TE Bvwg Beschluss 2018/10/23 W226 2207156-2

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Veröffentlicht am 23.10.2018
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Entscheidungsdatum

23.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §33 Abs1

Spruch

W226 2207156-1/6E

W226 2207156-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.08.2018, Zl. 1018247608-151271242, beschlossen:

A)

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 16.10.2018 wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Ukraine, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 04.09.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit dem im Spruch ersichtlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.08.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Eine Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.)

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 03.09.2018 ordnungsgemäß und nachweislich durch Hinterlegung beim Postamt XXXX zugestellt (vgl. Zustellnachweis; AS 159). Vorangehend war am 03.09.2018 ein Zustellversuch an der Meldeadresse erfolglos geblieben, die Verständigung über die Hinterlegung wurde an der Abgabeeinrichtung eingelegt.

Laut Rechtsmittelbelehrung im Bescheid beträgt die Rechtsmittelfrist vier Wochen ab Zustellung des Bescheides (vgl. Seite 58 des angefochtenen Bescheides) und endete daher mit Ablauf des 01.10.2018.

3. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde wurde vom Beschwerdeführer im Wege der zugewiesenen Rechtsberaterorganisation als seine nunmehr bevollmächtigte Vertretung am 04.10.2018 eingebracht.

Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus, dass er am 02.10.2018 bei einem Termin bei der Caritas erfahren habe, dass nach dem GVS bereits ein erstinstanzlicher Bescheid hinsichtlich seines Antrages auf internationalen Schutz erlassen worden sei. Da dem Beschwerdeführer an seine Meldeadresse kein Bescheid des Bundesamtes bezüglich seines Antrages auf internationalen Schutz zugestellt worden sei und er auch keine Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes erhalten habe, habe sich der Beschwerdeführer am 03.10.2018 zum Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Wien begeben, wo ihm eine Kopie des Bescheides vom 30.08.2018 persönlich übergeben worden sei. Der Beschwerdeführer habe über eine Meldeadresse verfügt, an der ihm im fraglichem Zeitraum kein Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zugestellt worden sei und er auch keine Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes erhalten habe. Er gehe somit davon aus, dass vor dem 03.10.2018 (d. h. der persönlichen Ausfolgung des Bescheides) keine rechtswirksame Zustellung des hier angefochtenen Bescheides erfolgt sei. Die Erhebung der Beschwerde erfolge somit binnen offener Frist.

4. Mit Verspätungsvorhalt des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.10.2018 wurde dem Beschwerdeführer bzw. seiner bevollmächtigten Vertretung mitgeteilt, dass angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides am 03.09.2018 die vierwöchige Rechtsmittelfrist bereits am 01.10.2018 geendet hat und die am 04.10.2018 eingebrachte Beschwerde sohin verspätet war. Diesbezüglich wurde eine Frist zur Stellungnahme von einer Woche gewährt.

5. Mit Schreiben vom 15.10.2018 nahm der Beschwerdeführer über seine rechtsfreundliche Vertretung Stellung zum Verspätungsvorhalt und stellte eventualiter einen Antrag auf Wiedereinsetzung auf den vorherigen Stand gemäß § 33 VwGVG. Erneut wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer erstmals am 02.10.2018 bei einem Termin bei der Caritas Kenntnis davon erlangt habe, dass bereits ein erstinstanzlicher Bescheid hinsichtlich seines Antrages auf internationalen Schutz erlassen worden sei. Der Beschwerdeführer habe sich am nächsten Tag, dem 03.10.2018 zum Bundesamt begeben, wo ihm eine Kopie des Bescheides persönlich übergeben worden sei. Am 04.10.2018 habe der Beschwerdeführer seine nunmehrige rechtsfreundliche Vertretung kontaktiert, welche noch am selben Tag eine Beschwerde eingebracht habe.

