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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / AllgLeitsatz
Abweisung von Anträgen des Bundesverwaltungsgerichts auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit von Bestimmungen der FremdenpolizeiG-DurchführungsV; hinreichend bestimmte gesetzliche GrundlageSpruch
Die Anträge werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anträge
Mit den vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Anträgen begehrt das Bundesverwaltungsgericht, festzustellen, dass §9a Abs4 und §21 Abs9 der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (Fremdenpolizeigesetz-Durchführungsverordnung – FPG-DV), BGBl II 450/2005 idF BGBl II 143/2015, gesetzwidrig waren.
II. Rechtslage
Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die angefochtenen Verordnungsbestimmungen sind hervorgehoben):
1. Art2 und 28 der Verordnung (EU) Nr 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin-III-VO), lauten auszugsweise wie folgt:
"Artikel 28
Haft
(1) […]
(2) Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.
(3) - (4) […]"
"Artikel 2
Definitionen
Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
a) – m) […]
n) 'Fluchtgefahr' das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte."
2. §76 des Bundesgesetzes über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG), BGBl I 100/2005, lautete in der bis 19. Juli 2015 in Geltung gestandenen Fassung der Novelle BGBl I 87/2012 wie folgt:
"Schubhaft und gelinderes Mittel
Schubhaft
§76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Anordnung zur Außerlandesbringung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.
(1a) Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Das Bundesamt kann über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn
1. gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Rückkehrentscheidung erlassen wurde;
2. gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß §27 AsylG 2005 eingeleitet wurde;
3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder
4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.
(2a) Das Bundesamt hat über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn
1. gegen ihn eine zurückweisende Entscheidung gemäß §§4a oder 5 AsylG 2005 und eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung oder eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß §12a Abs1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;
2. eine Mitteilung gemäß §29 Abs3 Z4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß §12 Abs2 AsylG 2005 verletzt hat;
3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß §15a AsylG 2005 mehr als einmal verletzt hat;
4. der Asylwerber, gegen den gemäß §27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß §13 Abs2 BFA-VG nicht nachgekommen ist;
5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§2 Abs1 Z23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß §12a Abs2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, oder
6. sich der Asylwerber gemäß §24 Abs4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs2 Z1 bis 4 vorliegt,
und die Schubhaft für die Sicherung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen.
(3) Die Schubhaft ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß §57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß §57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(4) (Anm.: aufgehoben durch BGBl I Nr 87/2012)
(5) Wird eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrecht erhalten werden. Liegen die Voraussetzungen des Abs2 oder 2a vor, gilt die Schubhaft als nach Abs2 oder 2a verhängt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft gemäß Abs2 oder 2a ist mit Aktenvermerk festzuhalten.
(7) (Anm.: aufgehoben durch BGBl I Nr 87/2012)".
3. §9a der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (Fremdenpolizeigesetz-Durchführungsverordnung – FPG-DV), BGBl II 450/2005, lautete in der am 29. Mai 2015 in Kraft getretenen Fassung der Novelle BGBl II 143/2015 wie folgt:
"Grundsätze bei der Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des FPG
§9a. (1) Für die Durchsetzung der gemäß dem 7., 8. und 11. Hauptstück eingeräumten Befugnisse und der durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erteilten Auftrage gilt für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes §13 Abs3 FPG sinngemäß.
(2) Als Rückübernahmeabkommen gemäß §52 Abs3 FPG gelten nur solche, die bereits zum 13. Jänner 2009 in Geltung gestanden haben.
(3) Im Rahmen von Abschiebungen gemäß §46 FPG, die auf dem Luftweg durchgeführt werden, ist der Entscheidung des Rates 2004/573/EG betreffend die Organisation von Sammelflügen zur Rückführung von Drittstaatsangehörigen, die individuellen Rückführungsmaßnahmen aus dem Hoheitsgebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten, ABl. Nr L 261 vom 6.08.2004 S. 28, Rechnung zu tragen.
(4) Sicherungsbedarf und Fluchtgefahr im Sinne des §76 FPG liegen vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§2 Abs1 Z23 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl I Nr 100) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund §34 Abs3 Z1 bis 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl I Nr 87/2012, angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Verordnung (EU) Nr 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. L 180 vom 29.06.2013, S. 31, zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§56 oder 71 FPG, §13 Abs2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes."
4. Der zeitliche Geltungsbereich dieser Novellierung wurde in der Schlussbestimmung des §21 Abs9 FPG-DV in der Fassung BGBl II 143/2015 wie folgt geregelt:
"(9) §9a Abs4 in der Fassung der Verordnung der Bundesministerin für Inneres BGBl II Nr 143/2015, tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft. §9a Abs4 tritt mit Ablauf des 19. Juli 2015 außer Kraft."
