TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/2 W236 2199586-1

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Veröffentlicht am 02.07.2018
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Entscheidungsdatum

02.07.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W236 2199586-1/3E

W236 2199587-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Lena BINDER über die Beschwerde von 1) XXXX , geb. XXXX , und 2) XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.05.2018, Zlen. 1) 461039803/14701939, und 2) 461039901/14701963, zu Recht:

A)

Den Beschwerden gegen die Spruchpunkte VII. der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben und diese ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, wird den Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer sind Eheleute und Staatsangehörige der Ukraine. Der Erstbeschwerdeführer gehört der russischen Volksgruppe an, die Zweitbeschwerdeführerin gehört der ukrainischen Volksgruppe an; beide sind christlich-orthodoxen Glaubens. Die Beschwerdeführer reisten am 25.05.2014 mit einem Visum für den Schengen Raum der österreichischen Botschaft in Kiew legal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 12.06.2014 Anträge auf internationalen Schutz.

2.1. Im Zuge seiner Einvernahme vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 12.06.2014 sowie vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 30.08.2017 gab der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen an, aus XXXX zu stammen. Die gemeinsame Tochter lebe seit dem Jahr 2008 in Österreich, sei mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und habe mit diesem einen Sohn. Man habe die Tochter früher schon in Österreich besucht. Sie hätten auch zunächst bei ihrer Tochter gelebt und seien von dieser unterstützt worden; seit dem Jahr 2015 leben sie in der Grundversorgung. Als sie diesmal nach Österreich gekommen seien, sei in der Ukraine der Bürgerkrieg ausgebrochen. Ende Mai/Anfang Juni 2014, als sie schon in Österreich gewesen seien, hätten die Kriegsgeschehnisse massiv zugenommen. Viele Menschen seien in Gefahr und sie hätten verstanden, dass für sie Lebensgefahr bestehe. Er habe gleich Kontakt mit seiner Schwester aufgenommen, die nach wie vor mit ihrem Ehemann in XXXX lebe, die ihnen mitgeteilt habe, dass die Bombardierung fortgesetzt werden. Dann habe er drei bis vier Monate keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt. Sie hätten die Geschehnisse in den Medien mitverfolgt. Deswegen hätten sie dann im Juni 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Auch heute noch kommen wegen dieses Konflikts Menschen um. Die Frontlinie verlaufe 15km von ihrem Haus entfernt. Er selbst sei in der Ukraine nie einer persönlichen Bedrohung ausgesetzt gewesen. Mittlerweile habe er alle zwei bis drei Monate einmal Kontakt mit seiner Schwester. Er leide unter Bluthochdruck und habe Probleme mit der Wirbelsäule und der Schilddrüse. Seit 2017 leide er an Diabetes und nehme fünf verschiedene Medikamente. Auch seiner Frau gehe es sehr schlecht; es sei bei ihr eine Vorstufe von Leberkrebs (Leberzirrhose) diagnostiziert worden. In Österreich würden sie sich um den Enkelsohn kümmern, wenn die Tochter arbeiten müsse. Kurse und Schulungen hätten sie keine besucht. Er bringe sich jedoch selbst Deutsch bei und wolle ab Jänner 2018 in einen Deutschkurs gehen. In anderen Landesteilen der Ukraine haben sie niemanden. Er würde als Angehöriger der russischen Volksgruppe heute mit großen Problemen zu rechnen haben.

2.2. Im Zuge ihrer Einvernahme vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 12.06.2014 sowie vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 30.08.2017 gab die Zweitbeschwerdeführerin im Wesentlichen an, aus XXXX zu stammen. Die gemeinsame Tochter lebe in Österreich, sei mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und habe mit diesem einen Sohn. In XXXX lebe noch ihr Bruder mit seiner Familie. Sie habe keine eigenen Fluchtgründe und beziehe sich auf die Angaben ihres Ehemannes. Im Falle der Rückkehr fürchte sie um ihr Leben. Fast alle Ärzte seien schon von dort weggefahren. Spezialisten für ihre Krankheiten gebe es nicht, es gebe kaum medizinische Versorgung. Es gebe Bombardierungen und XXXX sei schwer erreichbar. Außerhalb von XXXX könne man sich zwar melden und bekomme dort auch die Pension, doch sei der Weg beschwerlich und lebensgefährlich. Es gebe nur eine wackelige Brücke. In Österreich unternehmen sie viel mit dem Enkelsohn und lernen mit dem Schwiegersohn Deutsch.

