TE Vwgh Beschluss 2018/7/23 Ro 2016/07/0011

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Veröffentlicht am 23.07.2018
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Index

L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

ABGB §1358;
B-VG Art133 Abs4;
EStG 1988 §95;
FlVfLG Tir 1996 §33 Abs2 litc Z2;
FlVfLG Tir 1996 §33 Abs5;
FlVfLG Tir 1996 §86d Abs1 idF 2014/070;
FlVfLG Tir 1996 §86d idF 2014/070;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des J P in B, vertreten durch Univ.-Doz. Dr. Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 5/II, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 31. März 2016, LVwG- 2015/37/3090-9, betreffend eine Angelegenheit nach dem Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde; mitbeteiligte Partei: Gemeindegutsagrargemeinschaft M, vertreten durch Dr. Markus Heis, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 3), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Agrargemeinschaft besteht im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (TFLG 1996) auf Gemeindegut und ist eine Gemeindegutsagrargemeinschaft (im Folgenden: mitbeteiligte Partei).

2 Vier Wochen nach dem In-Kraft-Treten der Novelle LGBl. Nr. 70/2014 zum TFLG 1996 am 1. Juli 2014 wurden dem Substanzverwalter der mitbeteiligten Partei Gelder in der Höhe von rund EUR 400.000,-- durch die Einräumung der für die einzelnen Konten erforderlichen Zeichnungsberechtigungen übergeben.

3 Ein näher genanntes, am 1. Juli 2002 angelegtes Sparbuch mit einer Einlage von rund EUR 111.000,--, auf dem seit diesem Zeitpunkt alle aus Holzverkäufen erwirtschafteten Erlöse eingezahlt worden waren, wobei jedes Jahr, zuletzt auch in den Jahren 2010 bis 2013, aus den durch Holzverkäufe erwirtschafteten Geldern Ausschüttungen an die Mitglieder der mitbeteiligten Partei vorgenommen worden waren, wurde vom Obmann der mitbeteiligten Partei nach Durchführung eines mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG) vom 17. März 2015 abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens dem Substanzverwalter übergeben.

4 Im Frühjahr 2015 stellte das Finanzamt Innsbruck im Rahmen einer Steuerprüfung fest, dass für die in den Jahren 2010 bis 2013 an die Mitglieder getätigten Ausschüttungen aus Holzverkäufen die Kapitalertragsteuer (im Folgenden: KESt) nicht ordnungsgemäß abgeführt worden sei. Mit Haftungsbescheid vom 9. Juli 2015 forderte das Finanzamt Innsbruck die mitbeteiligte Partei im Hinblick auf die in den Jahren 2010 bis 2013 getätigten Ausschüttungen auf, die KESt in der Höhe von EUR 134.183,75 abzüglich eines Betrages von EUR 2.660,--, sohin insgesamt EUR 131.523,75, zu bezahlen.

5 In weiterer Folge informierte der Substanzverwalter der mitbeteiligten Partei mit Schreiben vom 31. Juli 2015 die Mitglieder der mitbeteiligten Partei über den Haftungsbescheid des Finanzamtes Innsbruck und forderte diese auf, den jeweils aushaftenden Betrag zu tilgen und die ausständige KESt auf das Substanzkonto zu entrichten. 33 Mitglieder der mitbeteiligten Partei sind dieser Aufforderung gefolgt.

6 Am 17. August 2015 bezahlte die mitbeteiligte Partei die aushaftende KESt. Da jedoch mehrere Agrargemeinschaftsmitglieder der Aufforderung zur Bezahlung des aushaftenden Betrages nicht nachgekommen waren, beantragte der Substanzverwalter der mitbeteiligten Partei mit Schreiben vom 24. September 2015 bei der Agrarbehörde, den namentlich genannten säumigen Mitgliedern die Zahlung jenes Betrages, für den diese Mitglieder als Schuldner der KESt anzusehen seien, vorzuschreiben.