5. Die Novelle BGBl I 70/2015 setzte auch §76 FPG in der oben genannten Fassung mit Ablauf des 19. Juli 2015 außer Kraft. Seit 20. Juli 2015 lautet die Bestimmung wie folgt:
"Schubhaft und gelinderes Mittel
Schubhaft
§76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2. die Voraussetzungen des Art28 Abs1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs2 Z1 oder im Sinne des Art2 litn Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§2 Abs1 Z23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund §34 Abs3 Z1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§56 oder 71 FPG, §13 Abs2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß §57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß §57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. §11 Abs8 und §12 Abs1 BFA-VG gelten sinngemäß."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem zu V152/2015 protokollierten Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 13. Juni 2015 wurde über die beteiligte Partei gemäß Art28 Dublin-III-VO, §76 Abs2a Z1 FPG und §9a Abs4 FPG-DV Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet und einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die Schubhaft wurde daraufhin im Polizeianhaltezentrum Hernalser-Gürtel vollzogen und endete am 3. Juli 2015 durch Abschiebung der beteiligten Partei nach Italien.
1.2. Die mit Schriftsatz vom 3. Juli 2015 gemäß §22a Abs1 BFA-VG an das Landesverwaltungsgericht Wien erhobene Schubhaftbeschwerde wurde am 6. Juli 2015 an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet.
2. Mit Beschluss vom 6. November 2015 stellte das Bundesverwaltungsgericht daraufhin gemäß Art139 Abs1 Z1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, festzustellen, dass §9a Abs4 und §21 Abs9 FPG-DV idF BGBl II 143/2015 gesetzwidrig waren. Das Bundesverwaltungsgericht begründete diesen Antrag dabei wie folgt:
"2. Zulässigkeit des Antrags
1. Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß Art89 Abs2 iVm Art135 Abs4 und Art139 Abs1 Z1 B-VG berechtigt, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung einer ordnungsgemäß kundgemachten Verordnung zu stellen, gegen deren Anwendung es aus dem Grund der Gesetzmäßigkeit Bedenken hegt.
2. Mit dem hg. angefochtenen Bescheid wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft gemäß Art28 Dublin III-VO iVm §76 Abs2a FPG iVm §9a Abs4 FPG-DVO verhängt. Bei der Verhängung der Schubhaft hat die hg. belangte Behörde den gesamten §9a Abs4 FPG-DVO angewandt, als sie den Sachverhalt unter die Verordnung subsumierte. Ebenso hat das Bundesverwaltungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Bescheides §9a Abs4 FPG-DVO anzuwenden. §9a Abs4 FPG-DVO ist daher zur Gänze präjudiziell.
3. Der Anwendung des §9a Abs4 FPG-DVO steht auch nicht unmittelbar anwendbares Unionsrecht entgegen:
Die Umsetzung von Unionsrecht verlangt grundsätzlich nicht notwendigerweise ein Tätigwerden des Gesetzgebers und nach dem österreichischen Recht neben Gesetzen auch Rechtsverordnungen den Anforderungen der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union entsprechen (vgl. Öhlinger/Potacs, EU-Recht und staatliches Recht4, 122 f.).
Anderes ergibt sich auch nicht aus der Verwendung des Wortes 'loi' in der französischen Sprachfassung des Art2 litn Dublin-III-Verordnung: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand 42. Lfg. August 2012, Art288 AEUV Rz 89, führt nur aus, dass die (EWG-)Verordnung bei der Gründung der EWG — sohin 1957 — nur deshalb nicht als Gesetz bezeichnet worden sei, weil dieser Terminus insbesondere nach dem französischen Rechtsverständnis nur für das vom Parlament erlassene Gesetz gelten solle. Die Bezeichnung Verordnung sei gewählt worden, weil die Zuständigkeit für die Rechtshandlung vor allem in den Frühzeiten des Integrationsprozesses ausschließlich bei den nicht unmittelbar demokratisch legitimierten Unionsorganen Rat und Kommission gelegen sei. Ursprünglich hätte die Begrifflichkeit der gestiegenen Legitimation des unionsrechtlichen Gesetzgebungsverfahrens angepasst werden sollen, weshalb der Verfassungsvertrag in seinem Artikel 1-33 die Bezeichnung 'Europäisches Gesetz' vorgesehen habe. Mit dem Entschluss, im Rahmen des Lissabonner Vertrages auf die Verwendung staatlicher Symbolik zu verzichten, sei allerdings auch hier die entsprechende Bezeichnung entfallen. Dies ändere allerdings nicht[s] daran, dass es sich inhaltlich um einen Akt materieller Gesetzgebung handle.
Eben dieser materielle Gesetzesbegriff prägt aber auch die 2000 proklamierte Grundrechtecharta, ABI. 30.3.2010, C83, 389 (vgl. Rumler-Korinek/Vranes in Holoubek/Lienbacher [Hrsg.], GRC-Kommentar, Art52 Rz 10 ff.).
