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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §57 Abs1 Z2Betreff
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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der H A in S, vertreten durch DDr. Rainer Lukits, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. Jänner 2019, I420 2163493-2/4E, betreffend (insbesondere) Abweisung des Antrages auf Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 und Rückkehrentscheidung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige Nigerias, stellte am 19. April 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie berief sich dabei im Wesentlichen auf die Angst vor einer Zwangsverheiratung in Nigeria.
2 Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 24. Mai 2017 vollinhaltlich ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 und erließ eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG samt Nebenaussprüchen.
3 Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde, in der sie erstmals vorbrachte, ihre Mutter habe sie an einen Schlepper verkauft, der in Österreich von ihr "eine Abbezahlung ihrer Schulden durch Prostitution" verlangt habe. In Österreich hätte er sie bedroht, insgesamt sei sie somit ein Opfer von Menschen- und Prostitutionshandel.
4 Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies die Beschwerde - nach mündlicher Verhandlung vom 18. September 2017 - mit Erkenntnis vom 13. November 2017 als unbegründet ab. 5 Begründend erachtete es sowohl das Vorbringen betreffend eine Zwangsverheiratung als auch zum Menschenhandel aus im Einzelnen näher ausgeführten Überlegungen als nicht glaubhaft. Insbesondere erschiene es - abgesehen von verschiedenen Widersprüchlichkeiten in ihren Erzählungen (etwa betreffend die Verletzung ihrer Tante oder eine unwahrscheinliche Verwechslung von Lagos und Benin City) - befremdlich, dass sie sich bereits in der Gewalt eines in Nigeria als Menschenhändler tätigen Österreichers befunden habe und bereit gewesen sei, Nigeria zu verlassen, dieser aber dennoch später Kontakt zu ihrer Mutter gesucht hätte, um dieser Zahlungen zu leisten. Dasselbe gelte für ihre Ausführungen, der Menschenhändler hätte sie nach der Ankunft in Österreich, wo sie zu keinem Zeitpunkt die Prostitution tatsächlich ausgeübt habe, mehr als eineinhalb Jahre lang trotz Kenntnis ihres Aufenthaltsortes vollkommen unbehelligt gelassen. Weiters erscheine es nicht nachvollziehbar, dass die Revisionswerberin, nachdem sie den angeblichen Menschenhändler rund ein Jahr lang nicht einmal gesehen habe, selbst bei ihrer Einvernahme vor dem BFA, in der sie den erwähnten Österreicher noch als Helfer bezeichnet hatte, noch immer nicht die Wahrheit gesagt haben wolle und erstmals in ihrer Beschwerde von Menschenhandel gesprochen habe. Insgesamt sei zu folgern, dass sie bereit sei, falsche Angaben zu machen, um ihre Chancen auf einen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich zu verbessern.
Das genannte Erkenntnis des BVwG vom 13. November 2017 ist bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts unbekämpft geblieben.
6 Am 20. März 2018 stellte die Revisionswerberin den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "besonderer Schutz" gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 (als Zeugin bzw. Opfer von Menschenhandel).
7 Nach Einräumung des rechtlichen Gehörs, das zur Abgabe einer Stellungnahme vom 16. April 2018 durch die anwaltlich vertretene Revisionswerberin führte, sowie einer Stellungnahme der Landespolizeidirektion Salzburg (gemäß § 57 Abs. 2 AsylG 2005) vom 4. Oktober 2018 wies das BFA den genannten Antrag gemäß § 57 AsylG 2005 mit Bescheid vom 5. Oktober 2018 ab. Zugleich erließ es gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 3 FPG, stellte nach § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der Revisionswerberin gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei, und gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
8 In seiner Begründung verwies das BFA - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im Wesentlichen auf das Erkenntnis des BVwG vom 13. November 2017; es sei nicht glaubhaft, die Revisionswerberin wäre Opfer von Menschenhandel geworden. Weiters stellte das BFA fest, die Revisionswerberin habe keine Familienangehörigen in Österreich, sodass durch die Rückkehrentscheidung nicht in ihr Familienleben eingegriffen werde. Sie halte sich seit rund zweieinhalb Jahren im Bundesgebiet auf, also für eine sehr kurze Zeit im Verhältnis zur bisher im Herkunftsland verbrachten Lebensdauer. Hier habe sie lediglich eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 abgelegt, sei gemeinnützig tätig gewesen und habe verschiedene Kontakte geknüpft. Es könne somit nicht von einer nachhaltigen Integration ausgegangen werden. Gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG folge hieraus die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung.