Erneut wird darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer in der Abgabeeinrichtung seine Meldeadresse habe und im fraglichen Zeitraum weder den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.08.2018 noch eine Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes erhalten habe. Der Beschwerdeführer habe, konfrontiert mit dem Verspätungsvorhalt des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.10.2018 und der beigelegten Kopie des Rückscheines gegenüber der rechtsfreundlichen Vertreterin erneut betont, dass er im fraglichen Zeitraum "immer sorgfältig sein Postfach kontrolliert, aber nie eine Hinterlegungsanzeige vorgefunden" habe. Der Beschwerdeführer gehe deswegen davon aus, dass im fraglichen Zeitraum auch keine Hinterlegungsanzeige in der Abgabeeinrichtung zurückgelassen worden sei und es damit auch zu keiner rechtswirksamen Hinterlegung bzw. Zustellung des Bescheides vom 30.08.2018 gekommen sei. Beantragt wurde die Befragung des Zustellungsorgans als Zeugen.

Der gleichzeitig gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde wesentlich gleichlautend begründet. Die Unkenntnis von der ordnungsgemäßen Hinterlegung eines Schriftstückes sei geeignet, einen Wiedereinsetzungsantrag zu begründen, wenn die Unkenntnis nicht auf einem Verschulden der Partei beruhe, welches den minderen Grad des Versehens übersteige. Davon können etwa dann ausgegangen werden, wenn die Partei von der Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung deshalb keine Kenntnis erlangt habe, weil die Verständigung von der Hinterlegung, ohne ihr Wissen von einer anderen Hauspartei oder einer dritten Person entfernt worden sei, oder wenn ein Haushaltsangehöriger (z. B. der Ehegatte) die Hinterlegungsanzeige aus dem Briefkasten entnimmt, ohne den Adressaten rechtzeitig davon in Kenntnis zu setzen.

Beim konkreten Beschwerdeführer sei entweder überhaupt keine Hinterlegungsanzeige an der Abgabestelle hinterlassen worden (womit ein Zustellmangel vorliege) oder die Hinterlegungsanzeige sei ohne Wissen des Beschwerdeführers aus der Abgabeeinrichtung entfernt worden, jedenfalls habe der Beschwerdeführer keine Kenntnis vom Zustellversuch bzw. der Hinterlegung gehabt. Es sei somit evident, dass der Beschwerdeführer weder auffallend sorglos gehandelt habe, noch dass es in seiner Macht gelegen sei, früher Beschwerde zu erheben. Die Wiedereinsetzung sei demzufolge zu bewilligen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stellte am 04.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit dem im Spruch ersichtlichen Bescheid sowohl betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch betreffend die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und mit dem eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 03.09.2018 nach einem Zustellversuch durch Hinterlegung an der Zustellbasis XXXX rechtmäßig zugestellt.

Die vierwöchige Rechtsmittelfrist, auf die in der Rechtsmittelbelehrung des im Spruch ersichtlichen Bescheides hingewiesen wurde, endete mit Ablauf des 01.10.2018. Die am 04.10.2018 eingebrachte Beschwerde erwies sich sohin als verspätet.

Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerde wegen eines Fehlers im Zustellvorgang verspätet eingebracht wurde.

2. Beweiswürdigung:

Die oben angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt. Insbesondere das Datum der Zustellung durch Hinterlegung ergibt sich aus dem unzweifelhaften Zustellnachweis, der sich im Original im Verfahrensakt befindet. Darüber hinaus wurde das Datum der Zustellung bzw. die ordnungsgemäße Zustellung vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.

Die Negativfeststellung, dass nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerde wegen eines Fehlers in der Zustellung verspätet eingebracht wurde, ergibt sich ebenso aus dem Akteninhalt.

Der Antragsteller und nunmehrige Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die Zustellung, somit der Zustellversuch am 03.09.2018 an der aufrechten Meldeadresse des Beschwerdeführers erfolgte, somit auch die Hinterlegung der Postsendung an der Zustellbasis XXXX rechtmäßig war.

Das Zustellorgan hat das adaptierte Formular zu § 22 des Zustellgesetzes über die erfolgte Hinterlegung, den Zustellversuch am 03.09.2018 und über die erfolgte Verständigung über die Hinterlegung, welche in der Abgabeeinrichtung eingelegt wurde, eigenhändig unterschrieben.

