Entscheidungsdatum
20.03.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
I412 2212006-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX StA.
NIGERIA, vertreten durch: DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH Volkshilfe Flüchtlings - und MigrantInnenbetreuung GmbH p.A. ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Steiermark (BAG) vom 30.11.2018, Zl. XXXX, zu
Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) iVm §§ 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) auf Dauer für unzulässig erklärt. XXXX wird gemäß §§ 54, 55 Abs. 2 und 58 Abs. 2 AsylG der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, stellte am 12.03.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab sie an, Nigeria im Jahr 2010 wegen der Situation, in der sie sich damals befunden habe, verlassen zu haben. Sie habe nicht arbeiten können wegen der Wirtschaftslage in ihrem Heimatland. Aus diesem Grund sei sie aus Nigeria weg, um ihr Leben weiter zu bringen und zu verbessern. Im Moment könne sie keinesfalls nach Nigeria zurückkehren wegen der Leute, die sie nach Europa geschleppt hätten und denen sie noch ziemlich viel Geld von den € 50.000, die sie ihnen bezahlen müsse, schulde.
2. Die Beschwerdeführerin wurde erstmals am 01.07.2015 niederschriftlich vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet) einvernommen.
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27.11.2015 wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz zurückgewiesen und eine Außerlandesbringung angeordnet. Im Weiteren wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Italien zulässig sei. Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 19.02.2016 behoben.
4. Am 16.02.2017 wurde die Beschwerdeführerin erneut von der belangten Behörde einvernommen, in der sie ausführte, nach Europa gekommen zu sein, weil sie ihr Leben ändern wollte. Im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat führte sie aus, eine Menge Angst wegen Boko Haram zu haben. Sie wolle nicht mehr leiden, jetzt gehe es ihr gut.
5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21.12.2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz
hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und
hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkte IV. und V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen festgelegt.
6. Dieser Bescheid wurde nach Einbringung einer Beschwerde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 26.01.2018 gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG aufgehoben.
7. Am 13.11.2018 wurde die Beschwerdeführerin ein weiteres Mal von der belangten Behörde einvernommen, in der sie ergänzend angab, nach Österreich gekommen zu sein, weil sie in Rom als Prostituierte gearbeitet habe. Sie sei von Rom weggelaufen nach Taranto zu einer Frau aus Nigeria. Deren Mann habe immer Probleme gemacht, weil er gesagt habe, dass er sie nicht die ganze Zeit miternähren könne. Die Männer, die sie nach Europa gebracht hätten, hätten gesagt, dass sie dort arbeiten könne, sie müsse ihnen € 50.000 zurückzahlen, weil sie das Geld nicht habe, könne sie nicht nach Nigeria zurück. Bevor ihre Mutter gestorben sei, habe sie ihr gesagt, dass diese zwei Männer beim Haus gewesen seien und sie bedroht hätten. Sie wolle als normale Person in Österreich arbeiten.
8. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30.11.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz
hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und
hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria erneut abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkte IV. und V.). Eine Frist für eine freiwillige Ausreise wurde nicht eingeräumt und der Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.
9. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 22.12.2018 Beschwerde erhoben.
Beschwerde und bezughabender Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 03.01.2019 vorgelegt, das der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannte.
10. Am 07.03.2019 wurde am Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der die Beschwerdeführerin, sowie ihr Lebensgefährte als Zeuge, einvernommen wurden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Nigeria. Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest.
Die Beschwerdeführerin leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung und ist arbeitsfähig.
Zumindest ihr Bruder, ihre Schwester sowie ihr Sohn leben in Nigeria. Nicht festgestellt werden kann, ob bzw. wann ihre Eltern verstorben sind.
Die Beschwerdeführerin hat Nigeria zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt verlassen.
Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin bereits im Jahr 2007 zum ersten Mal nach Österreich eingereist ist. Ein am 27.06.2007 gestellter Antrag auf internationalen Schutz wurde rechtskräftig negativ entschieden.
Die Beschwerdeführerin verfügte bis 22.5.2014 über einen Aufenthaltstitel für Italien.
Seit (zumindest) Oktober 2013 hält sich die Beschwerdeführerin erneut in Österreich auf. Nach einem ca. einmonatigen Aufenthalt in Italien hält sie sich seit ca. Februar 2014 durchgehend in Österreich auf und ist seit November 2013 bzw. (wieder) seit Februar 2014 bei ihrem Lebensgefährten gemeldet.
