TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/14 L512 2125840-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.03.2019
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Entscheidungsdatum

14.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §53 Abs3
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L512 2125840-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der Volksrepublik Bangladesch, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Robert BITSCHE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 68 Abs. 1

AVG 1991, BGBl. I Nr. 51/1991 idgF, §§ 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 FPG 2005 idgF, § 55 Abs. 1a FPG 2005, § 53 Abs.1 iVm Abs. 2 FPG 2005 abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge: BF), ein Staatsangehöriger der Volksrepublik Bangladesch (in weiterer Folge: Bangladesch), stellte beim damaligen Bundesasylamt (kurz: BAA) nach nicht rechtmäßiger Einreise am 06.07.2009 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Am 06.07.2009 brachte der BF vor, er habe seinen Herkunftsstaat am XXXX legal per Flugzeug verlassen. Der BF sei im Zuge eines Grundstücksstreites von seinem Nachbarn mit dem Umbringen bedroht worden. Da der Nachbar eng mit der regierenden Partei befreundet gewesen sei, habe dieser gute Kontakte zur Polizei gehabt und den BF durch die Polizei verfolgen lassen. Der BF habe aus Angst um sein Leben das Land verlassen. Er habe einen Bruder und zwei Schwestern in Bangladesch.

Mit Bescheid vom XXXX , Az: XXXX , wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (Spruchpunkt I), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch ab (Spruchpunkt II) und wies den BF gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bangladesch aus (Spruchpunkt III). Das BAA hielt zusammengefasst fest, es könne nicht festgestellt werden, dass der BF in seinem Herkunftsstaat einer Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Die angegebenen Gründe dafür, dass er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, seien unglaubhaft. Sodann traf das BAA Feststellungen zur Situation in Bangladesch. Beweiswürdigend stützte es sich darauf, der BF habe angegeben, dass er gemeinsam mit seinen Eltern auf deren Landwirtschaft gelebt und gearbeitet habe; es sei nicht glaubhaft, dass er wegen Grundstücksstreitigkeiten dort behelligt worden sei, während die ganze Familie offenbar weiter problemlos dort leben könne. Dass der BF in Österreich sein Quartier, ohne sich abzumelden, verlassen und dem Bundesasylamt keine neue Anschrift mitgeteilt habe und somit seiner Mitwirkungspflicht im Verfahren nicht nachgekommen sei, zeige deutlich, dass er "keinerlei besonderes Interesse" am Schutz durch Österreich habe. Rechtlich folgerte das BAA, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lägen nicht vor. Weiters verneinte es, dass der BF iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bedroht oder gefährdet sei, und begründete abschließend seine Ausweisungsentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 27.07.2009 durch Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch gemäß § 23 Abs. 3 Zustellgesetz zugestellt, da sich der BF nicht mehr an seiner Zustelladresse aufhalte. Der BF brachte dagegen kein Rechtsmittel ein. Der Bescheid vom XXXX , Az: XXXX erwuchs am 11.08.2009 in Rechtkraft.

I.2. Am 22.09.2012 stellte der BF einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Befragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.09.2012 gab der BF an, er sei etwa XXXX , nachdem er den ersten Asylantrag gestellt habe, nach Bangladesch zurückgekehrt, da der Vater des BF verstorben sei. Der BF habe sich dann ein Jahr in Bangladesch aufgehalten.

Um Streitigkeiten um das familieneigene Grundstück zu entgehen, sei er wieder nach Österreich gefahren. Bei einer Rückkehr in die Heimat würde er wieder Probleme haben; im Zuge eines Streites um das Grundstück habe er jemanden mit einer Bambusstange auf den Kopf geschlagen. Der Mann sei im Spital behandelt worden, "dies" sei schon öfter geschehen, da der BF "dasselbe" schon vor Jahren, vor dem ersten Asylantrag, gemacht habe.

