TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/24 L501 2165977-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.10.2018
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Entscheidungsdatum

24.10.2018

Norm

ASVG §56
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L501 2165977-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX GmbH, vertreten durch die NIKA Wirtschafts- und Steuerberatungsges.m.b.H., gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 08.05.2017, GZ. 04-XXXX/UK 03/17, zu Kto.Nr. XXXX, nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung derselben Behörde vom 10.07.2017, GZ. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) iVm § 56 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) teilweise stattgegeben und die Höhe des vorgeschriebenen Ordnungsbeitrages von EUR 530,86 auf EUR 265,43 herabgesetzt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang:

I.1. Erster Verfahrensgang

Mit Schreiben vom 29.08.2016 belastete die Salzburger Gebietskrankenkasse (im Folgenden belangte Behörde) das Beitragskonto der beschwerdeführenden Partei (in der Folge bP) mit einem Ordnungsbeitrag in Höhe von EUR 530,86 für die verspätet vorgelegte Abmeldung des Dienstnehmers XXXX (in der Folge MD), SVNR

XXXX.

Aufgrund ihres Antrags auf Bescheidausstellung vom 06.09.2016 wurde die bP mit Bescheid der belangten Behörde vom 23.01.2017 verpflichtet, die vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von EUR 530,76 für die verspätet erfolgte Abmeldung des Dienstnehmers MD zu entrichten. In Erledigung der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde wies die belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom 13.03.2017 die Beschwerde ab. Nach Vorlageantrag vom 21.03.2017 und Beschwerdevorlage durch die belangten Behörde vom 03.04.2017 wurde die Beschwerde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.04.2017, L 503 2151983-1/5E, gemäß § 9 Abs. 3 ZustG mangels Vorliegen eines Bescheides als unzulässig zurückgewiesen.

I.2. Zweiter Verfahrensgang

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 08.05.2017, GZ. 04-XXXX/UK 03/17 wurde die bP erneut zur Zahlung der € 530,86 verpflichtet. Als Grund für die Vorschreibung des Ordnungsbeitrages für den Zeitraum von 01.08.2016 bis zum 22.08.2016 wurde die nicht fristgerechte Abmeldung des Dienstnehmers MD angeführt. MD sei vom 09.04.2016 bis zum 31.07.2016 bei der bP als Dienstnehmer zur Sozialversicherung gemeldet gewesen und am 22.08.2016 rückwirkend per 31.07.2016 abgemeldet worden. Die Zustellung des Bescheides an den Vertreter der bP erfolgte am 10.05.2017.

In ihrer mit Schreiben vom 24.05.2017 fristgerecht erhobenen Beschwerde wandte die bP ein, dass die verspätete Abmeldung keinesfalls fahrlässig herbeigeführt worden sei, sondern die Befristung des Dienstverhältnisses des MD mit 31.07.2016 der steuerlichen Vertretung nicht bekannt gewesen sei. Die bP habe bislang sämtliche Beiträge regelmäßig und pünktlich entrichtet, sie habe sich bisher lediglich einen geringfügigen Meldeverstoß zu Schulden kommen lassen und seien beide Meldefristüberschreitungen als kurzfristig zu betrachten. Zudem seien die wirtschaftlichen Verhältnisse infolge einer negativen Bilanz in den Jahren 2015 und 2016 als berücksichtigungswürdige Umstände in die Ermessensentscheidung miteinzubeziehen.

Mit dem im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung ergangenen Bescheid vom 10.07.2017, GZ. 046-§113(4) BVE 24/17, wies die belangte Behörde die Beschwerde ab. Begründend wurde nach Darlegung der beiden Verfahrensläufe unter Verweis auf §§ 33 und 56 Abs. 1 ASVG im Wesentlichen ausgeführt, dass die bP unstrittig die Abmeldung des Dienstnehmers MD nicht fristgerecht vorgenommen habe. Zur Berechnung der Höhe des Ordnungsbeitrages sei das vom Dienstnehmer letztbezogene Entgelt herangezogen worden. Dass die steuerliche Vertretung der bP keine Kenntnis von der Befristung des Dienstverhältnisses MD gehabt habe, sei der Sphäre der bP zuzurechnen und sei nicht als berücksichtigungswürdiger Umstand zu werten. Zudem sei dies bereits der zweite Meldeverstoß binnen eines Jahres gewesen. Auch die sonst pünktliche Bezahlung der Beiträge sowie die negativen Bilanzen könnten eine Herabsetzung der zu bezahlenden Beiträge nicht rechtfertigen. Die Zustellung der BVE erfolgte am 12.07.2017 an den Vertreter der bP.