Die Beschwerdeführerin führt seit Ende 2013 in Österreich eine Lebensgemeinschaft mit dem österreichischen Staatsbürger XXXX, mit dem sie seither nahezu durchgehend in gemeinsamen Haushalt lebt und gut in dessen Familie (Geschwister, Kinder) integriert ist.
Der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin ist in Pension. Er leidet an einer Lungenkrankheit und wird insbesondere bei gesundheitlichen Problemen von der Beschwerdeführerin versorgt.
Die Beschwerdeführerin kann sich gut auf Deutsch verständigen konnte einen Teil der mündlichen Verhandlung auf Deutsch führen. Sie hat die Prüfung ÖSD Zertifikat A2 sehr gut bestanden.
Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten und bezieht zumindest seit ihrem neuerlichen Aufenthalt in Österreich keine Leistungen der staatlichen Grundversorgung. Der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich führte seit diesem Zeitraum zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft.
Die Beschwerdeführerin bemüht sich um Arbeit und liegt für diese eine Einstellungszusage betreffend eine Tätigkeit als Reinigungskraft vor.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in Nigeria aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde oder werden wird. Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existenziellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.
Der Beschwerdeführerin droht insbesondere keine Gefahr, in Nigeria von Menschenhändlern gegen ihren Willen erneut nach Europa verbracht zu werden oder von diesen anderweitig verfolgt zu werden.
Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin in realer Gefahr ist, für den Fall einer Rückkehr nach Nigeria in eine existenzbedrohende Situation zu geraten.
1.2. Zur allgemeinen Situation in Nigeria:
Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 23.10.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" (Stand: 07.08.2017) zu Nigeria zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.
Die wesentlichen Feststellungen lauten:
Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die Wahlen von Präsident und Nationalversammlung 2015 und die seitdem stattgefundenen Wahlen der Gouverneur- und Landesparlamente in 31 von 36 Bundesstaaten haben die politische Landschaft in Nigeria grundlegend verändert. Die seit 2013 im All Progressives' Congress (APC) vereinigte Opposition gewann neben der Präsidentschaftswahl eine klare Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments und regiert nun auch in 23 der 36 Bundesstaaten. Die seit 1999 dominierende People-s Democratic Party (PDP) musste zum ersten Mal in die Opposition und ist durch Streitigkeiten um die Parteiführung stark geschwächt. Lediglich in den südöstlichen Bundesstaaten des ölreichen Niger-Deltas konnte sie sich als Regierungspartei behaupten. Bei den Präsidentschaftswahlen am 28.3.2015 besiegte der frühere Militärmachthaber und Kandidat der Opposition, Muhammadu Buhari, den bisherigen Amtsinhaber Goodluck Jonathan mit 54,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei diesen Wahlen, die von der internationalen Öffentlichkeit als beispielhaft für die Demokratie Afrikas gelobt wurden, kam es zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit Nigerias zu einem demokratischen Machtwechsel.
Im Länderbericht ergibt die geschilderte allgemeine Sicherheitslage keine konkrete gegen die Person der Beschwerdeführerin gerichtete Verfolgungsgefahr, die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land, sodass sich Bürger in jedem Teil des Landes niederlassen können. Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Darüber hinaus sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen. Prinzipiell sollte es einer Person, die von nichtstaatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen.
Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken Nigerian Police Force (NPF). Die NPF untersteht dem Generalinspektor der Polizei. Er ist für die Durchsetzung der Gesetze verantwortlich. Ihm unterstehen in jedem Bundesstaat Assistenten zur Leitung der Polizeikräfte. Bundesstaaten dürfen gemäß Verfassung über keine eigenen Sicherheitskräfte verfügen. In Notsituationen kann die Bundespolizei jedoch dem Gouverneur eines Staates unterstellt werden. Etwa 100.000 Polizisten sollen als Sicherheitskräfte bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen tätig sein. Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee. Jedoch sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten.