Art6 GRC sichert jedem Menschen das Recht auf Freiheit und Sicherheit zu. Laut den Erläuterungen zu Art6 GRC entsprechen die Rechte nach Art6 GRC den Rechten, die durch Art5 EMRK garantiert sind, denen sie nach Art52 Abs3 GRC an Bedeutung und Tragweite gleichkommen (Erläuterungen zu Art6 GRC; vgl. Schramm in Holoubek/Lienbacher [Hrsg.], GRC-Kommentar, 2014, Art6 GRC, Rz 19 f.). Gemäß Art5 Abs1 EMRK darf die Freiheit einem Menschen nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden ('Nul ne peut être privé de sa liberté, sauf ... selon les voies légales.'). In der Europäischen Menschenrechtskonvention taucht der Gesetzesbegriff an verschiedenen Stellen als zentrale Voraussetzung für einen rechtmäßigen Eingriff in die jeweils angeführten Menschenrechte auf. Die Formulierungen stimmen nicht immer exakt überein. So wird der Gesetzesvorbehalt in der französischen Fassung der Art8-11 Abs2 EMRK einheitlich durch die Formulierung 'prévues par la loi' ausgedrückt, während Art5 Abs1 2. Satz EMRK den Terminus 'selon les voies légales' verwendet. Es besteht gleichwohl Einigkeit darüber, dass aus den unterschiedlichen Ausdrucksweisen keine entsprechenden Schlüsse gezogen werden können, sondern dass der Konvention vielmehr ein einheitlicher Begriff des Gesetzes zugrunde zu legen ist. Angesichts der Bedeutung des Gesetzesvorbehalts kann dies gar nicht anders sein. Unter den Gesetzesbegriff fallen Gesetze im formellen und materiellen Sinn. Rechtsverordnungen der Exekutive stellen eine ausreichende Eingriffsgrundlage dar, soweit sie sich im Rahmen einer entsprechenden Ermächtigung durch die Legislative halten (Renzikowski in Pabel/Schmahl [Hrsg.], Internationaler Kommentar zur EMRK, 7. Lfg. 2004, Art5 EMRK Rz 73 f.). Somit können auch Exekutive und intermediäre Gewalten Gesetze im Charta-Sinn erlassen (Rumler/Korinek in Holoubek/Lienbacher [Hrsg.], GRC-Kommentar, 2014, Art52 Rz 13).
Laut dem 39. Erwägungsgrund steht die Dublin-III-VO im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der GRC anerkannt wurden. Die Verordnung sollte daher in diesem Sinn angewendet werden. Wenn nun die französische Sprachfassung die Festlegung von Kriterien für die Fluchtgefahr 'définis par la loi' verlangt und dabei Art6 GRC, folglich Art5 Abs1 EMRK ('selon les vois légales', 'conformément à la loi', 'prescrite par la loi') entsprechen soll, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Art2 litn Dublin-III-VO ein von Art6 GRC, Art5 Abs1 EMRK abweichender bzw. über diese Bestimmungen hinausgehender Bedeutungsgehalt zukommt. Dies ergibt sich auch nicht aus [dem] Art28 betreffenden 20. Erwägungsgrund der Dublin-III-VO. Auch in den vorbereitenden Dokumenten (zB COM[2013] 416 final, 2008/0243 [COD], S 6, vom 10.06.2013) finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der Verwendung des Begriffes 'loi' ein auf die Gründung der EWG 1957 zurückgehendes, im Verhältnis zu Art6 GRC iVm Art5 Abs1 EMRK eingeschränktes Begriffsverständnis intendiert war.
Umgekehrt ist es vielmehr so, dass der Unionsrechtssetzer dort, wo er mehr oder minder direkt auf die Grundrechtecharta rekurriert, den Begriff 'Gesetz' bzw. 'loi' verwendet (so zB in Erwägungsgrund 13 der am selben Tag wie die Dublin-III-VO erlassenen VO 603/2013, die entsprechend Art8 GRC ['Ces données doivent être traitées loyalement, à des fins déterminées et sur la base du consentement de la personne concernée ou en vertu d´un autre fondement légitime prévu par la loi.'] vorsieht, dass ein Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz 'doit être conforme à la loi, qui doit être formulée avec une précision suffisante ...'; zum materiellen Gesetzesbegriff des Art8 GRC vgl. N. Raschauer/Riesz in Holoubek/Lienbacher [Hrsg.], GRC-Kommentar, 2014, Art8 Rz 33).
Ein Begriffsverständnis, das je nachdem, ob in der französischen Sprachfassung die Wörter 'loi' oder 'droit' verwendet werden, einen anderen Bedeutungsgehalt unterstellt, würde dazu führen, dass die Festlegung der Kriterien für die Fluchtgefahr, die die Haftgründe betreffend Asylwerber im Dublinverfahren im Rahmen des Art28 Dublin-III-VO darstellen, im Gesetzesrang zu erfolgen hätte, während für die Festlegung der Haftgründe für alle anderen Asylwerber gemäß der am selben Tag wie die Dublin-III-VO erlassenen RL 2013/33/EU innerstaatlich eine Verordnung hinreichend wäre (Art8: 'Haftgründe werden im einzelstaatlichen Recht geregelt.' bzw. 'Les motifs du placement en rétention sont definis par le droit national.'). Eine sachliche Rechtfertigung hiefür wäre aber weder im Hinblick auf eine Ungleichbehandlung dieser beiden Gruppen von Asylwerbern, noch im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip erkennbar.
