Entscheidungsdatum
29.05.2019Norm
GewO 1994 §2 Abs3 Z4Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag.Dr. Wessely, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde der Frau A, vertreten durch B, Rechtsanwältin in *** gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde *** vom 11.03.2019, betreffend baubehördliche Genehmigung, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde behoben.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig (§ 25a VwGG).
Entscheidungsgründe:
Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2016 beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung für den Umbau eines Putenmastbetriebes in einen „landwirtschaftlichen Betrieb mit Pferdehaltung“ auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***.
Näherhin soll (ausweislich des Betriebskonzepts) auf dem Grundstück ein Zucht-, Einstell- und Reitbetrieb auf landwirtschaftlicher Basis errichtet werden. Neben 14 eigenen Pferden, davon 3 Zuchtstuten, Schulpferde und Gnadenbrotpferde, sollen 15 bis 18 Einstellpferde gehalten werden. Diese könnten zu 70 % aus eigenem Futteranbau versorgt werden. Der Betrieb solle rund 10 Hektar umfassen, von denen rund 3 ha als Weideland und 7 ha landwirtschaftliche Fläche für den Anbau von Hafer und Haferstroh vorgesehen seien. Jährlich sollten aus Mitgliedsbeiträgen der Vereinsmitglieder € 3.000,--, aus der Einstellung von Tieren € 66.000,--, aus dem Schulbetrieb € 12.000,--, aus Pferdevermietung € 2.400,-- und aus dem Verkauf bzw. der Zucht € 10.800,-- lukriert werden. Dem sollen Ausgaben in Höhe von € 15.600,-- für Futter und Einstreumaterial, von € 1.920,-- für die Mistentsorgung und Müllgebühren, € 6.000,-- für den Hufschmied und den Tierarzt, € 24.000,-- für die Lohnkosten des Tierpflegers, € 3.600,-- an Sozialversicherungsbeiträgen, € 20.400,-- an Pachtgebühren, € 3.600,-- an Energiekosten, € 1.080,-- für Instandhaltungsmaßnahmen, € 2.760,-- für sonstige Ausgaben sowie € 4.800,-- für Abschreibungen (Investitionen, Kredite) gegenüberstehen. Insgesamt soll so ein jährlicher Überschuss von € 10.440,-- erwirtschaftet werden. Während die Einstellung der Tiere durch die Beschwerdeführerin erfolgen solle, solle der Schulbetrieb und die Vermietung von Reittieren durch einen Verein abgewickelt werden.
Unter Zugrundelegung der Annahme, dass 3 bis 4 ha des Betriebes als Stallungen, Paddocks, Betriebsgelände (Reitplatz, Parkplatz, etc.) und Koppeln, die verbleibenden 7 ha als Wiese bzw. Acker für die Futtererzeugung zur Verfügung stehen sollen, gelangte die landwirtschaftstechnische Sachverständige zum Schluss, dass es dem Konzept an der für das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebes erforderlichen Nachhaltigkeit fehle, die Pferdehaltung darüber hinaus aber aufgrund von Art und Umfang nicht der landwirtschaftlichen Urproduktion zugerechnet werden könne. Hiezu replizierte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf eine gleichzeitig vorgelegte Stellungnahme des Verbandes der NÖ Pferdezüchter, dass dieser unter denselben, von der Sachverständigen herangezogenen Prämissen, zum Schluss gelangt sei, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb vorläge.
Der infolge eines Devolutionsantrages zuständig gewordene Gemeindevorstand wies schließlich mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag der Beschwerdeführerin ab.
In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde führte sie aus, dass sie auf den zur Verfügung stehenden 10 ha Betriebsfläche bloß 14 bis 18 Einstellpferde halten wolle. Zumal sich die landwirtschaftlich genutzten Flächen in unmittelbarer Nähe der Stallungen befänden, auf 7 ha Hafer und Haferstroh angebaut würde und sie nicht mehr als 25 Einstellpferde halten wolle, sei das Projekt nach § 2 Abs. 3 Z 4 GewO der Land- und Forstwirtschaft zuzuordnen.
