TE Vwgh Erkenntnis 1999/7/7 97/09/0195

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Veröffentlicht am 07.07.1999
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

ABGB §1346;
AVG §37;
KOVG 1957 §13 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der M in St. Pölten-Waitzendorf, vertreten durch Dr. Anton Hintermeier, Rechtsanwalt in St. Pölten, Andreas Hoferstraße 8, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundessozialamt Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 7. Mai 1997, Zl. OB.224-136494-008, betreffend Neubemessung der Zusatzrente und Zulage zur Witwenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957- KOVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin bezieht nach ihrem Ehegatten M (verstorben am 7. September 1976) nach den Bestimmungen des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 eine Versorgungsrente samt Zusatzrente und Zulage zur Witwenrente (laut Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 17. März 1977).

Mit Bescheid des Bundessozialamtes Wien, Niederösterreich, Burgenland vom 15. Jänner 1997 wurde gemäß §§ 13, 35 Abs. 3 und 52 Abs. 2 und 3 des KOVG 1957 die der Beschwerdeführerin gewährte Zusatzrente mit Wirkung vom 1. Jänner 1997 eingestellt und gleichzeitig die ihr gewährte Zulage zur Witwenrente gemäß §§ 13, 35a und 52 Abs. 2 und 3 neu bemessen, wobei die Leistung ab 1. Jänner 1997 mit monatlich S 3.004,-- festgesetzt wurde. Begründend führte die Behörde erster Instanz nach Wiedergabe der in Anwendung gebrachten Gesetzesbestimmungen im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführerin auch fiktive Zinsen aus dem Verkaufserlös landwirtschaftlicher Flächen (insgesamt S 3,176.200,--) in Höhe von monatlichen S 10.322,70 als Einkommen anzurechnen seien.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und wandte im Wesentlichen ein, der gesamte Verkaufserlös in der Höhe von S 3,176.200,-- sei von der Raiffeisenbank zur Abdeckung der Verbindlichkeiten, die sie eingegangen sei, einbehalten worden, die Anrechnung von fiktiven Zinsen daher nicht gerechtfertigt. Die Beschwerdeführerin sei diese Verbindlichkeiten eingegangen, um sicherzustellen, dass die Firma ihres Schwiegersohnes erhalten bleibe und dadurch auch der Unterhalt ihrer Tochter sichergestellt sei. Es habe für sie zwar keine gesetzliche Verpflichtung bestanden, diese Verbindlichkeiten einzugehen, es sei jedoch eine gewisse moralische Verpflichtung den Eltern ihren Kindern gegenüber nicht zur Gänze in Abrede zu stellen. Die Beschwerdeführerin sei diese Verbindlichkeiten keineswegs leichtsinnig eingegangen, sondern habe versucht, dadurch die Erwerbstätigkeit ihres Schwiegersohnes und ihrer Tochter zu erhalten.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung nach Durchführung einer unter Ausschluss der Parteiöffentlichkeit durchgeführten Verhandlung am 17. April 1997 gemäß § 94 des KOVG 1957 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG keine Folge. Die wesentliche Begründung lautet dahingehend, dass die Entscheidung des Bundessozialamtes "den gesetzlichen Bestimmungen entspreche". Der Verkaufserlös sei nicht zur Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse, sondern zur Abdeckung von Verbindlichkeiten des Schwiegersohnes verwendet worden. Die Beschwerdeführerin habe hiedurch auf erzielbare Einkünfte aus Verkaufserlös (Zinsen) verzichtet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf weiteren Bezug einer Zusatzrente samt Zulage verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften als auch unter jenem einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringt die Beschwerdeführerin auf Sachverhaltsebene Folgendes vor:

"Mein Gatte, von dem ich meine Ansprüche nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz ableite, ist am 7.9.1976 verstorben. Er hat mir knapp davor seine Landwirtschaftshälfte übertragen und ich habe diese in der Folge selbst bewirtschaftet und später an meinen Sohn M verpachtet. Die Landwirtschaft war völlig unbelastet.