Bei der Einvernahme vor dem BAA am 03.10.2012 gab der BF an, er sei 2009, XXXX XXXX nach der Einreise nach Österreich, wieder nach Bangladesch zurückgekehrt, an das Datum könne er sich nicht mehr erinnern. Er habe sich zuerst in der Hauptstadt XXXX , dann sechs Monate an seiner Wohnadresse und dann wieder in XXXX aufgehalten, der Onkel habe dann mit einem Schlepper gesprochen und die neuerliche Ausreise organisiert. Der Vater des BF sei am XXXX gestorben.

Die Fluchtgründe aus dem ersten Verfahren bestünden noch, er habe aber auch neue Fluchtgründe. Er sei nach seiner Rückkehr mit denselben Leuten konfrontiert gewesen, derentwegen er bereits XXXX das Heimatland verlassen habe. Der Vater des BF habe der Partei Awami League (in der Folge: AL) angehört und sei von Angehörigen der Partei "Sarbhara" getötet worden. Nach seiner Rückkehr habe der BF versucht, die Gründe herauszufinden, warum sein Vater getötet worden sei. Es sei ihm gesagt worden, dass die Mitglieder "der Partei" (gemeint offenbar: der "Sarbhara" [di. vermutlich die Shorbohara]) Geld - XXXX - von ihrem Vater verlangt hätten; da dieser nicht gezahlt habe, sei er getötet worden. Dann sei der BF selbst bedroht worden. Der Onkel des BF habe gemeint, dass es für ihn gefährlich sei und dass er wieder ausreisen solle. XXXX habe er Bangladesch wieder verlassen.

Mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wies das Bundesasylamt diesen - zweiten - Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I) und wies den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bangladesch aus (Spruchpunkt II).

Der gegen den Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX eingebrachten Beschwerde

wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , XXXX , gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Am 24.02.2016 erfolgte eine Einvernahme des BF vor dem nunmehr zuständigen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA).

Der BF gab unter anderem an, dass sein Vater XXXX 0 verstorben sei und die Mutter sowie ein Bruder und zwei Schwestern noch in Bangladesch leben würden. Der Vater des BF sei im XXXX von den Leuten der Shorbohara ermordet worden.

Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl: XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , GZ: XXXX , wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom XXXX , Zl: XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF und § 52 Abs. 2 Z 2, § 52 Abs. 9 iVm § 46 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz von

Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt." Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erachtet. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass das Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbedingungen nicht glaubwürdig war. Dieses Erkenntnis erwuchs am 08.08.2016 in Rechtskraft.

I.3. Am 22.05.2018 stellte der BF seinen dritten (gegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz.

I.4. Zu diesem Antrag wurde der BF am 22.05.2018 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Der BF gab unter anderem an, dass er Österreich seit 2012 nicht verlassen habe. Er möchte einen neuen Antrag stellen, da er zu Hause noch Probleme habe. Er wisse nicht, ob seine alten Probleme noch aufrecht wären. Er habe aber neue Probleme. Der BF habe im Jahr XXXX in seinem Dorf ein Haus bauen lassen. Ein Nachbar seines Hauses sei ermordet worden. Man habe den BF in den Mord hineingezogen bzw. behauptet, dass er damit etwas zu tun hätte. Der BF sei aber zum Tatzeitpunkt nicht in Bangladesch gewesen. Der Onkel des BF habe ihm mitgeteilt, dass es neben einer Anzeige gegen den BF noch eine weitere geben würde. Es würde auch ein Gerichtsurteil im Fall des behaupteten Mordes geben. Er habe erfahren, dass er verurteilt worden wäre. Er habe mit seinem Anwalt Kontakt aufgenommen und ihn ersucht Unterlagen nach Österreich zu schicken. Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst, dass er inhaftiert werde, weil er verurteilt worden sei.

