TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/21 L506 2150120-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.08.2018
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Entscheidungsdatum

21.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L506 2150120 -1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX1998 alias XXXX1994, StA. Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2017, Zl. XXXX, Regionaldirektion Tirol, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein pakistanischer Staatsangehöriger aus XXXX, FATA, schiitischen Glaubens und Angehöriger der Volksgruppe der Pashtunen, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 21.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Anlässlich der Erstbefragung am selben Tag gab der BF an, er sei am XXXX1994 in XXXX geboren, sei schiitischen Religionsbekenntnisses und gehöre der Volksgruppe der Pashtunen an. Er habe in XXXX gewohnt, habe dort 10 Jahre die Grundschule besucht und sei bis zu seiner Ausreise Schüler gewesen. Seine Eltern und fünf Brüder seien nach wie vor in Pakistan aufhältig. Befragt zu seinen Ausreisegründen brachte der BF vor, er habe sein Land wegen der schlechten Sicherheitslage in XXXX und weil in Pakistan tagtäglich Schiiten ermordet werden würden verlassen. Im Rückkehrfall habe er Angst, wegen seiner Religion getötet zu werden.

3. Am 08.02.2017 erfolgte eine Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Dort korrigierte der BF zunächst sein Geburtsdatum auf XXXX1998 und gab an, dass er ledig, gesund und schiitischer Religionszugehörigkeit sei und der Volksgruppe der Pashtunen angehöre. Er habe in seinem Heimatland zehn Jahre die Grundschule besucht und mit Matura abgeschlossen und danach sechs Monate ein medizinisches College. Vor etwa zehn Jahren sei sein Elternhaus in XXXX von den Taliban abgebrannt worden und er sei mit seinen Eltern und Geschwistern nach XXXX gezogen. Bis zu seiner Ausreise habe er mit seinen Brüdern bei den Eltern in XXXX gewohnt, habe aber die Reise von Islamabad aus angetreten. Seine Familie sei bis auf einen Bruder, der Asylwerber in Australien sei, nach wie vor in XXXX aufhältig und er stehe in Kontakt mit seiner Familie. In Österreich lebe er von der Grundversorgung, spiele Fußball und gehe ins Fitnessstudio. Er habe keine Deutschprüfung absolviert. Er habe einmal gemeinnützig gearbeitet und er brachte ein Empfehlungsschreiben in Vorlage.

Zum Ausreisegrund befragt gab der BF an, es gäbe in Pakistan jede Woche einen Bombenanschlag und er habe nicht in Sicherheit leben können. Die Lage habe sich sehr verschlechtert, die Schiiten würden im ganzen Land verfolgt und von der Regierung nicht unterstützt werden. Sonst habe er keine Ausreisegründe. Gegen ihn persönlich habe es keine Übergriffe gegeben, er sei auch nicht vorbestraft, werde nicht von der Polizei oder einem Gericht gesucht, sei kein Mitglied einer politischen Partei und sei auch nie von staatlicher Seite wegen seiner Religion, Rasse, Nationalität, Volksgruppe oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt worden. Bei Rückkehr fürchte er, wegen seiner schiitischen Religionszugehörigkeit verfolgt zu werden.

4. Mit Schreiben vom 13.02.2017 brachte der BF per E-Mail ein Konvolut an Unterlagen (Zeugnisse, Geburtsurkunde, Schreiben der XXXX und XXXX - jeweils in Kopie, Teilnahmebestätigung und Empfehlungsschreiben) in Vorlage.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Das BFA stellte fest, dass der BF weder aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe noch der politischen Gesinnung in seiner Heimat persönlich von staatlicher Seite oder Privatpersonen verfolgt worden sei, sondern sein Heimatland wegen der allgemeinen Situation verlassen habe.

Das BFA führte beweiswürdigend aus, dass dem BF geglaubt werde, dass er sein Land aufgrund der allgemeinen Situation verlassen habe. Nicht glaubhaft sei hingegen, dass jeder schiitische Bürger in ganz Pakistan verfolgt werde.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.

Zu Spruchpunkt III. hielt das BFA fest, dass die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für den Beschwerdeführer keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle.

6. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 27.02.2017 wurde gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

7. Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seinen Vertreter binnen offener vollumfängliche Beschwerde. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

Zusammengefasst gab der BF an, er habe seine Heimatregion aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage verlassen, zumal er als Schiit einem besonders hohen Risiko von Anschlägen ausgesetzt sei. Die Menschenrechtslage in Pakistan sei kritisch, religiösen Minderheiten würde kein effektiver Schutz vor Attacken gewährt werden.

8. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

9. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des BF, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde. Einsicht genommen wurde zudem in die vom BFA in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des BF, die dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

1.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

1.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger, moslemischen Glaubens (Schiite), und Angehöriger der Volksgruppe der Pashtunen.

Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX in den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA). In Pakistan hat der Beschwerdeführer nach zehn Jahren die Grundschule mit Matura abgeschlossen und anschließend sechs Monate ein medizinisches College besucht; er war bis zu seiner Ausreise Schüler bzw. Student.

Der Beschwerdeführer reiste illegal aus Pakistan aus und illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 21.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. In Pakistan sind nach wie vor seine Eltern sowie fünf seiner Brüder aufhältig und es besteht auch Kontakt zu seiner Familie.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat Pakistan asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war oder pro futuro asylrelevanter Verfolgung in Pakistan ausgesetzt sein wird.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Verwandten oder sonstigen nahen Bezugspersonen. Er spielt Fußball und trainiert in einem Fitnessstudio. Er ist nicht erwerbstätig und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Im Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen des Beschwerdeführers auf und ist er unbescholten.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass er über bestimmte Deutschkenntnisse verfügt und allenfalls bereits einen Deutschkurs erfolgreich abgeschlossen hat.

Auch sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.

Des Weiteren liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan festzustellen ist.

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

KI vom 23.1.: Anschlag in Parachinar Kurram Agency

Bei einem Sprengstoffanschlag auf einem Gemüsemarkt in Parachinar, in der Kurram Agency wurden am 21.1.2017 mindestens 25 Menschen getötet. Rund 85 Personen wurden verletzt (Dawn 22.1.2017). Der Anschlag unterbricht eine relativ lange Zeitspanne ohne terroristische Gewalttaten in dieser Region (TET 22.1.2017). Der Sprengsatz war in einer Gemüsekiste verborgen (The Pashtun Times 21.1.2017) und wurde zur Explosion gebracht, als der Markt mit Händlern dicht gefüllt war (Dawn 22.1.2017). Die verbotene Lashkar-i-Jhangvi al-Alami behauptet zusammen mit der Tehreek-i-Taliban Pakistan (TTP) Splittergruppe Shehryar Mehsud den Anschlag durchgeführt zu haben (Dawn 22.1.2017). Im Dezember 2015 sind bei einer ähnlichen Explosion auf dem gleichen Markt mindestens 23 Menschen getötet worden (TET 22.1.2017). In Parachinar gibt es erhebliche Spannungen zwischen sunnitischen und schiitischen Muslimen (Handelsblatt 21.1.2017). Kurram ist die einzige Agency, in welcher die Schiiten die Mehrheit bilden (CGRS-CEDOCA 18.4.2016). Die Mehrheit der Einwohner Parachinars sind Paschtunen, die den Schiiten angehören (Vatanka 10.2.2014). Zwar ist die Anzahl der Angriffe mit einem Zusammenhang zu sektiererischen Gewalt seit nunmehr drei Jahren abnehmend, doch stellen konfessionsbedingte Gewalttätigkeiten weiterhin ein Problem dar (PIPS 1.2017). Die meisten Opfer konfessionsbedingter Gewalt betreffen Mitglieder der schiitischen Glaubensgemeinschaft (CGRS-CEDOCA 18.4.2016). Die Verletzten wurden in das zentrale Krankenhaus der Agency verbracht oder durch das Militär in weitere Krankenhäuser geflogen (The Pashtun Times 21.1.2017).

