TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/23 L516 2201300-1

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Veröffentlicht am 23.07.2018
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Entscheidungsdatum

23.07.2018

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §8
AVG §59 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

L516 2201306-1/2E

L516 2201300-1/2E

L516 2201297-1/2E

L516 2201298-1/2E

L516 2201299-1/2E

L516 2201304-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX, alle StA Pakistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.05.2018, Zahlen XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt IV der angefochtenen Bescheide stattgegeben und diese gemäß § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG ersatzlos behoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind die Eltern der minderjährigen Dritt- bis Sechstbeschwerdeführenden. Alle Beschwerdeführenden sind Staatsangehörige von Pakistan.

1.1. Die Erst- bis Viertbeschwerdeführenden stellten am 20.09.2015 Anträge auf internationalen Schutz. Für die beiden in Österreich geborenen Fünft- und Sechstbeschwerdeführenden wurden Anträge auf internationalen Schutz am 25.01.2016 bzw 13.07.2017 gestellt.

1.2. Der Erstbeschwerdeführer wurde am 21.09.2015 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie am 14.11.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

2. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenen Bescheiden die Anträge hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG (Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides) sowie des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG (Spruchpunkt II) ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ eine Rückkehrentscheidung gem § 52 Abs 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III).

3. Mit jeweils Spruchpunkt IV der angefochtenen Bescheide sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidungen gemäß § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.

4. Die Beschwerdeführer haben gegen diese Bescheide des BFA fristgerecht mit gemeinschaftlichen Schriftsatz Beschwerde erhoben.

5. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakten des BFA langte der Aktenlage nach am 20.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen

1.1. Der Erstbeschwerdeführer führte bei Erstbefragung zur Begründung seiner Antragstellung aus (Verwaltungsverfahrensakt es Erstbeschwerdeführers, Aktenseite (AS) 9):

"Bei meinem Freund wurde eingebrochen. Die Polizei konnte die Täter vor Ort festnehmen. Mein Freund kam zu mir und sagte, bitte hilf mir, denn mein Goldschmuck wurde von der Polizei beschlagnahmt. Ich sollte für ihn bürgen, dass er wieder zu seinem Schuck kommt. Als ich im Gericht war mit meinem Freund, traf ich den Vater des Täters. Er bat uns, keine rechtlichen Schritte zu unternehmen. Ich sagte, ich sei nur als Bürge da, damit der Freund seinen Schmuck bekommt. Ich bürgte auch. Am zweiten Tag kam der Täter frei und mein Freund bekam seinen beschlagnahmten Schmuck nach einer Woche zurück. Kurz danach hat der gleiche Täter bei meinen Nachbarn eingebrochen. An dem Tag war ich gegen 15.00 Uhr auf dem Weg nach Hause. Auf der Straße war eine große Menschenmenge und die Polizei hat den Täter festgenommen. Als die Polizei mit dem Täter bei mir vorbeiging, sagte ich zum Polizisten: "Vor ca einer Woche hat er bei meinem Freund eingebrochen und kurz danach habt ihr ihn freigelassen! Wir haben eine Woche gebraucht, um zum beschlagnahmten Schuck zu kommen! Schaut, dass er nun für längere Zeit sitzt!"

Der Vater des Täters hat den ganzen Dialog gehört und sagte zu mir, dass er mich erwischen wird und mich umbringt. Dabei kam es dann zu Handgreiflichkeiten. Der Großvater des Täters arbeitet bei der Polizei und schaut, dass das Enkelkind immer freikommt. Der Vater des Täters kam mit seinen Brüdern und Cousins bewaffnet und sie haben vor unserem Haus geschossen. Ich rief die Polizei und diese kam mit zwei Motorrädern und sagte, dass sie die Täter suchen werden und fuhren wieder weg. Ich und mein Bruder waren später bei unserer Apotheke und es kam wieder zu einer Schießerei. Der Täter den die Polizei vor kurzem festgenommen hatte, war auch dabei. Eine Person kam bei der Schießerei um. Es wurde eine Anzeige gegen mich bzg. der Person, die bei der Schießerei umkam, gemacht. Die Polizei kam noch einmal und wir machten die Apotheke zu und gingen nach Hause. Am nächsten Tag ging ich mit meiner Familie weg in eine andere Stadt. Ich wurde dort weiter telefonisch bedroht und deshalb habe ich mich mit meiner Familie zur Flucht entschlossen."

Bei der Einvernahme vor dem BFA am 14.11.2017 brachte der Erstbeschwerdeführer vor (AS 56 f):

A.: Es handelt sich um einen Streit zw. mir und unserem neuen KH-Direktor, wo ich damals im GemeindeHQ - Krankenhaus gearbeitet habe. Er war korrupt und am 02.07.2013 beschwerte ich mich gegen ihn deshalb. Er war deshalb sauer, weil ich mich gegen ihn beschwerte. Am 10.07.2013 gab es eine Attacke auf mich im Krankenhaus von 2 mir unbekannten Personen. Ich meine, dass der Direktor dahintersteckt.

