Entscheidungsdatum
18.03.2019Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
W226 2215970-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. WINDHAGER im Verfahren über die durch mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.03.2019, Zl. 425057807-190201393, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geboren am XXXX , StA.
Kirgisistan:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
1. I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) gelangte unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte am 04.09.2007 unter Angabe einer falschen Identität, nämlich unter dem Namen XXXX und dem Geburtsdatum XXXX , einen Antrag auf internationalen Schutz.
Dieser Antrag wurde im Rechtsmittelverfahren mit Erkenntnis des damaligen Asylgerichtshofes vom 23.02.2012, Zahl D3 401527-1/2008/9E, rechtskräftig abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.
In diesem Verfahren beim Bundesasylamt und dem damals für Beschwerdeverfahren zuständigen Asylgerichtshof gab sich der BF wie dargestellt mit einer völlig anderen Identität aus, gelangte im Jahre 2007 als angeblich Minderjähriger in das Bundesgebiet und brachte vor, wegen des ungerechtfertigten Vorwurfs des Drogenhandels und wegen der Weigerung, ein Geständnis zu unterschreiben, geflohen zu sein. Der Asylgerichtshof beurteilte das Vorbringen des Antragstellers aus näher dargestellten Gründen als unglaubwürdig, insbesondere wurde auf Maßnahmen der Regierung des Herkunftsstaates zur Bekämpfung von Korruption hingewiesen und deshalb in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, dass selbst bei Zutreffen der Angaben weder Asyl noch subsidiärer Schutz zu erteilen sei.
Betreffend Ausweisung führte der Asylgerichtshof aus, dass gewisse Bemühungen des Beschwerdeführers, sich in Österreich zu integrieren, nicht zu übersehen seien, dennoch würden die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen.
Trotz dieser rechtskräftigen Ausreiseverpflichtung blieb der BF illegal im Bundesgebiet und stellte unter Verwendung seiner oben angeführten falschen Identität am 19.04.2012 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" nach den einschlägigen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, welcher mit Bescheid des Amtes der XXXX , XXXX , vom XXXX zurückgewiesen wurde.
In der Folge stellte der BF am 26.01.2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl abermals unter Verwendung seiner oben angeführten falschen Identität einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG.
Mit Schreiben vom XXXX wurde das Bundesamt von der Botschaft der Republik Kirgisistan darüber informiert, dass die vom BF in Österreich verwendeten personenbezogenen Daten nicht mit ihren Aufzeichnungen übereinstimmen. Damit konfrontiert, räumte der BF anlässlich seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 22.11.2017 schließlich ein, dass er in seinen bisherigen Verfahren über seine wahre Identität die österreichischen Behörden getäuscht habe und tatsächlich den Namen XXXX führe und tatsächlich am XXXX geboren sei.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.02.2018, Zahl 425057807-150094008, wurde der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gegen ihn gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FGP erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kirgisistan zulässig ist (Spruchpunkt III.) In Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids wurde ihm gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für seine freiwillige Ausreise gewährt.
In seiner Beweiswürdigung stellt das Bundesamt im Wesentlichen darauf ab, dass aus der Dauer eines illegalen Verbleibs im österreichischen Bundesgebiet kein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erwachsen könne und verweist dabei auf die Rechtsprechung des VwGH, wonach sich ein Drittstaatsangehöriger nur dann auf die in § 9 Abs. 4 BFA-VG genannten Verfestigungsbestimmungen berufen könne, wenn er sich "auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält" (VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0050), was im Falle des BF jedoch nicht der Fall sei, da dieser seit seiner rechtskräftigen negativen Entscheidung des Asylgerichtshofes über seinen Antrag auf internationalen Schutz vom 23.02.2012 sich jedenfalls nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Dagegen hat der BF rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht und darin im Wesentlichen ausgeführt, dass er strafrechtlich unbescholten sei und sich seit nunmehr mehr als 10 Jahren in Österreich aufhalte, vorbildlich integriert sei, über einen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich verfüge und auch sehr gutes Deutsch spreche.
Zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts fand am 16.01.2019 vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertreterin, nach mündlich erteilter Vollmacht, eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen Beschwerdegründen und seinen Lebensumständen in Österreich befragt wurde. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Kirgisistan, Stand 18.05.2018, in das Verfahren eingebracht und mit dem vertretenen Beschwerdeführer erörtert. Der BF legte in der mündlichen Verhandlung ein als "Beschäftigungszusage" tituliertes Schreiben eines im österreichischen Bundesgebiet ansässigen Landwirts vor.
Nach Schluss der Verhandlung verkündete der erkennende Richter den Spruch des Erkenntnisses samt den tragenden Entscheidungsgründen.
Nach allgemeinen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat und Wiedergabe der rechtlichen Grundlagen verwies das Bundesverwaltungsgericht in seiner abweisenden Entscheidung, mit welcher die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde, einerseits auf den langen Aufenthalt des BF im Bundesgebiet. Dem wurde gegenübergestellt, dass der BF die österreichischen Behörden seit der Antragstellung im Jahr 2007 zehn Jahre lang bewusst bezüglich seiner wahren Identität getäuscht habe. Der Beschwerdeführer habe auch seine falsche Identität durch die Vorlage einer für eine andere Person ausgestellten Geburtsurkunde zu untermauern versucht. Das BVwG verwies weiters darauf, dass der BF im Bundesgebiet über keine Familienangehörigen verfügt, ledig ist und keine Kinder hat. Den integrativen Aspekten und dem Vorhandensein eines Bekannten- und Freundeskreises wurde der Aufenthalt der Eltern und Geschwister in Kirgisistan gegenübergestellt. In Summe ging das BVwG in dieser Entscheidung somit davon aus, dass der Beschwerdeführer trotz rechtskräftiger Ausweisung aus dem Bundesgebiet illegal verblieben sei, dieser jahrelang die Behörden durch Verwendung einer falschen Identität getäuscht habe. Tiefergehende Freundschaften im Bundesgebiet wurden verneint, wenngleich der BF über soziale und berufliche Kontakte verfügt.
Am 07.03.2019 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft heraus den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Im Zuge der erfolgten Erstbefragung verwies der BF auf finanzielle Zuwendungen durch Freunde, außerdem arbeite er als Hilfsarbeiter.
Er halte die Gründe, die er im ersten Asylantrag angegeben habe, aufrecht, er befinde sich für den Fall der Rückkehr in Lebensgefahr. Er habe sehr viel Angst vor der Polizei, die Polizei würde ihn suchen, nämlich bis jetzt. Dort seien alle korrupt. Er habe auch Angst um das Leben der Eltern und wolle diese nicht in Gefahr bringen.
Der BF verwies darauf, dass seine Schwester eine Anwältin kontaktiert habe, diese Anwältin habe ein Schreiben für den BF erfasst.
Im Zuge der Einvernahme vom 11.03.2019 verwies der BF darauf, dass er seit 2018 wieder Kontakt zu seiner Familie habe. Er arbeite bei einem Bauern, der einen großen Weinanbau betreibe. Dort habe er geholfen, dort würden ihn auch alle kennen. Die alten Gründe aus dem ersten Asylverfahren seien aufrecht, es komme aber noch etwas hinzu:
Der Beschwerdeführer schilderte nunmehr, dass in Wirklichkeit er vor der Ausreise bei der Polizei gemeldet habe, dass ein Bekannter mit Drogen zu tun habe. Er habe also vor der Polizei als Zeuge ausgesagt, werde jetzt von diesen Personen bedroht. Er habe nicht nur um sein eigenes Leben Angst, sondern auch um das Leben der Eltern. Er sei also von diesen Leuten bedroht worden, die er bei der Polizei gemeldet habe, er habe dann erfahren, dass alle Polizisten in Kirgisistan korrupt sind. Aus diesem Grund habe er einen falschen Namen und falsche Dokumente angenommen und sei mit diesen ausgereist. Im anwaltlichen Schreiben würde stehen, dass diese Leute, vor denen er geflohen sei, bei seiner Rückkehr bereits am Flughafen zu telefonieren anfangen würden. Würden diese Leute ihn finden, dann würde er umgebracht werden. Laut vorgelegten Schreiben einer angeblichen Anwältin habe sich der BF - vor der Ausreise - einer Jugendorganisation angeschlossen, welche gegen Drogen eingestellt gewesen sei und habe mit der Polizei zusammengearbeitet.