Auch der Verwaltungsgerichtshof hat nicht ausgesprochen, dass Art2 litn Dublin-III-VO einen formellen Gesetzesbegriff verwendet: Soweit er von 'gesetzlich festgelegten' Kriterien spricht, gibt er den Wortlaut der Dublin-III-VO wieder. Er zitiert zwar den eingangs genannten Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofes in einem Klammerausdruck, löst aber nur die in seinem Verfahren präjudizielle Rechtsfrage, ob ein Rückgriff auf die in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für das Vorliegen von Fluchtgefahr den Anforderungen des Art2 litn Dublin-III-VO genügt. Die darüber hinausgehenden Erwägungen des deutschen Bundesgerichtshofes zum formellen Gesetzesbegriff gibt der Verwaltungsgerichtshof nicht wieder und führt auch (mangels Präjudizialität dieser Frage in dem bei ihm anhängigen Verfahren) hiezu nichts aus (zB VwGH 19.02.2014, Ro 2014/21/0075; Ro 2015/21/0002; 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
4. §9a Abs4 FPG-DVO trat gemäß §21 Abs9 FPG-DVO am 19.07.2015 außer Kraft. Auch außer Kraft getretene Verordnungen können Gegenstand einer Prüfung sein, sofern sie im Anlassverfahren noch anzuwenden sind. Dies ist bei der Überprüfung des Schubhaftbescheides der Fall, da diesfalls maßgeblich ist, ob der angefochtene Bescheid nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Erlassung rechtmäßig war (vgl. VwGH 20.11.2008, 2006/21/0047; 22.12.2009, 2009/21/0208; 28.08.2012, 2010/21/0120).
Gemäß Art89 Abs3 iVm Art135 Abs4 B-VG hat der Antrag an den Verfassungsgerichtshof die Entscheidung zu begehren, dass die Rechtsvorschrift gesetzwidrig, verfassungswidrig oder rechtswidrig war, wenn die vom Gericht anzuwendende Rechtsvorschrift bereits außer Kraft getreten ist.
3. Bedenken
3.1. Rechtslage […]
3.1.2. Die Dublin III-VO trat […] am 19. Juli 2013 in Kraft und ist gemäß Art49 leg.cit. auf alle Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem 1. Jänner 2014 gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Im – gegenüber der Dublin II-VO neuen – Art28 Dublin III-VO ist die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung im Dublin-Verfahren geregelt. Schubhaft zur Sicherstellung einer Überstellung nach der Dublin III-VO kommt nur auf Grundlage von Art28 dieser Verordnung, der autonome Vorschriften für die Inhaftnahme von Fremden zum Zweck der Überstellung in den nach der Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaat enthält, in Betracht (VwGH 24.03.2015, Ro 2014/21/0080; vgl. auch VwGH 19.02.2015, Ro 2014/21/0075).
Gemäß Art28 Dublin III-VO dürfen die Mitgliedstaaten zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs darf, wenn der Asylwerber in Haft ist, einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Dublin-Verfahren führt, ersucht in diesen Fällen um eine dringende Antwort, die spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs erfolgen muss. Die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt, sobald diese praktisch durchführbar ist, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten.
'Fluchtgefahr' definiert Art2 litn Dublin III-VO als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.
Hiezu sprach der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis 19.02.2015, Ro 2014/21/0075 aus: 'Die Bestimmungen der Z2 und der Z4 des §76 Abs2 FrPolG 2005 enthalten für sich betrachtet keine – gesetzlich festgelegten – objektiven Kriterien für die Annahme von (erheblicher) Fluchtgefahr iSd Dublin III-VO. Vielmehr knüpft der dort jeweils als Grund für die Anordnung von Schubhaft genannte Umstand im gegebenen Zusammenhang nur an die Führung eines Verfahrens nach der Dublin III-VO an, was für sich genommen deren Art28 Abs1 widersprechen würde. Dass die Dublin III-VO eine ausdrückliche Festlegung der objektiven Kriterien für die Annahme von (erheblicher) Fluchtgefahr im Gesetz verlangt, ist nach dem eindeutigen, keiner anderen Auslegung zugänglichen Wortlaut des Art2 litn Dublin III-VO ganz klar, sodass es diesbezüglich auch keiner Befassung des EuGH nach Art267 AEUV bedarf. Art2 litn Dublin III-VO verlangt unmissverständlich gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der im Unionsrecht für die Verhängung von Schubhaft normierten Voraussetzung des Vorliegens von 'Fluchtgefahr'. Ein Rückgriff auf Kriterien, die der VwGH in seiner bisherigen Judikatur vor allem zum Tatbestand der Z4 des §76 Abs2 FrPolG 2005 für die Annahme von 'Fluchtgefahr' (Gefahr des 'Untertauchens') als maßgeblich angesehen hat (Hinweise E30. August 2007, 2007/21/0043; E8. Juli 2009, 2007/21/0093; E22. Oktober 2009, 2007/21/0068; E30. August 2011, 2008/21/0498 bis 0501; E19. März 2014, 2013/21/0225; E24. Oktober 2007, 2006/21/0045; E2. August 2013, 2013/21/0054; E25. März 2010, 2008/21/0617) reicht daher nicht, um den Vorgaben der Dublin III-VO zu entsprechen. Solche Umstände hätten gesetzlich determiniert werden müssen. Solange dies nicht der Fall ist, kommt Schubhaft gegen Fremde, die sich in einem Verfahren nach der Dublin III-VO befinden, zwecks Sicherstellung dieses Überstellungsverfahrens nach Art28 der Verordnung nicht in Betracht (Hinweis BGH 26. Juni 2014, V ZB 31/14).'