Mit Schreiben vom 24.07.2017 beantragte die bP die Vorlage der Beschwerde an das BVwG. Sie wiederholte im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und brachte ergänzend vor, dass die belangte Behörde bei ihrer Ermessensausübung das Verschulden der bP, die wirtschaftlichen Verhältnisse, die Art der Meldepflichtverletzung, das Ausmaß der Verspätung sowie der Erfüllung der bisherigen Meldeverpflichtungen nicht ausreichend berücksichtigt habe. Die belangte Behörde übermittelte dem BVwG mit Beschwerdevorlage vom 31.07.2017 den gegenständlichen Verfahrensakt samt Bezugsakt.

Mit Schreiben vom 06.08.2018 wurde die bP aufgefordert, die vorgebrachten wirtschaftlichen Gründe zu konkretisieren, die belangte Behörde wurde aufgefordert, den entstandenen Mehraufwand zu konkretisieren. Im daran anschließend gewährten Parteiengehör langten keine Stellungnahmen ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Die bP meldete im Wege ihrer Vertretung den Dienstnehmer MD am 22.08.2016 rückwirkend per 31.07.2016 ab. Es handelte sich um den zweiten Meldeverstoß innerhalb eines Beobachtungszeitraumes von 12 Monaten. Der erste - mit Schreiben vom 14.06.2016 nachgesehene - Meldeverstoß im Beobachtungszeitraum betraf die Abmeldung des Dienstnehmers XXXX, SVNR XXXX, (in der Folge DN GD) zum 30.05.2016, welche nicht bis zum 06. des Folgemonats bei der belangten Behörde einlangte, sondern erst am 07. Im Beobachtungszeitraum wurden der belangten Behörde von der bP bzw. der Vertretung 20 Meldungen per ELDA übermittelt. Auszug aus dem im Firmenbuch veröffentlichten Bilanzauszug betreffend 2016: Aktiva EUR 344.701,83, davon Anlagevermögen EUR 4.906,97, Umlaufvermögen EUR 333.543,61, Rechnungsabgrenzungsposten EUR 6.251,25; Passiva EUR 344.701,83, davon Negatives Eigenkapital EUR -1.370.573,16, Substanzgenussrechte EUR 1.400.000,00, Rückstellungen EUR 72.024,90, Verbindlichkeiten 243.250,09

II.2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie den Gerichtsakt samt den jeweiligen Bezugsakten. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt. Die verspätete Abmeldung des Dienstnehmers MD wird seitens der bP auch nicht bestritten.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. Gegenständlich liegt sohin Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Zu A)

Die zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Meldeverletzung anzuwendenden Bestimmungen der §§ 33 und 56 ASVG lauten wie folgt:

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

Gemäß § 56 Abs. 1 ASVG sind für Versicherte, die vom Dienstgeber nicht oder nicht rechtzeitig abgemeldet werden, die allgemeinen Beiträge bis zum Zeitpunkt der schriftlichen Abmeldung durch den Dienstgeber, längstens aber für die Dauer von drei Monaten nach dem Ende der Versicherung, weiter zu entrichten.

Gemäß Abs. 3 leg.cit. kann der Versicherungsträger, bei dem die Beiträge einzuzahlen sind, auf die Weiterentrichtung der Beiträge über das Ende der Versicherung hinaus zur Gänze oder zum Teil verzichten und bereits entrichtete Beiträge dieser Art zurückerstatten.

Zum gegenständlichen Verfahren

II.3.1. Bei der Auferlegung der Weiterzahlung der Beiträge nach § 56 Abs. 1 ASVG handelt es sich um eine gegen den Dienstgeber gerichtete Sanktion zur Erzwingung der Einhaltung der Meldevorschriften. Da somit der Ordnungsbeitrag ebenso wie der Beitragszuschlag als ein Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung zu werten ist, kommt es für seine Vorschreibung nicht auf das subjektive Verschulden des Dienstgebers (bzw. des vertretungsbefugten Organs), sondern nur darauf an, dass objektiv ein Meldeverstoß verwirklicht wurde, gleichgültig aus welchen Gründen (vgl. VwGH 31.07.2014, Ro 2014/08/0008 unter Hinweis auf VwGH 10.07.2013, 2013/08/0117 mwN).