In Nigeria sind rund 50 Prozent der Bevölkerung Muslime, 40-45 Prozent Christen und 5-10 Prozent Anhänger von Naturreligionen. Der Norden ist überwiegend muslimisch, der Süden überwiegend christlich bzw. "christlich-animistisch". Allerdings gibt es im Norden, wo die moslemischen Hausa-Fulani überwiegen, auch signifikante Anteile christlicher Bevölkerung. Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein Teil des Landes ist von starker Verfolgung betroffen (der Teil, der überwiegend von Muslimen bewohnt wird), wohingegen der andere, überwiegend von Christen bewohnte, Landesteil überhaupt nicht beeinträchtigt ist.
Zur wirtschaftlichen Lage ist allgemein auszuführen, dass Nigeria seit 2014 als die größte Volkswirtschaft Afrikas gilt, im Jahr 2014 wurde sogar das Bruttoinlandsprodukt von Südafrika übertroffen, neben der Öl- und Gasförderung sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass in Nigeria beschäftigungslose Angehörige von der Großfamilie unterstützt werden und die Beschwerdeführerin diese Unterstützung, etwa aufgrund der Erkrankung ihrer Mutter, nicht erhält, ist davon auszugehen, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird.
Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, NAPTIP, COSUDOW, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe.
Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken, und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik. Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard. Laut dem Gesundheitsministerium gibt es weniger als 150 Psychiater in Nigeria. Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute. Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden. Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung). In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten An-tibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden.
Es besteht auch wie im Länderbericht ausgeführt, keine Gefahr dahingehend, dass ein ob eines abgelehnten Asylantrages rückgeführter Asylwerber bei seiner Rückkehr nach Nigeria mit staatlichen Repressionen zu rechnen habe. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt außerdem darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist.
1.3. Zur Situation von Frauen in Nigeria (auf Basis des aktuellen "Länderinformationsblattes der Staatendokumentation" (Stand: 07.08.2017) zu Nigeria:
Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht, kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 3.3.2017). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias dennoch in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt. Dies wird am deutlichsten in Bereichen, in denen vor allem traditionelle Regeln gelten: So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 21.11.2016). Allerdings berichtet die Bertelsmann Stiftung, dass der Oberste Gerichtshof in einem bahnbrechenden Urteil entschied, dass Witwen das Recht haben von dem Verstorbenen zu erben (BS 2016). Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen (z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt). Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 21.11.2016). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden. Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen jedoch kaum eine Rolle (BS 2016).
Frauen mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz. So findet sich z.B. beim Obersten Gerichtshof eine oberste Richterin, auch die Minister für Finanz und für Erdöl sind Frauen (BS 2016). Insgesamt bleiben Frauen in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. In den 36 Bundesstaaten Nigerias gibt es keine Gouverneurin, allerdings vier Vizegouverneurinnen (AA 21.11.2016). Die Zahl weiblicher Abgeordneter ist gering - nur 6 von 109 Senatoren und 14 von 360 Mitgliedern des Repräsentantenhauses sind Frauen (AA 4.2017a). In der informellen Wirtschaft haben Frauen eine bedeutende Rolle (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 3.3.2017).
Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sich mit sexueller Gewalt, körperlicher Gewalt, psychologischer Gewalt, schädlichen traditionellen Praktiken und sozioökonomischen Gewalt. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, FGM/C usw. Straftatbestände da. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. Das Gesetz ist nur im Federal Capital Territory (FCT) gültig, solange es nicht in den anderen Bundesstaaten verabschiedet wird (USDOS 3.3.2017).
Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert. Die Polizei schreitet oft bei häuslichen Disputen nicht ein. In ländlichen Gebieten zögerten die Polizei und die Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht überstieg (USDOS 3.3.2017).
Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von Maximum drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 3.3.2017). Frauen zögern oft, Misshandlungsfälle bei den Behörden zu melden. Viele Misshandlungen werden nicht gemeldet. Begründet wird dies damit, dass die Polizei nicht gewillt ist, Gewalt an Frauen ernst zu nehmen und Anschuldigungen weiterzuverfolgen. Die Zahl an Fällen strafrechtlicher Verfolgung von häuslicher Gewalt ist niedrig, obwohl die Gerichte diese Vergehen zunehmend ernst nehmen. Die Polizei arbeitet in Kooperation mit anderen Behörden, um die Reaktion und die Haltung gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt zu verbessern. Dies beinhaltet den Aufbau von Referenzeinrichtungen für Opfer sexueller Misshandlung, sowie die Neuerrichtung eines Genderreferats. Im Allgemeinen sind die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten, wobei Frauen mit größeren Schwierigkeiten bei der Suche und beim Erhalt von Schutz insbesondere vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert sind als Männer (UKHO 8.2016b).