7 Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde vom 28. Oktober 2015 wurden die Eigentümer näher angeführter Stammsitzliegenschaften der mitbeteiligten Partei verpflichtet, binnen zwei Wochen bei sonstigem Zwang entsprechend der Höhe der bezogenen Kapitalbeträge den jeweils angeführten Betrag (Forderung) auf das Substanzkonto der mitbeteiligten Partei zu bezahlen.

8 Dem kamen zwei der mit dem Bescheid verpflichteten Mitglieder der mitbeteiligten Partei nach, sie erhoben aber mit sechs weiteren Mitgliedern, darunter auch der Revisionswerber, Beschwerde gegen den Bescheid der Agrarbehörde vom 28. Oktober 2015 an das LVwG.

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des LVwG vom 31. März 2016 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig erklärt.

10 In seinen Erwägungen hielt das LVwG fest, die mitbeteiligte Partei fordere auf der Grundlage des Haftungsbescheides des Finanzamtes Innsbruck vom 9. Juli 2015 von den beschwerdeführenden Mitgliedern der mitbeteiligten Partei als Schuldner der KESt im Sinne des § 95 Abs. 1 EStG 1988 die anteilsmäßige Rückerstattung der von ihr als Abzugsverpflichteter geleisteten KESt. Der Antrag der mitbeteiligten Partei, vertreten durch deren Substanzverwalter, vom 24. September 2015 sei als solcher nach § 37 Abs. 7 lit. a TFLG 1996 zu qualifizieren.

11 Die von der mitbeteiligten Partei aus den in den Jahren 2010 bis 2013 durch den Verkauf des "Rechtholzes" erzielten Erlösen vorgenommenen Ausschüttungen an ihre Mitglieder habe das Finanzamt Innsbruck als Kapitalerträge qualifiziert. Gemäß § 95 Abs. 3 Z 1 EStG 1988 habe das Finanzamt Innsbruck die mitbeteiligte Partei als abzugsverpflichtete Schuldnerin der Kapitalerträge angesehen und ihr die Leistung der KESt mit dem Haftungsbescheid vom 9. Juli 2015 vorgeschrieben. Die anteilsberechtigten Mitglieder als Empfänger der Kapitalerträge seien folglich die Schuldner der KESt im Sinne des § 95 Abs. 2 EStG 1988.

12 Die mitbeteiligte Partei habe anstelle der Schuldner der KESt, nämlich der Mitglieder der mitbeteiligten Partei als Empfänger der Kapitalerträge, die aushaftende KESt bezahlt. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1358 ABGB trete in die Rechte des Gläubigers ein, wer eine fremde Schuld bezahle. Nach der genannten Bestimmung gingen auch öffentlich-rechtliche Ansprüche (wie die gegenständlich geltend gemachte Steuerforderung) über, soweit dies nicht durch besondere Vorschriften ausschlossen sei. Die Forderung des Finanzamtes sei im gegenständlichen Fall im Wege der Legalzession gemäß § 1358 ABGB auf die mitbeteiligte Partei als Schuldnerin der Kapitalerträge und Abzugsverpflichtete gemäß § 95 Abs. 3 EStG 1988 übergegangen.

13 Zum Vorbringen der vor dem LVwG beschwerdeführenden Parteien, eine Auseinandersetzung zwischen der mitbeteiligten Partei und ihren Mitgliedern im Hinblick auf die vor dem 30. Juni 2014 erfolgten verfahrensgegenständlichen Ausschüttungen habe ausschließlich nach den Bestimmungen des § 86d TFLG 1996 zu erfolgen, hielt das LVwG im Wesentlichen fest, die Nutzungsrechte der Mitglieder der mitbeteiligten Partei bestünden (wie auch in der Vergangenheit) ausschließlich im Bezug von Naturalleistungen zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes. Auch mit Eintritt der Rechtskraft des Regulierungsplanes vom 10. Oktober 1945 sei entsprechend der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes die rechtliche Qualifikation der betroffenen Grundstücke als Gemeindegut insofern nicht untergegangen, als das ursprünglich in Form des Eigentums bestehende Substanzrecht der Gemeinde in ein agrargemeinschaftliches Anteilsrecht umgewandelt worden sei. Damit sei der Anspruch der Gemeinde M. auf den Substanzwert und somit auf die dem Substanzwert zuzuordnenden Überschüsse aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit auch mit Eintritt der Rechtskraft des Regulierungsbescheides aufrecht geblieben.

