TE OGH 2018/8/30 9ObA45/18k

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Veröffentlicht am 30.08.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger und Mag. Hannes Schneller in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** B*****, vertreten durch Dr. Herwig Mayrhofer, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Martin Sam, Rechtsanwalt in Bludenz, wegen 9.791,41 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. März 2018, GZ 15 Ra 11/18g-26, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. Juni 2017, GZ 36 Cga 102/16b-21, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Das Berufungsurteil wird dahin abgeändert, dass es – einschließlich des bereits rechtskräftig abgewiesenen Teils des Klagebegehrens – zu lauten hat:

„Das Begehren der klagenden Partei, die beklagte Partei sei schuldig, ihr 9.791,41 EUR brutto samt 4 % Zinsen aus 5.000 EUR ab 25. 6. 2016 bis vor Klagszustellung und 4 % Zinsen aus 9.791,41 EUR brutto ab Klagszustellung zu zahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 4.753,97 EUR (darin 792,33 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist weiter schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.215,48 EUR (darin 202,58 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.264,88 EUR (darin 1.431 EUR Barauslagen, 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war ab 4. 4. 2016 bei der Beklagten als Innendienstmitarbeiter beschäftigt und der Verwaltungsabteilung zugeordnet. Am 24. 6. 2016 trat er infolge einer ehrenbeleidigenden Äußerung des Sohnes des Geschäftsführers der Beklagten gemäß § 26 Z 4 AngG vorzeitig aus dem Dienstverhältnis aus. Im Revisionsverfahren ist unstrittig, dass die Äußerung eine erhebliche Ehrverletzung darstellte („charakterlose Sau“).

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger die der Höhe nach aus dem Spruch ersichtlichen Beendigungsansprüche geltend (Kündigungsentschädigung samt Sonderzahlungen, Urlaubsersatzleistung). Die Beklagte müsse sich die Äußerung zurechnen lassen. Der Sohn des Geschäftsführers der Beklagten sei faktisch geschäftsführend tätig gewesen. Er habe das Bewerbungsgespräch federführend geleitet. Aus der Sicht des Klägers sei er auch der einzig richtige Ansprechpartner für das Anliegen des Klägers auf Beendigung des Dienstverhältnisses gewesen. Er sei daher als Repräsentant der Beklagten anzusehen. Ein Teilbetrag von 5.000 EUR sei mit Schreiben vom 24. 6. 2016 fällig gestellt worden.

Die Beklagte bestritt und beantragte Klagsabweisung, weil ihr, soweit revisionsgegenständlich, die Äußerung nicht zurechenbar sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

„E*****, hat das Unternehmen der Beklagten vor mehr als 25 Jahren gegründet. Er ist seither alleiniger geschäftsführender handelsrechtlicher Gesellschafter der Beklagten und als solcher alleine zeichnungsberechtigt. Er ist insbesondere zuständig für das Controlling, die Planbilanz, die Strategieentwicklung, die Festlegung der Unternehmensziele, er hat die Budgethoheit und ist für die Personalangelegenheiten, die Einstellung und Kündigung von Mitarbeitern zuständig, wobei ihm in den Personalangelegenheiten seine Exehegattin, I***** – welche ebenfalls im Betrieb vormittags angestellt ist – hilft, indem sie Bewerber vorselektiert und Vorschläge unterbreitet. E***** ist grundsätzlich jeden Tag in der Firma, er fährt dann aber in den Außendienst und ist untertags jeweils am Montag, Dienstag, Mittwoch und Freitag in Tirol unterwegs. Den ganzen Donnerstag- und Samstagvormittag ist er im Betrieb in Bludenz anwesend. Bei Abwesenheit des E***** aus dem Betrieb, vertritt S***** den Geschäftsführer nicht in dieser seiner Funktion.

