TE Lvwg Erkenntnis 2018/11/9 VGW-111/072/10054/2018

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Veröffentlicht am 09.11.2018
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Entscheidungsdatum

09.11.2018

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
L82009 Bauordnung Wien

Norm

B-VG Art. 7
BauO Wr §60 Abs1
BauO Wr §62a Abs5a
BauO Wr §127 Abs8a
BauO Wr §127 Abs8 lita

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr.in Lettner über die Beschwerde der A. GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, Baupolizei - …, vom 4.7.2018, Aktenzahl …, mit welchem gemäß § 127 Abs. 8a iVm § 127 Abs. 8 lit. a Bauordnung für Wien (BO) die Baueinstellung zum Abbruch des Gebäudes auf der Liegenschaft in Wien, B.-straße, EZ …, KG C. verfügt wurde,

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Bescheid vom 4.7.2018, Zahl …, erfolgte die Baueinstellung gemäß § 127 Abs. 8a iVm § 127 Abs. 8 lit a BO hinsichtlich des Abbruches des Gebäudes auf der Liegenschaft in Wien, B.-straße. Dagegen richtet sich die Beschwerde der A. GmbH (in der Folge: Beschwerdeführerin), die Grundeigentümerin ist und an die der Bescheid gerichtet ist.

Sie führt darin im Wesentlichen aus, dass hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft bereits im Jänner 2018 eine Baubewilligung für die Neuerrichtung eines Gebäudes eingereicht worden sei und diesbezüglich bereits eine Verhandlung vor der Behörde stattgefunden habe. Die Behörde habe mit der Baueinstellung wider Treu und Glauben gehandelt, da die Beschwerdeführerin mit Recht davon ausgegangen sei, dass mangels Versagungsgründen bzw. Einwendungen gegen das Bauprojekt die Baubewilligung erteilt worden wäre.

Die Kundmachung der nunmehr angewendeten Novelle der Bauordnung habe erst am 29.6.2018 stattgefunden. Die Beschwerdeführerin hätte daher nicht mit der Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides rechnen können.

Zum Zeitpunkt des Beginnes der Abbrucharbeiten am 26.6.2018 seien diese bewilligungsfrei gewesen, zumal sich das gegenständliche Gebäude nicht in einer Schutzzone befinde. Die Novelle, die erst am 30.6.2018 in Kraft getreten sei, sei daher auf diese bereits begonnen Arbeiten nicht anwendbar. Auch hätte die Beschwerdeführerin vor Beginn der Arbeiten keine Möglichkeit gehabt, die nunmehr geforderte Bestätigung des Magistrats, dass an der Erhaltung des Bauwerkes kein öffentliches Interesse bestehe, zu erlangen bzw. vorzulegen. Eine Möglichkeit, eine solche Bestätigung nachzureichen, sei der Beschwerdeführerin vor der Baueinstellung nicht eingeräumt worden. Die Behörde sei unzulässiger Weise von einer Rückwirkung dieser Bestimmung ausgegangen, obwohl eine solche im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen sei.

Im Übrigen sei der Abbruch jedenfalls zu bewilligen, da das Gebäude bereits vor Jahren teilweise abgerissen worden sei. Auf einem Teil der ursprünglichen Liegenschaft befinde sich nunmehr das Gebäude D.-gasse. Der noch vorhandene Rest des Gebäudes sei de facto in einem unbrauchbaren Zustand. Ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des verbliebenen Gebäudeteiles könne daher nicht bestehen. Vielmehr liege das öffentliche Interesse darin, durch die Neuerrichtung des geplanten Gebäudes ein einheitliches Stadtbild herzustellen. Dadurch würde auch die Schaffung von 17 Wohnungen ermöglicht, die aufgrund der zunehmenden Wohnungsnot auf dem Wiener Wohnungsmarkt ebenfalls im öffentlichen Interesse liege.