I.5. Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte der BF am 11.06.2018 im Wesentlichen Folgendes vor:

Die Angaben, die er im Rahmen seines letzten Asylverfahrens in Österreich gemacht haben, seien richtig, vollständig und es sei alles richtig übersetzt worden. Es wären zwei Anzeigen gegen den BF erstattet worden, einmal im XXXX , das andere Mal im XXXX . Es sei zu einem Mordfall gekommen. In der ersten Anzeige scheine der Name des BF auf. Dem BF werde darin vorgeworfen, dass er Mittäter bei einer Ermordung gewesen sei. Der Vorfall sei auf dem Grundstück seines Hauses passiert. Es würde deswegen einen Haftbefehl gegen den BF geben. In der zweiten Anzeige werde dem BF vorgeworfen, dass er jemanden belästigt und vergewaltigt habe. Über die beiden Anzeigen habe der BF von seinem Onkel erfahren. Warum gegen den BF Anzeigen erstattet wurden, könne sich der BF nicht erklären. Er habe keine Feinde in Bangladesch. Ein Gerichtsurteil würde es nicht geben. Im Falle seiner Rückkehr habe der BF Angst, dass er ins Gefängnis komme, gefoltert und getötet werde.

I.6. Am 11.06.2018 wurde dem BF eine Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 und § 15a AsylG ausgefolgt.

I.7. Am 20.06.2018 erfolgte eine ergänzende Einvernahme vor einem Organwalter der belangten Behörde in Anwesenheit eines Rechtsberaters. Der BF brachte unter anderem Folgendes vor:

Er möchte erwähnen, dass ein Dokument, nämlich die Anzeige wegen Mordes zu ihm auf dem Weg sei. Das zweite Dokument würde nach wie vor seinem Onkel nicht ausgehändigt werden. Der BF werde von Angehörigen und Leuten des Toten verfolgt und bedroht. Diese Leute würden wahrscheinlich auch in Verbindung zur Awami League stehen. Zudem werde er von der Polizei und dem Staat verfolgt.

I.8. Der BF brachte ein Konvolut an Beweismittel vor.

I.9. Am 13.08.2018 erfolgte eine weitere Einvernahme vor einem Organwalter der belangten Behörde in Anwesenheit eines Rechtsberaters. Der BF machte Angaben zu den vorgelegten Beweismitteln und ergänzte, dass er in Österreich nie angegeben habe, dass er verheiratet sei. Er habe aber tatsächlich am XXXX geheiratet. Er sei nur XXXX mit seiner Frau zusammen gewesen. Nach dem Mordverfahren habe seine Ehefrau gegen den BF im XXXX ein Verfahren gegen den BF eingeleitet. Der BF habe vier Jahre mit niemandem aus seinem Heimatland Kontakt gehabt. Als er dann Kontakt mit seiner Mutter hatte, habe ihm diese gesagt, dass er von seiner Frau noch nicht geschieden sei. Als die Ehefrau des BF erfahren habe, dass der BF im Ausland sei, habe sie wegen falschen Beschuldigungen eine Anzeige gegen den BF erstattet. Der BF hätte seine Frau angeblich am Kopf verletzt, sie misshandelt und von ihr Geld verlangt bzw. hätte von ihrem Vater angeblich XXXX Taka erpressen wollen. Die Ehefrau des BF möchte jetzt als Wiedergutmachung XXXX Taka. Es würde drei Verfahren gegen den BF geben, zwei Mordverfahren und ein Verfahren, welches von seiner Frau eingeleitet worden wäre.

I.10. Das BFA wies mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde zudem gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Absatz 1a FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt III). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV).

Der Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der rechtsfreundlichen Vertretung des BF am 20.02.2019 bzw. dem BF am 27.02.2019 zugestellt.

I.11. Der BF bzw. seine gewillkürte Vertretung haben gegen den Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , fristgerecht Beschwerde erhoben.

I.12. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stellte seit seiner erstmaligen Einreise nach Österreich am 06.07.2009 drei Anträge auf internationalen Schutz.

Der erste Antrag auf internationalen Schutz, gestellt am 06.07.2009, wurde rechtskräftig negativ entschieden. Mit Bescheid vom XXXX , Az:

XXXX , wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005, gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch ab, gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 wies es den BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bangladesch aus (Spruchpunkt III). Dieser Bescheid erwuchs am 11.08.2009 in Rechtkraft. Dem Vorbringen des BF wurde kein Glauben geschenkt bzw. keine Asylrelevanz zugesprochen.