'Das Gleiche gilt für §76 Abs2a Z1 FrPolG 2005, wird doch mit diesem Tatbestand nur an ein bestimmtes Verfahrensstadium bzw. an das ausnahmsweise Fehlen einer spezifischen Rechtsposition (nämlich des faktischen Abschiebeschutzes) angeknüpft, ohne Fluchtgefahr begründende Umstände zu umschreiben (Hinweis E19. Mai 2015, Ro 2014/21/0065 (zur ersten Variante) und E19. Mai 2015, Ro 2015/21/0016 (zur zweiten Variante)). (VwGH 19.05.2015, Ro 2015/21/0004)'
3.1.3. Bereits am 23.02.2015 ging der Ministerialentwurf des FRÄG 2015 (92/ME XXV. GP) in Begutachtung, der folgende Neufassung des §76 FPG enthielt:
[…]
Am 21.04.2015 langte die Regierungsvorlage zum FRÄG 2015 (RV 582 BIgNR 25. GP) im Nationalrat ein, der Innenausschuss nahm am 07.05.2015 den Gesetzesvorschlag unverändert an, am 21.05.2015 fasste der Nationalrat den Gesetzesbeschluss.
3.1.4. Am 29.05.2015 trat §9a Abs4 FPG-DVO, kundgemacht durch BGBl II 143/2015 am 28.05.2015, in Kraft.
[…]
3.1.5. Das FRÄG 2015 wurde im Bundesrat nach dem Beschluss im Ausschuss am 01.06.2015 am 03.06.2015 beschlossen. Das FRÄG 2015 wurde am 18.06.2015 im Bundesgesetzblatt kundgemacht.
[…]
3.2. Bedenken ob der Zuständigkeit der Bundesministerin für Inneres zur Verordnungserlassung
3.2.1. §9a Abs4 FPG-DVO wurde ausweislich der Promulgationsklausel des BGBl II 143/2015 'auf Grund des Fremdenpolizeigesetzes 2005' idF BGBl I 144/2013 erlassen.
Das Fremdenpolizeigesetz idF vor dem FRÄG 2015 sah eine Reihe von Verordnungsermächtigungen zugunsten der Bundesministerin für Inneres, des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten sowie der Bundesministerin für Gesundheit vor (§4, §5 Abs2 und 6, §16 Abs1, §17 Abs3, §20 Abs5, §23 Abs1, §24a Abs6, §27a Abs4, §28 Abs2, §30 Abs3, §46 Abs6, §46a Abs2, §56 Abs5, §58 Abs3, §71 Abs5, §77 Abs7, §88 Abs3, §94a Abs3, §95, §96 Abs4, §97 Abs2), von denen allerdings nur die Verordnungsermächtigung bezüglich der Regelung des gelinderen Mittels der finanziellen Sicherheitsleistung gemäß §77 Abs7 FPG Bezug zur Schubhaft hat und keine Rechtsgrundlage für die Regelung von 'Fluchtgefahr im Sinne des §76 FPG' darstellt.
3.2.2. Gemäß Art18 Abs2 B-VG bedürfen Verwaltungsbehörden zur Erlassung von Durchführungsverordnungen innerhalb ihres Wirkungsbereiches keiner ausdrücklichen einfachgesetzlichen Ermächtigung. Die Bundesministerin für Inneres ist gemäß §127 FPG zur Vollziehung der Schubhaftbestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes zuständig und daher grundsätzlich kompetent, eine Durchführungsverordnung hiezu zu erlassen.
Ungeachtet der Frage, ob vor dem Hintergrund des parlamentarischen Gesetzgebungsmonopols das 'Ob' der Verordnungserlassung der Exekutive anheimgestellt werden darf oder nicht, steht es nicht im Belieben der Verwaltungsbehörde, ob sie eine Verordnung erlässt oder nicht, da es Verwaltungsbehörden nach dem Legalitätsprinzip und dem allgemeinen Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes verwehrt ist, Entscheidungen nach Belieben zu setzen. Es muss hinreichend Anhaltspunkte geben, die eine nachvollziehbare und ausreichend begründete Entscheidung über das 'Ob' der Verordnungserlassung ermöglichen. Diese Anhaltspunkte müssen nicht durchwegs im Gesetz explizit vorgegeben sein, auch der Regelungsgegenstand kann Anhaltspunkte liefern, wie vom Ermessen Gebrauch gemacht werden kann. Art18 Abs2 B-VG legt also als unmittelbar anwendbare Ermächtigung die Erlassung von Verordnungen in das Ermessen der Behörde und verlangt nicht, dass im Gesetz das 'Ob' der Erlassung im Sinne einer gebundenen Entscheidung vorherbestimmt wird (vgl. Rill in Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill/Schäffer-Kommentar zum Bundesverfassungsrecht, B-VG Art18 Rz 88 f.).
Im Hinblick auf die Erlassung des §9a Abs4 FPG-DVO zeigen die Anhaltspunkte aber, dass das Fremdenpolizeigesetz die Durchführung des §76 FPG nicht in das Ermessen der Bundesministerin für Inneres stellte: Dies ergibt sich bereits aus der gleichzeitigen Erlassung des FRÄG 2015.