14 Die TFLG-Novelle, LGBl. Nr. 70/2014, sichere den Substanzanspruch der Gemeinden dadurch, dass die Bewirtschaftung der Substanz der Grundstücke des atypischen Gemeindegutes einschließlich aller Dispositionen über Substanzerlöse und das gesamte vorhandene Vermögen der Agrargemeinschaft mit ihrem In-Kraft-Treten zur Gänze auf den Substanzverwalter übergegangen seien. Die Sicherstellung des Substanzanspruches der Gemeinde erfolge durch die neuen Bestimmungen über die Wirtschaftsführung und die Substanzverwaltung (§ 36a bis § 36k TFLG 1996; insbesondere gelte es, § 36d und § 36f Abs. 1 TFLG 1996 zu beachten, sowie die vermögensrechtlichen Übergangsbestimmungen § 86e Abs. 4 und 5 TFLG 1996). Dadurch hätten die substanzberechtigten Gemeinden Zugriff auf das gesamte vorhandene Vermögen der atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaften erhalten.

15 Die an dem gemäß § 86e Abs. 4 TFLG 1996 festgesetzten Stichtag übergebenen, auf verschiedenen Konten veranlagten Gelder in der Höhe von EUR 400.000,-- seien in der Vergangenheit und auch heute dem Substanzwert zuzuordnen; sie seien daher der Gemeinde M. auf Grund des ihr zustehenden Substanzwertanspruches zurückzugeben gewesen.

16 Bei dem auf dem bereits erwähnten Sparbuch veranlagten Geld - Erlöse aus Holzverkäufen - handle es sich um Überschüsse aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit. Auch diese stünden in der Vergangenheit wie heute der Gemeinde aus dem Titel des Eigentumsrechtes zu (Verweis auf Judikatur des Verfassungsgerichtshofes). Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer seien die auf dem genannten Sparbuch veranlagten Gelder keineswegs der freien Verfügung durch die Mitglieder der mitbeteiligten Partei unterlegen, sondern seien als Überschüsse aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit der Gemeinde zugestanden. Mit der Aushändigung dieses Sparbuchs an den Substanzverwalter der mitbeteiligten Partei sei die Rückgabe an die über diese Gelder verfügungsberechtigte Gemeinde M. erfolgt.

17 Die in § 86d TFLG 1996 geregelte vermögensrechtliche Auseinandersetzung für die Vergangenheit ergänze die Bestimmungen über die Wirtschaftsführung und Substanzverwaltung und diene ebenfalls der Wahrung des Substanzanspruchs der substanzberechtigten Gemeinde. § 86d TFLG 1996 erfasse vor allem jene Fälle, in denen aus der Substanz erwirtschaftete Vermögenswerte die Agrargemeinschaft ohne Gegenleistung verlassen hätten. Allerdings gelte es auch, gegenläufige Ansprüche der Nutzungsberechtigten zu berücksichtigen und zwischen diesen Ansprüchen und dem Substanzanspruch der Gemeinde einen angemessenen Ausgleich zu schaffen.

18 Mit In-Kraft-Treten der Novelle LGBl. Nr. 70/2014 am 1. Juli 2014 hätten die substanzberechtigten Gemeinden Zugriff auf das gesamte vorhandene Vermögen der atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaften erhalten. § 86e Abs. 4 TFLG 1996 stelle sicher, dass das vorhandene Vermögen in die Dispositionsbefugnis des Substanzverwalters gelange. § 86d TFLG 1996 regle jene Fälle, in denen aus der Substanz erwirtschaftete Vermögenswerte die Agrargemeinschaft ohne Gegenleistung verlassen hätten und somit nicht vorhanden seien.