Am 22.09.2012 stellte der BF seinen zweiten (gegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde schlussendlich mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl: XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , GZ: XXXX , wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom XXXX , Zl: XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF und § 52 Abs. 2 Z 2, § 52 Abs. 9 iVm § 46 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz von

Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt." Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erachtet. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass das Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbedingungen nicht glaubwürdig war. Dieses Erkenntnis erwuchs am 08.08.2016 in Rechtskraft.

Am 22.05.2018 stellte der BF seinen dritten (gegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz.

Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine maßgebliche Änderung in Bezug auf die dem BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat noch in sonstigen in der Person des BF gelegenen Umstände.

Ebenso ergab sich keine sonstige aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation des BF.

Eine relevante Änderung der Rechtslage konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.

Die Identität des BF steht nicht fest. Beim BF handelt es sich um einen männlichen Staatsbürger aus Bangladesch. Der BF ist Sunnit und gehört der Volksgruppe der Bengalen an. Der BF ist somit Drittstaatsangehöriger.

Der BF ist ein arbeitsfähiger Mensch mit mehrjähriger Schulbildung und hat vor seiner Ausreise gearbeitet. Er verfügt über bestehende familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner Mutter, seiner zwei Schwestern und seinem Onkel im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Der BF möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten. Der BF hat keine Verwandten in Österreich. Der BF hat Deutschkurse besucht, hat die ÖSD Prüfung Deutsch auf Niveau B1 nicht bestanden, hat jedoch die ÖSD Prüfungen Deutsch auf Niveau A1 mit "gut bestanden", auf Niveau A2 mit "bestanden" absolviert. Der BF hat einen Erste Hilfe-Grundkurs besucht. Der BF ist Mitglied der XXXX , beim XXXX und bei XXXX . Der BF spendet an Organisationen. Der BF arbeitet als Interessent beim Zeitungsaustragen und als Küchenhilfe. Der BF hat zuvor als Zeitungsausträger gearbeitet. Der BF hat Freunde in Österreich mit denen er seine Freizeit verbringt. Der BF trainiert in einem Fitnessstudio. Der BF ist im Besitz eines arbeitsrechtlichen Vorvertrages.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Die Lage im Herkunftsstaat Bangladesch

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Bangladesch werden folgende Feststellungen getroffen:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 23.3.2018, Oppositionsführerin Khaleda Zia zu fünf Jahren Haft verurteilt

Am 8. Februar 2018 wurde Begum Khaleda Zia, die frühere Premierministerin von Bangladesch und Vorsitzende der oppositionellen Bangladesh Nationalist Party (BNP) durch ein Gericht in XXXX für schuldig befunden, während ihrer ersten Amtszeit von 1991 bis 1996 Spendengelder in Höhe von 21 Millionen Taka (etwa 200.000 Euro) veruntreut zu haben, die für die wohltätige Organisation Zia Orphanage Trust bestimmt waren. Das Gericht verurteilte Khaleda Zia zu fünf Jahren Haft, vier Berater und ihren Sohn XXXX zu je zehnjährigen Haftstrafen (DW 8.2.2018; vgl. The Guardian 8.2.2018). Der in London im Exil lebende XXXX ist von der Parteiführung im Zuge des Urteils zum Leiter der BNP erkoren worden (Indianexpress 12.2.2018).

Die Anklage gegen Khaleda Zia und ihren ältere Sohn erfolgte bereits 2008 durch die damalige militärische Übergangsregierung (Indianexpress 12.2.2018).

BNP Generalsekretär Mirza Fakrul Islam Alamgir kritisierte das Urteil scharf als einen Versuch Khaleda Zia zu verunglimpfen und sie von der Teilnahme an den nächsten Wahlen auszuschließen und kündigte an, das Urteil anzufechten (DW 8.2.2018; vgl. The Guardian 8.2.2018).

