Entscheidungsdatum
06.06.2018Norm
KFG 1967 §134 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Marzi als Einzelrichter über die Beschwerde des A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 8. Mai 2017, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem KFG 1967, nach mündlicher Verhandlung zu Recht:
1. Der Beschwerde wird wie folgt stattgegeben:
a. Die zu den 19 Spruchpunkten jeweils erhobenen „Tatbeschreibungen“ werden zu einer einzigen „Tatbeschreibung“ wie folgt zusammengefasst:
„Der Beschwerdeführer hat es als Lenker des Lastkraftwagens mit dem behördlichen Kennzeichen ***, welches zur Güterbeförderung im Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3,5 t übersteigt, unterlassen am 4., 5., 11., 12., 18., 19., 25., 26. Februar 2017 die Ruhezeit händisch einzutragen und unterließ überdies die händische Eintragung der Arbeitszeit am 13. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:30 Uhr, am 15. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:30 Uhr, am 16. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:30 Uhr, am 17. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:45 Uhr, am 20. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:15 Uhr, am 21. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:15 Uhr, am 22. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:00 Uhr, am 23. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:30 Uhr, am 24. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:00 Uhr, am 27. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 9:00 Uhr, und am 28. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:45 Uhr. Zu diesen händischen Eintragungen war er verpflichtet, da er sich an diesen Tagen bzw. Zeiträumen nicht im Fahrzeug aufgehalten hatte und daher nicht in der Lage war, das in das Fahrzeug eingebaute Gerät (analoger Fahrtschreiber) zu betätigen.“
b. Der Beschwerdeführer hat dadurch einmal §134 Abs. 1 KFG 1967 iVm Art. 34 Abs. 3 EGVO Nr.165/2014 verletzt.
c. Über den Beschwerdeführer wird daher gemäß §§ 134 Abs. 1 iVm 134 Abs. 1b KFG 1967 eine Geldstrafe in der Höhe von 500,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 80 Stunden) verhängt.
d. Die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens werden mit 50,-- Euro neu festgesetzt.
2. Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.
Zahlungshinweis:
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 550,-- Euro und ist gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG iVm § 54b Abs. 1 VStG binnen zwei Wochen einzuzahlen.
Entscheidungsgründe:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer lenkte den Lastkraftwagen mit dem behördlichen ***, welcher zur Güterbeförderung im Straßenverkehr eingesetzt war und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3,5 t überstieg, im Zeitraum 4. Februar 2017 bis 28. Februar 2017. In diesem Zeitraum begann der Beschwerdeführer an Wochentagen jeweils um 6:00 Uhr mit der Beladung des LKWs in der Firma. An den Wochenenden führte er keine Fahrten durch.
1.2. Der Beschwerdeführer unterließ an folgenden Tagen, die folgenden Eintragungen, obwohl er sich als Fahrer nicht im Fahrzeug aufgehalten hatte und daher nicht in der Lage war, das in das Fahrzeug eingebaute Gerät (analoger Fahrtschreiber) zu betätigen, folgende Eintragungen im Schaublatt von Hand vorzunehmen:
Am 4., 5., 11., 12., 18., 19., 25., 26. Februar 2017 unterließ er die händische Eintragung der Ruhezeit. Überdies unterließ er die händische Eintragung der Arbeitszeit am 13. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:30 Uhr, am 15. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:30 Uhr, am 16. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:30 Uhr, am 17. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:45 Uhr, am 20. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:15 Uhr, am 21. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:15 Uhr, am 22. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:00 Uhr, am 23. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:30 Uhr, am 24. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:00 Uhr, am 27. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 9:00 Uhr, und am 28. Februar 2017, von 6:00 Uhr bis 8:45 Uhr.
1.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis wurden dem Beschwerdeführer aufgrund der unterlassenen Eintragungen in 19 Fällen (also für jeden einzelnen Tag, an dem eine Eintragung unterlassen wurde) Übertretungen des § 134 Abs. 1KFG iVm Art. 34 Abs. 3 EG-VO 165/2014 zur Last gelegt. Daher wurde über ihn zu Spruchpunkt 1. eine Geldstrafe in der Höhe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden), zu den übrigen Spruchpunkten jeweils Geldstrafen in der Höhe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 20 Stunden) jeweils gemäß §§ 134 Abs. 1 iVm 134 Abs. 1b KFG 1967 verhängt, sowie ein Kostenbeitrag in der Höhe von insgesamt 210 Euro, sohin ein Gesamtbetrag in der Höhe von 2.310 Euro zur Bezahlung vorgeschrieben.
