Gbk 2018/5/8 GBK I/677/16-M

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Veröffentlicht am 08.05.2018
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Diskriminierungsgrund

Mehrfachdiskriminierung

Diskriminierungstatbestand

Sexuelle Belästigung (Geschlecht), Belästigung (ethnische Zugehörigkeit)

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 107/2013)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 8. Mai 2018 über den am 25. Jänner 2016 eingelangten Antrag von Frau A (Antragstellerin), ergänzt am 21. März 2016, betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs 1 Z 1 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 34/2015; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) sowie Belästigung auf Grund der ethnischen Herkunft gemäß § 21 Abs 1 Z 1 GlBG durch Herrn B (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013), zu GZ GBK I/677/16-M, zu folgendem

Prüfungsergebnis:

1.   Frau A ist auf Grund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch ihren Arbeitgeber gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG durch Herrn B diskriminiert worden.

2.   Frau A ist auf Grund der ethnischen Herkunft durch eine geschlechtsbezogene Belästigung durch Arbeitgeber gemäß § 21 Abs 1 Z 1 GlBG durch Herrn B diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

Prüfungsgrundlagen

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und des Antragsgegners sowie deren mündliche Befragung vom 20. März 2018. Als weitere Auskunftspersonen wurde Frau C am 8. Mai 2018 befragt. Trotz zweimaliger Ladung sind Frau D und Herr E nicht zur ihrer Befragung erschienen. Des Weiteren bezieht sich der Senat I der GBK in seiner Entscheidungsfindung auf das Mail vom Antragsgegner an Frau D vom 20. März 2018, die schriftliche Stellungnahme per Mail von Frau D vom 3. Mai 2018, die Gerichtsunterlagen (Urteile samt Protokolle), die 27. April 2018 dem Senat I der GBK übermittelt worden sind, sowie auf die vom Antragsgegner übermittelte DVD sowie weiterer Beilagen am 7. Mai 2018.

Vorbringen

Im Antrag wurde im Wesentlichen folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin sei von 5. August 2015 bis 9. Dezember 2015 bei der Firma X als Friseurin beschäftigt gewesen. Der gewerberechtliche Geschäftsführer der Firma X, der Antragsgegner, von dem die Arbeitgeberfunktion ausgeübt worden sei, habe von ihr verlangt, dass seine Hand küssen sollte. Am Anfang habe sie sich geweigert, dies zu tun, habe allerding gemerkt, dass es von allen Mitarbeiterinnen verlangt werde, so dass sie ab diesem Tag sie es auch getan habe. Danach habe die Antragstellerin gemerkt, dass er des Öfteren in ihr Dekolleté geschaut habe, und habe von ihrer ehemaligen Kollegin, Frau F, gehört, dass er auch wie folgt über sie gesprochen habe, wie z.B. „Ihre Brüste sind sicher unecht bzw. aus Silikon.“

Weiters habe dieser das Gesäß der Antragstellerin angefasst und ihren Ausschnitt gestarrt. Beim Griff auf das Gesäß habe er folgendes gemeint, „Sie haben einen kleinen Hintern wie meine 9-jährige Tochter!“, dabei habe sich die Antragstellerin sehr unwohl gefühlt und sei auch sprachlos gewesen. Ein paar Tage danach habe der Antragsgegner aus „Spaß“ ihrer ehemaligen Kollegin, Frau D, ebenso auf das Gesäß gegriffen, sowie bei ihrer ehemaligen Kollegin, Frau C, ihr Gesäß mit „Das ist ein Arsch-Elefantenarsch!“ kommentiert. Wenn die Antragstellerin nicht über seine Witze gelacht habe bzw. für ihn nicht passend reagiert habe, sei es ab und zu dazu gekommen, dass der Antragsgegner ihr auf den Fuß getreten sei.

