TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/23 95/21/0371

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Veröffentlicht am 23.03.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 1954 §14b Abs1 Z1 idF 1990/190;
VStG §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des JK in Meiningen, geboren am 12. Juni 1946, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 18. Juli 1994, Zl. 1-0088/94/E2, betreffend Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der vorliegenden Beschwerde ist ein im Instanzenzug ergangener Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 18. Juli 1994 angefochten, mit welchem über den Beschwerdeführer, einen Staatsbürger der Bundesrepublik Jugoslawien, gemäß § 14b Abs. 1 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1994 idF BGBl. Nr. 190/1990, eine Geldstrafe von S 4.000,-- verhängt und er zum Ersatz der Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in der Höhe von insgesamt S 1.200,-- verpflichtet wurde, weil er nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 18. September 1991, zugestellt am 30. September 1991, nicht nach Zustellung dieses Bescheides ausgereist und sich trotz dieses bis zum 31. Dezember 1996 befristeten Aufenthaltsverbotes im Zeitraum vom 17. Juli 1992 bis zum 10. September 1992 weiterhin im Bundesgebiet aufgehalten habe.

Der Beschwerdeführer sei entgegen seiner Verpflichtung nicht aus dem Bundesgebiet ausgereist und halte sich weiterhin, zumindest im Zeitraum vom 17. Juli 1992 bis zum 10. September 1992, im Bundesgebiet auf. Schon allein dadurch habe er das Tatbild der ihm zur Last gelegten Übertretung in objektiver Hinsicht erfüllt. An diesem Ergebnis vermöge auch seine Behauptung, er könne in seine frühere Heimat nicht zurückfahren, weil dort Krieg herrsche, nichts ändern. Das Fremdenpolizeigesetz enthalte nämlich keine Bestimmung, wonach das Tatbild der einem Beschuldigten zur Last gelegten Übertretung deswegen nicht verwirklicht wäre, weil er nicht in seine frühere Heimat zurückfahren könne. Darüber hinaus enthalte das Vorbringen des Beschwerdeführers keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Beschwerdeführer wäre in seiner Heimat einer konkreten Gefahr ausgesetzt. Auch der Umstand, dass zwischenzeitlich das über ihn verhängte Aufenthaltsverbot aufgehoben worden sei, könne zu keiner anderen Beurteilung führen. Im Tatzeitraum habe es jedenfalls dem Rechtsbestand angehört. Dem Beschwerdeführer sei es insgesamt nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Als Verschuldensform werde Vorsatz angenommen. Als erschwerend sei eine einschlägige Vorstrafe zu berücksichtigen gewesen. Milderungsgründe seien keine hervorgekommen. Zu seinen persönlichen Verhältnissen habe der Beschwerdeführer trotz Aufforderung keine Angaben gemacht. Im Hinblick auf den Strafrahmen und bei Berücksichtigung des Unrechts der Tat würde die belangte Behörde die nunmehr verhängte Geldstrafe auch dann für angemessen erachten, wenn der Beschwerdeführer über kein Einkommen und Vermögen verfügte.

Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer zunächst beim Verfassungsgerichtshof, der die bei ihm erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 14. Februar 1995, B 1926/94, dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 14b Abs. 1 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes in der hier maßgeblichen Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 190/1990 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 10.000,-- oder mit Freiheitsstrafe bis zu 14 Tagen zu bestrafen, wer nach Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht fristgerecht oder nach Verfügung der Ausweisung nicht unverzüglich ausreist.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er im gegenständlichen Zeitraum entgegen dem gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbot im Bundesgebiet verblieben und aus diesem nicht ausgereist ist. Die daraus von der belangten Behörde gezogene rechtliche Schlussfolgerung, dass er den Tatbestand des § 14b Abs. 1 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes erfüllt habe, begegnet somit keinen Bedenken.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid jedoch deswegen für rechtswidrig, weil ihm ein rechtmäßiges Verhalten nicht zumutbar gewesen sei. Dass eine Rückreiseverpflichtung in ein Land, in dem gerade Krieg herrsche, die Frage der Zumutbarkeit einer Ausreise aus dem Bundesgebiet aufwerfe, sei offensichtlich. Es gehöre zu den erklärten Grundpfeilern österreichischer Fremdenpolitik, Fremde nicht in ein Kriegsgebiet zurückzuschicken. Dass jemand in einem Kriegsgebiet unmittelbar bedroht sein könne, und zwar in seinen Grundbedürfnissen (und Menschenrechten) auf Leben, auf Sicherheit, auf Deckung der körperlichen Grundbedürfnisse etc., sei offensichtlich. Mit der Problematik der Zumutbarkeit rechtmäßigen Alternativverhaltens habe sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Zwar ergibt sich aus der Einheit der Rechtsordnung, deren Anwendung nicht zu widersprechenden Ergebnissen führen darf, dass jede Strafbestimmung den stillschweigenden Vorbehalt in sich trägt, sie sei nicht anzuwenden, wenn die ihr unterstellte Tat rechtmäßig ist. "Wer ein im Rechtssinn höherwertiges, und zwar ein zweifellos höherwertiges Gut auf Kosten eines geringerwertigen rettet, handelt nicht rechtswidrig" (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. November 1964, Zl. 1404/64, Slg. Nr. 6496/A). In diesem Sinn hätte sich der Beschwerdeführer auf einen rechtfertigenden Notstand etwa dann berufen können, wenn seine Ausreise nur in ein Land möglich gewesen wäre, in das eine Abschiebung im Grunde des im Tatzeitpunkt geltenden § 13a des Fremdenpolizeigesetzes unzulässig gewesen wäre, also dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre oder er dort Gefahr liefe, gefoltert oder einer unmenschlichen Behandlung oder der Todesstrafe unterworfen zu werden (vgl. die Strafausschließungsgründe des § 82 Abs. 2 des Fremdengesetzes aus 1992 und des § 107 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997), oder andere vergleichbare triftige Gründe für die Verneinung der Rechtswidrigkeit der Tat vorgelegen wären (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. November 1998, Zlen. 97/21/0085, 98/21/0065).

Selbst wenn die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat unzulässig gewesen wäre, wäre dieser Rechtfertigungsgrund schon deshalb nicht zum Tragen gekommen, weil - entgegen der Annahme in der Beschwerde - das Aufenthaltsverbot keine "Rückreiseverpflichtung" des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat, vielmehr ausschließlich eine Verpflichtung zur Ausreise aus Österreich begründete. Dass aber eine Ausreise in einen anderen Staat als in seinen Heimatstaat nicht in Betracht gekommen sei, wurde vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet.

Nach § 6 VStG ist eine Tat unter anderem nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt ist. Unter dem Schuldausschließungsgrund des Notstandes im Sinn des § 6 VStG kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begeht. In der Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung, durch die die Lebensmöglichkeiten selbst nicht unmittelbar bedroht sind, kann eine unmittelbar drohende Gefahr und ein Notstand im vorbezeichneten Sinn nicht gesehen werden. So sind insbesondere auch auf bloß mögliche nachteilige Folgen verweisende Gründe mangels Unmittelbarkeit einer drohenden Gefahr nicht geeignet, die Annahme eines solchen Notstandes zu rechtfertigen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1998, Zl. 94/10/0073, mwN).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage handelte die belangte Behörde daher nicht rechtswidrig, wenn sie das Vorliegen eines Notstandes im Beschwerdefall verneinte. Ob das Vorbringen des Beschwerdeführers als Berufung auf einen "übergesetzlichen Notstand" zu deuten ist, der die Tat rechtfertigen soll, weil ein deutlich höherwertiges Rechtsgut auf Kosten eines weniger wertvollen gerettet wird, oder aber auf einen entschuldigenden Notstand - in keinem Fall hat der Beschwerdeführer in seiner Sphäre gelegene Umstände dargetan, die das Vorliegen solcher Strafausschließungsgründe erweisen könnten.

Da der angefochtene Bescheid auch hinsichtlich der Höhe der über den Beschwerdeführer verhängten Strafe - wozu die Beschwerde nichts vorbringt - im Grunde des § 19 VStG nicht als rechtswidrig anzusehen ist, war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. März 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1995210371.X00

Im RIS seit

03.09.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.09.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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