TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/18 W164 2195188-1

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Veröffentlicht am 18.03.2019
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Entscheidungsdatum

18.03.2019

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W164 2195188-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch RA Dr. Wolfgang Langeder, Wien, gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse vom 05.07.2017, nach Beschwerdevorentscheidung vom 27.12.2017, Zl. 11-2016-BE-VER10-000MP, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Schreiben vom 19.09.2016 teilte die Wiener Gebietskrankenkasse (im Folgenden: WGKK) dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) mit, dass auf dem Beitragskonto der XXXX GmbH (im folgenden X GmbH) aus den Beiträgen für Dezember 2013 bis Juni 2014 ein Rückstand in der Höhe von insgesamt Euro 9.744,20 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen bestehe. Der BF sei als ehemaliger Geschäftsführer der Vertreter der X GmbH gewesen. Die Beiträge seien trotz Fälligkeit nicht bezahlt worden. Der BF habe den Rückstand zu begleichen oder innerhalb der Frist bis 25.10.2016 alle Tatsachen vorzubringen, die seiner Ansicht nach gegen seine Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG sprechen würden. Diesem Schreiben wurde ein Rückstandsausweis angeschlossen, der monatliche Beitragsnachforderungen der WGKK gegen die X GmbH, Beitragskontonummer 24306413, für den Zeitraum 12/2013 bis 06/2014, weiters Verzugszinsen und Nebengebühren auswies.

Der BF beantwortete dieses Schreiben durch seinen anwaltlichen Rechtsvertreter mit 18.10.2016 wie folgt:

Er sei nur von 07.03.2014 bis 22.07.2014 Geschäftsführer der genannten GmbH gewesen. Beim Kauf der Anteile dieser GmbH sei er von seinen Vormann, der zuvor Geschäftsführer und Alleingesellschafter gewesen sei, mit falschen Behauptungen über die relevanten Vermögensverhältnisse des Unternehmens irregeführt worden. Erstens sei die Anzahl der tatsächlich beschäftigten Dienstnehmer um vier zu gering dargestellt worden. Zweitens sei jeweils ein Guthaben bei der WGKK und beim Finanzamt behauptet worden. Drittens habe sich die Buchhaltung im Nachhinein als unrichtig dargestellt und viertens seien wesentliche Verbindlichkeiten verschwiegen worden. Sobald sich der BF darüber klar geworden sei, habe er seinen Vormann aus dem Titel der Gewährleistung und Irrtumsanfechtung aufgefordert, den Anteilskauf rückabzuwickeln. Dieser sei dazu nicht bereit gewesen. Man habe sich auf die Kompromisslösung geeinigt, dass das Unternehmen zwar auf eigene Kosten jedoch im Namen einer weiteren näher genannten Person rückgekauft werde. Diese dritte Person sei bis zur Löschung des Unternehmens alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer gewesen. Der BF sei über das wahre Ausmaß der Verbindlichkeiten und über die Anzahl der Dienstnehmer nicht informiert gewesen. Er habe anschließend sofort die Rückabwicklung in Angriff genommen. Liquide Mittel zur Bedienung der Rückstände aus dem Gesellschaftsvermögen oder aus Einnahmen seien dem BF niemals zur Verfügung gestanden.

Mit Schreiben vom 12.12.2016 wies die Wiener Gebietskrankenkasse darauf hin, dass der BF von 07.03.2014 bis 8.8.2014 im Firmenbuch als selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer eingetragen gewesen sei. Für diesen Zeitraum sei er für die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge verantwortlich. Der BF wurde aufgefordert, die Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit sämtlichen anderen Verbindlichkeiten mittels geeigneter Unterlagen nachzuweisen. Der BF sei verpflichtet, eine Aufstellung vorzulegen, aus der sowohl sämtliche Verbindlichkeiten als auch sämtliche Zahlungen der X GmbH (mit Ausnahme jener der WGKK) für die Fälligkeitszeiträume der Beiträge 3/14 bis 6/14 hervorgehen. Der BF werde darauf hingewiesen, dass in dieser Aufstellung Zug-um-Zug-Geschäfte sowohl bei den Verbindlichkeiten als auch bei den Zahlungen zu berücksichtigen seien. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es Sache des Vertreters der Beitragsschuldnerin, die Gründe darzutun, aus denen ihm die Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten unmöglich war. Widrigenfalls sei die Behörde zur Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen sei.