Im Betrieb der Beklagten, welche mehr als 40 Mitarbeiter beschäftigt, gibt es mehrere Abteilungen, und zwar eine Objektabteilung, eine Bodenabteilung (unterteilt in Privat und Objekt), eine Möbelabteilung, eine Vorhangabteilung eine Polsterungsabteilung und eine Handelsabteilung.

Der Sohn des Geschäftsführers E*****, S*****, hat im Betrieb der Beklagten seine Lehre und Ausbildung absolviert (Raumausstattermeister und Bodenleger) und er ist seit zirka 17 Jahren dort beschäftigt. Er ist auch gewerberechtlicher Geschäftsführer bei der Beklagten. S***** war bis zum Eintritt des Mitarbeiters F*****, im Jänner 2016, Leiter der Bodenabteilung/Bodenbeläge. Zu seinen Aufgaben in dieser Abteilung gehörten: … Für und in dieser Abteilung war er zeichnungsberechtigt und selbständig und allumfassend mit der Leitung derselben betraut. … Er war berechtigt, die dort im täglichen Geschäftsleben üblichen Waren Ein- und Verkäufe zu tätigen. Kaufgeschäfte über EUR 10.000,-- und Wareneinkäufe, die unterhalb des notwendigen Deckungskostenbetrages von (Einkaufspreis x 140 % zuzüglich MwSt) kalkuliert waren, bedurften aber der Zustimmung des Geschäftsführers, E*****. Bei Meinungsverschiedenheiten hat das letzte Wort E***** bzw. ist er es, der dann alleine entscheidet. …

Ab Jänner 2016 übernahm dann F***** die Leitung der Abteilung Bodenbeläge. S***** half aber weiterhin dem F***** in dieser Abteilung und war zuständig für den Verkauf, den Vertrieb und die Lagerwirtschaft sowie insgesamt für das Marketing für alle Abteilungen, die Werbung und die Internetauftritte der Beklagten.

Im persönlichen Facebook Auftritt des S***** hat dieser folgendes geschrieben: 'S***** (...) Geschäftsführung/Inhaber bei W***** Ges.m.b.H' (…) Wann genau er diesen Eintrag geschrieben und ins Facebook gestellt hat, ist nicht feststellbar. E***** hatte von diesem Eintrag keine Kenntnis.

E***** hat angedacht, das Unternehmen in Zukunft an seinen Sohn S***** zu übergeben. Es ist geplant, dass S***** ab dem 1. 9. 2017 dann Mitglied der Geschäftsführung wird und diese zusammen mit seinem Vater E***** als Partner auch ausübt.

Der Kläger war ab dem 4. 4. 2016 bei der Beklagten als Innendienstmitarbeiter beschäftigt und dergestalt der Verwaltungsabteilung zugeordnet. Er war für den Einkauf und die Einkaufskontrolle, die Eingangsrechnungen, das Lager und für allgemeine Büroarbeiten zuständig. Der Verwaltungsabteilung steht I***** – die Mutter des S***** – vor, sie war die direkte Vorgesetzte des Klägers. Nach Ablauf der vereinbarten Probezeit von 2 Monaten wurde der Kläger dann in ein unbefristetes Dienstverhältnis übernommen …

Das Vorstellungsgespräch mit dem Kläger … führten I***** und S*****, dabei war auch kurz E***** anwesend. S***** machte dem Kläger dabei keine Einstellungszusage. I***** und S***** arbeiteten dann in der Folge fünf Vorschläge von Stellenbewerbern aus, wobei sie den Kläger für gut befanden. I***** präsentierte dies dann dergestalt dem E*****, woraufhin dieser die Lohnkalkulation machte, den Dienstvertrag veranlasste und dem Kläger persönlich mitteilte, dass er die Stelle bekommt.

S***** ist nicht befugt, Mitarbeiter einzustellen oder zu kündigen.

Es kann nicht festgestellt werden, ob S***** in der letzten Arbeitswoche des Klägers lautstark vor Mitarbeitern verkündet hat, dass er gerade einen langjährigen Mitarbeiter fristlos gekündigt habe. Ob sich S***** gegenüber dem Kläger als Chef präsentiert und aufgespielt hat, ist nicht feststellbar.