Der beantragten zeugenschaftlichen Einvernahme des Zustellorgans zum Beweis dafür, dass dieses im fraglichen Zeitraum auch keine Hinterlegungsanzeige in der Abgabeeinrichtung zugelassen hat und es damit auch zu keiner rechtswirksamen Hinterlegung bzw. Zustellung des Bescheides vom 30.08.2018 gekommen sei, war deshalb keine Folge zu geben, hat das Zustellungsorgan doch die Rechtmäßigkeit seiner Handlungsweise ausdrücklich am Rückschein dokumentiert.

Der Beschwerdeführer ist darüber hinauf auf den Umstand zu verweisen, dass laut Akteninhalt bereits mehrfach Ladungen an ihn während des anhängigen Asylverfahrens ergangen sind, so wurde er beispielsweise durch die belangte Behörde mit Ladung vom 25.06.2018 zu einem Einvernahmetermin am 10.07.2018 geladen, auch dieses Schriftstück wurde an der Wohnadresse des Beschwerdeführers nach erfolgtem Zustellversuch hinterlegt. Auch diese Ladung vom 25.06.2018 für den Termin am 10.07.2018 hat der Beschwerdeführer in weiterer Folge jedoch nicht behoben, weshalb die Postsendung an die belangte Behörde retourniert wurde. In weiterer Folge übermittelte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer am 10.07.2018 eine erneute Ladung, diesmal für den 02.08.2018, wobei auch diese Postsendung nach erfolglosem Zustellversuch zu hinterlegen war. Diese Ladung ist der Beschwerdeführer nunmehr nachgekommen. Im Ergebnis sind somit dem Beschwerdeführer im Zeitraum zwischen 27.06.2018 (Ladung für den 10.07.2018) und dem 03.09.2018 (Zustellung des Bescheides) drei behördliche Schriftstücke des Bundesamtes zugestellt worden, von denen er ein einziges Schriftstück behoben hat. Daraus ist eine auffallende, weil mehrfache Fahrlässigkeit im Umgang mit behördlichen Schriftstücken zu schließen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss. Da im vorliegenden Verfahren gemäß § 33 Abs. 4 dritter Satz VwGVG das Verwaltungsgericht über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Beschluss zu entscheiden hat und auch die Beschwerde zurückzuweisen ist, ist über beide Spruchpunkte in Beschlussform zu entscheiden.

Zu A)

3.2.1. Zu Spruchteil I: Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

3.2.1.1. Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zu Last liegt, hindert die Bewilligung zur Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach Abs. 3 leg. cit. ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. [...]

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat bis zur Vorlage der Beschwerde über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. [...] Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

3.2.1.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. VwGH vom 25.11.2015, Ra 2015/06/0113 sowie VwGH vom 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird (vgl. etwa VwSlg. 11.312/A sowie VwGH vom 21.05.1997, Zl. 96/21/0574). Den Antragsteller trifft somit die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Es ist daher ausschließlich das Vorbringen des Beschwerdeführers bzw. Wiedereinsetzungswerbers in seinem Antrag vom 16.05.2018 auf seine Tauglichkeit als Wiedereinsetzungsgrund zu prüfen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann (vgl. VwGH vom 24.01.1996, Zl. 94/12/0179). Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt hingegen nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte (vgl. VwGH vom 03.04.2001, Zl. 2000/08/0214).

Nach der zu § 71 Abs. 1 AVG ergangenen und - insoweit auf § 33 Abs. 1 VwGVG übertragbaren - Rechtsprechung ist das Verschulden des Vertreters dem Verschulden des vertretenen Wiedereinsetzungswerbers gleichzusetzen. Es hat dieselben Rechtswirkungen wie das Verschulden der Partei. Der Machtgeber muss sich das Verschulden des Machthabers zurechnen lassen. Das Verschulden, welches den Bevollmächtigten der Partei trifft, ist so zu behandeln, als wäre es der Partei selbst unterlaufen, gleichgültig ob der Wiedereinsetzungswerber von einem Rechtsanwalt oder sonst einer Vertrauensperson vertreten wird (vgl. Hengstschläger/Leeb, "AVG", § 71 Rz 44 samt weiteren Nachweisen). Sohin trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. z.B. VwGH vom 18.12.2014, Ra 2014/01/0015).