Mit Schreiben vom 29.12.2016 brachte der BF durch seinen Rechtsvertreter vor, er habe seit 22.7.2014 keinen Zugriff mehr auf die Buchhaltung der X GmbH. Sämtliche Belege Kontoauszüge seien an diesem Tag an den neuen Alleingesellschafter und Geschäftsführer ausgefolgt worden. Eine Überprüfung der Gläubigergleichbehandlung sei nicht mehr möglich. Der BF verwies auf seine Vorbringen vom 18.10.2016 und legte folgende Beweisstücke vor: Eine E-Mail des vom BF beauftragten Steuerberaters vom 05.05.2014, mit der dieser mitteilt, dass die Anmeldung einiger dem BF nicht bekannter Dienstnehmer der X GmbH überprüft worden sei und der Steuerberater zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Anmeldungen noch vom vormaligen Firmeninhaber und Geschäftsführer vorgenommen, dem BF aber beim Kauf verschwiegen wurden. Der BF legte eine E-Mail vom 29.4.2014 vor, mit der der genannte Steuerberater dem BF mitteilte, dass eine Verifizierung des angeblichen Guthabens beim Finanzamt und der WGKK zum Ergebnis geführt habe, dass anders als dem BF beim Kauf der Anteile zugesagt wurde, dort kein Guthaben sondern stattdessen ein Rückstand bestehe.

Mit Schreiben vom 16.5.2017 wies die WGKK erneut darauf hin, dass der BF im Firmenbuch als selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer eingetragen und damit für die Entrichtung der Beiträge verantwortlich gewesen sei. Es bestehe Haftung für die zum Rückstandsausweis 15.02.2017 offenen Beiträge 3/14 bis 6/14. Soweit der BF einwende, dass er beim Kauf irregeführt worden sei, sei darauf hinzuweisen, dass der BF bei Übernahme seiner Geschäftsführerfunktion sich über die finanzielle Situation des Unternehmens hätte informieren müssen. Als Geschäftsführer hätte er die Möglichkeit gehabt, falsche Anmeldungen bei der WGKK überprüfen zu lassen. Der BF wurde erneut aufgefordert, die Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit sämtlichen anderen Verbindlichkeiten nachzuweisen und eine Aufstellung vorzulegen, aus der sowohl sämtliche Verbindlichkeiten als auch sämtliche Zahlungen für die Fälligkeitszeiträume der Beiträge 3/14 bis 6/14 hervorgehen.

Mit Bescheid vom 05.07.2017 sprach die WGKK aus, dass der BF als Geschäftsführer der X GmbH der WGKK gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG die von dieser Firma zu entrichten gewesenen Beiträge samt Nebengebühren aus den Vorschreibungen für die Zeiträume März 2014 bis Juni 2014 in Höhe von EUR 5.729,39 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe schulde, das sind ab 05.07.2017 3,38 % p.a. aus EUR 4.518,89.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde, beantragte die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides und führte erneut wie oben aus, dass er beim Kauf der Anteile, ohne den er die Geschäftsführerschaft nicht übernommen hätte, durch den vormaligen Geschäftsführer und Verkäufer der Gesellschaftsanteile arglistig irregeführt worden sei. Der BF habe den Abtretungsvertrag angefochten, sei dann aber auf den Kompromissvorschlag seines Vorgängers eingegangen und habe seine Anteile an einen Dritten abgetreten. Der BF habe keine Möglichkeit gehabt, vor dem Anteilskauf sichere Auskünfte über sämtliche Vermögensverhältnisse der GmbH zu erhalten. Es liege daher keine schuldhafte Pflichtverletzung des BF vor. Dieser habe nicht einmal die Möglichkeit gehabt, sich um die Rückführung der Verbindlichkeiten oder die Gläubigergleichbehandlung zu bemühen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 27.12.2017 wies die WGKK die Beschwerde des BF ab. Begründend wurde ausgeführt, dass der BF vom 07.03.2014 bis 08.08.2014 als selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der GmbH im Firmenbuch eingetragen gewesen sei. Da die GmbH seit 27.08.2015 gelöscht sei, stehe die Uneinbringlichkeit der offenen Beiträge fest. Da der BF trotz Aufforderung durch die WGKK keine Nachweise zur Gläubigergleichbehandlung vorgelegt habe, sei von einer schuldhaften Pflichtverletzung durch den BF auszugehen.