Da die Baueinstellung aus den angeführten Gründen rechtswidrig erfolgt sei, werde beantragt, der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid aufzuheben in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Bewilligung zum Abbruch des Gebäudes zu erteilen in eventu den Bescheid aufzuheben und das Verfahren zur Ergänzung an die Behörde zurückzuverweisen.

Aufgrund der Beschwerde wurde am 7.11.2018 vor dem Verwaltungsgericht Wien eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Die Verhandlung hatte folgenden Verlauf:

„Auf Frage der Verhandlungsleiterin teilt die Beschwerdeführerin mit, dass mittlerweile eine Baubewilligung für einen Neubau auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft erteilt wurde.

Die Behördenvertreterin legt den Bescheid vom 30.7.2018, Zl. MA 37/…, zur Einsicht vor.

Die Beschwerdeführerin hat weiters eine Bewilligung für den verfahrensgegenständlichen Abbruch bei der Behörde beantragt. Dieses Verfahren ist noch offen.

Die Beschwerdeführerin teilt mit, dass sie den Abbruch des Gebäudes auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft in Auftrag gegeben hat und daher Bauherr ist.

Der Abbruch wurde, wie im Behördenakt ersichtlich, am 25.6.2018 begonnen. Die Abbrucharbeiten sind bis dato nicht abgeschlossen.

Die Behördenvertreterin legen eine Stellungnahme der MA 19 vom 13.9.2018 zum Akt, aus der hervorgeht, dass an der Erhaltung des verfahrensgegenständlichen Gebäudes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild ein öffentliches Interesse besteht (Beilage 1).

Auf die Frage der Beschwerdeführerin, ob nach Ansicht des Gerichtes der Bescheidadressat im angefochtenen Bescheid ausreichend bezeichnet ist, teilt die Verhandlungsleiterin unter Hinweis auf die einschlägige Judikatur des VwGH mit, dass es ausreicht, wenn der Bescheidadressat aus der Zustellverfügung ersichtlich ist.

Die Beschwerdeführerin bringen vor, dass dem Gesetz von der Behörde zu Unrecht ein verfassungswidriger Inhalt unterstellt werde, da sie von einer Rückwirkung der Bestimmungen des § 60 Abs. 1 lit. d bzw. § 62a Abs. 5a BO für Wien ausgehe. Der Beschwerdeführerin sei durch die Baueinstellung ein erheblicher Schaden entstanden, da bereits ein Käufer für das dort geplante Objekt gefunden gewesen sei. Dieser Kaufvertrag sei nun gefährdet. Das Objekt könne, so wie es derzeit dastehe, weder vermietet noch verkauft werden. Es handle sich dabei de facto um ein Abbruchobjekt, das aber aufgrund der Entscheidung der Behörde derzeit nicht abgebrochen werden dürfe. Der der Beschwerdeführerin entstandene Schaden umfasse auch die mittlerweile angelaufenen Betriebskosten und Finanzierungskosten etc.. Im Übrigen seien auch die Planungen für den Neubau sowie die bisher bereits begonnenen Bauarbeiten frustriert.

Die Behördenvertreter bringen vor, dass ihrer Ansicht nach von einer Rückwirkung des Gesetzes nicht auszugehen sei. Die Abbrucharbeiten, die bis zum In-Kraft-Treten der Novelle am 30.6.2018 stattgefunden hätten, seien rechtens erfolgt. Ab dem In-Kraft-Treten der Novelle hätten jedoch geänderte Vorschriften gegolten, weshalb die Baueinstellung zu Recht erfolgt sei.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass sie einen Widerspruch darin sehe, dass die Behörde am 30.7.2018 eine Bewilligung für den Neubau eines Gebäudes auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft erteilt habe, obwohl ein solcher Neubau den Abbruch des dort bereits befindlichen Gebäudes voraussetze. Dieser Abbruch sei jedoch ebenfalls von der Behörde eingestellt worden.