Auch sei sie vom Antragsgegner aufgefordert worden, sich freizügiger an zu ziehen. Die Aussage „Wenn Sie etwas im Leben erreichen wollen, müssen Sie sich freizügiger anziehen!“, habe die Antragstellerin von ihm zu hören bekommen, was ihre Kollegin, Frau G, mitbekommen habe.

Die geschilderten Ereignisse hätten sich in den Monaten August und September 2015 ereignet. Weiters sei die Antragstellerin öfters vom Antragsgegner als „Tschusch“, „Zigeunerin“ und „Ausländer“ beschimpft worden. Nach ihrer Kündigung habe die Antragstellerin erfahren, dass er eine Affäre mit einer Ex-Mitarbeiterin, Frau H, gehabt habe. Ihr habe dieser gesagt, dass er sie so lieben würde wie seine Tochter. Die Antragstellerin sei froh, nicht mehr dort arbeiten zu müssen.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK vom des Antragsgegner übermittelten Stellungnahme vom 6. April 2015 wurden die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe bestritten und ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegengetreten:

In ihrem Friseurbetrieb gebe es seit vielen Jahren. Ein gutes Einvernehmen mit den Mitarbeiter/innen sei immer ein großes Anliegen für den Antragsgegner gewesen. Auf Grund von schweren dienstlichen Verfehlungen hätte man die Antragstellerin am 9. Dezember 2015 entlassen müssen. Grund dafür sei die wiederholte grundlose Verweigerung der Arbeitsanweisungen, so habe sie grundlos die Betreuung der Kundin, Frau I, am 4. Dezember 2015 verweigert. Am 9. Dezember 2015 habe sie ihm um 22.:05 Uhr per SMS darüber informiert, dass sie am nächsten Tag nicht um 9:00 Uhr wegen privater Erledigungen (Termin bei der Autoversicherung) erscheinen werde. Da sie trotz zweimaliger Telefonversuche nicht reagiert habe, habe er sie per SMS entlassen müssen. Den Vorwurf der sexuellen Belästigung bzw. Diskriminierung weise er aufs Ausdrücklichste zurück. Zum Vorwurf einer Diskriminierung auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit sei festzuhalten, dass der Antragsgegner selbst gebürtiger Iraker sei und mit 15 Jahren nach Österreich gekommen sei und engagiere sich gemeinsam mit seiner Frau seit Jahren ehrenamtlich für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich. Gemeinsam hätten sie auch das Charity-Projekt „…“ ins Leben gerufen, bei dem jährlich Geld- und Sachspenden für Familien in … und Flüchtlingskinder in Österreich gesammelt würden. Die Behauptungen der Antragstellerin, dass der Antragsgegner sie als „Tschusch“ oder „Zigeunerin“ beschimpft habe, entbehre jeder Grundlage und werde ganz offensichtlich angeführt, um ihn als Geschäftsführer zu diskreditieren und in ein schlechtes Licht zu rücken. Ganz im Gegenteil habe er von der ethnischen Abstammung der Antragstellerin als Sinti und Roma erst erfahren, als sie Familienangehörige in Gesprächen während der Arbeitszeit selbst mehrere Male als „Tschusch“ und „Zigeuner“ bezeichnet habe. Der vorgebrachte Vorwurf des Küssens der Hand als Begrüßungsgeste sei vor der Anstellung der Antragstellerin in ihrem Salon nicht üblich gewesen. Die Antragstellerin habe das Küssen der Hand nur bei ihren Kollegen/innen, später auch beim Antragsgegner als lustig gemeinte Begrüßungsform praktiziert, die von Kollegen/innen und auch von ihm mit einem Küssen ihrer Hand erwidert hätten. Zu keinem Zeitpunkt sei damit eine Belästigungsabsicht verbunden gewesen. Auch habe die Antragstellerin in den wenigen Fällen, in denen der Antragsgegner diese Begrüßungsform erwidert habe, erfreut und geschmeichelt reagiert, wodurch für ihn eine Belästigungsempfindung nicht erkennbar gewesen sei. Der Antragsgegner habe diese Begrüßungsform sofort eingestellt, als er gemerkt habe, der Kleidungsstil der Antragstellerin immer aufreizender geworden sei. Mehrere Male habe er diese deshalb ermahnen müssen und habe sie öfters darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich bei Dienstantritt zur Einhaltung der Salonregeln verpflichtet habe, die sowohl ein gepflegtes Auftreten und eine niveauvollen Kleidungsstil als auch ordentliche Umgangsformen – und zwar unter den Kollegen/innen als auch gegenüber dem Vorgesetzten – vorsehen würden, was im direkten Gegensatz zu den Behauptungen der Antragstellerin stehe. Eine Ermahnung auf Grund des Kleidungstils der Antragstellerin sei auch wiederholt durch die Salonleiterin, Frau C, erfolgt. Zu keiner Zeit habe der Antragsgegner die Antragstellerin am Gesäß berührt, ihr in den Ausschnitt gestarrt oder die von ihr behaupteten anzüglichen Bemerkungen ausgesprochen. Die von der Antragstellerin erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgebrachten Vorwürfe hinsichtlich angeblicher Vergleiche ihrer Figur mit seiner Tochter weise er auf Ausdrücklichste zurück. Die Behauptungen würden jeder Grundlage entbehren und würden ganz offensichtlich angeführt werden, um ihn als Arbeitgeber zu diskreditieren, was man sich nur als ihre Reaktion auf die Entlassung im Dezember 2015 erklären könne. Auf Grund dieser massiven Falschaussagen und Beleidigung sei die Angelegenheit auch bei der Polizei angezeigt worden.