19 Unbestritten sei, dass die als "Überling" zu qualifizierenden Ausschüttungen der Jahre 2010 bis 2013 die Agrargemeinschaft verlassen hätten. Gemäß § 86d Abs. 1 lit. b TFLG 1996 finde eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung über diese als Überling zu qualifizierenden Ausschüttungen nicht statt.

20 Mit Schriftsatz vom 24. September 2015 habe die mitbeteiligte Partei allerdings die im Wege der Legalzession auf sie übergegangene Steuerschuld, nämlich die vom Finanzamt Innsbruck für die in den Jahren 2010 bis 2013 getätigten Ausschüttungen vorgeschriebene KESt, geltend gemacht. Es handle sich somit um keinen vermögenswerten Anspruch zwischen der mitbeteiligten Partei und den Mitgliedern dieser Agrargemeinschaft als Nutzungsberechtigten. Darüber hinaus sei der von der mitbeteiligten Partei gegenüber den beschwerdeführenden Agrargemeinschaftsmitgliedern geltend gemachte Anspruch erst mit der Bezahlung der vom Finanzamt vorgeschriebenen KESt einschließlich der damit bewirkten Legalzession und folglich nach dem Ablauf des Tages der Kundmachung des Gesetzes LGBl. Nr. 70/2014 entstanden.

21 Die mitbeteiligte Partei habe als Abzugsverpflichtete die ihr vom Finanzamt Innsbruck mit Haftungsbescheid vom 9. Juli 2015 vorgeschriebene KESt geleistet. Schuldner der KESt seien allerdings die Mitglieder der Agrargemeinschaft als Empfänger der Kapitalerträge. Durch die Zahlung der Steuerschuld sei die entsprechende Forderung auf die mitbeteiligte Partei im Wege der Legalzession gemäß § 1358 ABGB übergegangen. Entgegen dem Beschwerdevorbringen handle es sich bei dieser Steuerschuld um keinen vermögenswerten Anspruch aufgrund des Mitgliedschaftsverhältnisses zwischen einer Agrargemeinschaft auf Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 und den Nutzungsberechtigten. § 86d TFLG 1996 sei im Hinblick auf die von der mitbeteiligten Partei mit Schriftsatz vom 24. September 2016 geltend gemachten Ansprüche folglich nicht anwendbar.

22 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

23 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.

24 Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision kostenpflichtig als unzulässig zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen.

25 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

26 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

27 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

28 Das LVwG ließ die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung zu, es habe mehrere Rechtsfragen - Übergang eines öffentlich rechtlichen Anspruches (Steuerforderung) im Wege der Legalzession auf die mitbeteiligte Partei, Anwendbarkeit des § 86d TFLG 1996 auf eine solche Forderung etc. - zu beurteilen, die von weitreichender Bedeutung seien und bislang nicht Gegenstand der höchstgerichtlichen Rechtsprechung gewesen seien.

29 Der Revisionswerber führt zur Begründung der Zulässigkeit der Revision aus, das LVwG habe zu Recht die ordentliche Revision für zulässig erklärt. Im Einzelnen hält er dazu fest:

"Die Frage, unter welchen Umständen Steuernachforderungen aus dem Zeitraum vor dem 01.07.2014 gegen atypische Gemeindegutsagrargemeinschaften auf ihre Mitglieder überwälzt werden können, hat generelle und erhebliche Bedeutung. Offenkundig ist, dass für die Frage der Überwälzbarkeit von Steuernachforderungen auf Mitglieder von atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaften keine Judikatur vorliegt. Zu beurteilen ist die Frage, ob und inwieweit ein Steuerregress nur im Rahmen der Bestimmungen des § 86d TFLG 1996 möglich ist; als ergänzende Variante ist zu beurteilen, ob ein Barvermögen, welches aus einem in der Land- und Forstwirtschaft erarbeiteten Überling stammt, anzurechnen wäre. Diese Fragen hat die Revisionsgegnerin unrichtig beantwortet."