Auf Vorhalt, dass er doch im ersten Asylverfahren angegeben habe, dass er von der Polizei verhaftet worden sei, weil der Beschwerdeführer angeblich mit Drogen gehandelt habe, gab der Beschwerdeführer an, dass das alles falsch gewesen sei. Er habe das nie gemacht, jetzt habe er aber um das eigene Leben und auch um das Leben der Eltern und der Schwester Angst. Er habe das im ersten Verfahren nicht gesagt, weil er damals Angst um sein Leben gehabt habe. Auf die Frage, warum er bereits 2017 angegeben habe, seit 2013 mit den Eltern in Kontakt zu stehen und auf Vorhalt, warum er das angeblich neue Wissen erst im Jahr 2019 angebe, vermeinte der Beschwerdeführer, dass er "seit dem Jahr 2007 nicht mehr richtig schlafen könne". Er habe deshalb zehn Jahre über seine wahre Identität getäuscht, weil die Leute der Person, die ihn verfolgen würde, sehr gefährlich seien, genauso wie der russische Geheimdienst. Er würde noch weitere Bestätigungen erwarten, dass auch sein Vater von den Leuten inzwischen geschlagen worden sei. Das habe er vom Anwalt erfahren.
Im Anschluss an diese Einvernahme hob das BFA den faktischen Abschiebeschutz des Betroffenen gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 mit mündlich verkündetem Bescheid vom 11.03.2019 auf. Dies wurde im Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vom 11.03.2019 dokumentiert.
Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens nicht geändert habe. Der Betroffene habe ergänzende Fluchtgründe vorgebracht, die sich auf sein Vorbringen im Erstverfahren beziehen würden, es sei kein glaubhafter Kern erkennbar, es könnte sich beim Schreiben der Anwältin um ein Gefälligkeitsschreiben handeln. Der darin beschriebene Fluchtgrund sei zudem erstmals vorgebracht worden.
Die belangte Behörde verwies darauf, dass das diesbezügliche Vorbringen in den Vorverfahren als unglaubwürdig beurteilt worden sei, der BF habe die Asylinstanzen viele Jahre über seine Identität getäuscht.
Am 14.03.2019 langte der Verwaltungsakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG ein, worüber das BFA noch am selben Tag verständigt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Betroffene ist Staatsbürger von Kirgisistan. Der Verfahrensgang wurde bereits umfangreich dargestellt.
Der Betroffene stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet erstmals am 04.09.2007 als angeblichen Minderjähriger einen Antrag auf internationalen Schutz. Er begründete diesen wie dargestellt mit Bedrohungen durch die Polizei wegen der Weigerung, ein unrichtiges Geständnis wegen Drogenhandels zu unterschreiben.
Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 23.02.2012 rechtskräftig abgewiesen. Mit Erkenntnis des BVwG vom 16.01.2019 wurde zudem eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen.
Am 07.03.2019 stellte der Betroffene einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). Diesen begründete er wie dargestellt damit, dass er eigentlich seit 2007 von den Personen verfolgt werde, die er bei der Polizei angezeigt habe.
Der Betroffene hat in Österreich keine Familienangehörigen oder eine familienähnliche Lebensgemeinschaft. Der Betroffenen ist nicht dauerhaft erwerbstätig. Er ist strafrechtlich unbescholten.
Der Betroffene leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, die einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen würde.