Vor einigen Jahren hat mich meine Tochter N gebeten, ihrem Ehegatten, Herrn N, Inhaber eines Autohauses in St. Pölten, vorübergehend durch Einräumung des Pfandrechtes über S 700.000,-- auf meiner Liegenschaft auszuhelfen. Dieser war damals selbst in Besitz eines Gewerbegrundes in St. Pölten mit einer Fläche von ca. 4.000 m2 und einem vermeintlichen Wert von S 8,000.000,--. Dieser sollte gleichzeitig verkauft werden, weshalb man ihn nicht belasten konnte und aus dem Verkaufserlös sollte dann die Raiffeisenbank St. Pölten, für die ich das Pfandrecht einverleiben ließ, befriedigt werden. Ich habe mich nach kurzer Überlegung entschlossen, meiner Tochter auf diese Weise zu helfen, wobei ich meinte, durch das Gewerbegrundstück meines Schwiegersohnes ausreichend abgesichert zu sein. Die von Herrn N geführten Verkaufsverhandlungen sind zunächst daran gescheitert, dass ein Käufer, mit dem bereits Verträge bestanden, den Kaufpreis von 8 Mio nicht aufbringen konnte. Einen vorgesehenen Verkauf um S 6 Mio hat die Bank abgelehnt, weil ihr der Erlös zu gering erschien. Nicht zuletzt dadurch und aus anderen Gründen, welche für mich nicht vorhersehbar waren, ist Herr N in der Folge in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und es wurde über das Vermögen seiner Firma der Konkurs eröffnet. Dazu kam noch, dass der Gewerbegrund im Preis verfiel und sein Erlös die Verbindlichkeiten nicht mehr annähernd decken konnte.

Mir wurde von der Raiffeisenbank plötzlich und zu meiner Bestürzung eröffnet, dass ich bis zu einem Betrag von S 5 Mio haften würde, was mir bis heute unerklärlich ist. Die Bank hat mir in der Folge eine von mir unterfertigte Bürgschaftserklärung vorgelegt, deren Existenz mir bis dahin unbekannt war und bis heute unerklärlich ist. Ich bin bis heute davon überzeugt, dass ich nur ein Pfandrecht über S 700.000,-- einräumen wollte, sehe mich angesichts meiner wirtschaftlichen Lage jedoch außer Stande, mich auf einen Zivilprozess mit der Raiffeisenbank St. Pölten einzulassen.

Der mir nun angelastete Verkauf eines Teiles meiner Liegenschaften erfolgte daher keinesfalls freiwillig, auch nicht leichtsinnig und auch nicht zu dem Zweck um meiner Familie finanzielle Vorteile zukommen zu lassen und auch nicht aus moralischen Gründen, sondern einzig allein zu dem Zweck, eine Versteigerung zu verhindern, welche einen wesentlich geringeren Erlös erbracht hätte.

Ich bin durch diese Umstände geradezu unverschuldet in Not geraten und benötige die Zusatzrente und Zulage noch viel mehr als früher. Meiner Ansicht nach habe ich diesen Anspruch unter den gegebenen Umständen auch nicht durch Leichtsinn verwirkt, zumal es schon jüngeren und gebildeteren Menschen passiert ist, dass sie in eine für sie ihrer Höhe nach nicht vorhersehbare Haftung geschlittert sind. Im konkreten Fall haben sich die Verbindlichkeiten meines Schwiegersohnes im Zuge des Konkurses angeblich durch Verzugszinsen, fällig gewordene Garantien und Ähnliches vervielfacht."

Unter Einkommen im Sinn des § 12 Abs. 2 ist zufolge § 13 Abs. 1 KOVG 1957 - abgesehen von den Sonderbestimmungen der Abs. 4 bis 8 - die Wertsumme zu verstehen, die einer Person aus dauernden Ertragsquellen in Geld- oder Güterform zufließt und die sie verbrauchen kann, ohne dass ihr Vermögen geschmälert wird. Zum Einkommen zählen jedoch nicht Familienbeihilfen, Erziehungsbeiträge sowie die für Kinder gewährten Familienzulagen, Familienzuschläge, Steigerungsbeträge und sonstige gleichartigen Leistungen. Wenn das Einkommen aus einer Pension, einer Rente, einem Gehalt oder einem sonstigen gleichartigen Bezug besteht, gelten auch die zu diesen Bezügen geleisteten Sonderzahlungen nicht als Einkommen.

