TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/20 L524 2105371-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.08.2018
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Entscheidungsdatum

20.08.2018

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs5
FPG §52 Abs9
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L524 2105371-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde von XXXX alias XXXX, geb. XXXX, StA. Türkei, vertreten durch RA Mag. Christian Hirsch, Hauptplatz 28, 2700 Wiener Neustadt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2018, Zl. 800904802-161560772 EAST Ost, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid

gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 28.09.2010 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 30.09.2010 erfolgten Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er als Fluchtgrund an, dass er Kurde sei und keine Rechte in der Türkei habe. Im Alter von drei Jahren sei seine Mutter von Soldaten geschlagen worden, wobei sie den Beschwerdeführer am Arm getragen habe, der daraufhin hinuntergefallen sei. Dabei sei er so schwer am Arm verletzt worden, dass er seit dieser Zeit behindert sei. Deswegen habe er seine Heimat verlassen und wolle Asyl.

Bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt (BAA) am 05.10.2010 wiederholte der Beschwerdeführer dieses Vorbringen, das sich ca. 1990 ereignet habe und gab darüber hinaus an, dass in seiner Heimatprovinz ein Ausnahmezustand herrsche und er immer in Angst habe leben müssen.

Bei einer weiteren Einvernahme vor dem BAA am 25.01.2011 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er im April 2008 von Tschechien in die Türkei zurückgekehrt sei und daraufhin festgenommen und misshandelt worden sei. Er sei auch vor Gericht gestellt worden und habe eine Geldstrafe erhalten, da er im Ausland gegen die Türkei propagiert und um Asyl angesucht habe. Am 12.08.2014 erfolgte eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA).

Mit Bescheid des BFA vom 13.03.2015, Zl. 800904802/1302307, wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde einen Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt III.)

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.11.2015, Zl. L502 2105371-1/14E, als unbegründet abgewiesen. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass jener Vorfall, der ihm als Kind widerfahren sei, glaubhaft ist. Jenes Vorbringen hinsichtlich der Ereignisse nach seiner Rückkehr aus Tschechien im April 2008 ist hingegen nicht glaubhaft.

2. Am 08.02.2016 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag einer Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen. Bei der Einvernahme vor dem BFA am 24.03.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass seine Fluchtgründe aus dem ersten Verfahren noch aufrecht seien. Außerdem sei die Lage in seiner Stadt mittlerweile schlimmer geworden.

Mit Bescheid des BFA vom 19.04.2016, Zl. 800904802-160196096, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 61 Abs. 1 FPG wurde die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.06.2016, Zl. L502 2105371-2/8E, wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen und Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben, da die Voraussetzungen des § 61 FPG nicht erfüllt waren.

3. Am 18.11.2016 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag erfolgten Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass sein Vater und seine beiden Brüder wegen ihrer Religionszugehörigkeit unter Erdogan vom Militär in Haft genommen worden seien. Im Falle einer Rückkehr habe der Beschwerdeführer Angst, wegen seiner Religionszugehörigkeit ins Gefängnis zu kommen und dort misshandelt zu werden.

Bei der Einvernahme vor dem BFA am 12.12.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass er neue Fluchtgründe habe. Es habe in der Türkei im Sommer 2016 einen Putschversuch gegeben, weshalb sein Vater und seine Brüder in Haft seien. Erdogan wolle alle beseitigen, die gegen ihn seien. Weitere Einvernahmen vor dem BFA erfolgten am 02.02.2018, 26.02.2018 und 12.03.2018.

Mit Bescheid des BFA vom 10.07.2018, Zl. 811038902-161560772 EAST Ost, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigen gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG wurde ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das gesamte Erstverfahren auf einem nicht glaubhaften Vorbringen beruht habe. Die nunmehr vorgebrachten Gründe bezögen sich auf das Vorbringen aus den beiden vorangehenden Verfahren. Im gegenständlichen Verfahren habe der Beschwerdeführer keinen Sachverhalt vorgebracht, wer nach rechtskräftigem Abschluss des Letztverfahrens VZ: 160196096 entstanden sei. Der Beschwerdeführer sei seit März 2015 in Österreich aufhältig. Mehr als die Hälfte seines bisherigen Aufenthalts in Österreich sei er in Haft gewesen. Danach wurden die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers angeführt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.

