TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/3 W222 2006868-3

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Veröffentlicht am 03.12.2018
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Entscheidungsdatum

03.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §33

Spruch

W222 2006868-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Obregon über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Indien, vertreten durch die Österreichische Flüchtlings- und MigrantInnenhilfe und Dr. Lennart Binder LL.M., gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2017, ZI. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 33 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Nachdem der erste Asylantrag des Beschwerdeführers mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.06.2014, Zl. W169 2006868-1/2E, rechtskräftig negativ durch Abweisung der Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF entschieden worden war, stellte er am 24.11.2014 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 05.08.2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Laut Rückschein wurde dieser Bescheid dem Beschwerdeführer durch persönliche Übernahme am 11.08.2016 zugestellt.

Mittels Fax vom 25.09.2016 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde, stellte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist und gab die Begründung des im Spruch genannten Vollmachtsverhältnisses bekannt.

Mit einem als "Beschwerdevorlage" bezeichneten Schreiben vom 28.09.2016, welches am 30.09.2016 beim Bundesverwaltungsgericht einlangte, übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Beschwerde samt unerledigtem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Mit verfahrensleitendem Beschluss vom 14.12.2016, Zl. W222 2006868-2/3E, leitete das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG zuständigkeitshalber an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl weiter. Mit Beschluss vom gleichen Tag, Zl. W222 2006868-2/2E, wurde die Beschwerde gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG als verspätet zurückgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19.09.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 25.09.2016 gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG idgF ab. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis nicht glaubhaft machen können.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung rechtzeitig Beschwerde, worin im Wesentlichen geltend gemacht wurde, dass die Rechtsmittelbelehrung von vornherein falsch gewesen sei und nicht mit der österreichischen Verfassung in Einklang zu bringen sei. Der Beschwerdeführer habe daher keine Möglichkeit gehabt, diese Rechtsmittelbelehrung als Maßstab zu verwenden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der oben dargestellte Verfahrensgang wird als entscheidungsrelevanter Sachverhalt zugrunde gelegt. Insbesondere bzw. darüber hinaus wird Folgendes festgestellt:

Mit Verfahrensanordnung vom 05.08.2016 wurde dem Beschwerdeführer für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl amtswegig zur Seite gestellt.

Der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.08.2016, dessen Spruch und Rechtsmittelbelehrung in eine dem Beschwerdeführer verständliche Sprache übersetzt ist, wurde dem Beschwerdeführer durch persönliche Übernahme am 11.08.2016 ordnungsgemäß zugestellt.

Der Beschwerdeführer, dessen erstes Asylverfahren mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts rechtskräftig negativ entschieden worden war, rechnete im zweiten Asylverfahren nicht mit einer gänzlich negativen Entscheidung, wusste nicht, dass eine zweiwöchige Beschwerdefrist bestand und dachte, dass er bezüglich der per Post erhaltenen negativen Entscheidung, deren Poststempel schwer lesbar war, nichts unternehmen muss. Am 21.09.2016 erfuhr er durch einen Freund von seinem Irrtum und ging zur Österreichischen Flüchtlings- und MigrantInnenhilfe, um sich beraten zu lassen.

Am 21.09.2016 bevollmächtigte der Beschwerdeführer die Österreichische Flüchtlings- und MigrantInnenhilfe und Rechtsanwalt Dr. Lennart Binder LL.M. mit seiner Vertretung.

Mit Fax an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 25.09.2016 erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung Beschwerde gegen den Bescheid vom 05.08.2016 und stellte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen zum Ablauf des Verfahrens ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und der vorliegenden Gerichtsakten.

Das Bundesverwaltungsgericht geht von dem im Wiedereinsetzungsantrag dargestellten Sachverhalt aus, dessen entscheidungsrelevante Elemente festgestellt wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A)

Der mit "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" betitelte § 33 VwGVG lautet wie folgt:

"§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28.09.2016, Ro 2016/16/0013, betreffend die Abgrenzung von verwaltungsbehördlicher und verwaltungsgerichtlicher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand klar gestellt hat, kann § 33 Abs. 4 VwGVG "verfassungskonform nur die Bedeutung zugemessen werden, dass über Wiedereinsetzungsanträge, die bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde eingebracht werden, von dieser, und über jene, die ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht eingebracht werden, von jenem mit Beschluss zu entscheiden ist".

Nach den parlamentarischen Materialien zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 BGBl. I 33 (als dessen Art. 1 das VwGVG erlassen wurde) entsprechen die Bestimmungen über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weitgehend den einschlägigen Bestimmungen des AVG (ErläutRV, 2009 BlgNR 24. GP, 7). Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).

Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Ereignis dann unvorhergesehen, wenn die Partei es nicht einberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte, und es ist unabwendbar, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah (vgl. etwa VwGH 26.02.2014, 2012/13/0051).