Quellen:

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Dawn (22.1.2017): 'Terrorists will fail in their attempt to regain lost relevance,' army chief says, http://www.dawn.com/news/1309800/terrorists-will-fail-in-their-attempt-to-regain-lost-relevance-army-chief-says, Zugriff 23.1.2017

-

Handelsblatt (21.1.2017): Über 20 Tote nach Anschlag auf Markt, http://www.handelsblatt.com/politik/international/pakistan-ueber-20-tote-nach-anschlag-auf-markt/19285304.html, Zugriff 23.1.2017

-

CGRS-CEDOCA - Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons (Belgium), COI unit (18.4.2016): Pakistan; Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1465459995_coi-focus-pakistan-security-situation-0.pdf, Zugriff am 17.1.2017

-

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016

-

Pakistan Security Report, Zugriff 23.1.2017

-

TET - The Express Tribune (22.1.2017): Bomb wrecks crowded market in Parachinar,

http://tribune.com.pk/story/1303160/bomb-wrecks-crowded-market-parachinar/, Zugriff 23.1.2017

-

The Pashtun Times (21.1.2017): Blast in Parachinar vegetable market kills 18,

http://thepashtuntimes.com/blast-in-parachinar-vegetable-market-kills-18/, Zugriff 23.1.2017

-

TOI - Times of Islamabad (21.1.2017): Parachinar Blast: 15 martyred, over 30 injured,

https://timesofislamabad.com/parachinar-blast-15-martyred-30-injured/2017/01/21/, Zugriff 23.1.2017

-

Vatanka, Alex (10.2.2014): The Guardian of Pakistan's Shia, http://www.hudson.org/content/researchattachments/attachment/1270/vatanka.pdf, Zugriff 19.1.2017

KI vom 7.12.: Rückkehr afghanischer Flüchtlinge (betrifft Abschnitt 21. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge)

Eine noch nie da gewesene Zahl an Afghan/Innen hat dieses Jahr - zum Teil fluchtartig - Pakistan verlassen (IRIN 13.9.2016), seit die pakistanische Regierung Ende Juni 2016 den 31. März 2017 als Deadline zur freiwilligen Rückkehr für die in Pakistan aufhältigen afghanischen Flüchtlinge festlegte. Nach diesem Stichtag würde Pakistan mit der Abschiebung aller [auch der registrierten] afghanischen Flüchtlinge beginnen (IRIN 10.11.2016).

Mit Stand 26.11. bezifferte die UN Nothilfe-Koordinierungsstelle, UN OCHA, die Zahl der in Pakistan registrierten Afghan/Innen, die im Jahr 2016 zurück gekehrt waren, mit 381.094, jene der nicht-registrierten mit 236.724. Davon fielen laut Statistiken auf die Zeitspanne bis Ende Juni 2016 insgesamt nur etwas mehr als 6.000 (UN OCHA 2.12.2016).

Internationalen Medien und Hilfsorganisationen zufolge, ging die Ankündigung der Deadline mit einer breiten Kampagne der Einschüchterung und Belästigung durch die Sicherheitskräfte einher; auch gab es weite Berichte über Gewalt, willkürliche Verhaftungen, Einfordern von hohen Bestechungsgeldern und anderen Formen der Belästigungen durch die Polizei sowie Abschiebungen (vgl. VOA News 16.10.2016, IRIN 13.9.2016, Newsweek 14.11.2016) - zusätzlich zu den rechtlichen Maßnahmen wie neuen Visabestimmungen, kürzeren Verlängerungen der "Proof of Registration (POR) Card" und vermehrt durchgeführten Razzien (VOA News 16.10.2016). Aufgrund der gehäuften Razzien wurde es auch zunehmend schwieriger in den bisher üblichen Nischen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten (IRIN 23.6.2016). "Nicht-registrierte" Flüchtlinge sind in einem noch größeren Ausmaß anfällig Opfer von Übergriffen durch die Behörden zu werden und stehen somit unter einem noch größeren Druck, Pakistan zu verlassen (IRIN 10.11.2016).

UNHCR Vertreter in Pakistan bezeichneten im Oktober die Rückkehr der registrierten afghanischen Flüchtlinge allerdings als "Großteils freiwillig" und führten den hohen Anstieg auch auf die ab Juni 2016 erfolgte Verdoppelung der Barzuschüsse von 200 auf 400 Dollar pro Person für die Rückkehr, sowie auf eine neue Rückkehrkampagne der afghanischen Regierung, zurück (VOA News 16.10.2016). Das Rückführungsprogramm des UNHCR, inklusive der genannten Barzuschüsse, zu dem nur die registrierten afghanischen Flüchtlinge berechtigt sind, ist nun für die Winterperiode vom 1.11. bis zum 1.3. ausgesetzt (IRIN 10.11.2016). Nach Angaben des pakistanischen Ministers für die Grenzregionen ["Minister for States and Frontier Regions"] wurde auch die staatliche Repatriierung der Afghan/Innen von November 2016 bis Februar 2017 ausgesetzt, einem formalen Antrag des UNHCR, der afghanischen Regierung und einiger Oppositionsparteien folgend (IRIN 10.11.2016). Im November ist die Zahl der rückkehrenden registrierten afghanischen Flüchtlinge schließlich stark gesunken (UN OCHA 2.12.2016). Anfang Dezember schließlich meldeten pakistanische Medien, dass die Regierung die Deadline auf den Dezember 2017 verlängert hat (Dawn 2.12.2016).