Mit Schreiben vom 06.04.2016 beantragte der BF die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Im Zuge des Beschwerdeverfahrens erhielt der anwaltlich vertretene BF erneut Gelegenheit, zur herrschenden einschlägigen Judikatur (VwGH 2017/08/0070, VwGH 2012/08/0227) Stellung zu nehmen. Der BF machte von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF war im verfahrensgegenständlichen Beobachtungszeitraum handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Er vertrat diese ab 07.03.2014 selbstständig. Die Primärschuldnerin wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 27.08.2015, gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit amtswegig gelöscht.

Die unberichtigten Beitragsforderungen der WGKK gegen die Primärschuldnerin für den Beobachtungszeitraum März 2014 bis Juni 2014 betragen EUR 5.729,39 plus Verzugszinsen ab 05.07.2017 iHv 3,38% p.a. aus EUR 4.518,89.

Der sachkundig vertretene BF hat weder eine im Beobachtungszeitraum erfolgte Einstellung sämtlicher Zahlungen noch die Gläubigergleichbehandlung wie eingangs (Pkt 1. Verfahrensgang) dargelegt für den genannten Beobachtungszeitraum konkret nachgewiesen.

2. Beweiswürdigung:

Der vorliegende Sachverhalt ergibt sich unbestritten aus dem Verfahrensakt, insbesondere aus dem einliegenden Firmenbuchauszug sowie dem Rückstandsausweis vom 05.07.2017.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. Die vorliegende Angelegenheit ist nicht von dieser Bestimmung erfasst. Gegenständlich liegt somit EinzelrichterInnenzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

Im vorliegenden Fall liegt Uneinbringlichkeit vor, da die X GmbH am 27.08.2015 infolge Vermögenslosigkeit aus dem Firmenbuch gelöscht wurde. Der BF war im verfahrensgegenständlichen Beobachtungszeitraum handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Er gehört zum Kreis der nach § 67 Abs 10 ASVG haftenden Personen.

Die vorliegende Frage der Haftung ist zeitraumbezogen nach der im Beobachtungszeitraum geltenden Rechtslage zu beurteilen. Der angefochtene Bescheid bezieht sich auf Vorschreibungen für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2014. § 58 Abs. 5 ASVG in der Fassung BGBl. I 262/2010 stand daher im hier zu Grunde zu liegenden Beobachtungszeitraum bereits in Geltung und ist daher auf den vorliegenden Fall anzuwenden.

Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG haben die VertreterInnen juristischer Personen, die gesetzlichen VertreterInnen natürlicher Personen und die VermögensverwalterInnen (§ 80 BAO) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Dieser Verpflichtung zur Entrichtung der Beiträge ist der BF als Geschäftsführer der X GmbH im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht nachgekommen, sodass es zu dem oben festgestellten Rückstand der Sozialversicherungsbeiträge gekommen ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehende gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen schuldhaft (leichte Fahrlässigkeit genügt) verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung kann darin bestehen, dass er die Beitragsschulden (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt als sonstige Verbindlichkeiten, indem er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt, bzw. im Fall des Fehlens ausreichender Mittel nicht für eine zumindest anteilsmäßige Befriedigung Sorge trägt. (vgl. VwGH 2017/08/0070 vom 12.10.2017).

Zur Ermittlung des Haftungsumfangs ist in einem ersten Schritt der Beurteilungszeitraum zu ermitteln, der mit der Fälligkeit der ältesten am Ende jenes Zeitraums noch offenen Beitragsverbindlichkeit beginnt und der mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (sofern keine Hinweise auf eine frühere allgemeine Zahlungseinstellung oder Beendigung der Vertreterstellung gegeben sind) endet. In einem zweiten Schritt sind einerseits das Verhältnis aller im Beurteilungszeitraum erfolgten Zahlungen zu allen fälligen Verbindlichkeiten einschließlich der Beitragsschulden (allgemeine Zahlungsquote) sowie andererseits das Verhältnis der im selben Zeitraum erfolgten Zahlungen auf die Beitragsverbindlichkeiten zu den insgesamt fälligen Beitragsschulden (Beitragszahlungsquote) zu ermitteln. Das Produkt aus der Differenz der beiden Quoten und den insgesamt fälligen Beitragsschulden ergibt letztlich den Haftungsbetrag. (vgl. VwGH 2017/08/0070 vom 12.10.2017).