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die bP die Abmeldung des Dienstnehmers nicht fristgerecht vorgenommen hat und somit die Voraussetzung für die Vorschreibung eines Ordnungsbeitrages gemäß § 56 Abs. 1 ASVG gegeben ist. Die von der bP vorgebrachte Begründung, die Abmeldung des Dienstnehmers MD sei zu spät erfolgt, weil die steuerliche Vertretung keine Kenntnis von der Befristung des Dienstverhältnisses gehabt habe, ändert daran im Hinblick auf die o. a. Rechtsprechung nichts, zumal es lediglich auf den objektiv vorliegenden Meldeverstoß ankommt und die Frage des subjektiven Verschuldens (für das "ob" der Vorschreibung) nicht zu untersuchen ist. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass die Vorschreibung des Ordnungsbeitrages gemäß § 56 Abs. 1 dem Grunde nach zu Recht erfolgt ist.

II.3.2. Als Höhe des vorgeschriebenen Ordnungsbeitrages schreibt § 56 Abs. 1 ASVG die allgemeinen Beiträge bis zum Zeitpunkt der schriftlichen Abmeldung, längstens aber für die Dauer von drei Monaten vor. Die Weiterentrichtung von Beiträgen aufgrund verspäteter Abmeldung eines Dienstnehmers nach § 56 ASVG steht in engem sachlichem Zusammenhang mit dem versicherungspflichtigen Dienstverhältnis, dessen Beendigung erst die Abmeldung gemäß § 33 Abs. 1 ASVG notwendig machte und nach dem sich auch die Höhe der weiter zu entrichtenden Beiträge bestimmt (VwGH 14.11.2012, 2010/08/0150).

Der Höhe des vorgeschriebenen Ordnungsbeitrages, der die belangte Behörde das vom Dienstnehmer letztbezogene Entgelt in Höhe von EUR 1.900,00 sowie den Zeitraum vom Ende des Dienstverhältnisses 01.08.2016 bis zur Abmeldung am 22.08.2016 zu Grunde legte, trat die bP in der Beschwerde nicht entgegen.

II.3.3. Soweit die bP unrichtige Ermessensausübung der belangten Behörde geltend macht und vorbringt, die belangte Behörde habe das mangelnde Verschulden der bP, das Fehlen bisheriger gravierender Meldeverstöße, die Kurzfristigkeit der Meldefristüberschreitungen sowie die angespannten wirtschaftlichen Verhältnisse der bP nicht in ausreichendem Maß bei ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigt, ist wie folgt auszuführen:

Vorauszuschicken ist, dass gemäß Art. 130 Abs. 3 B-VG Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, soweit das Gesetz der Verwaltungsbehörde Ermessen einräumt und sie dieses im Sinne des Gesetzes geübt hat. Es ist demnach Aufgabe des Verwaltungsgerichtes zu überprüfen, ob sich die Entscheidung der Behörde als Ermessensübung im Sinne des Gesetzes erweist, und zwar - mangels Indizien für eine Abweichung von Fällen mit "gebundener" Entscheidung - vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehenden Sach- und Rechtslage. Bejahendenfalls ist die Beschwerde - ohne dass das VwG befugt wäre, in eine eigene Ermessenentscheidung einzutreten - abzuweisen. Erst wenn sich die behördliche Ermessensübung im Ergebnis als nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt erweist - was insbesondere auch der Fall wäre, wenn die für die Übung des Ermessens maßgeblichen Umstände nicht frei von Verfahrensmängeln oder unvollständig festgestellt wurden - wäre das Verwaltungsgericht befugt, bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache selbst (§ 28 Abs. 2 VwGVG 2014), gegebenenfalls nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens eigenes Ermessen zu üben (vgl. dazu VwGH vom 26.04.2016, Zl. Ro 2014/03/0084).