3. Die Beschwerdeführer legten folgende Unterlagen vor:

? Ukrainische Reisepässe;

? Ukrainische Inlandsreisepässe

? Ukrainischer Führerschein des Erstbeschwerdeführers;

? Ukrainische Heiratsurkunde;

? Ukrainische Geburtsurkunde;

? Diplom eines Instituts für Maschinenbau des Erstbeschwerdeführers;

? Diplom der technischen Universität der Zweitbeschwerdeführerin;

? Diverse ärztliche Befunde, aus denen sich hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers ergibt, dass dieser an Diabetes Mellitus (Typ I), Lumbago, Depressionen, CVS, Hypertonie und einer Bandscheibenproblematik im Lendenwirbelbereich sowie einer Spinalkanalstenose leidet. Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin ergibt sich, dass diese an cerberovaskulärer Insuffizienz unklarer Genese, unsystematischem Schwindel, vaskulärer Encephalopathie, Leberzirrhose, Vertigo, Carotisplaques, minimaler Aorteninsuffizienz und Relaxationsstörung sowie an PBC, Hypothyreose, Hypertonie und Rosacea leidet. Weiters ergibt sich daraus, dass beide Beschwerdeführer zahlreiche Medikamente einnehmen;

? Fotos, die die Folgen des Bürgerkriegs in der Ukraine abbilden.

4. Zur Behandelbarkeit der Erkrankungen der Beschwerdeführer und zur Verfügbarkeit der von ihnen benötigten Medikamente holte das Bundesamt bei der Staatendokumentation Anfragebeantwortungen ein (eingelangt am 22.03.2018 bzw. am 25.04.2018), welche von der grundsätzlichen Behandelbarkeit der Erkrankungen und der grundsätzlichen Verfügbarkeit der von ihnen benötigten Medikamente sprechen, jedoch darauf hinweisen, dass sich aus der allgemeinen Verfügbarkeit keine Garantien zu deren tatsächlicher Zugänglichkeit im Einzelfall ableiten lassen.

5. Mit den o.a. Bescheiden vom 24.05.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine ab (Spruchpunkt II.) und erteilte ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Ukraine zulässig sei (Spruchpunkte V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidungen wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).

Beweiswürdigend hielt das Bundesamt zu den von den Beschwerdeführern vorgebrachten Fluchtgründen fest, dass die Beschwerdeführer die Ukraine wegen der Kriegsgeschehnisse verlassen hätten. Sie hätten jedoch keine individuell gegen sie bestehende Bedrohungslage geltend gemacht. Der bewaffnete Konflikt in XXXX entfalte keine Asylrelevanz iSd GFK. Der bewaffnete Konflikt sei auf die Ostukraine beschränkt. Den Beschwerdeführer stehe daher eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Die Erkrankungen der Beschwerdeführer seien grundsätzlich auch in der Ukraine behandelbar und die benötigten Medikamente verfügbar. Die Beziehung zur volljährigen Tochter, die mit den Beschwerdeführern nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebe, falle nicht unter den Familienbegriff des Art. 8 EMRK. Den Beschwerdeführern stehe es frei, nach ihrer Rückkehr in die Ukraine ihre Tochter auch weiterhin in Österreich zu besuchen. Die Ausweisung der Beschwerdeführer stelle mangels entgegenstehender Integration keinen Eingriff in deren Recht auf Privat- und Familienleben dar. Da es sich bei der Ukraine um einen sicheren Herkunftsstaat handle, sei die aufschiebende Wirkung abzuerkennen und keine Frist zur freiwilligen Ausreise einzuräumen gewesen. Den Beschwerdeführern sei es zumutbar, den Ausgang ihres Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten.

6. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer am 19.06.2018 fristgerecht Beschwerden, in denen im Wesentlichen vorgebracht wird, dass die belangte Behörde sich nicht ausreichend mit der Lage in der Ukraine und den Erkrankungen der Beschwerdeführer auseinandergesetzt habe. Den Beschwerdeführern drohe in der Ukraine eine Verletzung ihrer gemäß Art. 3 EMRK gesicherten Rechte.

Mit der Beschwerde legten die Beschwerdeführer Zeugnisse über bestandene Deutschprüfungen Niveau A1 aus Jänner 2018, mehrere Deutschkursbesuchsbestätigungen aus Februar bis Mai 2018, mehrere Unterstützungsschreiben und zwei medizinische Bestätigungen vor.