Rund 2,4 Millionen afghanische Flüchtlinge leben in Pakistan, eine Million davon sind "nicht-registriert". 2007 hatte Pakistan die Registrierung von Flüchtlingen aus Afghanistan eingestellt, allen danach Angekommenen wurde keine "Proof of Registration Card" ausgestellt (IRIN 10.11.2016). Ein großer Anteil der afghanischen Flüchtlinge in Pakistan sind Migrant/Innen der zweiten oder dritten Generation, die Afghanistan kaum kennen. Viele der in Pakistan lebenden Afghan/Innen flohen schon in den 80er-Jahren vor den Kämpfen zwischen sowjetischen und afghanischen Truppen (Newsweek 14.11.2016).

91 Prozent der registrierten und 87 Prozent der nicht-registrierten rückkehrenden afghanischen Flüchtlinge passierten den Grenzübergang Torkham in die afghanische Provinz Nangarhar (UN OCHA 2.12.2016). Doch sieht sich Nangarhar selbst mit den Problemen innerstaatlicher Flüchtlinge konfrontiert aufgrund von Gefechten zwischen Regierungstruppen - unterstützt von alliierten Streitkräften - und den Taliban bzw. des IS (IRIN 13.9.2016). Die Internationale Organisation für Migration (IOM) und UNHCR warnten auch im Zusammenhang mit Binnenflüchtlingen in Afghanistan vor einer schweren humanitären Krise (IOM 9.9.2016). So wurden vom 1.1.2016 bis einschließlich 16.11.2016 insgesamt 511.762 Menschen als Binnenvertriebene in Afghanistan registriert (UN OCHA 27.11.2016). Zusammen mit den aus Pakistan Rückkehrenden wird erwartet, dass unter winterlichen Verhältnissen zu Jahresende rund 1,6 Millionen Afghan/innen in Bewegung sein werden (UN AFGH 16.11.2016). Die UN hat angekündigt, für diesen Notfall 152 Millionen Dollar zu beantragen, da die ursprünglichen Berechnungen von Unterstützungsleistungen an 250.000 Binnenflüchtlinge in Afghanistan ausgingen (IRIN 13.9.2016). Die Zahl der Rückkehrer/Innen aus Pakistan hatte UNHCR für das Jahr 2016, basierend auf Trends der letzten Jahre, auf nur 50.000 geschätzt (Dawn 2.12.2016).

Der afghanischen Regierung wird wiederum vorgeworfen, es verabsäumt zu haben, den rückkehrenden Flüchtlingen "angemessene Lebensbedingungen" zu bieten. Der afghanische Minister für Flüchtlinge und Rückführung führte indes an, dass die afghanischen Flüchtlinge von Pakistan als politisches Instrument verwendet werden (TOLO News 25.9.2016). So hatten sich Spannungen zwischen Afghanistan und Pakistan zugespitzt und mündeten im Juni in vermehrten Schusswechsel an der Grenze zwischen Militärs beider Länder (IRIN 23.6.2016). Der Ausbau der afghanisch-indischen Beziehungen trübt zusätzlich die Beziehungen der beiden Nachbarstaaten (Dawn 24.10.2016).

Quellen:

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Arab news - The Middle East-s Leading English Language Daily (3.12.2016): More than 380,000 Afghans returned from Pakistan in 2016: UNHCR, http://www.arabnews.com/node/1018641/world, Zugriff 6.12.2016.

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Dawn (24.10.2016): Aid agencies struggle to assist wave of returning Afghan refugees, http://www.dawn.com/news/1291904, Zugriff 6.12.2016.