Im Vorfeld der Urteilsverkündung gegen Khaleda Zia haben die Behörden am 30. Jänner damit begonnen landesweit Unterstützer der oppositionellen BNP zu verhaften (OMCT 22.3.2018). Die in XXXX ansässigen Menschenrechtsorganisation Ain O Salish Kendra berichtet, dass in den acht Tagen vor der Urteilsverkündigung insgesamt 1.786 Personen, Mitglieder der BNP, der islamistischen politischen Partei Jamaat-e-Islami und parteilose, festgenommen wurden (HRW 8.2.2018). BNP-Sprecher Rizvi Ahmed spricht von der Verhaftung von ungefähr

3.500 Aktivisten und Funktionären (The Guardian 8.2.2018).

Noch vor der Urteilsverkündung kam es in XXXX zu Zusammenstößen zwischen Gefolgsleuten der BNP und der Polizei. Im Fernsehen waren brennende Motorräder zu sehen. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein, um die Demonstranten, die ein behördliches Versammlungsverbot missachtet hatten, zu zerstreuen (DW 8.2.2018).

Auch nach der Urteilsverkündung kam es in Bangladeschs Großstädten zu Zwischenfällen bei denen Polizeibeamte und Anhänger der BNP verletzt wurden. In der nordöstlichen Stadt Sylhet feuerten Polizisten mit Gummigeschossen auf Demonstranten, wobei vier Personen verletzt wurden. In der Hafenstadt Chittagong wurden mindestens sieben BNP-Funktionäre, darunter der lokale Parteivorsitzenden verhaftet, nachdem es zu einem Handgemenge zwischen Anhänger der Opposition und der Polizei gekommen war (The Guardian 8.2.2018; vgl. BBC News 8.2.2018).

Etwa 5.000 Unterstützer der Opposition wurden bisher landesweit inhaftiert (OMCT 22.3.2018). Die Parteiführung der BNP fordert deren bedingungslose Freilassung ( XXXX Tribune 10.2.2018).

Seit der Inhaftierung von Khaleda Zia hat die BNP bei verschiedenen, friedlichen Aktionen, wie eine landesweite Flugblattaktion am 1. März, die Bildung einer Menschenkette in XXXX am 6. März, sowie Sit-ins, symbolische Hungerstreiks und Protestzüge, ihre Freilassung gefordert ( XXXX Tribune 6.3.2018; vgl. Gulf Times 4.3.2018).

Am 19. März hat das Höchstgericht von Bangladesch den Beschluss des Obersten Gerichtshofs von XXXX , der ehemaligen Premierministerin Khaleda Zia Kaution zu gewähren, bis zum 8. Mai ausgesetzt (ANI 19.3.2018).

Quellen:

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ANI - Asian News International (19.3.2018): B'desh SC stays Khaleda Zia's bail in orphanage graft case, https://www.aninews.in/news/world/asia/bdesh-sc-stays-khaleda-zias-bail-inorphanage-graft-case201803191613580001/, Zugriff 22.3.2018

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BBC News (8.2.2018): Bangladesh ex-PM Khaleda Zia jailed amid clashes, http://www.bbc.com/news/world-asia-42987765, Zugriff 22.3.2018

-

Deutsche Welle (8.2.2018): Ex-Premierministerin Khaleda Zia zu fünf Jahren Haft verurteilt,

http://www.dw.com/de/ex-premierministerin-khaleda-zia-zu-f%C3%Bcnf-jahren-haftverurteilt/a-42499619, Zugriff 22.3.2018

-

XXXX Tribune (10.2.2018): BNP announces more protest plans over Khaleda conviction,

http://www.dhakatribune.com/bangladesh/politics/2018/02/10/bnp-announces-protest-planskhaleda-conviction/, Zugriff 22.3.2018

-

XXXX Tribune (6.3.2018): BNP forms human chain demanding Khaleda's release,

http://www.dhakatribune.com/bangladesh/politics/2018/03/06/bnp-forms-human-chaindemanding-khaledas-release/, Zugriff 22.3.2018