7. Die gegenständlichen Beschwerden langten samt Verwaltungsakt am 29.06.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind Eheleute und Staatsangehörige der Ukraine. Der Erstbeschwerdeführer gehört der russischen Volksgruppe an, die Zweitbeschwerdeführerin gehört der ukrainischen Volksgruppe an. Beide sind christlich-orthodoxen Glaubens. Ihre Identitäten stehen fest und sind aus dem Spruch der gegenständlichen Entscheidung ersichtlich.

Die Beschwerdeführer reisten am 25.05.2014 mit einem Visum für den Schengen Raum der österreichischen Botschaft in Kiew legal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 12.06.2014 Anträge auf internationalen Schutz. Hiezu wurden die Beschwerdeführer zuletzt am 30.08.2017 vor der belangten Behörde einvernommen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies die Anträge auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 24.05.2018 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine ab und erteilte den Beschwerdeführern keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Ukraine zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt. Einer Beschwerde gegen diese Bescheide wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalten der vorliegenden Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Beschwerdeführer.

3. Rechtliche Würdigung:

3.1. Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

3.1.1. Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen (§ 18 Abs. 6 BFA-VG).

3.1.2. Der Gesetzgeber novellierte § 18 BFA-VG zuletzt mit BGBl. I Nr. 145/2017 entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die zum Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung in Asylrechtssachen gemäß dieser Bestimmung (in der vorangehenden Fassung) erging: In seinem Erkenntnis vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0284 mwN, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen habe. Ein gesonderter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Im Rahmen des § 18 BFA-VG könne sich ein Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. § 18 Abs. 5 BFA-VG sei - als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG - nur so zu lesen, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids des Bundesamts) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden habe. Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren sei ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG allerdings gesetzlich nicht vorgesehen und es könne dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG sei somit unzulässig. Eine Entscheidung über den die aufschiebende Wirkung aberkennenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids habe in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu erfolgen (vgl. auch VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

3.1.3. Für die vorliegenden Beschwerdesachen bedeutet dies Folgendes:

3.1.3.1. Die Beschwerdeführer stellten in ihren Beschwerden unter anderem den Antrag, diesen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Aus den Ausführungen und dem Aufbau der Beschwerdeschriftsätze geht klar hervor, dass es sich dabei nicht um einen gesonderten Antrag handelt, der nach der dargestellten Rechtsprechungslinie des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen wäre; vielmehr wenden sich die Beschwerdeführer im Rahmen eines eigenen Beschwerdepunkts unter Hinweis auf eine ihnen in der Ukraine drohende Verletzung ihrer Rechte nach Art. 2 und Art. 3 EMRK im Falle ihrer Rückführung dorthin auch gegen die Spruchpunkt VII. der angefochtenen Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 24.05.2018 bzw. die darin verfügten Aberkennungen der aufschiebenden Wirkung. Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr in Abspruch über die Beschwerden gegen diese Spruchpunkte darüber zu entscheiden, ob den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist oder nicht.

3.1.3.2. Die belangte Behörde erkannte den Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide die aufschiebende Wirkung mit der Begründung ab, dass es sich bei der Ukraine um einen sicheren Herkunftsstaat handelt (§ 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG).

Vor dem Hintergrund, dass den Beschwerdeführern kein Parteiengehör zu den bezüglich ihrer Erkrankungen und den von ihnen benötigten Medikamenten eingeholten Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation gewährt wurde und diese zuletzt am 30.08.2017 einvernommen wurden, weswegen die in den letzten neun Monaten erfolgten Integrationsschritte keinen Einfluss in die Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG iVm Art. 8 Abs. 2 EMRK finden konnten, erscheinen weitere Ermittlungsschritte und insbesondere eine eingehende Erörterung (zumindest) dieser Punkte in einer mündlichen Verhandlung als unerlässlich. Eine solche kann nicht binnen einer Woche abgehalten werden.

Die Spruchpunkte VII. der angefochtenen Bescheide war daher schon vor diesem Hintergrund ersatzlos zu beheben und den Beschwerden die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuzuerkennen.

Im Übrigen gilt es darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten ist; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen.

3.2. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte zur Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In den vorliegenden Fällen ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 BFA-VG wurde durch den Verwaltungsgerichtshof in seiner angeführten Judikatur erläutert; die zuletzt erfolgte Novellierung dieser Bestimmung sieht eine Entsprechung dieser Judikatur im Gesetzeswortlaut vor (vgl. Erläut. 2285/A BlgNR 25. GP, 85).

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung der
Entscheidung, ersatzlose Behebung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W236.2199586.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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