In der öffentlichen mündlichen Verhandlung erläuterte die Beschwerdeführerin das Betriebskonzept und präzisierte dieses dahingehend, 18 Pferde einstellen zu wollen. Die vom Projekt erfassten Objekte sollten gleichermaßen den eingestellten Pferden wie auch den Tieren der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehen. Darüber hinaus änderte sie das Projekt in mehrfacher Hinsicht ab, indem – anders als bisher beabsichtigt – weder ein Schulbetrieb noch eine Vermietung von Reittieren erfolgen soll. Auch sollten Einnahmen aus der Zucht und damit dem Verkauf von Tieren nur noch sehr untergeordnet verfolgt werden. Demnach fielen neben diesen Einnahmen sämtliche Einnahmen weg, die über die projektierte Tätigkeit des Vereins in den Betrieb eingeflossen wären (Anm.: die jährlichen Einnahmen beliefen sich daher auf € 66.000,-- bzw. unter Annahme von unveränderten Einnahmen aus der Zucht auf € 76.800,--; dem stünden jährliche Ausgaben von € 78.600,--) gegenüber.
Das Landesverwaltungsgericht stellt dazu fest:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht – sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist – die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen; andernfalls – zufolge § 31 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss. Soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen und nach § 28 Abs. 2 VwGVG grundsätzlich in der Sache zu entscheiden. Relevant ist dabei im Bescheidbeschwerdeverfahren – nach h.M. (i.d.S. auch VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076) – regelmäßig die in seinem Entscheidungszeitpunkt geltende Sach- und Rechtslage, sodass diesbezügliche Änderungen – zum Vor- und Nachteil der Beschwerdeführerin (VwGH 27.03.2007, 2007/18/0059) zu berücksichtigen sind.
Gemäß § 1 NÖ Bau-Übertragungsverordnung 2017 werden Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei bei gewerblichen Betriebsanlagen, die einer Genehmigung durch die Gewerbebehörde bedürfen, aus dem eigenen Wirkungsbereich der aufgezählten Gemeinden auf die Bezirkshauptmannschaft zur Besorgung übertragen. Die Übertragung bezieht sich auf das gesamte Vorhaben auch wenn dieses nur teilweise der gewerbebehördlichen Genehmigungspflicht unterliegt, soweit bautechnisch ein untrennbarer Zusammenhang mit der gewerblichen Betriebsanlage besteht. Von der Übertragung umfasst ist auch die Zuständigkeit hinsichtlich solcher Anlagen, die eine Mischverwendung aufweisen. Eine solche Übertragung erfolgte für die Gemeinde *** mit 1. November 2005.
Im konkreten Fall ist daher zu prüfen, ob vom Vorliegen einer gewerblichen Betriebsanlage auszugehen ist. Vorauszuschicken ist zunächst, dass der Betrieb einer Reitschule (unverändert; VwSlg 16.526 A/2005) sowie das Vermieten von Reittieren nicht als Ausübung der Land- und Forstwirtschaft zu werten sind, sondern es sich bei letzterem allenfalls um ein Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft handelt (§ 2 Abs. 4 Z 6 GewO). In beiden Fällen unterliegen entsprechende Anlagen nach Maßgabe des Abs. 5 dem Betriebsanlagenregime der GewO. Während unstrittig ist, dass auch die Einstellung von Pferden gewerbsmäßig (also selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben werden soll, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen) erfolgen soll, ist fraglich, ob das Vorhaben der Land- und Forstwirtschaft zuzuordnen ist und solcherart nach § 2 Abs. 1 Z 1 GewO aus dem Anwendungsbereich der GewO herausfällt. Nach § 2 Abs. 3 Z 4 GewO i.d.F. der Novelle BGBl I 2017/94 gehört das Einstellen von höchstens 25 Einstellpferden zur Land- und Forstwirtschaft, sofern höchstens 2 Einstellpferde pro Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche gehalten werden und diese Flächen sich in der Region befinden. Ausweislich der Materialien (AB 1752 BglNR 25. GP 5) liegen keine landwirtschaftlich genutzten Flächen vor, wenn auf diesen kein Futterertrag gewonnen werden kann. Zudem müssen diese landwirtschaftlich genutzten Flächen i.S. einer Kreislaufwirtschaft in der näheren Umgebung des Einstellbetriebes liegen. In der Region befindlich sind die landwirtschaftlich genutzten Flächen jedenfalls dann, wenn sie in einem Umkreis von 10 km zur Betriebsstätte liegen.
