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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §10 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 16. September 2008, Zl. 132.647/11-III/4/08, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit eines Aufenthaltstitels, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer im Namen seines Sohnes A, eines pakistanischen Staatsangehörigen, eingebrachte Berufung im Verfahren wegen Versagung eines Aufenthaltstitels gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verfahrensgesetz - AVG als unzulässig zurück.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass mit der vom Beschwerdeführer für seinen Sohn eingebrachten Berufung keine schriftlich erteilte Vollmacht vorgelegt worden sei. Daher sei er mit Schreiben vom 11. September 2008 gemäß § 13 Abs. 3 AVG zur Beseitigung dieses Mangels durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht aufgefordert worden. Noch ehe dieses Schreiben zugestellt worden sei, habe der Beschwerdeführer am 9. September 2008 eine von seinem Sohn A schriftlich erteilte Vollmacht zur Post gegeben, die am 10. September 2008 bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangt sei. Diese sei der belangten Behörde weitergeleitet worden, wo sie am 16. September 2008 eingetroffen sei. Die Vollmacht sei mit 21. August 2008 datiert gewesen, weshalb im Zeitpunkt der Berufungseinbringung am 14. August 2008 die "Bevollmächtigung durch die Verfahrenspartei" nicht erkennbar gewesen sei. Im Zeitpunkt seines Einschreitens habe der Beschwerdeführer somit über keine schriftliche Vollmacht seines Sohnes A verfügt und "daher auch keine schriftliche Vollmacht vorgelegt". Auch sonst sei aus der Aktenlage seine Befugnis, seinen Sohn im gegenständlichen Verwaltungsverfahren zu vertreten, nicht ersichtlich. Das Vollmachtsverhältnis sei erst nach Berufungseinbringung begründet worden, weshalb die Verfahrenshandlung dem Beschwerdeführer zuzurechnen sei. Eine Sanierung sei nicht möglich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen hat:
§ 10 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 AVG (samt Überschrift) lautet:
Vertreter
§ 10. (1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.
...
(4) Die Behörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder, Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.
....".
Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass er als Partei des Verfahrens angesehen wurde, obwohl er "bekanntermaßen" nur als Vertreter seines Sohnes aufgetreten sei, ist er auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach Einschreiter jene Person ist, die ein Anbringen bei der Behörde stellt, sei es nun für sich oder einen anderen. Die Eingabe ist - bis zum Nachweis der Bevollmächtigung - nicht dem Machtgeber, sondern dem einschreitenden Vertreter zuzurechnen, sofern dieser eine für die Bevollmächtigung geeignete Person ist. Dementsprechend ist ein Mängelbehebungsauftrag an den einschreitenden Vertreter zu richten und ihm zuzustellen (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 10 AVG in E 82 f, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Auch in den Fällen des § 10 Abs. 4 AVG ist der Behörde unbenommen, bei Zweifel am Bestehen der Vollmacht oder deren Umfang nach § 13 Abs. 3 AVG vorzugehen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 10, Rz 15).
Die Beschwerde ist dennoch berechtigt. Zutreffend weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass zwischen dem Bestand einer Vollmacht und deren Beurkundung unterschieden werden muss. Eine im Namen eines anderen gesetzte Verfahrenshandlung ist auch dann rechtswirksam, wenn im Zeitpunkt der Verfahrenshandlung das Vollmachtsverhältnis schon bestand und dieses nur nachträglich (wie etwa auch in Befolgung eines Auftrages gemäß § 13 Abs. 3 AVG) beurkundet wird (vgl. Walter/Thienel, aaO, E 66;
Hengstschläger/Leeb, aaO, Rz 9). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann aus der Datierung einer Bevollmächtigungsurkunde nicht darauf geschlossen werden, dass das Vollmachtsverhältnis erst ab der Datierung entstanden wäre. Vielmehr wird der Mangel des Nachweises eines bestehenden Vollmachtsverhältnisses auch durch dessen nachträgliche Beurkundung beseitigt (vgl. Walter/Thienel, aaO, E 71). Entscheidend ist nicht die - möglicherweise nach der Setzung der Verfahrenshandlung liegende - Datierung der Bevollmächtigungsurkunde, sondern dass das Vollmachtsverhältnis tatsächlich im Zeitpunkt der Verfahrenshandlung durch den Vertreter bereits bestanden hat (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO, Rz 9)
Ausgehend von dieser Rechtslage ist nun fallbezogen kein Grund erkennbar, weshalb die vom Beschwerdeführer aus eigenem (noch vor Zustellung des Verbesserungsauftrages) vorgelegte Vollmacht nicht den Bestand einer bereits im Zeitpunkt der Berufungserhebung bestehenden Bevollmächtigung nachweisen, sondern erst ab dem Zeitpunkt ihrer Errichtung Wirksamkeit hätte erlangen können. Die Vollmacht war mit einem Datum versehen, welches kurz nach Einbringung der Berufung lag und somit einen engen zeitlichen Zusammenhang mit der Berufungserhebung aufwies. Weiters umfasste sie ausdrücklich die Vertretungsbefugnis in Verfahren vor der "Magistratsabteilung 35" (unzweifelhaft gemeint: die erstinstanzliche Behörde) sowie die Befugnis, (unter anderem auch) in solchen Verfahren Berufungen einzubringen.
Die Ansicht der belangten Behörde, es sei allein auf Grund des in der Vollmacht enthaltenen Datums davon auszugehen, der Beschwerdeführer sei im Zeitpunkt der Berufungseinbringung (noch) nicht von seinem Sohn bevollmächtigt gewesen, entspricht somit nicht dem Gesetz. Da darüber hinaus auch sonst keine Gründe für die Annahme zu erkennen sind, die mit 21. August 2008 datierte Vollmacht hätte die unmittelbar zuvor erhobene Berufung nicht gedeckt, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 27. Jänner 2009
Schlagworte
Amtsbekannte FamilienmitgliederBeginn Vertretungsbefugnis Vollmachtserteilungnachträgliche VollmachtserteilungStellung des VertretungsbefugtenVerbesserungsauftragVerbesserungsauftrag BejahungVertretungsbefugnis Inhalt UmfangVertretungsbefugnis Inhalt Umfang ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2009:2008220879.X00Im RIS seit
03.07.2019Zuletzt aktualisiert am
03.07.2019