Die Vorschreibung eines Ordnungsbeitrages liegt gemäß § 56 Abs. 3 ASVG der Höhe nach im Ermessen der Behörde. Der Sinn des in § 56 Abs. 3 ASVG eingeräumten Ermessens lässt sich gemäß Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 07.03.1991, VfSlg. 12.672, durch Heranziehung des § 59 Abs. 2 ASVG und § 113 Abs. 1 ASVG [nunmehr § 113 Abs. 1 Z 2 und 3 iVm Abs. 3] ermitteln (vgl. VwGH 20.02.2002, 97/08/0442).

Die zuletzt genannten Bestimmungen lauten:

Gemäß § 59 Abs. 2 ASVG kann der zur Entgegennahme der Zahlung berufene Versicherungsträger die Verzugszinsen herabsetzen oder nachsehen, wenn durch ihre Einhebung in voller Höhe die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners gefährdet wären. Die Verzugszinsen können überdies nachgesehen werden, wenn es sich um einen kurzfristigen Zahlungsverzug handelt und der Beitragsschuldner ansonsten regelmäßig seine Beitragspflicht erfüllt hat.

Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG können den in § 111 Abs. 1 genannten Personen (Stellen) Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde (Z1) oder die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde (Z2) oder das Entgelt nicht oder verspätet gemeldet wurde (Z3) oder ein zu niedriges Entgelt gemeldet wurde (Z4).

Gemäß Abs. 3 leg. cit. darf in den Fällen des Abs. 1 Z 2 und 3 der Beitragszuschlag das Doppelte jener Beiträge nicht überschreiten, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zur Feststellung des Fehlens der vollständigen Anmeldung oder bis zum Einlangen der verspäteten vollständigen Anmeldung beim Versicherungsträger bzw. bis zur Feststellung des Entgeltes oder bis zum Einlangen der verspäteten Meldung des Entgeltes beim Versicherungsträger entfallen; [...] Bei der Festsetzung des Beitragszuschlages hat der Versicherungsträger die wirtschaftlichen Verhältnisse der die Beiträge schuldenden Person und die Art des Meldeverstoßes zu berücksichtigen; der Beitragszuschlag darf jedoch die Höhe der Verzugszinsen nicht unterschreiten, die ohne seine Vorschreibung auf Grund des § 59 Abs. 1 für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären.

Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgehend von der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes folgende Kriterien im Sinne der oben zitierten Gesetzesstellen für die Ausübung des in § 56 Abs. 3 ASVG eingeräumten Ermessens entwickelt: Zu berücksichtigen sind demnach - jedenfalls bei Erstattung eines entsprechenden Vorbringens im Verwaltungsverfahren - die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners sowie hinsichtlich eines gänzlichen Verzichts auf die Weiterentrichtung der Beiträge die Dauer des Verzuges. Im Hinblick auf einen möglichen teilweisen Verzicht entspricht die Ermessensübung dann nicht dem Sinn des Gesetzes, wenn die Art des Meldeverstoßes oder die regelmäßige Erfüllung der Meldepflichten nicht in die Überlegungen einbezogen wurden (VwGH vom 13.09.2017, Ra 2016/08/0244).

Zunächst sind die (in beiden der zitierten Gesetzesstellen erwähnten) wirtschaftlichen Verhältnisse der bP zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall möchte die bP diese berücksichtigt wissen, da sie in den Jahren 2015 und 2016 negativ bilanziert hat. Setzt man nun den verhängten Ordnungsbetrag in Beziehung zu den sich aus den vorgelegten Bilanzen ergebenden Passiva bzw. Aktiva, so ist dieser verschwindend gering. Eine wirtschaftliche Gefährdung des Betriebes durch die Einhebung eines Ordnungsbetrages in der gegenständlichen Höhe kann hier im Sinne der Rechtsprechung jedenfalls nicht erblickt werden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof nun bereits in seinem Erkenntnis vom 22.04.1997, 95/08/0243, ausführte, kommt eine Herabsetzung oder Nachsicht der Verzugszinsen nur dann (ausnahmsweise) in Betracht kommt, wenn gerade durch deren Einhebung eine Gefährdung der wirtschaftlichen Verhältnisse eintreten würde, d.h. wenn eine solche Gefährdung nicht schon durch andere Umstände (wie z.B. die Einhebung der Sozialversicherungsbeiträge) eingetreten ist. Eine Nachsicht oder Herabsetzung der Zinsen ist somit nicht schon bei bloß angespannter wirtschaftlicher Lage des Unternehmens zulässig oder immer dann, wenn ein Unternehmen Verluste schreibt, sondern nur dann, wenn durch die Einhebung der Beiträge eine konkrete wirtschaftliche Gefährdung eintreten würde, die ansonsten nicht gegeben wäre. Dies darzulegen obliegt im Verfahren dem Beitragsschuldner. Konkretisierte Behauptungen dieser Art (vgl. dazu das Erkenntnis vom 22.09.1988, 88/08/0183) hat die bP trotz der mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.08.2018 ergangenen Aufforderung nicht aufgestellt. Die Beweislast für die Gefährdung trägt der Antragsteller: er hat durch konkretes, mit Beweisanboten untermauertes Vorbringen alle Umstände darzutun, aus denen hervorgeht, dass und in welcher Weise seine wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Einhebung (hier des Ordnungsbeitrages) gefährdet wäre (vgl. Derntl in ASVG-Jahreskommentar, § 59, Rz 25). Dieser Gesichtspunkt konnte daher im vorliegenden Fall nicht für eine Herabsetzung des oder einen Verzicht auf den Ordnungsbeitrag sprechen.