Entschiedene Sache liegt immer dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben. Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH 27.09.2000, 98/12/0057). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den eine positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556; 26.07.2005, 2005/20/0343, mwN).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen. Die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235; 15.10.1999, 96/21/0097). Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 09.09.1999, 97/21/0913). Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (VwGH 04.04.2001, 98/09/0041). Dies bezieht sich auf Sachverhaltsänderungen, welche in der Sphäre des Antragstellers gelegen sind. Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).

"Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30.5.1995, 93/08/0207).

Gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund des Vorliegens neuer Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz hätte durchführen müssen, hat es den zurückweisenden Bescheid auf Grundlage des für zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren anzuwendenden § 21 Abs. 3 BFA-VG zu beheben, wodurch das Verfahren vor der Behörde zugelassen ist und eine neuerliche Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 AVG unzulässig wird. Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 AVG verwehrt, weil diesfalls die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten würde (vgl. Filzwieser/Frank/ Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K11., K17.).

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; 23.11.1993, 91/04/0205; 26.04.1994, 93/08/0212; 30.01.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; 21.02.1991, 90/09/0162; 10.06.1991, 89/10/0078; 04.08.1992, 88/12/0169; 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58; 03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen "glaubhaften Kern" aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH 21.3.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH vom 24.6.2014, Ra 2014/19/0018, mwN).

Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; vgl. auch VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; 19.02.2009, 2008/01/0344).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U 1533/10; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).

2. Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 13.03.2015, Zl. 800904802/1302307, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde einen Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.11.2015, Zl. L502 2105371-1/14E, als unbegründet abgewiesen. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass jener Vorfall, der dem Beschwerdeführer als Kind widerfahren sei, glaubhaft ist. Jenes Vorbringen hinsichtlich der Ereignisse nach seiner Rückkehr aus Tschechien im April 2008 ist hingegen nicht glaubhaft.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid des BFA vom 10.07.2018, Zl. 811038902-161560772 EAST Ost, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigen gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG wurde ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Maßstab für die Frage der Erfüllung des Tatbestands der "entschiedenen Sache" ist somit der im ersten - mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.11.2015, Zl. L502 2105371-1/14E, rechtskräftig abgeschlossenen - Verfahrensgang behauptete Sachverhalt, welcher in Relation zum im nunmehrigen erstinstanzlichen Verfahrensgang hervorgekommenen Sachverhalt zu setzen ist. Das Bundesverwaltungsgericht gelangte im Rahmen seiner Entscheidungsbegründung diesbezüglich zur Feststellung, dass jener Vorfall, der dem Beschwerdeführer als dreijährigem Kind widerfahren sei, glaubhaft ist. Jenes Vorbringen hinsichtlich der Ereignisse nach seiner Rückkehr aus Tschechien im April 2008, wonach er festgenommen, misshandelt, vor Gericht gestellt worden sei und eine Geldstrafe erhalten habe, da er im Ausland gegen die Türkei propagiert und um Asyl angesucht habe, ist hingegen nicht glaubhaft.

Im nunmehrigen Verfahren gab der Beschwerdeführer an, dass es im Sommer 2016 in der Türkei einen Putschversuch gegeben habe, weshalb sein Vater und seine Brüder in Haft seien. Sie seien wegen ihrer Religionszugehörigkeit unter Erdogan vom Militär in Haft genommen worden. Im Falle einer Rückkehr habe der Beschwerdeführer Angst, wegen seiner Religionszugehörigkeit ins Gefängnis zu kommen und dort misshandelt zu werden.

Dieses Vorbringen war nicht Teil jenes Vorbringens, das der letzten Sachentscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers zugrunde lag, nämlich dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.11.2015, Zl. L502 2105371-1/14E. Auch führt der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen Umstände ins Treffen, die sich erst nach Eintritt der Rechtskraft des genannten abweisenden Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts zugetragen haben sollen. Diesem Vorbringen kommt auch angesichts der als notorisch zu betrachtenden Ereignisse in der Türkei im Jahr 2016 zumindest ein "glaubhafter Kern" zu.

Zudem steht das nunmehrige Vorbringen des Beschwerdeführers nicht in einem solchen inhaltlichen Konnex zu seinem Vorbringen des ersten Asylverfahrens, dass die Rechtskraft der letzten inhaltlichen Asylentscheidung der nunmehrigen Behandlung seines Asylantrags in der Sache entgegenstehen würde. Denn im zum Vergleich heranzuziehenden ersten Asylverfahren brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er sei vor Gericht gestellt worden, weil er im Ausland gegen die Türkei propagiert und um Asyl angesucht habe. Zum hier maßgeblichen Folgeantrag bringt er dagegen im Wesentlichen vor, er befürchte, wie sein Vater und seine Brüder, wegen seiner Religionszugehörigkeit inhaftiert zu werden.