Während das Projekt hinsichtlich der Maximalzahl der Einstellpferde sowie des Radius, innerhalb dessen sich die zum Betrieb gehörigen Grundstücke befinden, unter der genannten Bestimmung subsumiert werden kann, trifft dies auf das Verhältnis der projektierten Zahl der Einstellpferde zur landwirtschaftlich genutzten Fläche nicht zu. So müsste jener Anteil, auf dem eine Futterproduktion erfolgen könnte, mindestens 9 ha ausmachen. Derartiges lässt sich aber aus den Einreichunterlagen nicht ableiten. Davon ausgehend kann daher das projektierte Einstellen von Reittieren nicht als Ausübung der Land- und Forstwirtschaft i.S.d. § 2 Abs. 3 Z 4 GewO angesehen werden.
Fraglich ist allerdings, ob es die Anforderungen des in § 2 Abs. 4 Z 6 GewO genannten Nebengewerbes des Vermietens und Einstellens von Reittieren erfüllt. Als Nebengewerbe muss das Einstellen von Reitpferden in einer mit der Land- und Forstwirtschaft engen Verbundenheit und in einer wirtschaftlichen Unterordnung der gewerblichen Tätigkeit gegenüber der Land- und Forstwirtschaft bestehen (VwGH 3.7.2007, 2005/05/0253). Zumal sich die landwirtschaftliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin, sieht man von der Pferdezucht ab, im Einstellen von Reitpferden erschöpfen soll, scheidet auch die Annahme des Vorliegens eines Nebengewerbes aus.
Daraus ergibt sich wiederum, dass das gegenständliche Vorhaben in den Anwendungsbereich der GewO fiel und fällt, sodass die einzelnen Objekte Teile einer gewerblichen Betriebsanlage i.S.d. § 74 Abs. 1 GewO darstellen und einer entsprechenden gewerbebehördlichen Genehmigung bedürfen. Dies hat mit Blick auf § 1 NÖ Bau-Übertragungsverordnung 2017 wiederum zur Folge, dass die belangte Behörde zur Erledigung des Antrags unzuständig war und insoweit eine Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf bestand. Bereits aus diesem Grund war der Beschwerde Erfolg beschieden und war der angefochtene Bescheid aufzuheben. Die Beschwerdeführerin wird – soweit das Projekt unverändert aufrechterhalten wird – unter einem gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 6 AVG an die zuständige Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf verwiesen.
Der Vollständigkeit halber wird zum einen festgehalten, dass an diesem Ergebnis auch die Projektsmodifikation im Zuge des Beschwerdeverfahrens nichts zu ändern vermochte, zumal auch der projektierte Einstellbetrieb für sich nicht als Ausübung der Land- und Forstwirtschaft gewertet werden kann. Zum anderen wäre es im Fall der Weiterverfolgung des Projekts durch die Beschwerdeführerin ihre Sache, das Betriebskonzept in einer eine entsprechende Beurteilung zulassenden Weise zu verbessern.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil sich die vorliegende Entscheidung auf den in Zusammenschau mit den Materialien eindeutigen Gesetzeswortlaut stützt.
Schlagworte
Bau- und Raumordnungsrecht; Gewerberecht; gewerbliche Betriebsanlage; örtliche Baupolizei; Übertragung; Einstellpferde; landwirtschaftlich genutzte Flächen;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.546.001.2019Zuletzt aktualisiert am
19.06.2019