Ein Verschulden der Partei hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens handelt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff des minderen Grades des Versehens als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 26.02.2014, 2012/13/0051), wobei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige Personen (vgl. VwGH 22.06.2017, Ra 2017/20/0050). Ein minderer Grad des Versehens liegt dann vor, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (vgl. VwGH 20.06.2002, 2002/20/0230).

Der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund muss bereits im Wiedereinsetzungsantrag bezeichnet und sein Vorliegen glaubhaft gemacht werden. Die Partei muss also jene Umstände, durch die sie an der Vornahme der Prozesshandlung gehindert wurde, konkret beschreiben. Glaubhaftmachung bedeutet, dass die Partei Beweismittel anbieten muss, durch die die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens des Wiedereinsetzungsgrundes dargetan wird. Es ist allein das Vorliegen des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes zu prüfen. Eine amtswegige Prüfung, ob allenfalls weitere Gründe für eine Wiedereinsetzung vorliegen, ist nicht vorgesehen. Nach Ablauf der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag kann der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund auch nicht mehr ausgewechselt werden (vgl. VwGH 25.02.2003, 2002/10/0223).

Eingangs ist zu erwähnen, dass im vorliegenden Fall ursprünglich gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG idF BGBl. I 24/2016 iVm § 3 Abs. 2 Z 1 BFA-VG eine zweiwöchige Beschwerdefrist normiert war. Mit Erkenntnis vom 26.09.2017, G 134/2017 und G 207/2017, hob der Verfassungsgerichtshof jedoch die Wortfolge "2,4 und" sowie den Satz "Dies gilt auch in den Fällen des § 3 Abs. 2 Z 1, sofern die Entscheidung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist" in § 16 Abs. 1 BFA-VG als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind. Da der mit 01.09.2018 in Kraft getretene § 16 Abs. 1 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 56/2018 keine Verkürzung der Beschwerdefrist auf zwei Wochen im gegenständlichen Fall vorsieht, ist dementsprechend zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Beschwerdeeinbringung nunmehr § 7 Abs. 4 VwGVG heranzuziehen, wonach die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen beträgt.

In casu übernahm der Beschwerdeführer am 11.08.2016 den Bescheid vom 05.08.2016 persönlich. Nach § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Ausgehend von der Zustellung am 11.08.2016 endete die vierwöchige Beschwerdefrist mit Ablauf des 08.09.2016, sodass die am 25.09.2016 eingebrachte Beschwerde verspätet eingebracht wurde und daher der Wiedereinsetzungsantrag zulässig ist.

Im gegenständlichen Fall begründet der Wiedereinsetzungswerber seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass er angesichts der Rückübernahme nach Österreich im Rahmen der Dublin III-Verordnung nicht mit einer gänzlich negativen Entscheidung gerechnet habe und deswegen gedacht habe, nichts bezüglich des zugestellten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unternehmen zu müssen. Zudem habe er nicht gewusst, dass ihm nur zwei Wochen bezüglich einer Beschwerdeerhebung eingeräumt worden seien und auch der Poststempel sei schwer lesbar gewesen.

Unkenntnis des Gesetzes oder Rechtsirrtum stellen für sich allein kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, das die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte (vgl. VwGH 21.02.2014, Ro 2014/06/0009). Sie stellen nur in Ausnahmefällen ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, das die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte (vgl. VwGH 25.04.2017, Ra 2016/16/0094). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Rechtsirrtum einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wenn die weiteren Voraussetzungen, insbesondere mangelndes oder nur leichtes Verschulden vorliegen (vgl. VwGH 11.05.2017, Ra 2017/04/0045). Wird ein solcher Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Partei an der Unkenntnis der Rechtslage bzw. am Rechtsirrtum ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden trifft (vgl. VwGH 24.04.2017, Ra 2016/06/0095).

Im vorliegenden Fall kann aber nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens des Beschwerdeführers gesprochen werden. Im Bescheid vom 05.08.2016 wurde auf die damals geltende zweiwöchige Rechtsmittelfrist hingewiesen und die Rechtsmittelbelehrung wurde in eine dem Beschwerdeführer verständliche Sprache übersetzt. Bei aufmerksamer Lektüre des Bescheides, insbesondere des übersetzten Spruchs und der übersetzten Rechtsmittelbelehrung, hätte sohin der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Irrtum hinsichtlich des Bescheidinhaltes und der Beschwerdefrist vermieden werden können. Wie das Bundesamt für Fremdwesen und Asyl schon zutreffend im angefochtenen Bescheid anmerkte, hätte der Beschwerdeführer auch die ihm amtswegig zur Seite gestellte Rechtsberatungsorganisation konsultieren können, um Unklarheiten hinsichtlich des Inhalts und der Beschwerdefrist abzuklären. Da der Verwaltungsgerichtshof eine der Wiedereinsetzung entgegen stehende auffallende Sorglosigkeit beispielsweise angenommen hat, wenn der Rechtsirrtum bzw. die Rechtsunkenntnis durch die aufmerksame Lektüre des Bescheides (vgl. VwGH 31.07.2007, 2006/05/0089), und zwar nicht nur des Spruchs, sondern insbesondere auch seiner Rechtsmittelbelehrung (vgl. etwa VwGH 26.02.2003, 2002/17/0279; 09.06.2004, 2004/16/0096) oder auch durch Rücksprache mit dem Rechtsvertreter (vgl. VwGH 08.05.1998, 97/19/1271) hätte vermieden werden können, ist auch im vorliegenden Fall von einem über den minderen Grad des Versehens hinausgehenden Verschulden des Beschwerdeführers auszugehen. Außerdem musste dem Beschwerdeführer, dessen erster Antrag auf internationalen Schutz mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts rechtskräftig erledigt worden war, das Prozedere einer Beschwerdeerhebung bereits bekannt sein, zumal die damals erhobene Beschwerde rechtzeitig eingebracht worden war. Im Übrigen ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend Sprachunkundige zu verweisen:

Erkennt eine sich auf mangelnde Sprachkenntnisse berufende Partei die ihr zugestellte behördliche Erledigung als Bescheid (behördliches Schriftstück), ist sie auch verpflichtet, sich - allenfalls unter Heranziehung eines Dolmetschers - mit dem Inhalt der Erledigung einschließlich der Rechtsmittelbelehrung vertraut zu machen (siehe VwGH 25.01.1996, 95/19/1597; 10.05.2000, 95/18/0972; 27.01.2004, 2003/21/0167). Vor allem der Rechtsmittelbelehrung (siehe VwGH 10.05.2000, 95/18/0972) sowie dem Tag der Bescheidzustellung hat ein Fremder, der die deutsche Sprache nur ungenügend beherrscht, besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Diesbezüglich trifft ihn eine erhöhte Sorgfaltspflicht (vgl. VwGH 07.08.2001, 98/18/0068). Hat es eine der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtige Partei verabsäumt, diesbezüglich entsprechende Erkundigungen einzuholen, trifft sie ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden (vgl. VwGH 12.12.1997, 96/19/3394; 10.05.2000, 95/18/0972). Da der Beschwerdeführer nach persönlicher Übernahme des Bescheides am 11.08.2016 untätig blieb und keine der soeben genannten Schritte setzte, um die Beschwerdefrist zu wahren, ist von einem Verschulden auszugehen, das über den bloß minderen Grad des Versehens hinausgeht.

Zum Vorbringen betreffend den schwer lesbaren Poststempel ist dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beizupflichten und bleibt anzumerken, dass dem Beschwerdeführer der Bescheid am 11.08.2016 persönlich zugestellt wurde und dass er die Übernahme mit Unterschrift auf dem Rückschein bestätigte. Er war sohin in Kenntnis über das Zustelldatum des Bescheides bzw. hätte dies bei gehöriger Sorgfalt wissen müssen, weshalb auch das Vorbringen zum schwer lesbaren Poststempel seinen Antrag nicht zum Erfolg führen kann.

Insofern in der Beschwerde nunmehr erstmals geltend gemacht wird, die Rechtsmittelbelehrung sei von vornherein falsch gewesen, ist zunächst auf die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, wonach nach Ablauf der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund auch nicht mehr ausgewechselt werden kann. Unabhängig davon ist festzuhalten, dass die Rechtsmittelbelehrung im Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.08.2016 den damaligen gesetzlichen Vorgaben entsprochen hat, zumal gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG idF BGBl. I 24/2016 iVm § 3 Abs. 2 Z 2 und 4 BFA-VG eine zweiwöchige Beschwerdefrist normiert war. Erst fast ein Jahr später am 27.06.2017 fasste der Verfassungsgerichtshof den Beschluss, die Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "2, 4 und" sowie des Satzes "Dies gilt auch in den Fällen des § 3 Abs. 2 Z 1, sofern die Entscheidung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist" in § 16 Abs. 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 24/2016, von Amts wegen zu prüfen (vgl. VfGH 27.06.2017, E 502/2017-13). Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung und der Beschwerdeerhebung war die Rechtslage sohin klar, weshalb es dem nunmehrigen Beschwerdevorbringen einer von vornherein falschen Rechtsmittelbelehrung an der erforderlichen Kausalität für die Versäumung der Beschwerdefrist mangelt.

Aufgrund dieser Erwägungen ging die Verwaltungsbehörde zu Recht davon aus, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erfüllt sind, weshalb die vorliegende Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung:

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im vorliegenden Fall abgesehen werden, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt im gegenständlichen Fall geklärt ist, in der vorliegenden Beschwerde die behördliche Beweiswürdigung nicht bekämpft wurde und im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ausschließlich Rechtsfragen (das Vorliegen eines unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses und das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens in Bezug auf den Beschwerdeführer) von Bedeutung waren, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine öffentlich mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK wie auch Art. 47 GRC in Hinblick auf unionsrechtlich garantierte Rechte stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu A) wiedergegeben. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Rechtsmittelbelehrung, Rechtsmittelfrist, Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W222.2006868.3.00

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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