Die Lage im Herkunftsstaat des Betroffenen stellt sich gegenüber den im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen im Wesentlichen unverändert dar.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den Betroffenen sowie durch Einsicht in die hg. Gerichtsakte betreffend die genannten Vorverfahren.
Die Feststellungen zur Person des Betroffenen gründen auf den Angaben des Betroffenen in den Verfahren über seinen ersten und zweiten Antrag auf internationalen Schutz.
Die Feststellungen zum ersten Antrag auf internationalen Schutz, zu dessen Erledigung sowie zum damaligen Vorbringen des Betroffenen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes des BFA und dem Gerichtsakt des AsylGH.
Die Rechtskraft des Erkenntnisses des BVwG vom 16.01.2019, GZ W233 1401527-3/8E, mit welchem die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 28.03.2018 (Rückkehrentscheidung) als unbegründet abgewiesen wurde, ist unbestritten.
Die Feststellungen zum zweiten Antrag auf internationalen Schutz und dem hierzu erstatteten Vorbringen des Betroffenen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensakts des BFA und der Entscheidung des BVwG vom 16.01.2019 (schriftliche Ausfertigung am 04.02.2019).
Dass es sich bei den im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten Behauptungen und vorgebrachten Rückkehrbefürchtungen des Betroffenen nicht um einen Sachverhalt handelt, der erst nach Beendigung des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz verwirklicht wurde, ergibt sich aus den eigenen Angaben des Betroffenen im Verfahren. Dieser gab vor dem BFA zudem selbst an, dass seine Fluchtgründe aus dem Erstverfahren noch aufrecht seien. Zusammengefasst ergibt sich beim Betroffenen im neuerlichen Asylverfahren das Bild, dass dieser schlicht nicht gewillt ist, Österreich zu verlassen und nach Kirgisistan zurückzukehren. Zum Ergebnis schildert der Beschwerdeführer, dass er bisher eine Bedrohung durch die Polizei wegen Drogenhandels geschildert habe, er nicht gesagt habe, dass er in Wirklichkeit von Drogenhändlern (die er angezeigt habe) verfolgt werde.
Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Betroffenen in Österreich gründen ebenfalls auf dessen Angaben in Zusammenschau mit der eigeholten Abfrage aus der Speicherdatenbank des Grundversorgungssystems GVS. Der Betroffene gab bereits im Erstverfahren zu Protokoll, keine Familienangehörigen in Österreich zu haben. Dass sich daran seit Abschluss des Erstverfahrens etwas geändert hätte, wurde weder behauptet noch gibt es hierfür Anhaltspunkte. Hinweise auf das Bestehen eines Familienlebens sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen. Zum Vergleich zu der vorangehenden Entscheidung des BVwG vom 16.01.2019 betreffend die Rückkehrentscheidung haben sich keinerlei Änderungen ergeben.
Die Feststellung zum aktuellen Gesundheitszustand des Betroffenen gründet auf dessen eigenen Angaben in seiner Einvernahme vor dem BFA. Dieser gab hier zu Protokoll, weder in ärztlicher Behandlung zu stehen noch Medikamente zu nehmen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung des Betroffenen, die einer Rückführung nach Kirgisistan entgegenstehen könnte, sind weder im ersten noch im zweiten Asylverfahren hervorgekommen.
Dass die allgemeine Situation in Kirgisistan seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens im Wesentlichen unverändert geblieben ist und sich die maßgebliche Lage im Herkunftsstaat für den Betroffenen nicht geändert hat, ergibt sich aus den in den Bescheiden des BFA sowie den im Erkenntnis des BVwG vom 16.01.2019 enthaltenen Feststellungen zu Kirgisistan. Das Erkenntnis des BVwG, mit welchem die Rechtmäßigkeit der Rückkehrentscheidung bestätigt wurde, datiert mit 16.01.2019.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und zum anwendbaren Recht:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10.10.2018 zu G 186/2018 ua. wurden verwaltungsgerichtliche Normanfechtungsanträge zur Überprüfung von ua. § 22 Abs. 10 dritter, vierter und fünfter Satz AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 68/2013, sowie gegen § 22 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013 abgewiesen, im Übrigen wurden die Anträge zurückgewiesen.