Die Haftung erstreckt sich im Fall der Ungleichbehandlung auf jenen Betrag um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger der Sozialversicherungsträger mehr erlangt hätte, als er (infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des nun Haftenden tatsächlich bekommen hat (vgl. Derntl in Sonntag, ASVG, 9. Auflage, § 67 Rz 99a mit Verweis auf VwGH 2003/14/0040).

Es ist Sache des als Verantwortlicher herangezogenen Vertreters der juristischen Person, jene Gründe darzulegen und entsprechende Beweisanbote zu erstatten, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls seine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. (vgl. VwGH 12.01.2016, Ra 2014/08/0028).

Dabei hat der zur Haftung herangezogene nicht nur allgemein darzutun, dass er dem Benachteiligungsverbot Rechnung getragen habe. Vielmehr hat dieser die im Beurteilungszeitraum fälligen unberichtigten Beitragsschulden und die fälligen offenen Gesamtverbindlichkeiten sowie die darauf jeweils geleisteten Zahlungen darzulegen. Den zur Haftung herangezogenen trifft insoweit eine erweiterte Mitwirkungspflicht (vgl. VwGH 2015/08/0038 vom 11.04.2018).

Der Umstand, auf Grund von rechtlichen oder faktischen Einschränkungen daran gehindert gewesen zu sein, der Gleichbehandlungspflicht nachzukommen, kann den Geschäftsführer nicht von vornherein exkulpieren. Dieser wäre im Falle der Behinderung seiner Vertretungsfunktion vielmehr verpflichtet gewesen, sofort entweder im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden. Bleibt der Geschäftsführer aber weiterhin tätig, obwohl er sich in seiner Pflichterfüllung behindert sieht, verletzt er (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Entrichtung der die Gesellschaft treffenden Beiträge. Der Geschäftsführer hat es in der Hand, im Rechtsweg die Ausübung seiner Rechte zu erzwingen oder die Geschäftsführungsbefugnis zurückzulegen. Er muss es sich als Verschulden anrechnen lassen, wenn er sich an der Erfüllung der Aufgaben behindern ließ (vgl. VwGH 2012/08/0227 vom 29.01.2014).

Der Haftende kann sich seiner diesbezüglichen Verpflichtung auch nicht durch den Hinweis entziehen, dass ihm wegen des Fehlens von Buchhaltungsunterlagen das Beibringen einer entsprechenden Liquiditätsaufstellung nicht möglich gewesen sei bzw. dass sich die Buchhaltungsunterlagen bei der Masseverwalterin bzw. beim Steuerberater befänden: Es ist nicht Aufgabe der Behörde bzw. des Verwaltungsgerichts, die dem Revisionswerber obliegende Darstellung der im Beurteilungszeitraum zu berücksichtigenden Einnahmen und Ausgaben selbst - allenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen aus den Buchhaltungsunterlagen - anzufertigen (Vgl. VwGH 2017/08/0070 12.10.2017).

Wie ein Vertreter, dem gemessen an der Gesamtsumme aller Forderungen nur unzureichende Mittel zur Verfügung stehen, seiner Gleichbehandlungspflicht gegenüber dem Sozialversicherungsträger konkret nachzukommen hat, ist nach der Zahlungstheorie zu beurteilen. Demnach ist der Vertreter nur dann exkulpiert, wenn er nachweist, im Beurteilungszeitraum entweder über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung die Versicherungsbeiträge ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger nicht oder nur zum Teil entrichtet zu haben, die Beiträge also nicht in Benachteiligung der Sozialversicherung in einem geringeren Ausmaß entrichtet zu haben als die Forderungen der anderen Gläubiger (vgl. VwGH 2017/08/0070 vom 12.10.2017).

Im vorliegenden Fall war die Gläubigergleichbehandlung durch den BF iSd obigen Judikatur im Beobachtungszeitraum März 2014 bis Juni 2014 zu prüfen. Der BF hatte Gelegenheit, bezogen auf den strittigen Zeitraum darzulegen und entsprechend unter Beweis zu stellen, welche Verbindlichkeiten der GmbH aushafteten, welche Mittel ihr an sich zur Verfügung standen und welche Zahlungen für sie jeweils geleistet wurden. (vgl. VwGH 21.05.1996, 93/08/0221). Der sachkundig vertretene BF ist seiner diesbezüglichen Nachweispflicht aber nicht nachgekommen. Es ist daher von einer schuldhaften Pflichtverletzung iSd § 67 Abs 10 ASVG auszugehen.