Bei der Bevollmächtigung eines Vertreters ist das Vorliegen der Voraussetzung für die Wiedereinsetzung nach den für den Vertreter maßgebenden Verhältnissen zu beurteilen. Das zur Versäumung führende Ereignis muss daher den Vertreter an der rechtzeitigen Vornahme der Handlung gehindert haben und für ihn unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen sein (vgl. VwGH vom 17.09.1990, Zl. 87/14/0030; vom 28.04.1992, Zl. 92/05/0051 und vom 23.06.2008, Zl. 2008/05/0122). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 06.05.2004, Zl. 2001/20/0195) kann auch ein Rechtsirrtum - etwa Unkenntnis von Rechtsvorschriften, unrichtige Beurteilung der Rechtslage etc. - einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen; dies jedoch nur unter der Bedingung, dass die weiteren Voraussetzungen, insbesondere mangelndes Verschulden bzw. minderer Grad des Versehens, vorliegen.

Ein Verschulden der Partei bzw. des Vertreters hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit) handelt. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH vom 29.01.2014, Zl. 2001/20/0425).

Auch ein Irrtum über den Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides bzw. den Zeitpunkt der Hinterlegung eines Bescheides und der damit bewirkten Zustellung kann einen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand darstellen. Aber nur, wenn die Unkenntnis von der ordnungsgemäßen Hinterlegung eines Schriftstücks, mit der die Zustellung bewirkt ist, nicht auf einem Verschulden der Partei beruht, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt, ist sie geeignet, einen Wiedereinsetzungsantrag zu begründen (vgl. Hengstschläger/Leeb, "AVG", § 71 Rz 73 mit weiteren Hinweisen). Davon kann etwa dann ausgegangen werden, wenn die Partei von der Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung deshalb keine Kenntnis erlangt hat, weil die Verständigung von der Hinterlegung ohne ihr Wissen von einer anderen Hauspartei oder einer dritten Person entfernt worden ist, oder wenn ein Haushaltsangehöriger die Hinterlegungsanzeige aus dem Briefkasten entnimmt, ohne den Adressaten rechtzeitig davon in Kenntnis zu setzen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt der Umstand, dass die Partei die deutsche Sprache überhaupt nicht oder nur mangelhaft beherrscht, keinen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dar (vgl. z.B. VwGH vom 19.09.2007, Zl. 2007/08/0097). Wie der Gerichtshof betont, handelt es sich weder bei der Zustellung eines in deutscher Sprache gehaltenen Bescheides noch bei der Unkenntnis der deutschen Sprache um ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG. Es genügt, dass dem Sprachunkundigen bewusst gewesen sein musste, rechtlich bedeutsame behördliche Schriftstücke erhalten zu haben (vgl. VwGH vom 19.11.2003, Zl. 2003/21/0090 u.a.).

Wie dargestellt reduziert sich das Vorbringen des Beschwerdeführers auf die Behauptung, dass entweder überhaupt keine Hinterlegungsanzeige an der Abgabestelle hinterlassen oder die Hinterlegungsanzeige ohne Wissen des Beschwerdeführers aus der Abgabeeinrichtung entfernt worden sei. Dieses Vorbringen über die angeblich gar nicht erfolgte Zustellung und die angeblich gar nicht erfolgte Verständigung über die Hinterlegung ist in einem unauflöslichen Widerspruch zu der einwandfrei dokumentierten Vorgangsweise des Zustellorgans. Das sonstige Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung, dass die Hinterlegungsanzeige ohne Wissen des Beschwerdeführers aus der Abgabeeinrichtung entfernt worden sei, ist nicht ausreichend, um einen Wiedereinsetzungsgrund darzulegen. Die "Unerklärlichkeit" des Verschwindens eines in seine Gewahrsame gelangten amtlichem Schriftstückes (hier: der Hinterlegungsanzeige) geht nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Lasten des Beschwerdeführers, dem es im Wiedereinsetzungsverfahren obliegt, einen solchen Hinderungsgrund an der Wahrnehmung der Frist (hier:

der Beschwerdefrist gegen den genannten Bescheid der belangten Behörde) geltend zu machen, der nicht durch ein leichte Fahrlässigkeit übersteigendes Verschulden herbeigeführt wurde. Die auf die bloße Unaufgeklärtheit der Gründe für die Unkenntnis von einem Zustellvorgang gerichtete Behauptung des Beschwerdeführers, die Hinterlegungsanzeige nicht erhalten zu haben, reicht - da diese nach der Beurkundung des Zustellorgans in seine Gewahrsame gelangt ist - für eine Wiedereinsetzung nicht aus (vgl. hiezu bereits VwGH vom 21.09.1999, 97/18/0418). Der Beschwerdeführer liefert überhaupt keinen glaubhaften Hinweis darauf, wer außer ihm Zugang zum hinterlegten Schriftstück gehabt hätte und wer allenfalls an seiner Abgabestelle nebst der Möglichkeit des Zugriffs ein Interesse daran gehabt haben könnte, für den Beschwerdeführer bestimmte Postsendungen vor diesem geheim zu halten. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer fristgerecht das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes im Verständnis des § 71 Abs. 1 AVG bzw. § 33 VwGVG dargetan hat. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war demzufolge gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.2.2. Zu Spruchteil II: Zurückweisung der Beschwerde:

3.2.2.1. Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG (vgl. hierzu auch § 16 Abs. 1 BFA-VG) beträgt die Frist zu Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn er ihm nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung.

Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden Fristen, die nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmt sind, mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

Beginn und Lauf einer Frist werden gemäß § 33 Abs. 1 AVG durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert.

3.2.2.2. Aus dem Akteninhalt ergibt sich unzweifelhaft, dass der im Spruch genannte Bescheid dem Beschwerdeführer am 03.09.2018 durch Hinterlegung zugestellt und sohin rechtswirksam erlassen worden war.

Nach Maßgabe des § 7 Abs. 4 VwGVG iVm §§ 32 Abs. 2 und 33 Abs. 1 AVG hat im gegenständlichen Fall der Lauf der vierwöchigen Beschwerdefrist, auf die im Übrigen auch mittels korrekter Rechtsmittelbelehrung im Bescheid hingewiesen wurde, am 03.09.2018 (Montag) begonnen und mit Ablauf des 01.10.2018 (Montag) geendet.

Da die gegenständliche Beschwerde am 04.10.2018 eingebracht wurde und sohin erst nach Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist bei der Behörde eingelangt ist, war die Beschwerde gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückzuweisen.

3.2.3. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Eine Verhandlung im Verfahren über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde weder vom Wiedereinsetzungswerber beantragt noch hält das Bundesverwaltungsgericht eine solche gemäß § 24 VwGVG aufgrund der klaren Aktenlage für erforderlich. Daher konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer schriftliches Parteiengehör gewährt hat, welches auch wahrgenommen wurde. Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen.

Betreffend die Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung (Spruchteil II. des gegenständlichen Beschlusses) wird in Bezug auf den Entfall der Verhandlung auf § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG verwiesen.

3.2.4. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 33 Abs. 4 letzter Satz VwGVG lagen zu keinem Zeitpunkt des gegenständlichen Verfahrens vor.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ergeht in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung zu § 33 VwGVG sowie zu § 71 AVG. Sofern die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur zur Bestimmung des § 71 AVG ergangen ist, so ist auch diese Judikatur auf den gegenständlichen Fall übertragbar.

Schlagworte

Fristversäumung, Hinterlegung, Rechtsmittelfrist, Wiedereinsetzung,
Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W226.2207156.2.00

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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