9 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 7. Jänner 2019 als unbegründet ab. Außerdem sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 10 In seiner Begründung teilte es im Wesentlichen die Argumentation des BFA. Der Beschwerde sei keine substantiierte Bestreitung der Feststellungen des BFA zu entnehmen. Die zentrale Behauptung, Opfer von Menschenhandel geworden zu sein, erweise sich - wie bereits mit Erkenntnis des BVwG vom 13. November 2017 dargelegt - als nicht glaubhaft. Ein von der Revisionswerberin geltend gemachter Verkauf einer Straßenzeitung, gemeinnützige Arbeit beim Magistrat der Stadt Salzburg und die Vorlage von Empfehlungsschreiben wurden der Entscheidung zugrunde gelegt.
Die Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben können, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine. Konkret habe sich das BVwG der Beweiswürdigung des BFA zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen sei unsubstantiiert geblieben, sodass keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen zur Klärung verblieben seien.
11 Die dagegen erhobene Revision erweist sich als unzulässig:
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
13 Unter diesem Gesichtspunkt wird in der Revision im Sinne eines Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Unterbleiben der ausdrücklich beantragten Beschwerdeverhandlung gerügt. Die dazu vorgetragene Argumentation, das BFA habe in seinem Bescheid vom 5. Oktober 2018 keinerlei Feststellungen zum Privat- und Familienleben der Revisionswerberin getroffen; darüber hinaus habe das BVwG zur Verneinung von Menschenhandel erstmals eine eigenständige (auf den späten Zeitpunkt des diesbezüglichen Vorbringens gestützte) Beweiswürdigung vorgenommen, widerspricht der dargestellten Aktenlage.
Auch hatte bereits das BFA der Revisionswerberin - entgegen ihrem Vorbringen in der Revision - rechtliches Gehör eingeräumt, das zur Abgabe einer Stellungnahme vom 16. April 2018 geführt hat. 14 Im Übrigen hat die Revisionswerberin auch in ihrer Beschwerde nichts Substanzielles vorgebracht, was vom BVwG dann nicht ohnehin seinem Erkenntnis zugrunde gelegt wurde (insbesondere Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2, gemeinnützige bzw. ehrenamtliche Tätigkeiten und verschiedene Sozialkontakte, die zu Empfehlungsschreiben geführt haben). Vom in der Revision (als unzulässige Neuerung) geltend gemachten Eingehen einer Lebensgemeinschaft mit einem nigerianischen Staatsangehörigen, Schwangerschaft der Revisionswerberin, Schwangerschaftsproblemen und ihrer engen Beziehung zu einer österreichische Familie war dagegen nicht die Rede gewesen.
15 Auch wenn das BVwG in diesem Zusammenhang die (bereits vom BFA ins Treffen geführten) Ausführungen im Asylerkenntnis vom 13. November 2017 zugrunde legte, ist das verfahrenstechnisch nicht zu beanstanden (vgl. etwa VwGH 4.4.2019, Ra 2019/21/0082, Rn. 8).
16 Insgesamt hat das BVwG somit - zumal vor dem Hintergrund der rechtskräftigen Vorentscheidung vom 13. November 2017, worauf die Revision aber nicht Bedacht nimmt - jedenfalls vertretbar das Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 verneint und ist von einer im Ergebnis nicht stark ausgeprägten Integration der Revisionswerberin in Österreich ausgegangen. Insoweit durfte das BVwG auch vom Vorliegen eines eindeutigen Falles ausgehen, der es ausnahmsweise gestattete, ohne Verschaffung eines persönlichen Eindrucks zu entscheiden. Im Unterbleiben der beantragten Beschwerdeverhandlung ist somit auch unter diesem Gesichtspunkt kein Abweichen von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu etwa VwGH 20.12.2018, Ra 2018/21/0143 bis 0147, Rn. 8) zu erblicken.
17 Damit zeigt die Revision zusammenfassend keine Rechtsfrage auf, der iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 16. Mai 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210043.L00Im RIS seit
04.09.2019Zuletzt aktualisiert am
04.09.2019