Aus der Sicht der Beschwerdeführerin habe die Behörde willkürlich und gleichheitswidrig gehandelt, da nicht alle zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Novelle bereits begonnenen Baustellen mit Abbrucharbeiten gleichbehandelt worden seien. Vielmehr entstehe der Eindruck, dass die Behörde willkürlich einzelne Baustellen herausgegriffen habe und für diese Baueinstellungen verordnet habe.

Der Behördenvertreter entgegnet, dass aufgrund des unmittelbar nach der Beschlussfassung erfolgten In-Kraft-Tretens der Novelle ein rasches Handeln der Behörde erforderlich gewesen sei. Alle Projekte, für die der Abbruch eines Gebäudes, das vor 1945 errichtet worden sei, (angezeigt worden sei), seien elektronisch erfasst worden. In der Folge hätten Kontrollen über den Baufortschritt stattgefunden. Für alle Abbrucharbeiten, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt hätten, seien Baueinstellungen erfolgt. Es sei denkbar, dass für einzelne Abbrucharbeiten keine Baueinstellung erfolgt sei, dies aber im Rahmen der Bauordnung (z.B. wenn bereits mehr als die Hälfte des Gebäudes abgebrochen war und der Konsens daher untergegangen war bzw. wenn zum Zeitpunkt der Kontrolle bereits eine positive Bestätigung der MA 19 vorlag).

Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass aus ihrer Sicht die Novelle auf bereits begonnene Abbrucharbeiten nicht anzuwenden sei.

Der Behördenvertreter entgegnet, dass aus der Begründung des Initiativantrages erkennbar sei, dass der Gesetzgeber auch bereits begonnene Abbrucharbeiten erfassen hätte wollen. Andernfalls wären in die Novelle Übergangsbestimmungen für bereits begonnene Abbrucharbeiten aufgenommen worden.

Der Behördenvertreter verweist auf die Entscheidung des VGW vom 14.9.2017, Zl. VGW-111/26/8423/2016, die sich zwar auf einen anderen Sachverhalt bezogen habe, in ihrer Begründung jedoch eine auch auf das gegenständliche Problem übertragbare Feststellung getroffen habe. Der dort zugrunde liegende Sachverhalt habe die Verhängung einer Bausperre und damit das Eintreten einer Bewilligungspflicht für Baumaßnahmen betroffen. Das Gericht habe festgehalten, dass selbst für den Fall, dass Bauarbeiten zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Bausperre bereits begonnen worden wären, eine Baueinstellung durch die Behörde erfolgen hätte müssen. An dieser Rechtsansicht habe sich die Behörde auch bei der gegenständlichen Entscheidung orientiert.

Die Beschwerdeführerin entgegnet, dass dieser Entscheidung ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen sei. Die nunmehr verfahrensgegenständliche Novelle der Bauordnung habe damals noch nicht existiert. Die analoge Anwendung von Gesetzesbestimmungen stelle eine Ausnahme dar, die nur beim Vorliegen einer planwidrigen Lücke und nur äußerst restriktiv anzuwenden sei. Im Übrigen seien damals noch keine Bauarbeiten durchgeführt worden, die Entscheidung beziehe sich daher auf einen fiktiven Sachverhalt.“

Aufgrund des Akteninhalts und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

Die Beschwerdeführerin ist laut Grundbuchsauszug Grundeigentümerin der Liegenschaft in Wien, B.-straße, EZ …, KG C.. Auf dieser Liegenschaft befindet sich ein Gebäude, das unbestritten vor 1945 errichtet wurde, und hinsichtlich dessen, wie sich aus den im Behördenakt befindlichen Fotos ersichtlich, am 28.6.2018 mit dem Abbruch begonnen wurde, indem zunächst Türen und Zwischenwände im Innenbereich abgebrochen wurden. Für diesen Zeitpunkt wurde auch der Beginn der Abbrucharbeiten der Behörde bekannt gegeben. Die Abbrucharbeiten sind bis dato nicht abgeschlossen. Die Beschwerdeführerin ist Bauherrin der gegenständlichen Abbrucharbeiten.