Vergewaltigung ist ein Kriminaldelikt. Das VAPP erweitert den Anwendungsbereich des bestehenden Rechts mit Bezug auf Vergewaltigungen. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sollen Schutzbeamte ernannt werden, die sich mit Gerichten koordinieren und dafür sorgen sollen, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche die Gerichte dazu ermächtigt, den Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen (USDOS 3.3.2017).
Vergewaltigungen bleiben aber weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass der erste sexuelle Kontakt bei drei von zehn Mädchen im Alter von zehn bis neunzehn Jahren eine Vergewaltigung war. Sozialer Druck und Stigmatisierung reduzieren die Zahl der tatsächlich zur Anzeige gebrachten Fälle (USDOS 3.3.2017).
Das Bundesgesetz kriminalisiert weibliche Beschneidung oder Genitalverstümmlung (USDOS 3.3.2017). Etwa 20 Millionen nigerianische Frauen sind Opfer von FGM. Das Gesundheitsministerium, Frauengruppen und viele NGOs führen Sensibilisierungskampagnen durch, um die Gemeinden hinsichtlich der Folgen von FGM aufzuklären (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 21.11.2017).
Das kanadische Immigration and Refugee Board berichtet, dass es unterschiedliche Zahlen zur Prävalenz der FGM in Nigeria gibt. Einige Quellen geben an, dass über 40 Prozent% der Frauen in Nigeria FGM ausgesetzt sind. Laut anderen Quellen liegt die Prävalenz der FGM zwischen 25-27 Prozent (IRB 13.9.2016) Dabei gibt es erhebliche regionale Diskrepanzen. In einigen Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd wird die große Mehrzahl der Mädchen auch heute noch Opfer von Genitalverstümmelungen, in weiten Teilen Nordnigerias ist der Anteil erheblich geringer. Genitalverstümmelungen sind generell in ländlichen Gebieten weiter verbreitet als in den Städten (AA 21.11.2016).
Es gibt für Opfer von FGM bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM bedroht sind, Schutz und/oder Unterstützung durch Regierungs- und NGO-Quellen (UKHO 2.2017). Insgesamt kann festgestellt werden, dass Frauen, die von FGM bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln können, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt werden. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen (UKHO 12.2013; vgl. UKHO .2.2017). U.a. folgende Organisationen gehen in Nigeria gegen FGM vor: The National Association of Nigerian Nurses and Midwives (NHW 10.5.2016), Nigerian Medical Women's Association -Nigerian Medical Association (AllAfrica 3.9.2014). UNFPA, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, und UNICEF starteten in Zusammenarbeit mit dem Office of the First Lady, und den Bundesministerien für Gesundheit, Frauen und soziale Entwicklung am 9.2.2016 ein gemeinsames Projekt gegen FGM (UNFPA 9.2.2016).
Es besteht kein spezielles Unterstützungsprogramm für allein zurückkehrende Frauen und Mütter. Organisationen, die Unterstützungsprogramme betreiben, konzentrieren sich hauptsächlich auf Opfer des Menschenhandels (IOM 8.2013). Nigeria verfügt hier über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianisches Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EUMS bei der Reintegration. NAPTIP ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖBA 9.2016).
Hinsichtlich Menschenhandels ist ein ausgeklügeltes und effektives rechtliches und institutionelles Netz aktiv. Die wichtigste Institution ist NAPTIP. Sie ist für die Untersuchung und Anklage von Fällen des Menschenhandels verantwortlich, für Kooperation und Koordination, für die Unterstützung von Opfern und für die Vorbeugung. Das nigerianische Modell wird als eines der besten existierenden Modelle erachtet (OHCHR 14.3.2014). NAPTIP hat nach eigenen Angaben seit ihrer Gründung bis 2011 über 4.000 Opfer des organisierten Menschenhandels befreit und seit 2008 die Verurteilung von mindestens 120 Menschenhändlern erreicht (AA 21.11.2016).
