TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/5 96/21/0155

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Veröffentlicht am 05.11.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;
FrG 1993 §31 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des am 1. Juni 1951 geborenen HC in Holland, vertreten durch Dr. Wolfgang Oberhofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 15. September 1995, Zl. III 83/95, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 20. Jänner 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen niederländischen Staatsbürger, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, und § 31 Abs. 1 leg. cit. ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer am 27. Dezember 1994 in einem Hotel in Leermoos auf Grund eines gegen ihn bestehenden internationalen Haftbefehles der Staatsanwaltschaft Hannover festgenommen worden sei. Dem Beschwerdeführer würde seitens der deutschen Strafverfolgungsbehörden Suchtgifthandel bzw. Suchtgiftschmuggel vorgeworfen. Bei einer niederschriftlichen Einvernahme am 17. Jänner 1995 habe der Beschwerdeführer angegeben, im August 1991 vom Landgericht Göttingen in Deutschland wegen Suchtgifthandels zu einer 6-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden zu sein. Im März 1992 wäre er von einem Hafturlaub aus einer deutschen Justizanstalt nicht mehr zurückgekehrt und deshalb zur Verhaftung ausgeschrieben worden. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die Verurteilung des Beschwerdeführers durch das deutsche Gericht in einem den Grundsätzen der EMRK entsprechenden Verfahren zustande gekommen sei. Der Schmuggel von Suchtgift stelle ohne jeden Zweifel einen der schwersten Verstöße gegen die Strafrechtsordnung dar. Fremde, die sich eines solchen Gesetzesverstoßes schuldig machten, gefährdeten in erheblichem Ausmaß die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Auch wenn sich die Tathandlung des Beschwerdeführers nicht auf österreichischem Gebiet ereignet habe, so sei es in einer Zeit zunehmender Internationalisierung des Suchtgiftschmuggels erforderlich, eine Person wie den Beschwerdeführer in Hinkunft aus dem Gebiet der Republik Österreich fernzuhalten, um auszuschließen, dass er allfällige Straftaten auch in Österreich begehe. Der Beschwerdeführer habe keine näheren sozialen Bindungen in Österreich, weshalb das Aufenthaltsverbot nicht in sein Privat- oder Familienleben eingreife.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im Wesentlichen ausführte, dass er sich lediglich mit seiner Frau und seinen Kindern über die Weihnachtsfeiertage auf Schiurlaub in Österreich befunden und zu keiner Zeit die Absicht gehabt habe, in Österreich "sonst irgendwie aufhältig zu sein" oder Wohnsitz zu nehmen. Nach seiner Rückkehr nach Holland im März 1992 habe er sich in einem ordentlichen Beschäftigungsverhältnis befunden und sei auch keiner weiteren Straftat mehr beschuldigt worden. Es bestehe überhaupt kein Anhaltspunkt für die von der Behörde erster Instanz behauptete Gefährlichkeit. "In Ergänzung des mangelhaft gebliebenen Ermittlungsverfahrens" beantragte der Beschwerdeführer die Einvernahme seiner in den Niederlanden lebenden Lebensgefährtin im Rechtshilfeweg.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. September 1995 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahin abgeändert, dass ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf die Ausführungen der Bundespolizeidirektion Innsbruck im erstinstanzlichen Bescheid und schloss sich diesen vollinhaltlich an. Die Erlassung "der gesetzlich zulässigen Höchstdauer des Aufenthaltsverbotes" sei angesichts der Art und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten (Suchtgiftdelikte, Verurteilung in Deutschland zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe) und der daraus hervorleuchtenden Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Sicherheit im Interesse des bestmöglichen und vorbeugenden Schutzes der österreichischen Rechtsordnung bzw. der in Österreich aufhältigen Menschen dringend geboten. Daran ändere nichts, dass sich der Beschwerdeführer in Österreich auf Schiurlaub befunden und er zu keiner Zeit die Absicht gehabt habe, in Österreich einen Aufenthalt zu nehmen. Die Einvernahme seiner Lebensgefährtin sei "völlig entbehrlich, da die Fakten ohnehin am Tisch liegen".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem mit Beschluss vom 27. November 1995, B 3283/95, dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Eingangs ist klarzustellen, dass das Fremdengesetz 1997 keine Bestimmung enthält, derzufolge der angefochtene Bescheid "nicht offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände". Der Beschwerdeführer wurde nämlich u.a. unbestritten wegen Suchtgifthandels durch ein Gericht der Bundesrepublik Deutschland rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Dies würde den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (iVm Abs. 3) des Fremdengesetzes 1997 erfüllen. Es läge auch ein Fall des § 35 Abs. 3 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 vor, angesichts dessen das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdengesetz 1997 eindeutig und daher eine gesonderte Begründung der Ermessensentscheidung entbehrlich wäre (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490). Der angefochtene Bescheid ist daher nicht gemäß § 114 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 außer Kraft getreten.