-

Gulf Times (4.3.2018): BNP announces fresh protest to demand release of Zia,

http://www.gulf-times.com/story/583845/BNP-announces-fresh-protest-to-demand-release-of-Z, Zugriff 22.3.2018

-

HRW - Human Rights Watch (8.2.2018): Bangladesh: End Crackdown on Opposition Supporters,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1423887.html, Zugriff 22.3.2018

-

Indianexpress (12.2.2018): The solitary prisoner, http://indianexpress.com/article/opinion/columns/khaleda-zia-bangladesh-politics-bnp-thesolitary-prisoner-5060031/, Zugriff 22.3.2018

-

OMCT -World Organisation Against Torture (22.3.2018): Bangladesh:

Bangladesh: Civil society decries mass arrests amid worsening human rights situation,

http://www.omct.org/monitoring-protectionmechanisms/statements/bangladesh/2018/03/d24780/, Zugriff 22.3.2018

-

The Daily Star (25.2.2018): ASK blasts cop action on BNP programme,

http://www.thedailystar.net/country/ain-o-salish-kendra-ask-blasts-police-action-bnpprogramme-153989, Zugriff 22.3.2018

-

The Guardian (8.2.2018): Violent protests as opposition leader is jailed in Bangladesh,

https://www.theguardian.com/world/2018/feb/08/violent-protests-opposition-leader-jailedbangladesh-khaleda-zia, Zugriff 22.3.2018

Politische Lage

Bangladesch ist eine Volksrepublik (People' s Republic of Bangladesh) mit einer seit 1991 wieder geltenden parlamentarischen Demokratie als Regierungsform (GIZ 5.2017).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird, eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt Großteils zeremonielle Funktionen aus, die Macht liegt in den Händen des Premierministers als Regierungschef, der von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt wird. Der Premierminister, ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der 5-jährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige "Caretaker"-Regierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB New Delhi 12.2016; vgl. GIZ 5.2017). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 5.2017). Aktuell hat Sheikh Hasina von der Awami League (AL) das Amt der Premierministerin inne (ÖB New Delhi 12.2016)

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten Abgeordneten (ÖB New Delhi 12.2016) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 14.1.2016). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der "Caretaker"-Regierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB New Delhi 12.2016).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die "Awami League" (AL) und "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind stark politisiert und parteipolitisch durchdrungen (AA 3.2017a). AL und BNP werden quasi-dynastisch von Sheikh Hasina und Begum Khaleda Zia geführt, die das politische Vermächtnis ihrer ermordeten Männer fortführen und eine unangefochtene Machtstellung in ihrer jeweiligen Partei genießen. Sie beeinflussen den Kandidatenauswahlprozess für Partei- und Staatsämter und geben den Takt für die politischen Auseinandersetzungen vor. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks (Hartals) großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 5.2017). Nennenswerte parlamentarische Stärke haben in der Vergangenheit sonst nur die Jatiya Party (JP) und die JI erzielt (GIZ 5.2017).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto jedoch die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten ist. Wie schon die Vorgängerregierungen, so baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in der Verwaltung, im Rechtswesen und im Militär aus. Auch im Regierungskabinett folgen Ernennungen und Umbesetzungen meist dem Prinzip der Patronage (GIZ 5.2017).

Bereits am 30.7.2011 hat das Parlament bei nur einer Gegenstimme, die BNP und ihre Verbündeten haben der Parlamentssitzung nicht beigewohnt, in der 15. Verfassungsänderung den Islam als Staatsreligion bestätigt, jedoch den Zusatz "Absolutes Vertrauen und der Glauben an den Allmächtigen Allah soll die Basis allen Handelns sein" aus der Verfassung gestrichen. Ungeachtet der ausgeprägten Leistungsdefizite staatlicher Institutionen, der undemokratischen innerparteilichen? Entscheidungsstrukturen und der in der letzten Dekade verstärkt gewalttätig ausgetragenen Parteienrivalität ist der Glauben an die Demokratie innerhalb der Bevölkerung ungebrochen (GIZ 5.2017; vgl. AA 3.2017a).