Es gibt viele Frauengruppen, die die Interessen der Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016b). In Nigeria sind neben den UN-Teilorganisationen 40.000 NGOs registriert, welche auch im Frauenrechtsbereich tätig sind. Die Gattinnen der 36 Provinzgouverneure sind in von ihnen finanzierten "pet projects" gerade im Frauenbildungs- und Hilfsbereich sehr aktiv und betreuen Frauenhäuser, Bildungseinrichtungen für junge Mädchen, rückgeführte Prostituierte und minderjährige Mütter sowie Kliniken und Gesundheitszentren für Behinderte, HIV-Erkrankte und Pensionisten neben zahlreichen Aufklärungskampagnen für Brustkrebsfrühuntersuchungen, gegen Zwangsbeschneidung und häusliche Gewalt. Für unterprivilegierte Frauen bestehen in großen Städten Beschäftigungsprogramme, u.a. bei der Straßenreinigung (ÖBA 9.2016).
Auch Diskriminierung im Arbeitsleben ist für viele Frauen Alltag.
Alleinstehende Frauen begegnen dabei besonderen Schwierigkeiten: Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind sie oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 21.11.2016).
Die Verfassung und Gesetze sehen für interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungsfreiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation für insbesondere alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart, im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016b).
Eine Auswahl spezifischer Organisationen:
• African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin
City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email: , , (AWEG o. d.a). Die AWEG versucht, Frauen die nötigen Fähigkeiten zu vermitteln, um sich privat und beruflich weiterzuentwickeln und sich durch Bildung, Lese- und Schreibkenntnisse Perspektiven zu eröffnen. Die AWEG hat in der Vergangenheit Wiedereingliederungshilfe für Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, geleistet und wurde hierbei vom UN Office on Drug and Crime Control (UNODC) unterstützt. Die Organisation bemüht sich um Finanzmittel, um das Projekt fortzusetzen. Die AWEG hat in Zusammenarbeit mit religiösen Organisationen eine Unterkunft für Opfer von Menschenhandel eingerichtet, beherbergt hier jedoch derzeit keine Personen (IOM 8.2013; vgl. AWEG o.D.b).
• The Women's Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel.: 234-1-2635300, 2635331234-4-1-2635331, 234-(0) 8033347896, Email: wocon95@yahoo.com (WOCON o.D.a). Das Women's Consortium of Nigeria (WOCON) ist eine private gemeinnützige Organisation (NGO), die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Aktuelle Projekte: Aufklärung bezüglich Menschenhandel, Mobilisierung der Frauen, der Jugend, der öffentlichen Transportunternehmen und der Hotelmitarbeiter im Kampf gegen TIP [Anm.: Trafficking in people]. WOCON leitet Opfer des Menschenhandels an die entsprechenden Schutzunterkünfte der Regierung weiter. Andere Reintegrationsleistungen sind Beratung, Berufsausbildung und Familienzusammenführung sowie die Mobilisierung qualifizierter Frauen zur Teilnahme an der Politik. Das Projekt erstreckt sich auf die Regionen Ogun, Lagos und Ondo (IOM 8.2013; vgl. WOCON o.D.b).
• Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA), ,
19, Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja;, Tel.:
08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com, wrapa399@yahoo.com, (WRAPA o.D.a). Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA) ist eine Organisation, die Opfern von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung und sexueller Belästigung etc. kostenlose Rechtsberatung bietet. Darüber hinaus bietet die Organisation Frauen bei entsprechender Finanzierung Berufsausbildungsprogramme. Die Organisation betreibt Büros in jedem der 36 Bundesstaaten Nigerias. Die Organisation plant die Einrichtung zehn landesweiter Beratungszentren für kostenlose Rechtsberatungen und Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen, sucht aber noch nach der entsprechenden Finanzierung. Die Organisation bietet in ihren verschiedenen Büros auch weiterhin kostenlosen Rechtsbeistand und Beratungen für Frauen an (IOM 8.2013; vgl. WRAPA o. D.b).