Rechtliche Überlegungen

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG liegt eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes vor, wenn eine Person vom/von der Arbeitgeber/in selbst sexuell belästigt wird.

Gemäß § 6 Abs. 2 Z 1 GlBG liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.

Als Dritte im Sinne des § 6 GlBG kommen Personen in Betracht, die vom/von der Arbeitgeber/in und der belästigten Person verschieden sind, so z.B. Arbeitskolleg/innen, Vorgesetzte, Geschäftspartner/innen oder Kunden/innen des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin.2

Unter einem der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhalten sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise auch anzügliche, sei es auch in „Komplimente“ verpackte, Bemerkungen über Figur oder das Erzählen freizügiger Witze.3

Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.4

Je nach Massivität des Verhaltens können wiederholte Verhaltensweisen oder auch ein einmaliger Zwischenfall den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen, wenn er entsprechend schwerwiegend ist.

Das Verhalten muss weiters eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schaffen oder dies bezwecken. Die „Arbeitsumwelt“ wird häufig erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Wie aber bereits erwähnt, kann auch schon eine einzelne Belästigungshandlung derart schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird.5

Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Bei Berufung auf §§ 6 oder 7 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe der Antragstellerin, der Antragsgegner habe von ihr verlangt, ihm die Hand zu küssen, ihr ins Dekolleté geschaut zu haben, ihren Hintern berührt zu haben und von ihr verlangt zu haben, keinen Freund haben zu dürfen, wenn sie für ihn arbeite, und sich freizügig zu kleiden solle, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.

Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Antragstellerin von 5. August 2015 bis 19. Dezember 2015 bei der Firma des Antragsgegners als Friseurin tätig war. Das Arbeitsverhältnis wurde vorzeitig beendet.

Die Antragstellerin konnte die Vorwürfe der sexuellen Belästigung in ihrem schriftlichen Vorbringen glaubhaft darlegen. Sowohl in ihrer mündlichen Befragung vor dem Senat I der GBK als auch im Gerichtsverfahren wiederholte sie die erhobenen Vorwürfe ohne Widerspruch zu den Angaben im Antrag. Es wurde in den Befragungen bzgl. ihrer Vorwürfe nichts „ausgeschmückt“, sie ist stets bei den gleichen Vorwürfen geblieben.