Am 5.1.2014 boykottierte die BNP die 10. Parlamentswahlen wodurch die AL eine verfassungsändernde Mehrheit erreichen konnte. Weitere Sitze gingen an Koalitionspartner der AL. Die sehr geringe Wahlbeteiligung von nur ca. 30% bei den Parlamentswahlen 2014 ist auf den Wahlboykott der Opposition zurückzuführen. Es gab Berichte über massive Einschüchterungsversuche wahlbereiter Bürger seitens oppositioneller Gruppen (GIZ 5.2017; vgl. AA 3.2017a). Am Wahltag wurden mindestens 21 Menschen getötet und über 130 Wahllokale in Brand gesetzt. Die Opposition reagierte bereits einen Tag nach den Wahlen mit Generalstreiks und in vielen Distrikten wurde über Attacken gegen ethnische und religiöse Minderheiten, v.a. Hindus, berichtet. Die AL versuchte mit gezielten Verhaftungen von Oppositionspolitikern den Druck auf das Regime zu schwächen (GIZ 5.2017).

Die verfassungsändernde Mehrheit im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration in den Händen der AL respektive der Regierung. Mit neuen Gesetzen zu Medien, Äußerungen im Internet, Absetzung von obersten Richtern und Förderung von NGOs aus dem Ausland wird diese Konzentration noch weiter verstärkt. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren (AA 3.2017a). Auch die BNP ist dadurch in der Defensive (GIZ 5.2017). Die Prozesse und (häufig Todes-) Urteile öffnen alte Wunden und führen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen säkularen und islamistischen Kräften (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden acht Todesurteile und mehrere lebenslange Haftstrafen ausgesprochen, sechs Hinrichtungen wurden vollstreckt. Dabei hat sich innerhalb der säkularen Zivilgesellschaft mit Blick auf das Kriegsverbrechertribunal ein grundlegender Dissens entwickelt: Während die einen auf rechtstaatliche Standards pochen und die Todesstrafe ablehnen, ist für andere, v.a. aus der urbanen Protestbewegung Shabagh, jedes Urteil unterhalb der Todesstrafe inakzeptabel (GIZ 5.2017).

Bei den am 30.12.2015 in 234 Stadtbezirken durchgeführten Kommunalwahlen in Bangladesch ist die regierende AL als Siegerin hervorgegangen (NETZ 2.1.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c14332, Zugriff 9.6.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/334685/476437_de.html, Zugriff 9.6.2017

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NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (2.1.2016): Bangladesch Aktuell, http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 9.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

Sicherheitslage

Es gibt in Bangladesch keine Bürgerkriegsgebiete (AA 3.2017a).

Die Opposition organisierte Proteste und Straßenblockaden, unter denen die Wirtschaft leidet. Die Regierung reagiert mit Verhaftungen und mit Einschränkungen von Grundrechten. Sie will die öffentliche Ruhe mit allen Mitteln wiederherstellen. Die internationale Gemeinschaft verurteilte die Gewalt scharf und hat die Beteiligten zum Dialog aufgerufen (GIZ 5.2017).

Extremistische Gruppen, wie Jamaat-ul-Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansar al-Islam, die ihre Zugehörigkeit zu Daesh und Al Qaida auf dem indischen Subkontinent (AQIS) erklärten, haben Angriffe auf Angehörige religiöser Minderheiten, Akademiker, Ausländer, Menschenrechtsaktivisten und LGBTI-Personen, sowie weitere Gruppen durchgeführt (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). Medienberichten zufolge hat die Terrororganisation IS 2016 für 39 Morde die Verantwortung übernommen, der bengalische Al-Kaida-Ableger soll sich zu acht Taten bekannt haben (GIZ 5.2017). Die Sicherheitsbehörden waren zunächst nicht bereit, angemessene Schutzmaßnahmen zu veranlassen, gewährt aber in vielen Fällen inzwischen Personenschutz (AA 14.1.2016). Darüber hinaus kommt es regelmäßig zu intra- und interreligiöser Gewalt (AA 3.2017a; vgl. AI 22.2.2017). die Polizei tötete laut eigenen Angaben mindestens 45 mutmaßliche Terroristen in Schießereien (AI 22.2.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/336450/479091_de.html, Zugriff 28.6.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c14332, Zugriff 9.6.2017

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USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen Common Law. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem High Court, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem Appellate Court, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB New Delhi 12.2016).