• Women Aid Collective (WACOL), Email: wacolenugu@wacolnigeria.org, wacolnig@gmail.com, wacolnig@yahoo.com, wacolenugu@yahoo.com; Women House, No. 12 Mathias Iloh Avenue, Newton Enugu;, Tel.:
+234-0909-561-9586 +234-0806-609-2184, Fax: +234-42-256831, (WACOL o. D.a); Women Aid Collective (WACOL) ist eine Wohltätigkeitsorganisation, die von der African Commission on Human and Peoples' Rights beobachtet wird. WACOL bietet verschiedene Unterstützung an: Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste. Die Angebote für Frauen und Kinder umfassen: Schutz und sichere Unterkunft in Krisensituationen, Rechtsberatung und Beistand, Beratung von Opfern und deren Familien (IOM 8.2013; vgl. WACOL o.D.b).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
-
AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/D3.8.2016, Zugriff 22.6.2017
-
AA - Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016
-
AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.a): Contact Information, http://awegng.org/contactus.htmZugriff 5.7.2017
-
AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.b): About us, http://awegng.org/aboutus.htmZugriff 5.7.2017
-
AllAfrica (3.9.2014): Nigeria: Eradicating Female Genital Cutting, Hope for the Nigerian Child,
http://allafrica.com/stories/201409040129.html, Zugriff 4.7.2017
-
BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,
http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 4.7.2017
-
IBT - International Business Times (26.5.2015): Nigeria Bans Female Genital Mutilation: African Powerhouse Sends 'Powerful Signal' About FGM With New Bill, http://www.ibtimes.com/nigeria-bans-female-genital-mutilation-african-powerhouse-sends-powerful-signal-about-1938913, Zugriff 4.7.2017
-
IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (13.9.2016):
Responses to Information Requests, http://www.irb.gc.ca/Eng/ResRec/RirRdi/Pages/index.aspx?doc=456691&pls=1, Zugriff 22.6.2017
-
IOM - International Organization for Migration (8.2013): Nigeria - Country Fact Sheet,
https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17129693/16296710/16800759/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2013%2C_deutsch.pdf?nodeid=16801531&vernum=-2, Zugriff 5.7.2017
-
ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria
-
OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (14.3.2014): Remarks By The High Commissioner For Human Rights At A Press Conference During Her Mission To Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271987/400697_de.html, Zugriff 5.7.2017
-
NHW - Nigerian Healthwatch (10.5.2016): Five big issues at the International Conference of Midwives in Abuja, http://nigeriahealthwatch.com/five-big-issues-at-the-international-conference-on-midwives-in-abuja/, Zugriff 4.7.2017
-
UKHO - United Kingdom Home Office (2.2.2017): Country Policy and Information Note Nigeria: Female Genital Mutilation (FGM), https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595458/CPIN_-_NGA_-_FGM_-_v_1_0.pdf, Zugriff 23.6.2017
-
UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 22.6.2017
-
UKHO - United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1387367781_nigeria-ogn.pdf, Zugriff 4.7.2017
-
UNFPA (9.2.2016): Female Genital Mutilation must end within a generation, says Nigerian First Lady, http://wcaro.unfpa.org/news/female-genital-mutilation-must-end-within-generation-says-nigerian-first-lady, Zugriff 4.7.2017
-
USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Prac-tices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017
-
WACOL - Women Aid Collective (o.D.a): Contact Us, http://wacolnigeria.org/wacol/?page_id=58Zugriff 5.7.2017
-
WACOL - Women Aid Collective (o.D.b): About Us, http://wacolnigeria.org/wacol/Zugriff 5.7.2017
-
WOCON - Women's Consortium of Nigeria (o.D.a): Contact, http://www.womenconsortiumofnigeria.org/node/5, Zugriff 5.7.2017
-
WOCON - Women's Consortium of Nigeria (o.D.b): About us, http://www.womenconsortiumofnigeria.org/node/2,Zugriff 5.7.2017
-
WRAPA - Women's Rights Advancement and Protection Alternative (o.D.a): Contact Details, https://wrapanigeria.org/, Zugriff 5.7.2017
-
WRAPA - Women's Rights Advancement and Protection Alternative (o.D.b): https://wrapanigeria.org/whatiswrapa/, Zugriff 5.7.2017
1.4. Zum Menschenhandel:
Nigeria ist eine Drehscheibe des Menschenhandels; jährlich werden hunderte Mädchen und Frauen von dort nach Europa verbracht. Die meisten Opfer von Menschenhandel stammen aus Benin City, der Hauptstadt des Bundesstaats Edo. Die Rekrutierung Minderjähriger hat zugenommen. Viele werden auch von Frauen, den sogenannten "Madames" angeworben, welche teilweise auch vorgeben, Magie und Zauberei ("Juju") anzuwenden. Diese "Madames" sind häufig sowohl in Nigeria, wie auch im Zielland aufhältig und überwachen die Mädchen bzw. Frauen nach ihrer Ankunft.