Gemäß § 18 Abs. 1 FrG ist gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt 1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder 2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Gemäß § 18 Abs. 2 hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 1) von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 18 Abs. 1 FrG ist die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder andere im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen erheblich gefährdet. § 18 Abs. 1 FrG ordnet sohin an, dass bei Vorliegen eines der in Abs. 2 leg. cit. aufgezählten Tatbestände auf der Grundlage des entsprechenden Sachverhaltes eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen ist, ob in concreto die umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Um diese Gefährlichkeitsprognose treffen zu können, ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 10. September 1997, Zl. 95/21/0234, und vom 25. September 1998, Zl. 97/21/0829).

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil er sich mit seiner Lebensgefährtin und seinen Kindern lediglich über die Weihnachtsfeiertage auf Schiurlaub in Österreich befunden habe, um hier zusammen mit den Eltern seiner Lebensgefährtin und seinen Kindern die Weihnachtsfeiertage zu verbringen. Die belangte Behörde sei ihrer Verpflichtung zur umfassenden Sachverhaltsermittlung nicht nachgekommen. Diesfalls hätte sie mit einer einfachen Nachfrage beim Landgericht Göttingen feststellen können, dass er zwischenzeitlich auf Bewährung entlassen worden sei; auch ergänzende Ermittlungen in Holland hätten ergeben, dass er sich seit März 1992 in einem ordentlichen Beschäftigungsverhältnis befunden und seit diesem Zeitpunkt keine weitere Straftat mehr begangen habe. Dem angefochtenen Bescheid lasse sich nicht entnehmen, inwieweit aus seiner einmaligen Verfehlung die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gezogenen Schlüsse nachvollziehbar begründet seien. Der Beschwerdeführer beruft sich auch auf die in Art. 52 des EG-Vertrages grundgelegte Niederlassungsfreiheit sowie darauf, die familiären Kontakte zu den Eltern seiner Lebensgefährtin, die jährlich über einen längeren Zeitraum in Österreich aufhältig seien, aufrechterhalten zu wollen.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Unbestritten hat er nämlich das Delikt des Suchtgifthandels begangen, dessentwegen er in der Bundesrepublik Deutschland zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren rechtskräftig verurteilt wurde. Daraus hat die belangte Behörde frei von Rechtsirrtum den Schluss gezogen, dass der Beschwerdeführer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinn des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG darstellt. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, die gegen ihn verhängte Strafe wäre unangemessen hoch gewesen oder in einem den Grundsätzen des Art. 6 EMRK widersprechenden Verfahren ergangen. Der belangten Behörde kann daher kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie angesichts der besonderen Höhe der über den Beschwerdeführer verhängten Strafe nähere Feststellungen über die Art und Umstände der Tatbegehung unterließ und die Gefährlichkeitsprognose hinsichtlich des Beschwerdeführers allein auf die Tatsache seiner Verurteilung gegründet hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht nämlich von Fremden, die des Verbrechens des Suchtgifthandels rechtskräftig für schuldig erkannt worden sind, eine derart schwer wiegende Gefährdung im Sinn des § 18 Abs. 1 FrG aus, dass auch bei ansonsten voller sozialer Integration des Fremden die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht unzulässig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 1997, Zl. 97/21/0375). Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe, außer zu Urlaubszwecken, ohnehin nicht die Absicht, in Österreich aufhältig zu sein, ist entgegenzuhalten, dass auch von einem zu Urlaubszwecken in Österreich aufhältigen Fremden eine Gefahr im Sinn des § 18 Abs. 1 FrG ausgehen kann.

Wenn der Beschwerdeführer das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot im Hinblick auf seine familiären Beziehungen insofern für rechtswidrig hält, als es ihm unmöglich gemacht werde, die in Österreich auf Urlaub befindlichen Eltern seiner Lebensgefährtin zu besuchen, so ist er darauf hinzuweisen, dass das Fehlen dieser Möglichkeit keinen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben bewirkt. Der angefochtene Bescheid widerspricht daher nicht den §§ 19 und 20 FrG.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid schließlich auch für einen unzulässigen Eingriff in seine Niederlassungsfreiheit im Sinn des Art. 52 des EG-Vertrages. Auch mit diesem Einwand kann der Beschwerdeführer die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht in Zweifel ziehen, weil nicht ersichtlich ist, im Hinblick auf welche selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit der Beschwerdeführer sein Recht auf Niederlassungsfreiheit in Österreich in Anspruch nehmen wollte.

Auch hinsichtlich der Dauer des gegen den Beschwerdeführer verhängten Aufenthaltsverbotes bestehen angesichts der besonderen Schwere der ihm zur Last liegenden Straftat im Grund des § 21 FrG keine Bedenken.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 5. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996210155.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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