Die Attacke war: sie schlugen mich, sie hatten auch Pistolen in der Hand und sie wollten mich umbringen. Aber viele Leute kamen auf der Stelle und sie flüchteten. Ich ging zur Polizei und erstattete Anzeige, ich war auf meiner linken Hand verletzt, ich wurde im Spital untersucht und behandelt. Es wurden innerhalb 1er Woche die beiden Personen festgenommen und sie gaben während der Untersuchungshaft zu, dass sie vom Krankenhausdirektor bezahlt wurden, um mich anzugreifen, selbst mit einer Pistole von ihm. Die Angreifer hatten keine persönlichen Probleme mit mir. Ich machte eine Beschwerde wiederum, weil der Direktor nicht festgenommen wurde.

[...]

Ja, im Dez. 2013 machte der Direktor gegen mich eine Beschwerde bei der Polizei und zwar, dass ich ihm 3 Personen geschickt hätte, die ihn bedroht hätten und ihn misshandelt hätten (nämlich verkehrt herum aufgehängt). Die Polizei rief mich an und fragte nach. Mein Vorgesetzter stellte sich aber hinter mich und sagte bei Polizei aus, dass nicht ich hinter diesem Vorfall stehen könne. Die Polizei unterließ weitere Schritte.

Außerdem möchte ich noch etwas ganz anderes erzählen vom 25.10.2014, der Sohn namens XXXX vom ein ehemaligen Polizisten namens XXXX hat mich auf einer Gasse in unserer Gemeinde attackiert. Wir hatten eine Rauferei und Passanten trennten uns. Zuhause dann später kam XXXX m. seinem Bruder u. Neffen wieder, sie ließen Schreckschüsse vor unserem Haus ab. Ich rief die Polizei und 2 kamen, aber die Angreifer/Störer konnten flüchten. Später wiederholte sich das ganze vor der Apotheke, als auch mein Bruder dort war. Die Polizei fuhr Richtung dem Zuhause von XXXX. Ich aber fuhr diese Nacht nach XXXX. Ich erstattete aber keine Anzeige, weil ja XXXX Vater ehemaliger Polizist ist. Aber es wurde jemand getötet, jetzt wird vermutet, dass ich das war.

[...]

1.2. Der Erstbeschwerdeführer brachte zur Stützung seines Vorbringens ein Konvolut an Dokumenten in Vorlage, die im angefochtenen Bescheid des Erstbeschwerdeführers wie folgt bezeichnet wurden (Bescheid betreffend den Erstbeschwerdeführers (Bescheid), S 15): Krankenbestätigung vom Govt. Of Punjab Health Dep. Dep. Of Radiology A.I.M. Hosptial Sialkot vom 12.07.2013; Polizeiliche Anzeige in Urdu (FIR) vom 10.07.2013; Seite mit kl. Zeitungsartikeln in Urdu; Sama - Zeitungsartikel in Urdu; Daily Dunya Gujranwala Zeitungsartikel in Urdu, Daily Dunya Gujranwala Zeitungsartikel in Urdu mit Namen des Beschwerdeführers im Bericht; 2 Notarielle Einvernahmeprotokolle (in Original) vom 23.08.2013 zu den 2 Tätern; Zeitungsartikel Dawn News, dawn.com vom 11.09.2017

1.3. Das BFA hat sich zur Begründung der Abweisung des Antrages des Erstbeschwerdeführers im Rahmen der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides im Einzelnen mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und in einer über sieben Seiten erstreckenden Argumentationskette ausgeführt, weshalb es das Vorbringen des Beschwerdeführers im Detail für nicht glaubhaft erachtet (Bescheid, S 156-162).

1.4. Die auf § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG gestützte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers begründete das BFA wie folgt (Bescheid 179-180):

"Sie führten im Wesentlichen aus, dass Sie in Pakistan von Dritten verfolgt werden würden und Ihnen die Sicherheitsorgane nicht beistehen würden, da Sie korrupt wären. Gleichzeitig führten Sie aus, dass Sie in Urlaub gegangen wären - zuerst in bezahlten, dann in unbezahlten und in diesem Urlaub mit Ihren Ersparnissen ausgereist wären. Sie führten weiters aus, dass Sie Probleme mit Ihrem Chef hatten und auch mit einem Nachbarn, der wie Sie aus der Großfamilie Rana stammt, und sich von diesem auch bedroht fühlen würden. Dennoch leben Ihre Familienangehörigen in Ihrem Haus ohne sich bedroht zu fühlen.