Daher ging das BFA nicht zu Recht davon aus, dass für das zu seinem Folgeantrag auf internationalen Schutz vom 18.11.2016 erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers eine entschiedene Sache vorliege. Der Antrag wäre sohin nicht wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, sondern in der Sache zu erledigen gewesen.

3. Der Vollständigkeit halber wird im Hinblick auf die Rückkehrentscheidung und das verhängte Einreiseverbot auf Folgendes hingewiesen:

Das BFA geht einerseits davon aus, dass der Beschwerdeführer im März 2015 in Österreich eingereist sei und legte seiner rechtlichen Beurteilung andererseits eine Aufenthaltsdauer in Österreich von vier Monaten (!) zugrunde. Tatsächlich hielt sich der Beschwerdeführer jedoch schon 2010 in Österreich auf und stellte hier einen Antrag auf internationalen Schutz. Es ist daher im fortzusetzenden Verfahren konkret festzustellen, seit wann sich der Beschwerdeführer in Österreich aufhält und auch in welchen konkreten Zeiträumen sich der Beschwerdeführer in Haft befunden hat bzw. befindet.

Die für eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot vorzunehmende Gefährdungsprognose ist am Maßstab des § 52 Abs. 5 FPG zu treffen (vgl. VwGh 20.12.2016, Ra 2016/21/0109, 0247). Danach ist es erforderlich, dass die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG die Annahme rechtfertigen, der weitere Aufenthalt des Fremden stelle eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar (vgl. VwGH 31.08.2017, Ra 2017/21/0120).

Bei der zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen.

Das BFA stellte die dem Beschwerdeführer zur Last liegenden und den Grund für die Erlassung des Einreiseverbots bildenden Straftaten im angefochtenen Bescheid nur dahin fest, dass die Urteile, die maßgeblichen Strafbestimmungen und die verhängten Strafen angeführt wurden. Das reicht aber nicht für eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose aus (so schon VwGH 26.09.2006, 2004/21/0097, mwN, und darauf Bezug nehmend etwa VwGH 31.03.2008, 2007/21/0533; ebenso die Erkenntnisse des VwGH vom 24.11.2009, 2009/21/0267, und vom 24.03.2015, Ra 2014/21/0049).

In der rechtlichen Beurteilung, in der die Gefährdungsprognose vorzunehmen ist, wird nur auf den Umstand einer zweimaligen Verurteilung wegen Schlepperei Bezug genommen.

Bei der Entscheidung über die Länge des Einreiseverbotes ist die Dauer der vom Fremden ausgehenden Gefährdung zu prognostizieren; außerdem ist auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109 unter Hinweis auf 15.12.2011, 2011/21/0237).

Im vorliegenden Fall wären nach der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes konkrete Feststellungen zu den einzelnen, den (drei) Verurteilungen des Beschwerdeführers zu Grunde liegenden Straftaten zu treffen gewesen (vgl. dazu VwGH 15.10.2015, Ra 2015/21/0133). Erst anhand solcher konkreter Feststellungen ist es möglich, eine Gefährdungsprognose vorzunehmen. Dabei ist insbesondere auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten - und nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung - sowie auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Diesbezüglich wäre es erforderlich gewesen, die Strafurteile beizuschaffen und auf Basis dieser konkrete Feststellungen der zu Grunde liegenden Straftaten zu treffen.

Das BFA hat sich daher im fortgesetzten Verfahren mit der Art und Schwere der vom Beschwerdeführer verübten Straftaten auseinanderzusetzen, auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen, dazu konkrete Feststellungen im Bescheid zu treffen und darauf aufbauend die Gefährdungsprognose zu erstellen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Abschiebung, Asylverfahren, Behebung der Entscheidung,
Einreiseverbot, entschiedene Sache, Fluchtgründe, Folgeantrag,
geänderte Verhältnisse, Gefährdungsprognose, Haftstrafe, Identität
der Sache, Interessenabwägung, politische Gesinnung, politische
Veränderung, Putsch, Rechtskraft der Entscheidung, religiöse Gründe,
res iudicata, Rückkehrentscheidung, Schlepperei, strafrechtliche
Verurteilung, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L524.2105371.3.00

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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