Der Antragsgegner bestritt in seinem schriftlichen sowie mündlichen Vorbringen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe der sexuellen Belästigung. Bestätigt wurde durch ihn lediglich in der mündlichen Befragung, dass er viel Wert auf ordentliche Kleidung und gepflegtes Äußere gelegt habe, weil dies in seinem exklusiven Friseursalon wichtig sei. Auf konkrete Nachfragen des Senates I der GBK ging der Antragsgegner allerdings nie ein und wich einer konkreten Fragenbeantwortung aus. Er verwies lediglich darauf, dass sich seine Mitarbeiterinnen leicht in verlieben würden.

Die als Auskunftsperson befragte Salonchefin und Kollegin der Antragstellerin, Frau C, bestätigte, dass mit dem Antragsgegner ein „normales“, aber lockeres Arbeitsverhältnis bestanden habe. Es sei kein typisches „Chef“ und „Stylistin“ –Verhältnis gewesen. Man sei per „Du“ gewesen. Aus „Spaß“ sei es schon vorgekommen, dass der Antragsgegner auf die Schulter geklopft oder in den Arm genommen habe. Berührungen seien im Betrieb üblich gewesen. Da der Antragsgegner nichts Gegenteiliges beweisen konnte, ist der erkennende Senat den glaubhaften Angaben der Antragstellerin gefolgt.

Hinsichtlich der freizügigen Kleidung der Antragstellerin gab Frau C an, dass sich die Antragstellerin trotz Ermahnungen offenherzig gekleidet habe. Die Antragstellerin sei sehr zierlich, aber mit einer großen Brustoberweite, so dass die Gefahr bestehe, dass sich männliche Kunden an die Antragstellerin ranmachen könnten. Nach Recherche des Senates I der GBK auf der Website des Unternehmens des Antragsgegners war allerdings deutlich an der Fotos mit den Mitarbeitern/innen zu sehen, dass freizügige Kleidung und Auftreten sehr wohl von Unternehmensseiten er- bzw. gewünscht war. Selbst wenn sich die Antragstellerin aus eigener Initiative freizügiger als das restliche Personal gekleidet hat, was im Mail von Frau D vom 3. Mai 2018 bzgl. des Dekolletés bestätigt wurde, stellt dies nicht einen Art „Freibrief“ dar, diese in irgendeiner sexuell zu belästigen.

Auf Nachfrage, ob sich die Antragstellerin in den Antragsgegner möglicherweise verliebt habe, wurde dies verneint.

Hinsichtlich des Vorhalts mit dem Hand küssen ist festzuhalten, dass der Antragsgegner diesbezüglich widersprüchliche Angaben gemacht hat. In der Stellungnahme verwies dieser darauf, dass der Handkuss von der Antragstellerin im Friseuralltag eingeführt worden ist. In der mündlichen Befragung gab der Antragsgegner an, dass diese Idee von seiner anderen Mitarbeiterin, Frau G, stamme. Seine Angaben konnten nicht durch die Auskunftsperson, Frau C, bestätigt werden. Sie meinte dazu, dass das Ganze ein „Spaß“ bzw. „Show“ des Antragsgegners gewesen sei, wenn ihm z.B. ein Schnitt sehr gut gelungen ist. Dann hätten alle anwesenden Mitarbeiter/innen ihm die Hand geküsst. Sie bestätigte damit die Angaben der Antragstellerin, dass es zu Handküssen dem Antragsgegner gegenüber gekommen ist. Frau C meinte jedoch, dass der Antragsgegner den Handkuss spaßeshalber inszeniert habe, und nicht dies zum Zweck einer Machtdemonstration gemacht habe.