-

Dawn (2.12.2016): More than 380,000 Afghans return from Pakistan in 2016: UNHCR, http://www.dawn.com/news/1300052, Zugriff 6.12.2016

-

IOM - International Organization for Migration (9.9.2016): Crisis Looms Amid Skyrocketing Numbers of Afghan Returnees from Pakistan, https://www.iom.int/news/crisis-looms-amid-skyrocketing-numbers-afghan-returnees-pakistan-iom, Zugriff 6.12.2016

-

IRIN - (13.9.2016): Afghanistan overwhelmed as refugees return from Pakistan,

https://www.irinnews.org/news/2016/09/13/afghanistan-overwhelmed-refugees-return-pakistan, Zugriff 6.12.2016

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IRIN - (13.9.2016): Will the UN become complicit in Pakistan's illegal return of Afghan refugees?

https://www.irinnews.org/analysis/2016/11/10/will-un-become-complicit-pakistan%E2%80%99s-illegal-return-afghan-refugees, Zugriff 6.12.2016

-

Newsweek (14.11.2016): Is Pakistan expelling hundreds of thousands of refugees?

http://europe.newsweek.com/pakistan-expelling-afghanistan-refugees-520821?rm=eu, Zugriff 6.12.2016.

-

IRIN - (23.6.2016): Is Pakistan going to send Afghan refugees home?

http://www.irinnews.org/news/2016/06/23/pakistan-going-send-afghan-refugees-home, Zugriff 5.12.2016.

-

Pakistan Telegraph (17.10.2016): UN: 370,000 Afghans Returned Home From Pakistan,

http://www.pakistantelegraph.com/index.php/sid/248598539, Zugriff 1.12.2016

-

TOLO News (25.9.2016): Pakistan Using Afghan Refugees As A Political Tool: Minister,

http://www.tolonews.com/en/afghanistan/27454-pakistan-using-afghan-refugees-as-a-political-tool-minister, Zugriff 1.12.2016

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TOLO News (15.9.2016): HRW Calls On Pakistan To Stop 'Driving Out' Afghan Refugees,

http://www.tolonews.com/en/afghanistan/27261-hrw-calls-on-pakistan-to-stop-driving-out-afghan-refugees, Zugriff 1.12.2016

-

VOA - Voice of America News (16.10.2016): UN: 370,000 Afghans Returned Home From Pakistan,

http://www.voanews.com/a/un-370000-afghans-returned-home-from-pakistan/3553436.html, Zugriff 1.12.2016

-

UN AFGH - United nations in Afghanistan (16.11.2016): UN AF, Population Movement Bulleting, Issue 7, November 2016.pdf, Zugriff 5.12.2016

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UN OCHA - Afghanistan (27.11.2016): Afghanistan: Conflict Induced Displacements,

http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/afg_idp_situation_dashboard_20161127_0.pdf, Zugriff 6.12.2016

-

UN OCHA - Pakistan (2.12.2016): Afghan Refugees and undocumented Afghans Repatriation (1 Jan to 26 Nov, 2016) https://www.humanitarianresponse.info/system/files/documents/files/afghan_returns_20161126.pdf

KI vom 14.11.2016: Anschlag auf Sufi-Schrein in Provinz Baluchistan (betrifft Abschnitt 16/Religionsfreiheit)

Bei einem Selbstmordanschlag beim Schah Noorani-Schrein im Gebiet Khuzdar, in der südlichen Provinz Baluchistan sind am 12.11.2016 mindestens 52 Menschen getötet worden. Rund 105 weitere Personen sind durch die Explosion, welche sich rund 760 Kilometer von der Provinzhauptstadt Quetta ereignete, verletzt worden (RP 14.11.2016). Zum Zeitpunkt des Anschlags feierten hunderte Gläubige eine Sufi-Zeremonie. Der Sufismus stellt eine mystische Bewegung im Islam dar. Islamische Fundamentalisten sehen diese Glaubensrichtung als ketzerisch an (SN 13.11.2016). Ihre Schreine werden regelmäßig von pakistanischen Taliban angegriffen, die meinen, dass Musik und Tanz beim Gebet unislamisch sind. Unter den Besuchern befanden sich Männer, Frauen und Kinder (nTV 14.11.2016). Der Anschlag reiht sich unter die vier heftigsten Terroranschläge im bisherigen Jahr (TET 14.11.2016). Zu dem Anschlag bekannte sich die Terrormiliz Islamischer Staat (RP 14.11.2016). Die Tat wurde von pakistanischen Politikern scharf verurteilt (nTV 14.11.2016).