In Bezug auf das in § 59 Abs. 2 zweiter Satz ASVG (dort als Voraussetzung für eine gänzliche Nachsicht der Verzugszinsen) genannte Ermessenskriterium, dass "es sich um einen kurzfristigen Zahlungsverzug handelt", vertrat der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 23. Juni 1998, 95/08/0331, die Auffassung, dass das darin liegende Erfordernis einer objektiven Geringfügigkeit des Verzuges auf § 56 Abs. 3 ASVG nur insoweit übertragbar sei, als es dort um einen nicht bloß teilweisen, sondern um einen gänzlichen Verzicht auf die Weiterentrichtung der Beiträge gehen soll (vgl. VwGH vom 20.02.2002, 97/08/0442).

Im vorliegenden Fall hat die bP den DN am 22.08.2016 rückwirkend per 31.07.2016 abgemeldet. Mangels Hinzutreten die wirtschaftlichen Verhältnisse der bP betreffende Argumente für einen Verzicht widersprach es nicht dem Sinn des Gesetzes, wenn auf die Weiterentrichtung der Beiträge nicht zur Gänze verzichtet wurde.

Im Hinblick auf einen möglichen teilweisen Verzicht sind - wie oben dargelegt - Überlegungen zur Art des Meldeverstoßes bzw. der regelmäßigen Erfüllung der Meldepflichten anzustellen.

Zum Gesichtspunkt der sonst regelmäßigen Erfüllung der Meldepflichten ist auszuführen, dass es sich gegenständlich um den zweiten Meldeverstoß innerhalb von 12 Monaten handelt und der erste Meldeverstoß als kurz anzusehen ist. Im Zusammenhalt mit der Anzahl der im Beobachtungszeitraum seitens der bP durchzuführenden Meldungen ist kein schwerwiegendes Verschulden festzustellen. Wenn die bP in diesem Zusammenhang unsubstantiiert kritisiert, sie könne die angegebene Anzahl von 20 Meldungen im Beobachtungszeitraum nicht nachvollziehen, so ist dies angesichts dieser Größenordnung sowie der von ihr wahrzunehmenden Meldungen einerseits mangels Konkretisierung nicht glaubhaft und ist sie andererseits auf ihre Mitwirkungspflicht im Verfahren hinzuweisen. Mit der amtswegigen Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung korrespondiert die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken. Die Offizialmaxime entbindet daher die Partei nicht davon, durch substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen.

Zum Vorbringen, der steuerlichen Vertreter sei die Befristung des Dienstverhältnisses des MD nicht bekannt gewesen, ist auszuführen, dass es Sache der bP ist, sicherzustellen, dass Informationen, welche die steuerliche Vertretung zur korrekten Ausführung der ihr übertragenen Aufgaben benötigt, dieser auch tatsächlich und rechtzeitig zukommen sowie für ein wirksames Kontrollsystem zu sorgen. Warum in diesem Fall dieser Informationsfluss bzw. ein allfälliges Kontrollsystem nicht funktioniert hat, wurde von der bP nicht dargelegt. Die unterbliebene Information der steuerlichen Vertretung ist der Sphäre der bP zuzurechnen und hat diese dafür einzustehen.