So versandte die Bundesministerin für Inneres am 23.02.2015, dh. vier Tage nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, Ro 2014/21/0075, den Ministerialentwurf zum FRÄG 2015, ME 92 BIgNR 25. GP, in dessen Vorblatt, S 6, sie ausführt, dass gemäß der Dublin-Verordnung im nationalen Recht die Fluchtgefahr, die eine Inschubhaftnahme rechtfertigte, gesetzlich zu definieren sei. Derzeit entspreche §76 FPG nicht den unionsrechtlichen Vorgaben. Die (im Ministerialentwurf) vorgesehenen Tatbestände des §76 FPG entsprächen – so die Bundesministerin für Inneres – den Vorgaben der Neufassung der Aufnahmerichtlinie, der Rückführungsrichtlinie sowie der höchstgerichtlichen Judikatur und die Fluchtgefahr werde gesetzlich definiert. Die Regierungsvorlage, deren vorgeschlagener §76 Abs3 FPG ab dem zweiten Satz des §9a Abs4 FPG-DVO abgesehen vom Entfall des Tatbestandselements des 'Sicherungsbedarfs' und von angepassten Normzitaten mit diesem ident ist, begründet die vorgeschlagene Neuerlassung des §76 FPG u.a. damit, dass gemäß Art2 litn Dublin-Verordnung innerstaatlich nähere Kriterien zur Beurteilung, ob Fluchtgefahr iSd Verordnung vorliege, festzulegen seien und hiemit die Anpassung an die Vorgaben der Rückführungsrichtlinie erfolge (RV 582 BIgNR 24. GP). Der Gesetzesbeschluss im Nationalrat erfolgte noch vor der Erlassung des §9a Abs4 FPG-DVO, der Beschluss im Bundesrat noch vor der Inschubhaftnahme des Beschwerdeführers, die Publikation des FRÄG 2015 im Bundesgesetzblatt am 18.06.2015 und das Inkrafttreten des §22a Abs1, 1a und 2 BFA-VG und des §126 Abs15 FPG idF FRÄG 2015 am 19.06.2015 noch während der hg. zu prüfenden Anhaltung des Beschwerdeführers.
Es ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts dem Fremdenpolizeigesetz nicht unterstellbar, dass es – sieben Tage nach dem Gesetzesbeschluss im Nationalrat über den dem §9a Abs4 FPG-DVO entsprechenden §76 Abs3 FPG idF FRÄG 2015 – die Regelung genau dieses Inhalts durch Verordnung in das Ermessen der Bundesministerin stellen wollte.
Das FRÄG 2015 wurde am 18.06.2015 kundgemacht, einige Bestimmungen, darunter die Verfahrensbestimmungen zur gerichtlichen Überprüfung der Schubhaft in §22a BFA-VG und die Inkrafttretensbestimmung des §126 Abs15 FPG, traten bereits am 19.06.2015 in Kraft, die Neuregelung des §76 Abs3 FPG hingegen auf Grund der Inkrafttretensbestimmung des §126 Abs15 FPG erst mit 20.07.2015. Da sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, anders etwa als betreffend §22a BFA-VG, der mit Kundmachung des FRÄG 2015 in Kraft trat, für das Inkrafttreten des §76 Abs3 FPG (und somit des Inhalts des §9a Abs4 FPG-DVO) eine Legisvakanz vorzusehen, kann noch weniger unterstellt werden, dass das Fremdenpolizeigesetz das Erlassen ebendieses Inhalts vor dem vom Gesetzgeber gewählten Inkrafttretensdatum im Verordnungsweg ins Ermessen der Bundesministerin für Inneres stellen wollte. Wäre die Bundesministerin für Inneres im Übrigen tatsächlich davon ausgegangen, dass es zur gesetzlichen Definition der Fluchtgefahr nur einer Verordnung und keines Gesetzes bedurft hätte, hätte sie bereits vier Tage nach der diesbezüglichen Leitentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im Februar 2015 statt des Begutachtungsentwurfs für die dementsprechende Neuerlassung des §76 im Rahmen [des] FRÄG 2015 unmittelbar die Verordnung erlassen können.
Das Bundesverwaltungsgericht hegt daher das Bedenken, dass die Bundesministerin für Inneres zur Erlassung des §9a Abs4 FPG-DVO unzuständig war bzw. dass §9a Abs4 FPG-DVO ohne gesetzliche Grundlage erlassen wurde.