Quellen:

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n TV: Bombenanschlag in Pakistan, Taliban attackieren religiöse Stätte,

http://www.n-tv.de/politik/Taliban-attackieren-religioese-Staette-article19075991.html, Zugriff 14.11.2016

-

SN - Salzburger Nachrichten (13.11.2016): Zahl der Toten nach Anschlag in Pakistan auf 52 gestiegen http://www.salzburg.com/nachrichten/welt/politik/sn/artikel/zahl-der-toten-nach-anschlag-in-pakistan-auf-52-gestiegen-221955/ Zugriff 14.11.2016

-

TET - The Express Tribune (14.11.2016): Khuzdar shrine bombing: At saint's abode, survivors relive the nightmare, http://tribune.com.pk/story/1230241/khuzdar-shrine-bombing-saints-abode-survivors-relive-nightmare/ , Zugriff 14.11.2016

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RP - Rheinische Post (14.11.2016): 52 Menschen sterben bei Bombenanschlag auf Schrein

http://www.rp-online.de/panorama/ausland/is-anschlag-in-pakistan-52-menschen-sterben-bei-bombenanschlag-auf-schrein-aid-1.6391694, Zugriff 14.11.2016

KI vom 17.3.2016: Feiertage religiöser Minderheiten (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 16)

Die pakistanische Nationalversammlung hat am Dienstag den 15. März 2016, eine Resolution angenommen, die beinhaltet Maßnahmen zu ergreifen, damit Holi [Frühlingsfest (Holi Festival o.D.)], Diwali [Lichterfest der Hindu (9.11.2015)] und Ostern als Feiertage für die jeweiligen Minderheiten erklärt werden. Dr. Ramesh Kumar Vankwani, ein Hindu aus der Partei "Pakistan Muslim League-Nawaz", der einen reservierten Sitz der Minderheiten in der Nationalversammlung hat, präsentierte die Resolution (TET 16.3.2016; vgl. auch: BS 15.3.2016). Wenn sich die Regierung an die Resolution hält, wird das Innenministerium eine Verlautbarung der Feiertage verkünden (BS 15.3.2016).

Quellen:

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BS - Business Standard (15.3.2016): Pakistan to declare Holi, Diwali as holidays,

http://www.business-standard.com/article/news-ians/pakistan-to-declare-holi-diwali-as-holidays-116031500952_1.html, Zugriff 17.3.2016

-

Holi Festival (o.D.): Holi in India, http://www.holifestival.org/holi-in-india.html, Zugriff 17.3.2016

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Independent (9.11.2015): What is Diwali? When is the festival of lights?,

http://www.independent.co.uk/news/world/asia/diwali-what-is-the-festival-of-lights-and-when-is-it-celebrated-a6720796.html, Zugriff 17.3.2016

-

TET - The Express Tribune (16.3.2016): Govt agrees to Holi, Easter holidays,

http://tribune.com.pk/story/1066391/govt-agrees-to-holi-easter-holidays/, Zugriff 17.3.2016

Politische Lage

Der Bundesstaat Pakistan besteht aus den vier Provinzen Punjab, Sindh, Baluchistan, Khyber Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province) und den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Die pakistanische Verfassung bestimmt, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze in den FATA nur gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), den auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 8.2015a).

Die pakistanische Bevölkerung wird vom CIA World Factbook mit Stand Juli 2015 auf über 199 Millionen geschätzt. Pakistan ist damit der siebtbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 15.9.2015).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 8.2015a).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 8.2015a).

Die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen am 11. Mai 2013 war überraschend hoch. Unter den vor den Wahllokalen Wartenden befanden sich ungewöhnlich viele junge Wähler und Frauen (NZZ 11.5.2013). Die mit der Al-Kaida verbündete TTP (Tehrik-e-Taliban Pakistan) hielt die Wahl für unislamisch und hatte für den Wahltag Selbstmordanschläge angekündigt. Die Wahl fand deshalb unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt, mehr als 620.000 Polizisten, Paramilitärs und Soldaten waren im Einsatz (DZ 11.5.2013). Im Rahmen der Wahlen verübten die Taliban und andere Gruppen mehr als 150 Terroranschläge, bei denen ca. 170 Menschen getötet und 700 verletzt wurden (BFA 10.2014).