3.2. Zu Spruchpunkt A): Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:
3.2.1. Maßgebliche Rechtsgrundlagen:
§ 12a AsylG 2005 lautet auszugsweise:
"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen
§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und
3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und
4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
...
(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und Ausweisungen gemäß § 66 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt werden."
§ 22 Abs. 10 AsylG 2005 lautet:
"Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."
§ 22 BFA-VG lautet:
"§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."
3.2.2. Daraus folgt für das gegenständliche Verfahren:
Das Verfahren über den ersten Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamts und Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde durch den Asylgerichtshof rechtskräftig abgeschlossen. Beim Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz vom 07.03.2019 handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.
Die Rückkehrentscheidung des BFA wurde somit ebenfalls am 16.01.2019 bzw. mit Zustellung der schriftlichen Ausfertigung rechtskräftig. Laut seinen eigenen Angaben vor dem BFA war der Betroffene seit seinem ersten Asylverfahren durchgehend in Österreich aufhältig und hat daher seit der rechtskräftigen Erlassung der Rückkehrentscheidung das Bundesgebiet nicht verlassen. Die Zulässigkeit der Abschiebung ist weiterhin aufrecht.
Eine Prognoseentscheidung ergibt, dass der zweite Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz vom 07.03.2019 voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist: Eine entscheidungswesentliche Sachverhaltsänderung wurde weder behauptet noch ergibt sich eine solche aus der Aktenlage.
Wie dargestellt schildert der BF selbst, seit 2007 zu wissen, dass er eigentlich nicht von der Polizei, sondern von den angezeigten Drogenhändlern bedroht sei. Er habe dies "aus Angst" bisher falsch dargestellt. Ein neuer Sachverhalt, der im ersten Verfahrensgang nicht beschreibbar gewesen wäre, liegt daher nicht vor. Angesichts der wahrheitswidrigen Angaben, der falschen Angaben zur Identität etc. ist das Gesamtvorbringen des BF zudem höchst unglaubwürdig.
Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN). Auch diesbezüglich wurden keine entscheidungswesentlichen Sachverhaltsänderungen vorgebracht.
Im vorliegenden Fall gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung des Betroffenen nach Kirgisistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK darstellen würde. Eine Gefährdung iSd Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK wurde vom Betroffenen zu keiner Zeit vorgebracht. Bereits im ersten Verfahrensgang wurde festgehalten, dass der Betroffene bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht (§ 50 FPG). Auch im Folgeverfahren sind keine Risiken für den Betroffenen im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden.
Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063). Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände ist vor dem Hintergrund der Feststellungen jedenfalls zu verneinen.
Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte zu verweisen, wonach es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61.204/09 mwH).
Es sind auch keine erheblichen in der Person des Betroffenen liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Der Betroffene gab in diesem Zusammenhang selbst an, gesund zu sein.
Ebenso wenig sind Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Betroffenen ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK erschlossenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Der Betroffene hat auch solche Umstände weder in der Erstbefragung noch in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl substantiiert vorgebracht.
Im Hinblick auf Art. 8 EMRK hat der Betroffene bereits im Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung angegeben, in Österreich keine Familie oder familienähnliche Lebensgemeinschaft zu haben. Gegenteiliges wurde auch im gegenständlichen Verfahren nicht behauptet. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung kann unverändert nicht angenommen werden. Es kann daher auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden.
Entsprechend den obigen Ausführungen stellt - nach einer Grobprüfung des Aktes - die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Betroffenen in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.
Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass die mit mündlich verkündetem Bescheid vom 11.03.2019 ausgesprochene Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig war.
Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W226.2215970.1.00Zuletzt aktualisiert am
30.04.2019