Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen L***** B*****, geboren ***** 2001, vertreten durch die Mutter Mag. M***** R*****, Vater T*****, vertreten durch Dr. Waltraud Künstl, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterhalt, infolge des „außerordentlichen Revisionsrekurses“ des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. April 2018, GZ 45 R 8/18m-56, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 28. November 2017, GZ 48 PU 288/16s-48, teils bestätigt, teils abgeändert und teils aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Die Minderjährige beantragte die Festsetzung des Unterhaltsbeitrags des Vaters mit monatlich 945 EUR (dem zweieinhalbfachen Regelbedarf) ab 1. April 2015. Sie beantragte weiters, den Vater zur Zahlung von Sonderbedarf von 825 EUR für das Jahr 2016 und von 364 EUR für das Jahr 2017 zu verpflichten.
Der Vater beantragte die Abweisung der Anträge.
Das Erstgericht verpflichtete den Vater zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 625 EUR von 1. April 2015 bis 31. Dezember 2016 und von 780 EUR ab 1. Jänner 2017 sowie eines Sonderbedarfs von 825 EUR für das Jahr 2016. Für den bis zur Rechtskraft seines Beschlusses auflaufenden rückständigen Unterhalt samt Zinsen sprach das Erstgericht aus, dass von 1. April 2015 bis 30. November 2017 geleistete Zahlungen des Vaters von 1.170,24 EUR anzurechnen seien.
Das Mehrbegehren von monatlich 320 EUR von 1. April 2015 bis 31. Dezember 2016 und von 165 EUR ab 1. Jänner 2017 sowie hinsichtlich des Sonderbedarfs von 364 EUR für 2017 wies das Erstgericht – unangefochten – ab.
Dem Rekurs des Vaters gegen den antragsstattgebenden Teil dieses Beschlusses gab das Rekursgericht teilweise Folge. Es bestätigte den Zuspruch von monatlich 625 EUR von 1. April 2015 bis 31. Dezember 2016 sowie der Anrechnung von Zahlungen auf den Rückstand im Umfang von nur 864,92 EUR und hob die Entscheidung in Ansehung des darüber hinausgehenden Zuspruchs monatlichen Unterhalts sowie des Zuspruchs von Zinsen aus dem Rückstand auf. In Ansehung des Sonderbedarfs für 2016 wies es den Antrag ab. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels Rechtsfragen von der Bedeutung des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zu.
Gegen den stattgebenden Teil dieser Entscheidung richtet sich der „außerordentliche Revisionsrekurs“ des Vaters, mit dem er beantragt, den Unterhaltsfestsetzungsantrag auch für den Zeitraum von 1. April 2015 bis 31. Dezember 2016 abzuweisen; hilfsweise wird beantragt, den Beschluss auch in diesem Umfang aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
Das Erstgericht legte dieses Rechtsmittel dem Obersten Gerichtshof vor. Diese Vorgangsweise entspricht nicht dem Gesetz.
1. Im vorliegenden Unterhaltsbemessungs-verfahren hat das Rekursgericht zu Recht keine Bewertung des Entscheidungsgegenstands gemäß § 59 Abs 2 AußStrG vorgenommen, da der Streitgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur ist und ausschließlich in einem Geldbetrag besteht (RIS-Justiz RS0122735 [T8, T12]). Für den Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts in Unterhaltsbemessungsverfahren ist der 36-fache Betrag jenes monatlichen Unterhaltsbeitrags maßgeblich, der zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz zwischen den Parteien noch strittig war; Unterhaltsansprüche, die vor diesem Zeitpunkt strittig waren, haben ebenso unberücksichtigt zu bleiben (RIS-Justiz RS0122735; vgl RS0046543) wie bereits fällige Ansprüche (RIS-Justiz RS0114353; RS0122735 [T5]).
2. Nach § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs – außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen binnen 14 Tagen nach Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts beim Erstgericht einzubringenden Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde. Die „Zulassungsvorstellung“ ist mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbinden.
3. Hier wurde der Beschluss des Erstgerichts im Umfang des erfolgten Zuspruchs von 625 EUR von 1. April 2015 bis 31. Dezember 2016 und von 780 EUR ab 1. Jänner 2017 bekämpft. Der 36-fache monatliche Unterhaltsbetrag in zuletzt zugesprochener Höhe beträgt 28.080 EUR. Wenn man zur Gänze den höheren Betrag ab 1. Jänner 2017 zugrundelegt (vgl RIS-Justiz RS0046543 [T5]), beträgt der Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts jedenfalls weniger als 30.000 EUR.
4. Dem Rechtsmittelwerber steht damit nur der Rechtsbehelf der Zulassungsvorstellung nach § 63 AußStrG zur Verfügung. Das Rechtsmittel war nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, weil im Streitwertbereich des § 63 AußStrG Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch des § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist, dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen sind (§ 69 Abs 3 AußStrG). Dies gilt auch, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliches“ bezeichnet wird und direkt an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist. Wird gegen eine Entscheidung, die nur mit Zulassungsvorstellung angefochten werden kann, ein ordentlicher oder ein außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben, so hat daher – auch wenn das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist – das Erstgericht dieses Rechtsmittel dem Rekursgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel als Anträge iSd § 63 AußStrG zu werten sind (8 Ob 83/17i; 2 Ob 11/15d; RIS-Justiz RS0109623 [T13]).
5. Ob der dem Rekursgericht vorzulegende Schriftsatz den Erfordernissen des § 63 Abs 1 AußStrG entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS-Justiz RS0109623 [T14]).
Textnummer
E122492European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00117.18M.0717.000Im RIS seit
31.08.2018Zuletzt aktualisiert am
16.04.2019