3.2.3. Nach der Bundesverfassung (Art18 Abs2 B-VG) sind Verordnungen nur 'auf Grund der Gesetze' zu erlassen. Das heißt, dass eine Verordnung bloß eine Regelung präzisieren darf, die inhaltlich im Wesentlichen vom Gesetz selbst getroffen oder zumindest vorgezeichnet wurde (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes: VfSlg 7945/1976, 9226/1981, 9227/1981 ua.; Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung, 582). Soll ein Gesetz mit Durchführungsverordnung vollziehbar sein, müssen aus diesem also alle wesentlichen Merkmale der beabsichtigten Regelung ersehen werden können (Prinzip der Vorausbestimmung des Verordnungsinhaltes durch das Gesetz: VfSlg 4139/1962, 4662/1964, 5373/1966, 7945/1976); eine bloße formalgesetzliche Delegation, die der Verwaltungsbehörde eine den Gesetzgeber supplierende Aufgabe zuweist, stünde mit Art18 Abs1 (und 2) B-VG in Widerspruch (siehe VfSlg 4072/1961, 4300/1962). Die Grenze zwischen einer noch ausreichenden materiellen Bestimmtheit des Gesetzes und einer formalen Delegation wird nun in einzelnen Fällen nicht immer leicht zu bestimmen sein. Entscheidungskriterium ist hier stets die Frage, ob die im Verordnungsweg getroffene (Durchführungs-)Regelung auf ihre inhaltliche Gesetzmäßigkeit überprüft werden kann (siehe VfSlg 1932/1950, 2294/1952, 4072/1961). Bei Ermittlung des Inhalts des Gesetzes sind alle zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden auszuschöpfen: Nur wenn sich nach Heranziehung aller Interpretationsmethoden immer noch nicht beurteilen lässt, was im konkreten Fall rechtens ist, verletzt die Norm die in Art18 B-VG statuierten rechtsstaatlichen Erfordernisse (vgl. u.a. VfSlg 8395/1978, 10.296/1984).
Im hg. Verfahren stützt sich der angefochtene Bescheid auf das Tatbestandselement 'Fluchtgefahr im Sinne des §76 FPG' in §9a Abs4 FPG-DVO.
'Fluchtgefahr' war kein Tatbestandselement des §76 FPG idF vor dem FRÄG 2015; eine Durchführung der 'Fluchtgefahr im Sinne des §76 FPG' durch §9a Abs4 FPG-DVO scheidet daher bereits von vornherein aus. Da mit Inkrafttreten des §76 FPG idF des FRÄG 2015, der erstmals das Tatbestandsmerkmal 'Fluchtgefahr' im Schubhaftverfahren einführt, §9a Abs4 FPG-DVO außer Kraft trat, scheidet eine Konvalidation der Verordnung auf Grund des FRÄG 2015 ebenso von vornherein aus.
Im Fremdenpolizeigesetz in der bis zum Außerkrafttreten des §9a Abs4 FPG-DVO in Geltung gestandenen Fassung ist 'Fluchtgefahr' nur ein Tatbestandselement im Zusammenhang mit dem Widerruf der Frist für die freiwillige Ausreise und die Festlegung von Auflagen während der Frist für die freiwillige Ausreise. Auch daraus lassen sich keine hinreichenden Determinanten für die Verordnungserlassung entnehmen, kann dem Gesetzgeber doch nicht unterstellt werden, dass er in allen Fällen, in denen 'Fluchtgefahr' iSd FPG vorlag, dh. Umstände, die den [Widerruf] der Frist für die freiwillige Ausreise gemäß §55 FPG bzw. die Sicherung der freiwilligen Ausreise durch Auflagen gemäß §56 FPG rechtfertigten, die (Prüfung der) Verhängung von Schubhaft anordnen wollte.
§76 Abs2 FPG idF vor dem FRÄG 2015 stellt auch dann keine hinreichend determinierte gesetzliche Grundlage dar, wenn man davon ausgeht, dass die von §9a Abs4 FPG-DVO definierte 'Fluchtgefahr im Sinne des §76 FPG' ohnedies der bereits zum 'Sicherungsbedarf im Sinne §76 FPG' (idF vor dem FRÄG 2015) ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht (zur Frage, ob ein Rückgriff auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Sicherungsbedarf eine hinreichende Konkretisierung des Begriffs Fluchtgefahr darstellt vgl. VwGH 19.02.2015, Ro 2014/21/0075 u.a.). Die Gleichsetzung der 'Fluchtgefahr' iSd Art2 litn Dublin III-VO mit dem Sicherungsbedarf iSd §76 FPG idF vor dem FRÄG 2015 sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, musste mangels gesetzlicher Determinanten – weder sah §76 FPG idF vor dem FRÄG 2015 diesbezügliche Determinanten vor, wie die Bundesministerin für Inneres auch im Ministerialentwurf ausführt, noch das Unionsrecht, das in Art2 litn Dublin III-Verordnung den nationalen Gesetzgebern überantwortet – eine Entscheidung des Gesetzgebers sein (und ist es seit 19.07.2015 tatsächlich auch).
Dies trifft umso mehr vor dem Hintergrund zu, dass es sich bei einer Bestimmung, die die Voraussetzungen regelt, unter welchen einer Person die persönliche Freiheit entzogen werden kann, – anders als etwa im Wirtschaftsrecht (zB VfSlg 15.468/1999) – um eine eingriffsnahe Regelung handelt, bei der die aus dem jeweiligen Grundrecht (VfSlg 14.850/1997) bzw. Art18 B-VG (VfSlg 16.566/2002) abgeleitete verfassungsrechtliche Verpflichtung zur besonders deutlichen Umschreibung der Eingriffstatbestände angesichts der Notwendigkeit, dem Eingriff im Hinblick auf das betreffende Grundrecht überhaupt erst konkrete Schranken zu setzen, vorliegt. Da der Verfassungsgerichtshof dies auch damit begründet, dass es ihm möglich sein muss, die Übereinstimmung des Verwaltungsaktes mit dem Gesetz zu überprüfen (VfSlg 10.737/1985, 11.455/1987), ist davon auszugehen, dass sich dieses Erfordernis nicht nur auf individuell-konkrete Verwaltungsakte (vgl. VfSlg 3008/1956; 10.982/1986) bezieht, sondern auch auf generell-abstrakte, so die Erlassung von Verordnungen in diesem Bereich zulässig sein sollte (s. Punkt 3.3.).