Der Kläger war mit dem ganzen Arbeitsverhältnis bei der Beklagten nicht mehr zufrieden, weshalb er sich eine neue Arbeitsstelle suchte. Am Freitag, den 24. 6. 2016 erhielt er einen Anruf von einem Personalrekrut, der ihm mitteilte, dass er die neue Stelle bekomme. Der Kläger sagte okay super, er müsse aber den Start bei der neuen Firma davon abhängig machen, wie das Arbeitsverhältnis bei der Beklagten beendet werde, er habe noch eine Kündigungsfrist, er wolle das abklären. Dann ging der Kläger am Nachmittag des 24. 6. 2016 unangemeldet – er hatte Urlaub an diesem Tag – in den Betrieb der Beklagten, er wollte wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein klärendes Gespräch mit S***** führen. Aus der Sicht des Klägers war S***** sein Ansprechpartner dafür. E***** war nicht im Betrieb. Der Kläger sagte zu S*****, dass es ihm bei der Beklagten nicht mehr passe und dass er einen neuen Job bei einer Klimatechnikfirma gefunden habe und dass er dort hinwolle. Der Kläger strebte eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses an, um ehestmöglich bei der neuen Firma anfangen zu können. Eine solche einvernehmliche Auflösung kam aber nicht zu Stande. Der Kläger sagte nicht zu S*****, er werde bereits am darauffolgenden Montag die neue Stelle antreten und er werde der Beklagten keine Chance geben einen Ersatz für ihn zu finden.

Weil der Kläger das Unternehmen ehest möglich verlassen wollte, bezeichnete S***** den Kläger als 'charakterlose Sau'. Damit machte S***** bewusst seinem Unmut darüber Luft, dass der Kläger den Betrieb kurzfristig verlassen wollte. Dieser Ausspruch hat den Kläger getroffen und beleidigt, das Vertrauensverhältnis zu S***** war zerstört und der Kläger konnte sich nicht mehr vorstellen, dort weiterzuarbeiten. Er sagte zu S*****, dass er dies beleidigend finde und er dies in der Kündigung klären werde. Bei diesem Gespräch am Freitag, den 24. 6. 2016 war der Kläger das letzte Mal in der Firma der Beklagten. Die neue Arbeitsstelle hat der Kläger dann tatsächlich am 1. 7. 2016 angetreten.

Noch am 24. 6. 2016 kontaktierte der Kläger seinen Rechtsanwalt, Dr. H*****, welcher mit Schreiben vom 24. 6. 2016 … den sofortigen Austritt des Klägers gemäß § 26 AngG, unter Berufung auf die gefallene Äußerung 'charakterlose Sau' erklärte. Gleichzeitig stellte der Kläger einen Teilbetrag von 5.000 EUR fällig. Der Austritt des Klägers war nicht schon vorab geplant gewesen. ...“