Dieser Ansicht war auf Grund der Ergebnisse im Ermittlungsverfahren nicht zu folgen. Der Antragsgegner meinte selbst in der mündlichen Befragung über sich, dass er ein großer wichtiger Mann sei. Aus Recherchen des Senates I der GBK bezüglich des Internetauftritts des Antragsgegners in diversen Videos hat sich für den Senat ergeben, dass dem Antragsgegner zu zutrauen ist, von seinen Mitarbeitern/innen aus seiner Machtposition als Chef einen Handkuss zu verlangen. Es ist für den Senat I der GBK nicht vorstellbar, dass sich das Personal dem entziehen konnte und es aus „freien“ Stücken gemacht hat. Dieser Eindruck wird auch insofern durch das Mail des Antragsgegners an Frau C vom 20. März 2018, das einen sehr bedrohlichen Umgangston des Antragsgegners mit seiner Mitarbeiterin widerspiegelt, verstärkt.

Für den Senat ergaben sich im Verfahren insgesamt keine Anhaltspunkte dafür, die Glaubwürdigkeit der Antragstellerin in Frage zu stellen. Sie schilderte die einzelnen Vorfälle, den Umgangston und die Art des Antragsgegners überzeugend und konnte ihr ursprüngliches Vorbringen durch die Schilderung eines weiteren Vorfalles noch untermauern. Einzelne Vorwürfe und der generelle Umgangston des Antragsgegners wurden auch von der Arbeitskollegin bestätigt. Der Antragsgegner gab zu seiner Entlastung an, dass er z.B. Geburtstagstorte oder Einladungen von der Antragstellerin erhalten habe, und es bis zur Entlassung nie eine Beschwerde gegeben habe.

Wie eine EU-weite Erhebung der Grundrechteagentur der Europäischen Union zu Gewalt gegen Frauen zeigt, sind Scham und Verlegenheit, der Eindruck die erlebte Belästigung sei zu unbedeutend bzw. nicht schwerwiegend genug, Angst vor dem Täter und die Annahme es werde/könne sowieso nichts getan werden wichtige Gründe für von sexueller Belästigung und Stalking betroffene Frauen den Vorfall nicht zu melden.6 Die Meldung sexueller Belästigung kann als peinlich und entwürdigend wahrgenommen werden, die Reaktion der Betroffenen hängt auch von deren Erwartung ab, ob die Situation im Unternehmen gelöst werden kann.7 In Anbetracht dieser allgemeinen Überlegungen ist es für den Senat nachvollziehbar, dass die Antragstellerin die gesamten Vorwürfe gegen ihren Vorgesetzen erst nach der Beendigung ihres Dienstverhältnisses vorgebracht hat.

Weiters wird die Antragstellerin in der Stellungnahme des Antragsgegners damit konfrontiert, ihr Antrag an die GBK sei eine Art „persönlicher Rachefeldzug“ und versuche sie dadurch erfolglose finanzielle Nachforderungen an den Dienstgeber auf anderem Wege, über den Antragsgegner, fortzusetzen. Zum Beleg der Unzufriedenheit der Dienstgeberin mit der Arbeitsleistung der Antragstellerin wurden mehrere Gründe vorgebracht.

Allein aus der Tatsache, dass es Kundenbeschwerden und Ermahnungen des Dienstgebers hinsichtlich ihrer Arbeitsleistung gegeben hatte, lässt sich für den Senat jedoch nicht ableiten, dass die Vorwürfe der Antragstellerin nicht den Tatsachen entsprechen würden. Die Vorwürfe wurden zudem auch nicht nur durch die Antragstellerin selbst erhoben, sondern auch durch die Angaben zweier Arbeitskolleginnen, Aussage von Frau C und Mail von Frau D vom 3. Mai 2018, gestützt.

Anzumerken ist, dass ein Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission mit einem rechtsunverbindlichen Prüfungsergebnis beendet wird, ein rechtskräftiger Titel für die Durchsetzung eines möglichen Schadenersatzanspruches resultiert daraus nicht.