Sie ließen obendrein Ihre 2 ältesten Kinder bei Ihren Eltern dort im Haus bzw. in einem Internat in Jhelum, wo Ihre Ehefrau laut Ihren eigenen Aussagen in der Einvernahme am 14.11.2017 nie gewesen wäre, zurück, Sie sahen diese offensichtlich nicht der Bedrohung vom Nachbarn ausgesetzt.

Sie führten auch an, dass in der Streitsache mit Ihrem ehemaligen Vorgesetzten Ihr Vater Kontakt zu dem Anwalt, ebenfalls aus der Großfamilie der Rana, halten würde, den Sie für die Gerichtsverfahren gegen Ihren ehemaligen Vorgesetzten engagiert hätten. Sie nutzen somit ohnehin die juristischen Mechanismen Ihres Heimatlandes Pakistan.

Sie führten auch über Ihren Lebenslauf aus, dass Sie nicht nur bis 25.10.2014 - nämlich nicht nur als Computerfachmann am Tehsil head Quarter Hospital Sambrial sondern auch in der Apotheke Rehman Pharmacy Sambrial arbeiteten und auch bis März 2015 arbeiteten Sie noch in der Heimat. Die Homepage, die Sie zu dieser Arbeit (01.2007 bis 03.2015) anführen lautet www.acppunjab.org und ist abrufbar. Sie scheinen als Präsident der "Computer Operators" in Sialkot auf. Auch die Homepage der familieneigenen Apotheke konnte gefunden werden (https://www.facebook.com;

https://www.cybo.com/fr/PK/sambrial/pharmacies/; beide Homepages Zugriff am 16.05.2018)

Weiters erklärten Sie in der Erstbefragung, dass Sie mit dem Flugzeug schlepperunterstützt in die Türkei gereist wären und dann in einem Zimmer vom Schlepper untergebracht worden wären, während der Schlepper Ihre Dokumente und Euro 8.000;- genommen hätte, um Ihren "Aufenthalt zu legalisieren" - dies wohlweislich nach Ihrer widerrechtlichen, schepperunterstützten Einreise ins Bundesgebiet.

Sie hätten erst dann einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, als Ihr Geld und Ihre Nahrungsmittel ausgegangen wären und Ihnen eine Dame den Weg zur EAST West, St.Georgen i.A., gezeigt hätte.

Insgesamt betrachtet, kamen in Ihrem Verfahren dermaßen zahlreiche Hinweise darauf vor, dass Sie nicht aufgrund eines Bedrohungsszenarios aus der Heimat ausgereist waren sondern aufgrund der Suche nach Arbeit und Versorgung in einem europäischen Land, dass für die Behörde somit feststeht, dass BFA-VG §18 Abs. 1 Ziffer 5 zur Anwendung kommt.

Für die Behörde steht weiters fest, dass für Sie bei Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben ist. Sie bedürfen daher nicht des Schutzes Österreichs. Es ist in Ihrem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten ist. Da Ihrem Antrag auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden ist und Ihnen auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat droht, ist es Ihnen zumutbar, den Ausgang Ihres Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens tritt hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück."

2. Beweiswürdigung

2.1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten den Anträgen der Beschwerdeführenden auf internationalen Schutz. Die Feststellungen zu den Angaben des Erstbeschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren sowie zu den Ausführungen des BFA im angefochtenen Bescheid des Erstbeschwerdeführers ergeben sich konkret aus den im Akt einliegenden Niederschriften und dem angefochtenen Bescheid, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Akten- bzw Bescheidseiten angeführt sind.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