Die Behörde hat den BF bereits mit Schreiben vom 19.09.2016 dazu aufgefordert, sämtliche Tatsachen vorzubringen, die seiner Ansicht nach gegen eine Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG sprechen. Danach erfolgten am 12.12.2016 und am 16.05.2017 noch zwei weitere diesbezügliche Aufforderungsschreiben an den BF, der seit Beginn des Verfahrens durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Die WGKK forderte den BF auch explizit auf, eine Aufstellung vorzulegen, aus der sowohl sämtliche Verbindlichkeiten als auch sämtliche Zahlungen der GmbH (mit Ausnahme jener der WGKK) für die Fälligkeitszeiträume der Beiträge 03/2014 bis einschließlich 06/2014 hervorgehen. Der BF übermittelte jedoch keine entsprechende Aufstellung, sondern berief sich lediglich auf die Irreführung beim Erwerb seiner Gesellschaftsanteile, im Zuge derer er auch die Geschäftsführung übernommen hatte. Über entsprechende Unterlagen zur Buchhaltung der GmbH verfüge er nicht. Diese Einwände des BF vermögen das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung nicht zu widerlegen: Der Beschwerdeführer hätte seine Geschäftsführerbefugnis zurücklegen können. Dabei handelt es sich um eine einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung, die nach herrschender Judikatur gegenüber demjenigen Organ der Gesellschaft, das für die Bestellung zuständig ist, und daher gegenüber allen Gesellschaftern oder in einer ordnungsgemäß einberufenen Generalversammlung gegenüber den in ihr anwesenden Gesellschaftern, abzugeben ist (vgl. VwGH 30.09.1997, 97/08/0108; OHG 03.05.1983, 5 Ob 304/83, RS0059804).

Der BF ist seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen und dies trotz bestehender Vertretung durch einen Rechtsanwalt und mehrmaliger Aufforderung durch die WGKK unter Anführung der konkreten Anforderungen an den zu erbringenden Nachweis.

Soweit der BF in seiner Beschwerde vorbringt, er hätte im Beobachtungszeitraum keinerlei liquide Mittel zur Verfügung gehabt, so wäre dieser Umstand bei entsprechendem Nachweis geeignet, den Beobachtungszeitraum zu verkürzen. Allerdings trifft den Vertreter auch in diesem Fall die Pflicht zum Nachweis, dass die Gesellschaft alle Zahlungen eingestellt hat und es daher nicht zu einer Gläubigerungleichbehandlung gekommen ist. Der BF hat die ihm gewährte Gelegenheit, seine diesbezügliche Behauptung zu konkretisieren und entsprechend nachzuweisen, aber nicht wahrgenommen. Er hat den zu fordernden Nachweis nicht erbracht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis 2014/08/0028 vom 12.01.2016 ausgesprochen hat, entspricht die Aufschlüsselung des Haftungsbetrages nach dem rückständigen Betrag, der Art des Rückstandes samt Nebengebühren, der Zeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren den Vorgaben des § 64 Abs 2 ASVG. Der Rückstandsausweis ist eine öffentliche Urkunde und begründet nach § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Beitragsschuld. Durch Zugrundelegung des Rückstandsausweises bringt die Behörde zum Ausdruck, auf welchen Sachverhalt sie die Vorschreibung gründet, welche ziffernmäßige Höhe der Haftungsbetrag aufweist und wie sich die Forderung konkret zusammensetzt.

Zusammenfassend ist von einer schuldhaften Verletzung der den BF als Geschäftsführer der eingangs genannten Primärschuldnerin treffenden Pflicht zur rechtzeitigen Entrichtung der fälligen Beiträge auszugehen, die für die nunmehrige Uneinbringlichkeit dieser Forderungen kausal war. Die angefochtene Entscheidung der WGKK erfolgte zu Recht. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom BF nicht beantragt. Es konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da sich im gegenständlichen Fall klar aus der Aktenlage ergab, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der Sachverhalt stellte sich aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als hinreichend geklärt dar und war im vorliegenden Fall unstrittig. Es wurden keine Rechts- oder Tatfragen aufgeworfen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. ua VfGH 18.06.2012, B 155/12, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist). Dem Entfall der Verhandlung stehen weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (s. die oben angeführte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Geschäftsführer, Gleichbehandlung, Haftung, Nachweismangel,
Uneinbringlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W164.2195188.1.00

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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