Daher hegt das Bundesverwaltungsgericht das Bedenken, dass §9a Abs4 FPG-DVO, soweit sie definiert, wann 'Fluchtgefahr im Sinne des §76 FPG' vorliegt, (auch auf Grund der Anforderungen des Art5 EMRK und Art1 PersFrBVG) entgegen Art18 Abs2 B-VG ohne hinreichende gesetzliche Grundlage ergangen ist und nur zum Schein §76 FPG idF vor dem FRÄG 2015 umsetzt, tatsächlich aber Art2 litn Dublin III-VO.
3.2.4. 'Fluchtgefahr' ist ein Tatbestandselement des Art28 Dublin III-VO, das gemäß Art2 litn leg.cit. vom nationalen Gesetzgeber umzusetzen ist. Wie den Erläuterungen zur RV 582 BIgNR 24. GP zu entnehmen ist, handelt es sich bei dem dem Text des §9a Abs4 FPG-DVO entsprechenden §76 Abs3 FPG idF FRÄG 2015 um eine Neuregelung. §76 FPG idF vor dem FRÄG 2015 entsprach, so die Erläuterungen, nicht den unionsrechtlichen Vorgaben. In diesem Sinn führt auch der Ministerialentwurf des FRÄG 2015 aus, dass gemäß der Dublin-Verordnung die Fluchtgefahr, die eine Inschubhaftnahme rechtfertigte, im nationalen Recht (erst durch das FRÄG 2015) gesetzlich zu definieren sei (ME 92 BIgNR 25. GP, 6). §9a Abs4 FPG-DVO stellt somit die Umsetzung des Art2 litn Dublin III-VO dar.
Die Durchführung von Unionsrecht durch eine Rechtsverordnung ist nur zulässig, wenn eine (hinreichend bestimmte) Grundlage in einem formellen österreichischen Gesetz gegeben ist, andernfalls ist eine Umsetzung nur durch ein Gesetz zulässig (VfSlg 15.189/1998, 17.735/2005).
Diese Rechtsprechung findet – so der Verfassungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung bis zum Inkrafttreten der Grundrechte-Charta – ihren Grund darin, dass Art18 Abs2 B-VG durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union nicht so modifiziert wurde, dass als Gesetz im Sinne dieser Verfassungsnorm auch eine unmittelbar anwendbare Vorschrift des Gemeinschaftsrechts zu verstehen ist, die ihrerseits inhaltlich ausreichend vorherbestimmt ist, um eine Verordnung zu tragen (in diesem Sinn etwa Öhlinger, Legalitätsprinzip und europäische Integration, in: FS 75 Jahre Bundesverfassung, 1995, 635, insb. 642 ff.), weil dies dazu führen würde, dass eine derartige, unmittelbar auf Gemeinschaftsrecht gegründete Verordnung der rechtlichen Kontrolle weitgehend entzogen wäre: Dem Verfassungsgerichtshof steht nämlich eine Kompetenz, generelle österreichische Rechtsnormen am Maßstab des Gemeinschaftrechts zu prüfen – wie auch Öhlinger, Verfassungsrecht3, 1997, 99, einräumt – nicht zu und auch der EuGH ist nicht befugt, mitgliedstaatliche Rechtsvorschriften auf ihre Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht zu überprüfen; ein Widerspruch einer generellen österreichischen Rechtsvorschrift zu gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben führt (bloß) zu ihrer – von allen Staatsorgangen incidenter wahrzunehmenden – Unanwendbarkeit (vgl. EuGH 15.7.1964, Rs 6/64, Slg. 1964, 1251, Costa/ENEL; 9.3.1978, Rs 106/77, Slg. 1978, 629, Simmenthal II), nicht aber zu deren Aufhebung (VfSlg 15.189/1998).
Auch nach Inkrafttreten der Grundrechte-Charta erachtet der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 19.632/2012 nicht das gesamte Unionsrecht (so etwa die Dublin II)-VO), sondern lediglich die in der Grundrechte-Charta garantierten Rechte als Prüfungs- (und somit 'Aufhebungs-')maßstab in Verfahren der generellen Normenkontrolle in Verfahren nach Art139 B-VG, wenn die betreffende Garantie der Grundrechte-Charta in ihrer Formulierung und Bestimmtheit verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der österreichischen Bundesverfassung gleicht.
Da Art2 litn Dublin III-VO die Fluchtgefahr nicht selbst regelt, sondern diese Regelung den Mitgliedstaaten überantwortet, liegt kein dem Erkenntnis