Rechtlich führte das Erstgericht in Hinblick auf den Austrittsgrund der erheblichen Ehrverletzung durch den Dienstgeber (§ 26 Z 4 AngG) aus, der Kläger sei nie Teil der vom Sohn des Geschäftsführers der Beklagten geleiteten Abteilung gewesen, dieser sei im Juni 2016 jener Abteilung auch nicht mehr vorgestanden. Dass er dann allgemein für Marketing, Werbung, Internet, aber auch noch den Vertrieb zuständig gewesen sei, mache ihn noch nicht zum Repräsentanten, zumal er auch nicht befugt gewesen sei, Mitarbeiter einzustellen und zu kündigen. Er habe gegenüber dem Kläger auch keine Unternehmer- oder Arbeitgeberfunktionen ausgeübt. Da der Kläger nach dem 24. 6. 2018 nicht mehr in den Betrieb gekommen sei, liege auch keine Verletzung der Abhilfeverpflichtung des Dienstgebers vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers insoweit Folge, als es die Beklagte zur Zahlung von 9.791,41 EUR brutto samt 4 % Zinsen aus dem sich aus 9.741,41 EUR brutto ergebenden Nettobetrag ab 19. 8. 2016 verpflichtete. Das Zinsenmehrbegehren von 4 % Zinsen aus 5.000 EUR vom 25. 6. 2016 bis 18. 8. 2016 und aus 9.791,41 EUR brutto ab 19. 8. 2016 wies es ab. Zusammengefasst war das Berufungsgericht der Ansicht, dass der Sohn des Geschäftsführers der Beklagten aufgrund seiner Stellung als gewerberechtlicher Geschäftsführer (§ 39 Abs 2 GewO) die zur gewerberechtlichen Kontrolle notwendigen entsprechenden Anforderungsbefugnisse besessen habe und schon deshalb als Repräsentant der Beklagten anzusehen sei. Damit erübrige sich die Prüfung, ob er, der nach seiner Aussage in der Firma als „Juniorchef“ gelte, der einräume, dass der Kläger von seiner Übernahme der Firma in naher Zukunft gewusst habe und der für das Marketing für alle Abteilungen, die Werbung und die Internetauftritte der Beklagten zuständig sei, unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich ein Dienstgeber den von ihm durch die geschaffenen oder wenigstens geduldeten äußeren Tatbestand bei Mitarbeitern erweckten Eindruck eines Repräsentanten zurechnen lassen müsse, nicht auch deshalb als Repräsentant der Beklagten anzusehen sei. Das Zinsenmehrbegehren sei wegen Unschlüssigkeit abzuweisen.

In ihrer erkennbar gegen den klagsstattgebenden Teil des Berufungsurteils gerichteten außerordentlichen Revision beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der ihm vom Senat freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1. Gemäß § 26 Z 4 AngG ist als ein wichtiger Grund, der den Angestellten zum vorzeitigen Austritte berechtigt, insbesondere anzusehen, wenn der Dienstgeber sich (ua) erhebliche Ehrverletzungen gegen den Angestellten oder dessen Angehörige zuschulden kommen lässt oder es verweigert, den Angestellten gegen solche Handlungen seines Mitbediensteten oder eines Angehörigen des Dienstgebers zu schützen.

2. Dienstgeber iSd § 26 Z 4 AngG ist grundsätzlich nur der Geschäftsinhaber (bei juristischen Personen die vertretungsbefugten Organe), also derjenige, der die Verantwortung für das gesamte Unternehmen trägt und in der Lage ist, Abhilfe zu schaffen und weitere Ehrverletzungen in Zukunft zu verhindern. Ihm gleichgestellt sind jene Personen, die kraft ihrer Befugnisse und ihrer Stellung gegenüber den anderen Dienstnehmern als zur selbständigen Geschäftsführung berufene Stellvertreter anzusehen sind, also solche Personen, die zur selbständigen Ausübung von Unternehmer- und insbesondere Arbeitgeberfunktionen berechtigt sind (RIS-Justiz RS0029091). Derartige Funktionen kamen dem Sohn des Geschäftsführers der Beklagten nicht zu, er war insbesondere nicht befugt, Mitarbeiter einzustellen oder zu kündigen.

3. Darüber hinaus können auch von Repräsentanten des Arbeitgebers begangene Ehrverletzungen dem Arbeitgeber zugerechnet werden und den Angestellten zum sofortigen Austritt berechtigen (s Friedrich in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 26 Rz 138 f mwN).