Nur sehr wenige Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, kehren freiwillig nach Nigeria zurück. Dennoch kann nicht festgestellt werden, dass Frauen und Mädchen generell dem Risiko unterliegen, Opfer von Frauenhandel zu werden. Es kann ebenfalls nicht generell davon ausgegangen werden, dass ein Opfer von Frauenhandel, das nach Nigeria zurückkehrt, automatisch einer Verfolgung der Menschenhändler unterliegt, welche sie ursprünglich nach Europa verbracht hatten. Dies ist abhängig von der individuellen Situation. Insbesondere wenn eine enge Beziehung zwischen dem Opfer (bzw. seiner Familie) und den Ausbeutern besteht, ist die Gefahr groß, vor allem, wenn noch Schulden offen sind. Manche Frauen können im Fall der Rückkehr auch diskriminiert und sozial stigmatisiert werden, insbesondere, wenn sie nicht vermögend zurückkehren und ihre Familie in den Menschenhandel involviert war.
2005 gab es Berichte, dass nach Nigeria zurückkehrende Frauen teilweise einige Tage am Flughafen festgehalten worden waren und nur gegen Bezahlung freigelassen wurden. Aktuelle Berichte dazu liegen allerdings nicht vor.
Nigeria hat in den letzten Jahren Anstrengungen unternommen, um den internationalen Standards zur Bekämpfung von Frauenhandel zu entsprechen, die Mittel zum Opferschutz wurden allerdings gekürzt. Die Kapazitäten der Organisation National Agency for Prohibition of Traffic in Persons and other related matters (NAPTIP) sind allerdings eingeschränkt und ist die Organisation auch nicht immer darüber informiert, wenn Opfer von Menschenhandel nach Nigeria rückgeführt werden. Laut dem neuen Bericht von USDOS gibt es inzwischen 10 NAPTIP-Unterkünfte, welche 315 Personen Schutz bieten. Zumeist wird eine Unterkunft maximal für sechs Wochen gewährt.
Diese Feststellungen basieren auf den folgenden Quellen:
* US Department of State: Trafficking in Persons Report 2018 - Nigeria
* European Asylum Support Office (EASO) vom Oktober 2015 zu "Nigeria: Sexhandel mit Frauen"
2. Beweiswürdigung:
Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt. Ebenso in die Entscheidung einbezogen wurde der Akt betreffend den Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin vom 27.06.2007.
2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Da die Beschwerdeführerin den österreichischen Behörden identitätsbezeugende Dokumente vorlegen konnte, steht ihre Identität zweifelsfrei fest.
Dass die Beschwerdeführerin bereits im Jahr 2007 einen Asylantrag in Österreich gestellt hat, steht aufgrund der erkennungsdienstlichen Angaben (EURODAC - Treffer) fest. Die Beschwerdeführerin trat dabei unter Verwendung eines anderen Vornamens, jedoch mit gleichem Nachnamen und Geburtsdatum auf. Der diesbezügliche Akt wurde dem Gericht ebenfalls von der belangten Behörde vorgelegt.
Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen, ihrer Arbeitsfähigkeit, ihrer Herkunft sowie ihrer Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen Angaben der Beschwerdeführerin vor dem BFA (Protokolle vom 17.12.2014, vom 02.07.2015, vom 16.02.2017 und vom 13.11.2018 und in der mündlichen Verhandlung am 07.03.2019 vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Grundsätzlich glaubhaft ist, dass noch Geschwister und ein Sohn der Beschwerdeführerin in Nigeria leben, wobei nicht außer Acht zu lassen ist, dass die diesbezüglichen näheren Angaben der Beschwerdeführerin teilweise stark divergierend waren. So machte sie gravierend unterschiedliche Angaben etwa zum Alter ihres Sohnes. Während sie bei der Erstbefragung noch angab, nur einen Bruder zu haben, ansonsten keine Geschwister, und auch keine Angaben zu einem Sohn in Nigeria machte, gab sie in der Einvernahme am 16.02.2017 zum ersten Mal an, einen Sohn zu haben, der manchmal bei ihrem Bruder lebe.