Ersatzlose Behebung von Spruchpunkt IV der angefochtenen Bescheide

Rechtsgrundlage

3.1. Gemäß § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht.

Zum gegenständlichen Verfahren

3.2. Das BFA hat die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall auf § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG gestützt, was demnach voraussetzt, dass " das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht". Diese Bestimmung entspricht § 6 Abs 1 Z 4 AsylG idF AsylG 1997 BGBl. I Nr. 101/2003; diese wiederum entspricht § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung des AsylG 1997. Aufgrund der nur unmaßgeblich veränderten, im Wesentlichen aber nahezu wortidenten Formulierungen dieser Bestimmungen ist bei der Prüfung des Vorliegens dieses Tatbestands - somit als Prüfungsmaßstab für die Frage, ob ein Vorbringen offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht - jedenfalls die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Vorgängerbestimmungen heranzuziehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zu § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung ausgesprochen, dass bei einem von der Behörde als unglaubwürdig angenommenen Vorbringen noch nichts darüber ausgesagt wird, ob es ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit erreicht, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung als erfüllt angesehen werden kann. Letzteres kann nur dann angenommen werden, wenn Umstände vorliegen, die besonders deutlich die Unrichtigkeit der erstatteten Angaben vor Augen führen. Es muss unmittelbar einsichtig ("eindeutig", "offensichtlich") sein, dass die abgegebene Schilderung tatsächlich wahrheitswidrig ist. Dieses Urteil muss sich quasi "aufdrängen", die dazu führenden Gesichtspunkte müssen klar auf der Hand liegen, sei es allenfalls auch deshalb, weil nach einem Ermittlungsverfahren "Hilfstatsachen" (z.B. fehlende Kenntnis der behaupteten Stammessprache) substantiell unbestritten bleiben. Im Ergebnis setzt die im gegebenen Zusammenhang erforderliche "qualifizierte Unglaubwürdigkeit" somit voraus, dass es weder weitwendiger Überlegungen noch einer langen Argumentationskette bedarf, um zu erkennen, dass das Vorbringen eines Asylwerbers nicht den Tatsachen entspricht (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0214; 31.1.2002, 2001/20/0381; 11.6.2002, 2001/01/0266). Nur dann, wenn es "unmittelbar einsichtig" ist und sich das Urteil quasi "aufdrängt", die Schilderungen des Asylwerbers, die für die Beurteilung seines Asylansuchens maßgeblich sind, seien tatsächlich wahrheitswidrig, erreicht das Vorbringen ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 erfüllt ist (VwGH 27.9.2001, 2001/20/0393). Bei der Anwendung des § 6 AsylG 1997 kann es typischerweise nur um die Klarstellung einfacher Fragen, aber nicht um diffizile Beweiswürdigungsprobleme gehen (VwGH 19.12.2001, 2001/20/0442).

3.3. Fallbezogen hat sich das BFA im Einzelnen mit dem Vorbringen des Erstbeschwerdeführers auseinandergesetzt und in einer über sieben(!) Seiten erstreckenden Argumentationskette ausgeführt, weshalb es das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers im Detail für nicht glaubhaft erachtet (Bescheid des Erstbeschwerdeführers, S 156-162). Eine bloß "schlichte Unglaubwürdigkeit" des Vorbringens reicht jedoch für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht aus (vgl VwGH 22.10.2003, 2002/01/0086). Dazu kommt, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu den entsprechenden Vorfassungen dieses Tatbestandes ausgeführt hat, dass § 6 Z 3 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 76/1997 (nunmehr § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG) lediglich dann anwendbar ist, wenn das gesamte Vorbringen zu einer Bedrohungssituation den Tatsachen offensichtlich nicht entspricht; seine Anwendbarkeit scheidet aus, wenn das Vorbringen auch nur in einem Punkt möglicher Weise auf eine wahre Tatsache gestützt wird; auf Einzelaspekte gestützte Erwägungen - wie dies auch im vorliegenden Fall vom BFA vorgenommen wurde - erweisen sich somit für die Anwendung des Tatbestandes der offensichtlichen Tatsachenwidrigkeit des Vorbringens zur Bedrohungssituation als nicht tragfähig (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0214).

3.4. Für den vorliegenden Fall hat die soeben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daher zur Folge, dass entgegen der Annahme des BFA die Voraussetzung für die Ziffer 5 gegenständlich nicht vorlag und damit die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers unzulässig war.

3.5. Es war daher Spruchteil IV des angefochtenen Bescheides des Erstbeschwerdeführers spruchgemäß ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass der Beschwerde somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

3.6. Dies schlägt im vorliegenden Familienverfahren (§ 34 AsylG) auch auf die angefochtenen Bescheide der Zweit- bis Sechstbeschwerdeführenden durch, weshalb auch in deren Verfahren jeweils Spruchteil IV der angefochtenen Bescheide ersatzlos zu beheben und festzustellen war, dass der Beschwerde somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG jeweils die aufschiebende Wirkung zukommt.

3.7. Allen Beschwerdeführern ist daher vom BFA bis auf weiteres auch eine Aufenthaltsberechtigungskarte auszustellen (§ 51 AsylG).

3.8. Im gegenständlichen Verfahren war ein Vorgehen gemäß § 59 Abs 1 letzter Satz AVG zulässig, da die Entscheidung jeweils über Spruchpunkt IV spruchreif war und die Trennung - auf Grund der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für die Betroffenen - auch zweckmäßig erscheint.

3.9. Über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I bis III der angefochtenen Bescheide ergeht eine gesonderte Entscheidung.

Zu B)

Revision

3.9. Die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage ist durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

3.10. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylverfahren, aufschiebende Wirkung, Behebung der Entscheidung,
ersatzlose Behebung, Familienverfahren, qualifizierte
Unglaubwürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L516.2201300.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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