1.4. Der Beschwerdeführer bringt monatlich 1.600 Euro netto ins Verdienen und hat keine Sorgepflichten. Er ist verwaltungsstrafrechtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen gründen auf der Verhandlung vom 30. Mai 2018, in welcher Beweis erhoben wurde durch Verlesung des Verwaltungsstrafaktes sowie Einvernahme des Beschwerdeführers. Die Feststellungen sind im getroffenen Umfang nicht strittig.
3. Rechtliche Erwägungen:
3.1. Rechtsgrundlagen:
3.1.1. Art. 34 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Fahrtenschreiber im Straßenverkehr, zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (in der Folge: EGVO Nr. 165/2014), ABl. L 060 vom 28. Februar 2014, S 1, lautet auszugsweise wie folgt (Unterstreichungen hier und in der Folge durch das Landesverwaltungsgericht):
„Artikel 34
Benutzung von Fahrerkarten und Schaublättern
(1) Die Fahrer benutzen für jeden Tag, an dem sie lenken, ab dem Zeitpunkt, an dem sie das Fahrzeug übernehmen, Schaublätter oder Fahrerkarten. Das Schaublatt oder die Fahrerkarte wird nicht vor dem Ende der täglichen Arbeitszeit entnommen, es sei denn, eine Entnahme ist anderweitig zulässig. Schaublätter oder Fahrerkarten dürfen nicht über den Zeitraum, für den sie bestimmt sind, hinaus verwendet werden.
[…]
(3) Wenn der Fahrer sich nicht im Fahrzeug aufhält und daher nicht in der Lage ist, den in das Fahrzeug eingebauten Fahrtenschreiber zu betätigen, werden die in Absatz 5 Buchstabe b Ziffern ii, iii und iv genannten Zeiträume,
a) wenn das Fahrzeug mit einem analogen Fahrtenschreiber ausgerüstet ist, von Hand, durch automatische Aufzeichnung oder auf andere Weise lesbar und ohne Verschmutzung des Schaublatts auf dem Schaublatt eingetragen,
[…]
(5) Die Fahrer
a) […]
b) betätigen die Schaltvorrichtung des Kontrollgeräts so, dass folgende Zeiten getrennt und unterscheidbar aufgezeichnet werden:
i) unter dem Zeichenimage [Lenkradsymbol]: die Lenkzeiten,
ii) unter dem Zeichenimage [Werkzeugsymbol]: „andere Arbeiten“, das sind alle anderen Tätigkeiten als die Lenktätigkeit im Sinne von Artikel 3 Buchstabe a der Richtlinie 2002/15/EG sowie jegliche Arbeit für denselben oder einen anderen Arbeitgeber, sei es innerhalb oder außerhalb des Verkehrssektors,
iii) […]
iv) unter dem Zeichen [Bettsymbol]: Arbeitsunterbrechungen oder Ruhezeiten.
[…]“
3.1.2. Die Unterlassung der „händischen Eintragung“ iSd Art. 34 Abs. 3 EGVO Nr. 165/2014 stellt aufgrund des Anhangs III, Punkt 2., Nr. H16, der Richtlinie 2006/22/EG vom 15. März 2006 einen „sehr schwerwiegenden Verstoß“ dar.
3.1.3. § 134 des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967), BGBl. Nr. 267/1967 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 9/2017, lautet auszugsweise:
„§ 134. Strafbestimmungen(1) Wer […] der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 […] zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. […].
(1a) Übertretungen der […] Verordnung (EU) Nr. 165/2014 […] sind auch dann als Verwaltungsübertretung strafbar, wenn die Übertretung nicht im Inland, sondern auf einer Fahrtstrecke innerhalb des Geltungsbereiches dieser Bestimmungen begangen worden ist (Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006). Als Ort der Übertretung gilt in diesem Falle der Ort der Betretung im Inland, bei der die Übertretung festgestellt worden ist. […].
(1b) Die Verstöße gegen die Verordnungen (EG) Nr. 561/2006 und (EG) Nr. 165/2014 werden anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG, in der Fassung der Verordnung (EU) 2016/403, ABl. Nr. L 74 vom 19. März 2016, S 8, nach ihrer Schwere in vier Kategorien (schwerste Verstöße – sehr schwere Verstöße – schwere Verstöße – geringfügige Verstöße) aufgeteilt. Die Höhe der Geldstrafe ist nach der Schwere des Verstoßes zu bemessen und hat im Falle eines schweren Verstoßes nicht weniger als 200 Euro, im Falle eines sehr schweren Verstoßes nicht weniger als 300 Euro und im Falle eines schwersten Verstoßes nicht weniger als 400 Euro zu betragen. […].“
3.2. In der Sache:
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, die händischen Eintragungen in der festgestellten Art und Weise unterlassen zu haben, obwohl er sich zu den in Frage stehenden Zeiten nicht im Fahrzeug aufhielt und daher nicht in der Lage war, den in das Fahrzeug eingebauten Fahrtenschreiber zu betätigen. Das objektive Tatbild des Art. 34 Abs. 3 EGVO Nr. 165/2014 ist somit erfüllt.
