Entscheidungsdatum
25.01.2019Norm
AsylG 2005 §55 Abs1Spruch
G310 2213331-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Gaby WALTNER als Einzelrichterin über die Säumnisbeschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA. Kosovo, vertreten durch Dr. Wolfgang WEBER, Rechtsanwalt, gegen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend den am 23.08.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG zu Recht erkannt:
A) Das BFA wird gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG beauftragt, den versäumten
Bescheid unter Zugrundelegung der im gegenständlichen Erkenntnis festgelegten Rechtsanschauung binnen acht Wochen zu erlassen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit Formularvordruck beantragte der rechtsanwaltlich vertretene Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG. Dieser Antrag langte mitsamt einem Konvolut an Unterlagen am 23.08.2017 beim BFA ein.
Der bevollmächtigte Rechtsvertreter des BF erhob mit Schriftsatz vom 19.09.2018 Säumnisbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG mit der Begründung, dass der BF am 23.08.2017 beim BFA einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK eingebracht habe. Trotz Ablaufs der 6-monatigen Entscheidungsfrist sei über diesen Antrag nach wie vor nicht entschieden worden.
Mittels Schreiben vom 27.09.2018 erging ein Verbesserungsauftrag an den BF in welchem mitgeteilt wurde, dass gegenständlicher Antrag persönlich beim BFA einzubringen ist und welche Dokumente und Unterlagen beizubringen sind. Erst nach persönlicher Antragstellung sei der Antrag korrekt eingerbacht.
Diesem Verbesserungsauftrag kam der BF nach und gab den Antrag persönlich am 16.10.2018 beim BFA ab.
Die gegenständliche Säumnisbeschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 21.01.2019 beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und der Gerichtsakten des BVwG.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Gemäß Art 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen der Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.
Behörden sind gemäß § 73 Abs. 1 AVG verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8 AVG) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2b AVG) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.
Eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann laut § 8 Abs. 1 VwGVG erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid erlassen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, ist das Verfahren einzustellen. Laut Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Verwaltungsgericht vorzulegen, wenn sie den Bescheid nicht nachholt.
Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.
§ 28 Abs. 7 VwGVG 2014 räumt dem Verwaltungsgericht somit die Möglichkeit ein, sich bei Vorliegen einer Säumnisbeschwerde im Rahmen der Erledigung der Verwaltungssache vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen zu beschränken und der Behörde aufzutragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der damit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen (vgl. VwGH 27.05.2015, Ra 2015/19/0075).
Das BFA hat es unterlassen, den Antrag innerhalb der gesetzlichen Frist einer Erledigung zuzuführen. Dass diese Untätigkeit etwa durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde, kann dem Akt nicht entnommen werden.
In der vorliegenden Rechtssache macht das BVwG von seiner Ermächtigung gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG Gebrauch und trägt dem BFA auf, das inhaltliche Aufenthaltstitelzuerkennungsverfahren zu führen, über den Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG zu entscheiden und einen Bescheid unter der hier festgelegten Rechtsanschauung binnen einer Frist von acht Wochen nachzuholen.
In der vorliegenden Rechtssache macht das BVwG von seiner Ermächtigung gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG Gebrauch und trägt dem BFA auf, das inhaltliche Aufenthaltstitelzuerkennungs- verfahren zu führen, über den Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG zu entscheiden und einen Bescheid unter der hier festgelegten Rechtsanschauung binnen einer Frist von acht Wochen nachzuholen.
Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo und somit Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
Gemäß § 9 Abs. 4 Integrationsgesetz (IntG) ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 IntG (Z 1) oder einen gleichwertigen Nachweis (Z 2) vorlegt, über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs 1 UG oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht (Z 3), einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt (Z 4) oder als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz genannten Kunstsparte ausübt (Z 5). Mit der Integrationsprüfung gemäß § 11 IntG ist festzustellen, ob ein Drittstaatsangehöriger über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt.
Eine "Aufenthaltsberechtigung plus" berechtigt gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG). Eine "Aufenthaltsberechtigung" berechtigt gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 AsylG zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist.
§ 58 AsylG regelt das Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß §§ 55 ff AsylG. Laut § 58 Abs. 5 AsylG sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 ASylG persönlich beim Bundesamt zu stellen.
Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, durch die in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen. Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.
Bei Beurteilung der Frage, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK geboten ist, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig anzusehen (VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0325).
Das BFA wird sohin bezughabende, die persönliche Einvernahme des BF miteinschließende Ermittlungsschritte vorzunehmen, den dabei erhobenen Sachverhalt in Zusammenschau der in Vorlage gebrachten Beweismittel und getätigten Vorbringen des BF zu würdigen und rechtlich richtig zu bewerten zu haben, sowie darauf aufbauend eine Entscheidung binnen acht Wochen über den Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG zu treffen haben.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthaltstitel, Bescheid, Beweismittel, Beweiswürdigung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G310.2213331.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.03.2019