30 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen (vgl. 31 VwGH 27.4.2017, Ro 2015/07/0044, und VwGH 25.5.2018, Ro 2018/10/0003, jeweils mwN).

32 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Revisionswerber auch in der ordentlichen Revision von sich aus die Gründe der Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. erneut VwGH 27.4.2017, Ro 2015/07/0044, mwN).

33 Der vom LVwG im angefochtenen Erkenntnis angenommene Übergang eines öffentlich-rechtlichen Anspruches, nämlich einer Steuerforderung, im Wege der Legalzession auf die mitbeteiligte Partei - wogegen sich auch die vorliegende Revision nicht konkret wendet - begegnet im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund bestehender Judikatur keinen Bedenken (vgl. in diesem Zusammenhang u. a. VfSlg. 14618/1996 sowie VwGH 23.11.2011, 2011/12/0024; vgl. ferner OGH 21.4.2005, 6 Ob 237/04b (zur KESt); 27.9.2006, 7 Ob 207/06a; 16.3.2016, 3 Ob 232/15m; sh. aus der Literatur überdies Gamerith in Rummel3, § 1358 Rz 7; W. Faber in Schwimann/Kodek, ABGB4 VI § 1358 Rz 9) und begründet nicht die Zulässigkeit der Revision.

34 Mit der Behauptung einer "Überwälzung" von Steuernachforderungen auf die Mitglieder der mitbeteiligten Agrargemeinschaft entfernt sich der Revisionswerber von den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen. Demnach waren und sind die anteilsberechtigten Mitglieder der mitbeteiligten Partei als Empfänger der Kapitalbeträge (Ausschüttungen) Schuldner der KESt im Sinne des § 95 EStG 1988. Gleichzeitig haftete die mitbeteiligte Partei als Abzugsverpflichtete dem Bund von Gesetzes wegen für die Einbehaltung und Abfuhr der Steuer (sh. in diesem Sinne auch OGH 29.6.2017, 8 Ob 105/16y). Nach Vorschreibung der KESt mit Haftungsbescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 9. Juli 2015 hat die mitbeteiligte Partei die KESt anstelle der Schuldner der KESt, nämlich ihrer Mitglieder, die die Ausschüttungen aus Holzverkäufen empfangen hatten, entrichtet. Eine "Überwälzung" einer Steuernachforderung auf die Agrargemeinschaftsmitglieder liegt daher nicht vor.

35 Der mehrfach angesprochene § 86d TFLG 1996 regelt die vermögensrechtliche Auseinandersetzung für die Vergangenheit bei Agrargemeinschaften auf Gemeindegut im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996. § 86d TFLG 1996, LGBl. Nr. 74 in der (im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses vom 31. März 2016 gültigen) Fassung LGBl. Nr. 70/2014, wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Oktober 2016, G 219/2015-28, als verfassungswidrig aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof ordnete jedoch an, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 2017 in Kraft tritt. Da nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein unter Fristsetzung aufgehobenes Gesetz während dieses Zeitraumes einem verfassungsrechtlich einwandfreien Bestandteil der Rechtsordnung gleichsteht (vgl. VfGH 28.9.2017, E 1006/2017, mwN), ist die gegenständliche Beurteilung vor dem Hintergrund des § 86d TFLG 1996 in der genannten Fassung LGBl. Nr. 70/2014 vorzunehmen. (Anmerkung: Zwischenzeitig wurde § 86d TFLG 1996 mit der mit 1. September 2017 in Kraft getretenen Novelle LGBl. Nr. 86/2017 novelliert.)