Repräsentanten sind Personen, die in der Organisation der juristischen Person eine leitende Stellung innehaben und dabei mit eigenverantwortlicher Entscheidungsbefugnis ausgestattet sind (RIS-Justiz RS0009113; s auch RS0107916). Für die Qualifikation einer Person als Repräsentant einer juristischen Person kommt es darauf an, dass diese Person eine Stellung innehat, vermöge der diese Person, wenn von der Satzung auch nur mittelbar berufen, so doch effektiv und in entscheidender Weise an der Leitung des Verbandswillens teilzunehmen berufen ist (RIS-Justiz RS0106862). Die Zurechnung des deliktischen Verhaltens von Repräsentanten folgt dem Grundgedanken, dass jene Vermögensmasse, die den Vorteil des Handelns des „Machthabers“ genießt, auch die daraus entstehenden Nachteile zu tragen hat, weil sie wegen der Selbständigkeit ihrer Tätigkeit eine besondere Gefährdungsmöglichkeit haben (RIS-Justiz RS0009113 [T18]). Der Vorteil des Handelns des „Machthabers“ kommt dieser Vermögensmasse aber nur zu, wenn der Repräsentant im Rahmen seines Wirkungsbereichs tätig wird. Auch eine besondere Gefährdungsmöglichkeit – die die Zurechnung des Repräsentantenhandelns rechtfertigt – haben Repräsentanten nur in dem ihnen übertragenen eigenverantwortlichen Wirkungsbereich. Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung daher auch, ob eine Person für den „Machtgeber“ in verantwortlicher, leitender oder überwachender Funktion tätig wurde (9 Ob 9/11f) oder zumindest ein Sachzusammenhang zwischen dem Aufgabenbereich und dem behaupteten Delikt vorliegt (vgl 6 Ob 249/00m).

4. Die Funktion des Sohnes als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Beklagten als solche vermittelt diesen Zusammenhang nicht und ist hier auch sonst nicht geeignet, die Dienstgebereigenschaft nach § 26 Z 4 AngG zu begründen.

Nach § 39 Abs 1 GewO 1994 kann der Gewerbeinhaber für die Ausübung seines Gewerbes einen Geschäftsführer bestellen, der dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde (§ 333 leg cit) gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist. Nach § 39 Abs 2 GewO 1994 muss der Geschäftsführer den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen entsprechen und in der Lage sein, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, insbesondere dem Abs 1 entsprechende, selbstverantwortliche Anordnungsbefugnis besitzen.

Der Zweck dieser gewerberechtlichen Bestimmungen ist erkennbar darauf gerichtet, sicherzustellen, dass eine zur redlichen fachkundigen Ausübung des Gewerbes geeignete und dafür verantwortliche Person vorhanden ist. Nach der Rechtsprechung muss der gewerberechtliche Geschäftsführer daher die Möglichkeit haben, die gewerberechtliche Tätigkeit des Betriebs ausreichend zu beobachten und zu kontrollieren (RIS-Justiz RS0016760 [T3, T4]), er muss daher insbesondere eine entsprechende selbstverantwortliche Anordnungsbefugnis besitzen.

Aus dieser Funktion lässt sich aber nicht ableiten, dass der Sohn des Geschäftsführers der Beklagten Personalverantwortung für den Kläger gehabt hätte. Eine solche steht, wie dargelegt, nicht fest. Aus den Feststellungen geht hier auch nicht hervor, dass der Sohn des Geschäftsführers der Beklagten gegenüber dem Kläger sonst eine leitende Stellung mit eigenverantwortlicher Entscheidungsbefugnis gehabt hätte, war der Kläger doch in der Verwaltungsabteilung tätig, in der seine direkte Vorgesetzte I***** war.