Im Anschluss an die Wahlen wurde eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung von der Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Nawaz Sharif abgelöst. Die PML-N erreichte eine absolute Mehrheit der Mandate. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die ehemalige Regierungspartei PPP, dicht gefolgt von der PTI des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion im Parlament. Am 5. Juni 2013 wurde Nawaz Sharif vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 - 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief (AA 8.2015a). Erst im Herbst 2008 war Pakistan zu demokratischen Verhältnissen zurückgekehrt, nachdem der seit 1999 regierende Militärherrscher Musharraf das Land verlassen hatte, um einem drohenden Amtsenthebungsverfahren zuvorzukommen (AA 8.4.2014).

Ebenfalls am 11. Mai 2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 Prozent der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber-Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei NP geführt, die eine Koalition mit PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 8.2015a).

Am 30. Juli 2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente mit großer Mehrheit den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9. September 2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts hat die Demokratie in Pakistan erheblich gestärkt (AA 8.2015a; vgl. auch: BFA 10.2014).

Ministerpräsident Nawaz Sharif hat wirtschafts- und finanzpolitische Themen sowie die Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten Afghanistan und Indien zu den Schwerpunkten seiner Amtszeit erklärt. Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst - mandatiert durch eine Allparteienkonferenz - um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess jedoch mit Beginn der Militäroperation in Nord-Wasiristan im Juni 2014 abgebrochen (AA 8.2015a). Im Gefolge des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket ("National Action Plan") zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u.a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafenmoratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismusverdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 8.2015a; vgl. auch: BFA 9.2015).

Katastrophen

Die aufeinanderfolgenden Regierungen haben nur geringe Investitionen in die Bewältigung von Naturkatastrophen getätigt. Seit 2005 gibt es die National Disaster Management Authority (NDMA), die schnell auf Naturkatastrophen reagieren soll. Die NDMA arbeitet mit dem Militär zusammen, wenn Helikopter, Boote und Fahrzeuge benötigt werden (IRIN 3.4.2014). 2012 wurden Katastrophenmanagement-Behörden in Distrikten und Provinzen eingerichtet, doch gibt es einen Mangel an ausgebildetem Personal und finanziellen Ressourcen (TRF 9.9.2013; vgl. auch: IRIN 3.4.2014). Bei einem Erdbeben am 26.10.2015, welches in Pakistan am meisten Khyber Pakhtunkhwa, FATA, Gilgit Baltistan, Azad Jammu & Kashmir und Punjab traf, kamen mindestens 248 Menschen ums Leben. Das pakistanische Militär und Zivilbehörden entsandten mehrere Hubschrauber in die betroffenen Gebiete, um Rettungsmaßnahmen durchführen zu können (Dawn 28.10.2015). Rettungskräfte wurden auch in abgelegene bergige Gebiete entsandt, wo die Auswirkungen des Erdbebens noch unklar waren. Die NDMA berichtet, dass sie einige entlegenen Gebiete noch nicht erreicht hatten, da diese aufgrund von Erdrutschen unzugänglich wurden (BBC 27.10.2015). Die Taliban forderten ihre Kämpfer auf, die Opfer des Erdbebens zu unterstützen und gaben auch bekannt, dass sie staatliche Hilfsmaßnahmen im nördlichen Afghanistan und Pakistan nicht blockieren werden (USA Today 27.10.2015; vgl. auch: BBC 27.10.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

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AA - Auswärtiges Amt (8.2015a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 11.9.2015

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BBC - Afghanistan-Pakistan quake: Rescue efforts expanded, http://www.bbc.com/news/world-asia-34644125, Zugriff 29.10.2015

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BFA Staatendokumentation (10.2014): Pakistan - Challenges & Perspectives

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BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1443527547_bfa-paki-ffm-report-2015-09.pdf, Zugriff 30.9.2015

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CIA - Central Intelligence Agency (15.9.2015): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 18.9.2015

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Dawn (28.10.2015): Earthquake toll reaches 248, relief efforts continue, http://www.dawn.com/news/1215703, Zugriff 29.10.2015

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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