Für die Art der Meldepflichtverletzung ist des Weiteren auch von Bedeutung, ob und in welcher Größenordnung ein durch den Meldeverstoß verursachter Verwaltungsmehraufwand feststellbar ist (vgl. VwGH vom 13.09.2017, Ra 2016/08/0175)

Auf Anfrage des Bundesverwaltungsgerichts (konkrete Darlegung des Mehraufwandes bzw. Höhe) führte die belangte Behörde mit Schreiben vom 14.08.2018 unter Anführung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 07.03.1991, G 75/90, aus, dass das Vorliegen eines Verwaltungsmehraufwandes bzw. eines eingetretenen Schadens für die Weiterentrichtung der allgemeinen Beiträge nicht fristgerecht abgemeldeter Dienstnehmer über das Ende der Versicherung gemäß § 56 Abs. 1 ASVG keine objektive Voraussetzung sei. Die verspätete oder fehlende Übermittlung der Abrechnungsunterlagen führe zu einem Verwaltungsmehraufwand. Dieser entstehe dadurch, dass die Sachbearbeiter durch das Standardprogramm MVB die Mitteilung erhielten, dass die Unterlagen nicht eingelangt seien. Die Sachbearbeiter erstellten sodann die Aufforderung an den Dienstgeber, die fehlenden Unterlagen vorzulegen. Beim erstmaligen Verstoß würde der DG verwarnt, ab dem zweiten ein Bescheid ausgestellt. Bei der Erlassung des Bescheides fielen anteilige Analyse- und Programmierkosten (pro Bescheid), Kosten der Qualitätssicherung sowie Kosten des Clearingsprozesses vor Mahnung zur Sanktion an. Eine Bezifferung des entstandenen Mehraufwandes erfolgte nicht.

Da die belangte Behörde zum (zur Höhe des) Verwaltungsmehraufwand(s) keine Feststellungen in ihrem Bescheid bzw. der Beschwerdevorentscheidung getroffen hat, was aber bei der Höhe der Verhängung des Ordnungsbeitrages in Bezug auf die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geboten gewesen wäre, ist die Ermessensausübung im Ergebnis nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt.

Verfahrensgegenständlich erfolgte die Abmeldung erst am 22.08.2016 rückwirkend per 31.07.2016 und kann eine Gefährdung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Einhebung eines Ordnungsbetrages auch nicht erkannt werden, weshalb nach Ansicht der erkennenden Richterin von einem gänzlichen Verzicht Abstand zu nehmen ist. Erschwerend ist zu werten, dass es sich um den zweiten Meldeverstoß innerhalb von 12 Monaten handelt, wobei im Hinblick auf den Verzug des ersten Verstoßes im Zusammenhalt mit der Anzahl der im Beobachtungszeitraum seitens der bP durchzuführenden Meldungen allerdings kein schwerwiegendes Verschulden festzustellen ist. Die Größenordnung des durch den Meldeverstoß verursachte Verwaltungsmehraufwand vermochte seitens der belangten Behörde trotz Aufforderung nicht dargelegt werden.

Bei Gesamtwürdigung aller dargelegten Umstände erscheint sohin die Verhängung eines Ordnungsbeitrages in der Höhe von 50 Prozent der angefallenen Beiträge als angemessen. Der Beschwerde war daher insofern Folge zu geben, als dass der Ordnungsbeitrag auf EUR 265,43 herabgesetzt wurde.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil zu den gegenständlich anzuwendenden Bestimmungen - wie im Erkenntnis angeführt - zahlreiche Judikate des Verwaltungsgerichtshofes vorliegen, die Rechtsfragen in der bisherigen Rechtsprechung einheitlich beantwortet wurden und in der vorliegenden Entscheidung von der höchstrichterlichen Spruchpraxis auch nicht abgewichen wurde.

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. VwGH 03.11.2015, 2013/08/0153).

Das trifft für das gegenständliche Verfahren zu. Der maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage geklärt erachtet werden. Es wurden für die gegenständliche Entscheidung weder noch zu klärende Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen, noch Rechtsfragen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätten. Es hat sich daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keine Notwendigkeit ergeben, den als geklärt erscheinenden Sachverhalt näher zu erörtern. Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Schlagworte

Ermessensübung, Herabsetzung, Meldeverstoß, Ordnungsbeitrag,
Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L501.2165977.1.00

Zuletzt aktualisiert am

20.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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