Für diese Bauarbeiten lag zum Zeitpunkt der Erlassung der nunmehr angefochtenen Baueinstellung eine Bewilligung oder Anzeige unter Vorlage einer Bestätigung des Magistrats, dass an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht, nicht vor.

Die Einstellung dieser Abbrucharbeiten wurde mit dem angefochtenen Bescheid verfügt.

Für das verfahrensgegenständliche Grundstück wurde zu Beginn des Jahren 2018 um Baubewilligung für die Errichtung eines Neubaues nach Abbruch des bestehenden Gebäudes angesucht. Diese wurde mit Bescheid der MA 37 vom 30.7.2018 zur Zahl … erteilt.

Ein Verfahren betreffend die Bewilligung des Abbruches des verfahrensgegenständlichen Gebäudes ist bei der Behörde anhängig, jedoch noch nicht abgeschlossen. In diesem Verfahren wurde eine Stellungnahme der MA 19 zum öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Gebäudes eingeholt. Die MA 19 teilte mit, dass an der Erhaltung des Gebäudes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild ein öffentliches Interesse besteht.

In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes festzuhalten:

§ 28 Abs. 1 VwGVG lautet:

„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.“

§ 31 Abs. 1 VwGVG lautet:

„§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.“

§ 60 Abs. 1 lit d BO lautet:

„§ 60. (1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:

d) Der Abbruch von Bauwerken in Schutzzonen und Gebieten mit Bausperre sowie der Abbruch von Gebäuden, die vor dem 1.1.1945 errichtet wurden, wenn der Anzeige des Abbruchs gemäß § 62a Abs. 5a keine Bestätigung des Magistrats angeschlossen ist, dass an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht. Für Bauwerke in Schutzzonen und Gebäude, die vor dem 1.1.1945 errichtet wurden, darf die Abbruchbewilligung nur erteilt werden, wenn an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht oder sein Bauzustand derart schlecht ist, dass die Instandsetzung technisch unmöglich ist oder nur durch wirtschaftlich unzumutbare Aufwendungen bewirkt werden kann.“

§ 62a Abs. 5a BO lautet:

„§ 62a (5a) Der Abbruch von Bauwerken in Schutzzonen und Gebieten mit Bausperre sowie der Abbruch von Gebäuden, die vor dem 1.1.1945 errichtet wurden, ist spätestens vier Wochen vor dem geplanten Beginn der Arbeiten der Behörde vom Bauherrn schriftlich anzuzeigen. Der Anzeige ist eine Bestätigung des Magistrats anzuschließen, dass an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht. Nach Vorlage einer solchen Bestätigung darf mit dem Abbruch begonnen werden.

§ 127 Abs. 8 und 8a BO lauten:

„(8) Die Bauführung darf nicht weitergeführt werden, wenn

a) ein Bau ohne Baubewilligung oder entgegen den Bestimmungen des § 62 oder des § 70a ausgeführt wird;

b) der Prüfingenieur oder der Bauführer der Behörde nicht bekanntgegeben worden ist;

c) nicht entsprechende Baustoffe verwendet oder entsprechende Baustoffe unfachgemäß verwendet werden;

d) Konstruktionen mangelhaft ausgeführt werden;

e) Schalungen oder Pölzungen mangelhaft sind;

f) die erforderlichen statischen Unterlagen auf der Baustelle nicht aufliegen oder mangelhaft sind;

g) der Untergrund den Annahmen nicht entspricht, die den statischen Unterlagen zugrunde liegen.

(8a) Wird die Bauführung entgegen Abs. 8 weitergeführt und erlangt die Behörde davon Kenntnis, hat sie den Bau einzustellen. Darüber ist möglichst binnen drei Tagen an den Bauherrn, den Bauführer oder den sonst Verantwortlichen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen; einer Beschwerde gegen diesen Bescheid kommt die aufschiebende Wirkung nicht zu.“

Im vorliegenden Fall wurde Folgendes erwogen:

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Baueinstellung und damit die Frage, ob die Abbrucharbeiten, auf die sich die Baueinstellung bezieht, zum Zeitpunkt ihrer Erlassung bewilligungspflichtig waren sowie ob eine solche Bewilligung vorlag.