36 Die Frage der Anwendbarkeit des § 86d TFLG 1996 - und somit die Frage, ob nach Abs. 1 leg. cit. eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung im Zusammenhang mit der gegenständlichen, von der mitbeteiligten Partei geltend gemachten Forderung in Betracht kommt - stellt im vorliegenden Fall bereits deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, weil sich diese Bestimmung nach dem eindeutigen Wortlaut ihres Abs. 1 erster Satz von vornherein nur auf vermögenswerte Ansprüche bezieht, die vor dem Ablauf des Tages der Kundmachung des Gesetzes LGBl. Nr. 70/2014 (Anmerkung: somit vor dem 1. Juli 2014) entstanden sind (zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, wenn die Rechtslage nach dem klaren Wortlaut der anzuwendenden Bestimmungen eindeutig ist, vgl. VwGH 18.1.2018, Ra 2017/07/0100 ua., mwN).

37 Nach der zivilgerichtlichen Judikatur wird der Regress des § 1358 ABGB erst durch die tatsächliche Zahlung des Regressierenden fällig. Erst die tatsächliche Zahlung setzt allfällige Fristen seiner Geltendmachung in Lauf (vgl. erneut OGH 21.4.2005, 6 Ob 237/04b, mwN). Die mitbeteiligte Partei konnte die in Rede stehende Forderung gegenüber ihren Mitgliedern erst mit der Entrichtung der KESt geltend machen. Nach den unbekämpften Feststellungen des LVwG hat die mitbeteiligte Partei die aushaftende KESt am 17. August 2015, somit nach Ablauf des in § 86d Abs. 1 erster Satz TFLG 1996 genannten Zeitraumes bezahlt, weshalb § 86d Abs. 1 TFLG 1996 in der Fassung LGBl. Nr. 70/2014 nicht zur Anwendung gelangen kann. Angemerkt sei überdies, dass auch der Haftungsbescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 9. Juli 2015 bereits nach Ablauf des 30. Juni 2014 ergangen war. Dass die Ausschüttungen selbst, an die die Steuerpflicht anknüpfte, in den Jahren 2010 bis 2013 erfolgten, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheidend.

38 Nicht die Rückforderung einer in der Vergangenheit erfolgten geldwerten Zuwendung an die Mitglieder der mitbeteiligten Partei ist Gegenstand des Verfahrens, sondern eine aufgrund der Bezahlung der KESt durch die (nach § 95 EStG dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der KESt haftende) mitbeteiligte Partei bestehende Forderung gegenüber den Mitgliedern der Agrargemeinschaft (als Empfänger von Ausschüttungen aus Holzverkäufen und Schuldner der KESt).

39 Mit dem Vorbringen, es sei zu beurteilen, ob ein Barvermögen, welches aus einem in der Land- und Forstwirtschaft erarbeiteten Überling stamme, anzurechnen sei, spricht der Revisionswerber offenkundig jenen Geldbetrag von ca. EUR 111.000,--

an, der in Form eines Sparbuches an den Substanzverwalter der mitbeteiligten Partei übergeben wurde. Der Revisionswerber vertritt die Ansicht, dass dieser Geldbetrag die Regressforderung gegenüber den Mitgliedern der mitbeteiligten Partei vermindern hätte müssen.

40 Dazu genügt es, auf die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu verweisen, wonach Überschüsse aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit (Überling) dem Substanzwert im Sinne des § 33 Abs. 5 TFLG 1996 zu subsumieren sind und daher der Gemeinde zustehen (vgl. VfSlg. 19802/2013; VwGH 24.11.2016, Ra 2016/07/0006, mwN). Der Revisionswerber kann sich daher nicht erfolgreich auf das aus dem Überling stammende Vermögen berufen, um seinen Anteil an der in Rede stehenden Steuerschuld zu vermindern.

41 Im angefochtenen Erkenntnis und in der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes eine im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

42 Die beantragte mündliche Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG entfallen.

43 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 23. Juli 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RO2016070011.J00

Im RIS seit

05.09.2018

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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