Zum Alter ihres Sohnes befragt, gab sie in der Einvernahme im Jahr 2017 an, dieser sei zwischen 3-5 Jahren gewesen, als sie (2010) Nigeria verlassen habe und werde jetzt (im Jahr 2017) 14 Jahre alt. Bereits diese Angaben stimmen nicht überein. In der Einvernahme am 13.11.2018 gab die Beschwerdeführerin schließlich (zum ersten Mal) an, auch eine Schwester in Nigeria zu haben, bzw. dass ihr Sohn seit dem Tod ihrer Mutter im November 2016 bei dieser lebe. Als Geburtsdatum ihres Sohnes gab sie in dieser Einvernahme konkret den 04.07.1996 an, dieser sei 13 Jahre alt gewesen, als sie Nigeria verlassen habe. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung änderte die Beschwerdeführerin ihre Angaben zum Alter ihres Sohnes wieder ab, und gab (wieder) an, dieser sei 2007 geboren worden und drei Jahre alt gewesen, als sie das Land verlassen habe. Jetzt sei er 12 Jahre alt.
Im Akt aufliegend sind allerdings Bestätigungen über die Heiratsfähigkeit der Beschwerdeführerin, die von ihrem Bruder Philipp unterschrieben sind, bzw. gab auch der in der mündlichen Beschwerdeverhandlung einvernommene Lebensgefährte an, dass diese regelmäßig mit ihrer Schwester und ihrem Sohn, den er mit einem Alter von knapp 20 Jahren angab, Kontakt habe, weshalb die grundsätzliche Feststellung zu ihren Familienangehörigen in Nigeria getroffen werden konnte.
Aus einem von der Beschwerdeführerin vorgelegten "Ärztlichen Entlassungsbrief" des LKH H. vom 10.10.2018 geht hervor, dass aufgrund eines Rezidiv. Pap IIID Abstrichs eine Konisation durchgeführt wurde; abgesehen von empfohlenen Kontrollterminen beim Facharzt gehen daraus keine weiteren therapeutischen Maßnahmen hervor. Auch die Beschwerdeführerin selbst bestätigte, derzeit keine Medikamente einzunehmen.
Es ist nach eigenen Angaben der Beschwerdeführerin davon auszugehen, dass sie arbeitsfähig und arbeitswillig ist. Auch der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin gab an, dass sie den gemeinsamen Haushalt führe und ihn bei gesundheitlichen Problemen gut versorge.
Die Beschwerdeführerin gab zudem glaubhaft an, dass diese auch den alleinstehenden Bruder ihres Lebensgefährten bei der Hausarbeit unterstützt.
Dass für die Beschwerdeführerin realistische Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen, ergibt sich zum einen aus dem Antrag ihres potentiellen Arbeitgebers auf eine Beschäftigungsbewilligung für eine berufliche Tätigkeit als Reinigungskraft mit einem monatlichen Bruttolohn von € 1200, der mit Bescheid des AMS vom 10.01.2019 abgelehnt wurde.
Es ist auch davon auszugehen, dass der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin diese bei der Suche nach einer Arbeitsstelle unterstützen wird können, wie dies aus seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung hervorgeht.
Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und Lebensumstände der Beschwerdeführerin in Österreich beruhen ebenfalls auf deren Aussagen vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf den Aussagen ihres Lebensgefährten in der mündlichen Verhandlung. Dass sie am 19.01.2017 einen Deutschkurs (ÖSD Zertifikat A2) sehr gut bestanden hat, ergibt sich aus der vorgelegten Bestätigung. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung konnte sich die erkennende Richterin von den guten Deutschkenntnissen der Beschwerdeführerin überzeugen und gab auch der in der Verhandlung als Zeuge einvernommene Lebensgefährte der Beschwerdeführerin an, dass sie mit ihm und teilweise mit seiner Familie ausschließlich Deutsch spreche, auch steirischen Dialekt verstehe, und gut in seine Familie integriert sei.
Der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin gab zudem an, dass eine Eheschließung geplant sei, jedoch aufgrund administrativer Schwierigkeiten kompliziert und teuer sei.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einer Abfrage im Strafregister der Republik Österreich vom 07.01.2019.