Asylrelevanz begründen (zu können)".
Auch könne angesichts des Umstandes, daß der Beschwerdeführer "aktiv seinen Glauben ungehindert ausüben konnte", nicht von einem ihn betreffenden "erhöhten Gefährdungspotential" ausgegangen werden. Es lägen keine ausreichenden objektiven Tatsachen vor, die befürchten ließen, er wäre einer Verfolgungsgefahr "von erheblicher Intensität" ausgesetzt gewesen.
Schließlich verwies die belangte Behörde auf die "begründeten Ausführungen der Behörde erster Instanz betreffend die Bewertung der Flüchtlingseigenschaft des Antragstellers" und erklärte "die bezughabenden Passagen des erstinstanzlichen Bescheides auch zum Inhalt der Begründung des gegenständlichen Bescheides".
Die vorliegende Beschwerde bekämpft die mit diesem Bescheid der belangten Behörde bestätigte Abweisung des Asylantrages wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Es wird beantragt, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben. In der fristgerecht eingelangten Gegenschrift beantragt die belangte Behörde, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (im folgenden: FlKonv) ist Flüchtling, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG 1997 (im folgenden: AsylG) zu Grunde liegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist somit die wohlbegründete Fucht vor Verfolgung. Eine Furcht ist dann wohlbegründet, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt somit nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob die Verhältnisse derart sind, daß sie bei Gesamtbetrachtung ihrer Situation aus Gründen der Konvention Furcht vor Verfolgung haben mußte. Eine solche Furcht auslösende Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1998, Zl. 98/20/0309, 0310). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 1998, Zl. 98/01/0224).
Die Behörde erster Instanz erachtete die Angaben des Beschwerdeführers zur Gänze "als glaubhaft" und legte sie ihrer Entscheidung zugrunde. Indem die belangte Behörde auf die Ausführungen des Bundesasylamtes verwies, übernahm sie auch die Feststellungen betreffend folgende Aussage des Beschwerdeführers:
"Laut Aussage des Vaters würden sowohl der Nachrichtendienst als auch die Revolutionswächter nach Ihnen fahnden. Im Falle der Rückkehr in die Heimat würde man Sie hängen. Es gäbe genügend Beispiele, wo iranische Staatsangehörige im Falle des Vorwurfes der Bekehrung von Moslems von den Revolutionswächtern umgebracht worden seien."
Warum die Angabe des Vaters des Beschwerdeführers, "sowohl der Nachrichtendienst als auch die Revolutionswächter" fahndeten nach dem Beschwerdeführer "zu vage" sein sollen (siehe im Bescheid des Bundesasylamtes S. 5), wird nicht näher begründet. Soweit die Behörde erster Instanz und die belangte Behörde ausführen, die "Vorladung zum Nachrichtendienst" bzw. die "einmalige von den Sicherheitsbehörden ausgesprochene Vorladung und der damit verbundenen Einvernahmeabsicht der Behörden" deute nicht auf eine Verfolgung des Beschwerdeführers hin bzw. stelle keinen hinreichend intensiven Verfolgungseingriff dar, sind diese Schlußfolgerungen vor dem Hintergrund der als glaubwürdig erachteten Angaben des Beschwerdeführers nicht schlüssig. Die belangte Behörde geht in ihrem Bescheid nämlich - wie schon die Behörde erster Instanz - davon aus, daß die iranischen Sicherheitsbehörden den Beschwerdeführer wegen der Aussage des Taxifahrers betreffend den Erhalt der Bibel "zur Einvernahme" anzuhalten beabsichtigten, dies im Hinblick auf den "Verdacht eines allfälligen Versuches der Bekehrung von Moslems zum christlichen Glauben". Der Aussage des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang, "es gäbe genügend Beispiele, wo iranische Staatsangehörige im Falle des Vorwurfes der Bekehrung von Moslems von den Revolutionswächtern umgebracht worden seien", wird konkret nicht entgegengetreten. Wenn die Behörde erster Instanz - auf deren Begründung die belangte Behörde ergänzend verwies - ausführte, der Beschwerdeführer hätte durch sein "Erscheinen bei der Behörde und Schilderung des tatsächlichen Sachverhaltes den Vorwurf der Missionierung Andersgläubiger zum Christentum entkräften können", so ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher Ermittlungsergebnisse die Behörde zur Auffassung gelangte, die Weitergabe einer Bibel in iranischer Sprache an einen Moslem würde nicht unter diesem Gesichtspunkt "der versuchten Bekehrung" von den iranischen Behörden verfolgt.
Die Annahme der belangten Behörde, die iranischen Behörden hätten den Beschwerdeführer, wenn an seiner Person "tatsächlich so großes Interesse der staatlichen Behörden bestanden" hätte, "bei der Großmutter in U" gesucht, läßt nicht erkennen, aufgrund welcher Sachverhaltsgrundlage die iranischen Behörden Anhaltspunkte dafür hätten haben müssen, daß sich der Beschwerdeführer dort aufhalte. Die weitere Begründung der belangten Behörde, für den Beschwerdeführer habe deshalb keine Verfolgungsgefahr bestanden, weil er bis zu diesem Vorfall mit der Weitergabe der Bibel "frei von Repressalien den christlichen Glauben" habe ausüben können, geht völlig an dem hier zu beurteilenden Rechtsproblem vorbei. Entscheidend ist nicht, ob der Beschwerdeführer ungehindert weiter seinen Glauben hätte ausüben können, wenn er die Bibel nicht einem Moslem ausgehändigt hätte, sondern ob er trotz dieses Umstandes (weiterhin) keine wohlbegründete Furcht vor asylrelvanter Verfolgung haben mußte.