Soweit sich der Beschwerdeführer auf seine Rechtsunkenntnis beruft, ist Folgendes zu erwidern:
Bei Einhaltung der einem Berufskraftfahrer obliegenden Sorgfaltspflicht bedarf es der Objektivierung durch geeignete Erkundigungen und es ist Sache des Lenkers eines Lastkraftwagens, sich über die Rechtslage zu informieren; wer dies verabsäumt, trägt das Risiko eines Rechtsirrtums. Es genügt auch nicht, sich bloß auf Auskünfte zB seitens des Arbeitgebers zu verlassen, ist doch dieser nicht zu Rechtsauskünften über die den Kraftfahrzeuglenker treffenden Verpflichtungen berufen (vgl. VwGH vom 10. Jänner 2017, Ra 2016/02/0269).
Die Unterlassungshandlungen sind daher auch vom Beschwerdeführer zu verantworten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings bereits ausgesprochen, dass es sich bei der Unterlassung, Zeiten auf der Fahrerkarte einzutragen, in denen sich der Fahrer nicht im Fahrzeug aufgehalten habe, um Dauerdelikte handelt, weshalb nicht von jeweils gesondert zu bestrafenden Delikten auszugehen ist (vgl. zB VwGH vom 11. Mai 2018, Ra 2017/02/0247, mwH).
Vor diesem Hintergrund waren die 19 gesondert bestraften Taten fallbezogen aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs spruchgemäß zu einem Tatvorwurf zusammenzufassen und ist eine einzige Geldstrafe zu verhängen.
3.3. Zur Strafhöhe:
3.3.1. Gemäß § 19 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991, sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
3.3.2. Zunächst ist festzuhalten, dass aufgrund der Zusammenfassung der 19 Tatvorwürfe zu einem einzigen Tatvorwurf für alle Handlungen eine „Gesamtstrafe“ zu verhängen ist, deren Höhe aufgrund des Verbots der „reformatio in peius“ mit der Summe der sich aus dem Straferkenntnis ergebenden „Teil-Geldstrafen“ begrenzt ist (hier: 2.100 Euro; vgl. die auf die geltende Rechtslage übertragbaren Erkenntnisse des VwGH vom 19. Mai 2009, 2007/10/0184, sowie vom 16. September 2009, 2008/02/0103).
Ausgehend davon, dass ein „sehr schwerer Verstoß“ iSd § 134 Abs. 1b KFG 1967 vorliegt, ist eine Mindeststrafe in der Höhe von 300 Euro zu verhängen.
Unter Berücksichtigung des bis 5000 Euro reichenden Strafrahmens, des Einkommens und der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, mit Blick auf den knapp über ein Monat reichenden Tatzeitraums und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer in der Verhandlung glaubhaft versichert hat, nichts von der Verpflichtung zur händischen Eintragung gewusst zu haben und seit der Beanstandung die händischen Eintragungen korrekt durchzuführen (geringes Erfordernis der Spezialprävention) ist die spruchgemäße Strafe angemessen, um eine tat-, täter und schuldangemessene Bestrafung zu erreichen.
Eine weitere Herabsetzung der Strafe kommt nicht in Betracht, weil nicht nur auf die beschwerdeführende Partei selbst spezialpräventiv eingewirkt werden soll, sondern durch Strafen auch andere Normadressaten von der Begehung gleich gelagerter strafbarer Handlungen abgehalten werden sollen („Generalprävention“; zur Zulässigkeit der Berücksichtigung spezial- und generalpräventiver Überlegungen bei der Strafzumessung vgl. zB schon VwGH vom 15. Mai 1990, 89/02/0093; zur Generalprävention überdies VwGH vom 10. April 2013, 2013/08/0041).
3.4. Zum Kostenausspruch:
Gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG iVm § 38 VwGVG ist auch der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde neu festzusetzen. Dem Beschwerdeführer sind gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keine Kosten für das Beschwerdeverfahren aufzuerlegen.
3.5. Zur Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und die Strafbemessung grundsätzlich nicht revisibel ist (vgl. VwGH vom 25. Jänner 2018, Ra 2016/06/0025).
Schlagworte
Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Verwaltungsstrafe; Fahrerkarte; Dauerdelikt; Sorgfaltspflicht;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.S.1329.001.2017Zuletzt aktualisiert am
01.08.2018