Die §§ 60 Abs. 1 lit d und 62a Abs. 5a BO in der derzeit geltenden Fassung sind mit Landesgesetzblatt Nr. 37/2018 vom 29.6.2018 kundgemacht worden und am 30.6.2018 in Kraft getreten. Dort wird normiert, dass der (…) Abbruch von Gebäuden, die vor dem 1.1.1945 errichtet wurden, bewilligungspflichtig ist, wenn der Anzeige des Abbruchs gemäß § 62a Abs. 5a keine Bestätigung des Magistrats angeschlossen ist, dass an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht. In Artikel III. der Novelle ist ausdrücklich festgehalten, dass das Gesetz mit dem seiner Kundmachung folgenden Tag, somit mit 30.6.2018, in Kraft tritt. Die o.a. Bestimmungen sind daher ab diesem Zeitpunkt auf alle Sachverhalte, die den darin geregelten Tatbeständen entsprechen, anzuwenden.

Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist ein Gebäude, das unbestritten vor dem 1.1.1945 errichtet wurde. Mit den Abbrucharbeiten wurde am 28.6.2018 begonnen. Zu diesem Zeitpunkt lag keine Bewilligung der Abbrucharbeiten vor und es hatte auch keine Anzeige der Abbrucharbeiten bei der Behörde unter Vorlage einer Bestätigung des Magistrats, dass an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht, stattgefunden. Dies war aufgrund der Rechtslage zum Zeitpunkt des Beginnes der Abbrucharbeiten auch nicht erforderlich.

Die Abbrucharbeiten wurden nicht vor dem 30.6.2018 abgeschlossen, weshalb ab diesem Tag die novellierten Bestimmungen der BO für Wien zur Anwendung gelangten. Da diese Bestimmungen grundsätzlich eine Bewilligungspflicht für derartige Abbrucharbeiten vorsehen, eine solche Bewilligung jedoch, ebenso, wie die Bestätigung über das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Bauwerks, nicht vorhanden war, erfolgte mit dem angefochtenen Bescheid die Baueinstellung für die Abbrucharbeiten gemäß § 127 Abs. 8 lit a iVm § 127 Abs. 8a BO.

Die Beschwerdeführerin rügt in ihrer Beschwerde zunächst, dass die Baueinstellung erfolgt sei, obwohl die Abbrucharbeiten zum Zeitpunkt ihres Beginnes zu Recht ohne Bewilligung bzw. Anzeige erfolgt seien. Es sei in der Novelle auch keine Rückwirkung der neuen Bestimmungen angeordnet worden. Die Behörde habe damit zu Unrecht angenommen, dass die Novelle auch auf Abbrucharbeiten anzuwenden sei, die bereits vor deren In-Kraft-Treten begonnen worden seien.

Dazu ist festzuhalten, dass eine echte Rückwirkung des Gesetzes gegenständlich nicht vorliegt, weil die Bewilligungspflicht der Abbrucharbeiten erst mit 30.6.2018, das ist ein Datum nach Kundmachung des Gesetzes, und somit nicht rückwirkend in Kraft gesetzt wurde. Die neuen Regelungen sind jedoch sehr wohl auch auf Abbrucharbeiten anzuwenden, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens zwar bereits (rechtmäßig) begonnen, aber noch nicht abgeschlossen waren, da der Gesetzgeber dafür keine Übergangsregelung getroffen hat.

Da die Bauordnung aufgrund der o.a. Novelle nunmehr eine Bewilligungspflicht (oder die Anzeige gemäß § 62a Abs. 5a BO) für Abbrucharbeiten an Gebäuden, die vor 1945 errichtet wurden, vorsieht, stellt das Fehlen einer solchen Bewilligung seit dem 30.6.2018 einen Grund für eine Baueinstellung gemäß § 127 Abs. 8 lit a iVm 8a BO dar.