Sowohl die Behörde erster Instanz als auch die belangte Behörde nahmen - allerdings ohne konkrete Feststellungen zu treffen - offensichtlich an, daß im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ein dort strafrechtlich verfolgbares Delikt "Versuch der Bekehrung von Moslems zum christlichen Glauben" bestehe bzw. eine in bezug auf einen derartigen Tatbestand staatlich geduldete Verfolgungspraxis existiere. Weder die Behörde erster Instanz noch die belangte Behörde setzten sich aber mit dem genauen Tatbestand dieses "Deliktes" und der dafür im Iran vorgesehenen Sanktion auseinander. Nach den dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegten Angaben des Beschwerdeführers hatte dieser dem Taxifahrer, der Moslem gewesen sei, eine Bibel in iranischer Sprache auf dessen Wunsch ausgehändigt. Weder dem Bescheid der belangten Behörde noch dem Akteninhalt sind Ermittlungsergebnisse zu entnehmen, die die Annahme rechtfertigten, der Beschwerdeführer hätte mit der Darstellung dieses Sachverhaltes den "Vorwurf der Missionierung Andersgläubiger zum Christentum entkräften" können, weil die Weitergabe der Bibel nicht unter ein (nicht näher umschriebenes strafrechtliches) Delikt fiele. Auch der Verweis auf Art. 14 der iranischen Verfassung hilft hier nicht weiter, weil dieser lediglich in abstrakter Weise zur Respektierung der Menschenrechte von Nichtmoslems auffordert, solange diese "davon Abstand nehmen, sich an Verschwörungen oder gegen den Islam und die islamische Republik Iran gerichteten Aktivitäten zu beteiligen". Solange sich die Behörde nicht konkret damit auseinandersetzt, ob die Weitergabe einer Bibel nach der Behördenpraxis im Iran als "ein gegen den Islam und die islamische Republik Iran gerichtete Aktivität" verstanden wird und dagegen mit einer asylerheblichen Repression von staatlicher Seite reagiert wird, kann die Schlußfolgerung, der Beschwerdeführer hätte wegen der Weitergabe der Bibel allein keine Verfolgung zu befürchten, nicht nachvollzogen werden. Die belangte Behörde hätte sich vielmehr nicht mit der Wiedergabe der abstrakten Verfassungsrechtslage im Heimatstaat des Beschwerdeführers begnügen dürfen.
Der Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer hätte im Iran mit keiner erheblichen Verfolgungsgefahr zu rechnen, steht im übrigen die auf dem identen Sachverhalt basierende rechtskräftige Feststellung im Bescheid des Bundesasylamtes entgegen, wonach deshalb stichhaltige Gründe bestünden, er liefe im Falle seiner Rückkehr Gefahr im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Bestrafung oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, weshalb auch die Unzulässigkeit seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung gemäß § 8 AsylG ausgesprochen wurde. Selbst wenn die Weitergabe der Bibel (hier: auf Wunsch eines Moslems) nicht unmittelbar der Ausübung des christlichen Glaubens zuzuordnen sein und die staatliche Verfolgung im konkreten Fall sich nicht gegen die Zugehörigkeit zur christlichen Glaubensgemeinschaft als solcher richten sollte, bliebe jedenfalls im Hinblick auf die Staatsverfassung des Iran, welche auf dem Koran und damit auf der religiösen Grundlage des Islam aufbaut, die mögliche Qualifikation eines von den Behörden als bestehend angenommenen strafrechtlichen Deliktes "der Bekehrung von Moslems zum christlichen Glauben" als ein politisches und somit die Zuordnung der Verfolgung des Beschwerdeführers im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv wegen seiner "politischen Gesinnung".
Bei Vorliegen einer Verfolgungspraxis wegen der (hier vom Beschwerdeführer allenfalls unter dem Gesichtspunkt eines von seiner Glaubensgemeinschaft von ihm geforderten öffentlichen und privaten Bekenntnisses zum Christentum aus seiner Sicht) betätigten religiösen Überzeugung, bzw. aus Sicht der iranischen Behörden wegen der darin erblickten politischen Betätigung läge jedenfalls eine Bedrohung vor, die an einem asylerheblichen Merkmal anknüpfte. Eine solche der Intensität nach erhebliche Verfolgung wäre selbst dann asylrelevant, wenn der Staat hiedurch das Rechtsgut des eigenen Bestandes oder seiner politischen (religiösen) Verfassungsstruktur verteidigt. Anhaltspunkte dafür, daß die Verfolgung des Beschwerdeführers (auch) wegen eines rein kriminellen Charakters seiner Tat drohte, sind im vorliegenden Fall nicht gegeben (vgl. insoweit dazu BVerfG, Beschluß vom 10. Juli 1989, ZBvR 502, 1000, 961/86 in NVwZ 1990, H. 2).
Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der angeführten Verfahrensfehler zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigen Bescheid hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. Jänner 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998200350.X00Im RIS seit
20.11.2000