Im Sinne dieser Gesetzesbestimmung gilt auch als Einkommen, was der Bezugsberechtigte aus vorhandendem Vermögen ohne Substanzverlust zumutbarerweise hätte erzielen können (fiktive Zinsen). Der in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur immer wieder vertretene Grundgedanke, dass ein Verlust der Ansprüche nach dem KOVG eintritt, wenn sich der Anspruchswerber (Leistungsbezieher) ohne zureichende Gründe der Möglichkeit begibt, aus seinem Besitz ein ausreichendes Einkommen zu erzielen, kommt somit auch im Falle der Veräußerung von Vermögenswerten in Frage. In solchen Fällen gelten daher auch als gemäß § 13 Abs.1 KOVG anrechenbares Einkommen fiktive Erträgnisse aus dem effektiv nicht mehr vorhandenen (veräußerten) Kapital. Entscheidend ist dabei, ob für die Veräußerung und ihre Art zwingende Gründe vorhanden waren. Daher darf ein Anspruchsverlust nicht angenommen werden, ohne die Gründe für das Rechtsgeschäft und dessen Ausgestaltung zu prüfen. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht nicht hervor, dass die belangte Behörde sich mit dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin in irgendeiner Weise auseinander gesetzt hätte. In diesem Zusammenhang fällt insbesondere auf, dass die belangte Behörde davon ausging, dass der Verkaufserlös zur Abdeckung der Verbindlichkeiten "des Schwiegersohnes" verwendet worden sei, obwohl dem Inhalt der Berufung bereits zu entnehmen war, dass es sich bei den eingangenen Bankverbindlichkeiten um eigene Verbindlichkeiten der Beschwerdeführerin aus einer Bürgschaft gehandelt habe, wie dies im Übrigen bereits in der Anzeige gemäß § 53 KOVG vom 23. Februar 1996 dargelegt worden war und auch Anlass zur - in Rechtskraft erwachsenen - Neubemessung laut Bescheid der belangten Behörde vom 7. November 1996 wurde. Leistungen aus der Erfüllung einer Bürgschaftsverpflichtung können aber als - im Rahmen der Einkommensermittlung gemäß § 13 KOVG zu berücksichtigende - außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn schon die Übernahme der Bürgschaft zwangsläufig war (vgl. auch das Erkenntnis vom 16. September 1974, Zl. 125/1974).

Nach dem gemäß § 67 AVG von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0722, und vom 6. März 1996, Zl. 95/20/0074, und die dort wiedergegebene Judikatur). Die Berufungsbehörde genügt ihrer Begründungspflicht im Allgemeinen mit einer kurzen Verweisung auf die Gründe im Bescheid der Vorinstanz, falls sie in der Frage des Tatbestandes und der rechtlichen Beurteilung mit der ersten Instanz einer Meinung ist (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Seite 465, wiedergegebene hg. Judikatur) und nicht in der Berufung neues Vorbringen erstattet wird, mit dem sich die Berufungsbehörde im Rahmen des § 66 Abs.4 AVG auseinander zu setzen hat. Genau das hat aber die belangte Behörde nicht getan, insoweit sie - zudem auch aktenwidrig - ohne Eingehen auf die in der Berufung enthaltenen Darlegungen der Beschwerdeführerin lediglich davon ausging, der von ihr aus dem Verkauf der Liegenschaften erzielte Erlös sei zur "Abdeckung der Verbindlichkeiten ihres Schwiegersohnes" und damit "nicht zur Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse" verwendet worden. Über die näheren Umstände der Übernahme der Bürgschaft hat die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen, so dass die Frage ihrer Zwangsläufigkeit offen geblieben ist.

Im fortgesetzten Verfahren wird sich die belangte Behörde daher mit der Frage der Notwendigkeit und Vorwerfbarkeit der Handlungen der Beschwerdeführerin im Sinne ihres Vorbringens auseinander zu setzen und dabei die seither stattgefundenen Entwicklungen (Dissolutionsvertrag und Kaufvertrag samt Nachtrag) zu berücksichtigen haben.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da Aufwendungen für Stempelmarken nur in dem hiefür gesetzlich erforderlichen Ausmaß zuerkannt werden können.

Wien, am 7. Juli 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997090195.X00

Im RIS seit

25.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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