Die Gerichtsbarkeit ist überlastet und sieht sich von vielen Seiten Versuchen der Einflussnahme ausgesetzt. (AA 3.2017a). Zusätzlich behindern Korruption und ein erheblicher Verfahrensrückstand das Gerichtssystem. Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 1.2017). Straffälle gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2017). Richter des Obersten Gerichtshofs haben des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB New Delhi 12.2016). Durch eine kürzlich erfolgte Verfassungsänderung hat nunmehr das Parlament das Recht, oberste Richter abzusetzen (AA 3.2017a).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze ("Public Safety Act", "Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act", "Women and Children Repression Prevention Act", "Special Powers Act") wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese "Speedy Trial" Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB New Delhi 12.2016).

Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB New Delhi 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

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FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/341770/485095_de.html, Zugriff 28.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

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USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit und Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen. Diese Mechanismen werden aber nicht immer angewandt (USDOS 3.3.2017). Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 14.1.2016). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. Die Polizei hat Regeln für angemessene Gewaltausübung in ihre Grundausbildung einbezogen, um bürgernahe Polizeiarbeit umsetzen zu können (USDOS 3.3.2017).

Bangladeschs Sicherheitskräfte haben eine lange Geschichte von willkürlichen Verhaftungen, erzwungenem Verschwinden Lassen und außergerichtlichen Tötungen (HRW 12.1.2017). Obwohl gesetzlich verboten, gibt es Hinweise auf willkürliche Festnahmen, sowie auf die willkürliche Anwendung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen gemäß den Spezialgesetzen "Special Powers Act" und "Public Safety Act". Diese erlauben die 30-tägige Inhaftierung ohne Angabe von Gründen, um Taten zu verhindern, welche die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden. Nach 30 Tagen sind dem Angehaltenen die Haftgründe zu nennen, oder er muss entlassen werden. Die Praxis weicht davon ab. Die Arretierten haben keinen Anspruch auf einen Rechtsbeistand. Die davon hauptsächlich betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben (ÖB New Delhi 12.2016). Des Weiteren gibt es Berichte von Folter und anderen Missbräuchlichen Handlungen in Polizeigewahrsam. Der "Torture and Custodial Death (Prevention) Act" von 2013 wird nur schleppend umgesetzt (AI 22.2.2017). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben (AA 14.1.2016).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten "Bangladesch Police", die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung:

Rapid Action Bataillons (RABs): Das Rapid Action Bataillon (RAB), gegründet 2004, untersteht dem Innenministerium. Es unterhält 14 Standorte in Bangladesch (RAB-1 bis RAB-14) (AA 14.1.2016) mit insgesamt ca. 8.500 Mann. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen und die Terrorabwehr (ÖB New Delhi 12.2016; vgl. AA 14.1.2016). Die gut ausgebildeten und modern ausgerüsteten RABs sind hauptsächlich in den urbanen Zentren des Landes stationiert und verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete "Gang"-Mitglieder, was zu zahlreichen Tötungen während Schusswechseln führt. Auch im Zuge von Demonstrationen setzten die RABs neben Gummigeschossen scharfe Munition ein, was auch hier zu Todesopfern führte. Insgesamt starben seit der Gründung 2004 laut Schätzungen über 800 Personen entweder durch Schusswechsel oder in RAB-Gewahrsam, es kam jedoch bisher zu keinen Verurteilungen (ÖB New Delhi 12.2016).

Bangladesch Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leichtbewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB New Delhi 12.2016).

Bangladesch Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Innenministerium, wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB New Delhi 12.2016).

Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches "Platoon" (32 Personen) geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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