Eine Verfassungswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dadurch, dass die Behörde dem angewendeten Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte, liegt nicht vor. Durch die Baueinstellung wird nicht in unmittelbarer und unverhältnismäßiger Weise in die Rechtsstellung der betroffenen Bauherren eingegriffen, da die mit dem angefochtenen Bescheid verhängte Baueinstellung nicht abschließend darüber abspricht, ob die Abbrucharbeiten fortgeführt werden dürfen oder nicht. Erst dadurch würden bei einer Versagung der Bewilligung für den Abbruch vom Bauherrn im Vertrauen auf die Zulässigkeit des Abbruches getroffene Investitionen (z.B. für einen nachfolgenden Neubau) frustriert. Die Baueinstellung hat hingegen lediglich die Funktion eines Provisorialverfahrens, das sicherstellen soll, dass Gebäude, die vor 1945 errichtet wurden, nicht vor der nunmehr erforderlichen abschließenden Entscheidung über das öffentliche Interesse an ihrer Erhaltung bereits abgerissen werden.

Die abschließende Entscheidung, ob ein bestimmtes Gebäude abgerissen werden darf, hat in einem gesonderten Verfahren gemäß § 60 Abs. 1 lit d BO zu erfolgen.

Zweifelsohne ist mit der Baueinstellung durch die Verzögerung ein gewisser Schaden für den Bauherrn verbunden. Dem steht aber das Interesse an der Erhaltung des status quo bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Zulässigkeit des Abbruches entgegen. Die Normierung einer Übergangsfrist wäre diesem Zweck entgegengelaufen. Eine Verletzung des Bauherren in seinem Vertrauen auf die Rechtslage durch einen erheblichen Eingriff des Gesetzgebers kann darin jedoch nicht gesehen werden. Eine solche ist allenfalls durch eine nachfolgende Versagung der Abbruchbewilligung denkbar, weshalb Bedenken im Hinblick auf den Vertrauensschutz in diesem Verfahren geltend gemacht werden müssten.

Auch bewirkt die o.a. Regelung keinen Eingriff in die Rechtskraft einer Bewilligung, da die Abbrucharbeiten aufgrund der zuvor geltenden Rechtslage nicht Gegenstand eines Bewilligungsverfahrens waren.

Auf die Argumentation der Beschwerdeführerin, aus welchen Gründen die Abbruchbewilligung zu erteile sei, war in diesem Zusammenhang nicht näher einzugehen, da diese, wie oben dargestellt, erst im Bewilligungsverfahren gegenständlich sein werden. Im Verfahren zur Erlassung der Baueinstellung waren lediglich zu prüfen, ob die durchgeführten Maßnahmen bewilligungspflichtig waren und ob eine solche Bewilligung gegebenenfalls vorlag.

Für die von der Beschwerdeführerin in eventu beantragte Erteilung der Abbruchbewilligung besteht keine Zuständigkeit des Gerichtes. Auch bestand kein Grund, die Rechtssache an die Behörde zurückzuverweisen, da der entscheidungswesentliche Sachverhalt ausreichend ermittelt ist.

Die ordentliche Revision ist hinsichtlich der Frage zulässig, ob die mit Landesgesetzblatt für Wien Nr. 37/2018 vom 29.6.2018 eingeführten Bestimmungen über die Bewilligungspflicht für den Abbruch von Gebäuden, die vor dem 1.1.1945 errichtet wurden, auch auf solche Abbrucharbeiten anzuwenden sind, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Regelung (damals bewilligungsfrei) bereits begonnen, aber noch nicht abgeschlossen wurden. Dies ist eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Einstellung von derartigen Abbrucharbeiten gemäß § 127 Abs. 8 und 8a BO.

Schlagworte

Baueinstellung; Bewilligungspflicht; Provisorialverfahren; Gesetzesnovelle; maßgebliche Rechtslage; Rückwirkung; Abbruch; Interessenabwägung; Vertrauensschutz; Gleichheitssatz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.111.072.10054.2018

Zuletzt aktualisiert am

02.01.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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