Die unerwünschten Annäherungen und der praktizierte Handkuss sind nach Ansicht des Senates klar der sexuellen Sphäre der Antragstellerin zuzuordnen. Die Verhaltensweisen haben ihre subjektive Grenze überschritten und waren für sie unerwünscht. Zudem wurde dadurch nach Auffassung des Senats die Würde der Antragstellerin verletzt und für diese ein demütigendes und feindseliges Arbeitsumfeld geschaffen.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Es liegt somit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch den Geschäftsführer gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG vor.

Gemäß § 21 Abs. 1 Z 1 GlBG liegt eine Diskriminierung nach § 17 auch vor, wenn eine Person durch den/die Arbeitgeber/in selbst in Zusammenhang mit ihrem Arbeitsverhältnis auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit belästigt wird.

Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand iSd §§ 17, 18 oder 21 GlBG beruft, hat sie diesen gemäß § 26 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Bei der Berufung auf § 21 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Wird eine Arbeitnehmerin von ihrem Vorgesetzten und Geschäftsführer öfter im Arbeitsverhältnis in Gesprächen als „Tschuschin“ und „Zigeunerin“ bezeichnet, stellt dies eine Herabwürdigung ihrer ethnischen Herkunft dar, die unter den Tatbestand der Belästigung gemäß § 21 Abs. 1 Z 1 GlBG zu subsumieren ist.

Die Antragstellerin brachte glaubhaft vor, dass der Antragsgegner wiederholt im Zuge von Gesprächen am Arbeitsplatz negativ Bezug auf den Umstand, dass sie Ausländerin ist, genommen hat.

Der Antragsgegner konnte das glaubhafte Vorbringen der Antragstellerin nicht entkräften. Dass der Antragsgegner … in dessen Stellungnahme auf sein Charity Projekt für Flüchtlinge verweis, als auch gebürtiger … ist, ändert nichts daran, dass es durchaus plausibel erscheint, dass der Antragsgegner in diversen Situationen derartige Aussagen getätigt hat, zumal der Befragung der Auskunftsperson C zu entnehmen war, dass es negative Aussagen bzgl. Ausländer gegenüber der Antragstellerin gegeben hat, wobei sie diese erst im Nachhinein gehört hat und nicht selbst dabei war. Die Vorwürfe der Antragstellerin waren jedenfalls auch der Salonchefin bekannt. Des Weiteren war der Aussage des Antragsgegners zu entnehmen, dass er Tschetschenen nicht schätzt. Er hat sich sehr abfällig über Frau G geäußert. Es war daher für den Senat I der GBK glaubhaft, dass er die Antragstellerin mehrmals als „Tschuschin“ und „Zigeunerin“ beschimpft hat.

Da es zu mehrmaligen Belästigungshandlungen im Hinblick auf die ethnische Zugehörigkeit der Antragstellerin gekommen ist, liegt die zur Erfüllung des vom Gesetz geforderten Mindestmaßes an Intensität dieses Verhalten vor.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 26 Abs. 12 GlBG gelangte der erkennende Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass er die belästigenden Aussagen nicht getätigt hat. Der alleinige Umstand, dass es keine unmittelbare Wahrnehmung der Belästigung durch andere Personen gegeben hat, reicht nicht aus, das Vorbringen der Antragstellerin zu entkräften.

Es liegt daher eine Belästigung gemäß § 21 Abs. 1 Z 1 GlBG vor.

Vorschlag

Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird der Antragsgegner, Herr B, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

Leistung eines angemessenen Schadenersatzes.

Wien, 8. Mai 2018

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 9.

3  Vgl. Posch in Rebhahn/GlBG, §§ 6-7 Rz 76f; OGH 5.6.2008, 9 ObA 18/08z.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 12.

5  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 28.

6  Gewalt gegen Frauen: eine EU-weite Erhebung, Zeitraum März – September 2012, Ergebnisse veröffentlicht im März 2014.

7  Vgl. Rebhahn, GlBG §§ 6-7 Z 59.

Zuletzt aktualisiert am

27.07.2018
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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