5. Diesen Erwägungen steht auch die vom Kläger angeführte Entscheidung 2 Ob 273/05v nicht entgegen. Der gewerberechtliche Geschäftsführer jener Entscheidung war für den Zweig Güterbeförderung bestellt. Der dort entstandene Schaden trat im Zuge der Ausführung eines Abschleppauftrags durch die Beklagte ein, wofür der gewerberechtliche Geschäftsführer eine selbstverantwortliche, von ihm aber konkret nicht ausreichend wahrgenommene Anordnungsbefugnis besaß. Seine Repräsentanteneigenschaft wurde danach deshalb bejaht, weil er beim schädigenden Verhalten (Unterlassen entsprechender Weisungen und Kontrollen) in der Funktion als gewerberechtlicher Geschäftsführer tätig war und ihm diesbezüglich auch eigenverantwortliche Entscheidungs- und entsprechende Weisungsbefugnis zukam. Derartiges liegt hier nicht vor. Der Kläger suchte vielmehr von sich aus ein Gespräch mit dem Sohn des Geschäftsführers der Beklagten in einer Angelegenheit (Beendigung des Dienstverhältnisses), die keinen Zusammenhang mit der fachlichen Ausübung des Gewerbes (§ 39 Abs 1 GewO 1994) aufwies und bei der letzterem auch sonst keine entsprechende Anordnungs- oder Entscheidungsbefugnis zukam. Eine Zurechnung aufgrund einer Repräsentantenstellung des Sohnes des Geschäftsführers der Beklagten an diese kommt danach nicht in Betracht.

6. Der Kläger kann sich dafür auch nicht auf einen vom Dienstgeber selbst oder einen vom Sohn des Geschäftsführers der Beklagten geschaffenen bzw geduldeten äußeren Tatbestand berufen. Solchen Erwägungen wäre nur nachzugehen, wenn der rechtfertigende Tatbestand mit Zutun desjenigen zustande gekommen ist, dem der Schutz zum Nachteil gereicht (s RIS-Justiz RS0020004). Das wäre hier die Beklagte, vertreten durch ihren Geschäftsführer. Derartiges lässt sich aus dem Sachverhalt jedoch nicht ableiten. Entgegen dem Vorbringen des Klägers steht nicht fest, dass sich der Sohn gegenüber dem Kläger als Chef („Juniorchef“) präsentiert und „aufgespielt“ hat. Sehr wohl steht aber fest, dass der Geschäftsführer der Beklagten vom Facebook-Auftritt seines Sohnes keine Kenntnis hatte. Dass der Sohn das Vorstellungsgespräch mit dem Kläger (mit-)geführt hat und mit seiner Mutter Vorschläge von Stellenbewerbern ausgearbeitet hat, ändert nichts daran, dass die Entscheidungsbefugnis über die Einstellung des Klägers beim Geschäftsführer lag und es auch dieser war, der dem Kläger die Einstellungszusage machte. Andere ausreichende Gründe für die Schaffung eines entsprechenden äußeren Tatbestands durch den Geschäftsführer liegen nicht vor. Der Sohn des Geschäftsführers der Beklagten ist dieser daher nicht in ihrer Eigenschaft als Dienstgeber des Klägers iSd § 26 Z 4 AngG zuzurechnen.

7. Entgegen der Ansicht des Klägers blieb die Beweisrüge des Klägers zur Frage, ob sich der Sohn gegenüber dem Kläger als „Juniorchef“ präsentiert habe, nicht unerledigt (s Berufungsurteil S 11). Dass dem von ihm geltend gemachten sekundären Feststellungsmangel zum näheren Inhalt des Bewerbungsgesprächs kein ausreichendes Vorbringen zugrunde liegt, hat das Berufungsgericht aufgezeigt und wird durch den Hinweis auf den Schriftsatz ON 6 nicht widerlegt.

8. Der Revision der Beklagten ist danach Folge zu geben. In Ergänzung zur bereits rechtskräftigen Abweisung des Zinsenmehrbegehrens ist das Klagebegehren – in Wiederherstellung des Ersturteils – auch in seinem übrigen Teil abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des erstgerichtlichen Verfahrens auf § 41 ZPO (wobei die Vertagungsbitte der Beklagten nicht zu honorieren ist, RIS-Justiz RS0121621), hinsichtlich der Rechtsmittelverfahren auf den §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E122871

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00045.18K.0830.000

Im RIS seit

15.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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