TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/2 W147 2175909-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.07.2018
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Entscheidungsdatum

02.07.2018

Norm

AMG §23 Abs1
ASVG §133 Abs2
ASVG §31
ASVG §351c
ASVG §351f Abs1
ASVG §351g
ASVG §351h
ASVG §351i
ASVG §351j Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VO-EKO §21 Abs1
VO-EKO §22
VO-EKO §23 Abs1 Z2
VO-EKO §24 Abs1
VO-EKO §25
VO-EKO §26
VO-EKO §35
VO-EKO §36 Abs1
VO-EKO §37
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W147 2175879-1/15E

W147 2175880-1/13E

W147 2175881-1/13E

W147 2175900-1/13E

W147 2175909-1/13E

W147 2175910-1/13E

W147 2175914-1/13E

W147 2175915-1/13E

W147 2175918-1/13E

W147 2175925-1/13E

W147 2175927-1/13E

W147 2175929-1/13E

W147 2175941-1/13E

W147 2175942-1/13E

W147 2175947-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan KANHÄUSER als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Drin. Anna BUCSICS und Drin. Sabine VOGLER sowie die fachkundigen Laienrichter DDr. Wolfgang KÖNIGSHOFER und ao. Univ.-Prof. Dr. Peter PLACHETA über die Beschwerden der XXXX , vertreten durch DORDA Rechtsanwälte GmbH, 1010 Wien, Universitätsring 10, gegen die Bescheide des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 9. Oktober 2017,

1. Zl. VPM-68.1/17/Mu:Hch:Nl/Bra Abschnitt VII/2023-17 betreffend Streichung der Arzneispezialitäten XXXX

2. Zl. VPM-68.1/17/Mu:Hch:Nl/Bra Abschnitt VII/2022-17 betreffend Streichung der Arzneispezialitäten XXXX

3. Zl. Zl.VPM-68.1/17/Mu:Hch:Nl/Bra Abschnitt VII/2021-17 betreffend Streichung der Arzneispezialitäten XXXX

4. Zl. VPM-68.1/17/Mu:Hch:Nl/Bra Abschnitt VII/2024-17 betreffend Streichung der Arzneispezialität XXXX

5. Zl. VPM-68.1/17/Mu:Hch:Nl/Bra Abschnitt VII/2036-17 betreffend Streichung der Arzneispezialität XXXX

6. Zl. VPM-68.1/17/Mu:Hch:Nl/Bra Abschnitt VII/2037-17 betreffend Streichung der Arzneispezialität XXXX

7. Zl. VPM-68.1/17/Mu:Hch:Nl/Bra Abschnitt VII/2034-17 betreffend Streichung der Arzneispezialität XXXX

8. Zl. VPM-68.1/17/Mu:Hch:Nl/Bra Abschnitt VII/2035-17 betreffend Streichung der Arzneispezialität XXXX

9. Zl. VPM-68.1/17/Mu:Hch:Nl/Bra Abschnitt VII/2016-17 betreffend Streichung der Arzneispezialität XXXX

10. Zl. VPM-68.1/17/Mu:Hch:Nl/Bra Abschnitt VII/2007-17 betreffend Streichung der Arzneispezialität XXXX

11. Zl. VPM-68.1/17/Mu:Hch:Nl/Bra Abschnitt VII/2017-17 betreffend Streichung der Arzneispezialität XXXX

12. Zl. VPM-68.1/17/Mu:Hch:Nl/Bra Abschnitt VII/2008-17 betreffend Streichung der Arzneispezialität XXXX

13. Zl. VPM-68.1/17/Mu:Hch:Nl/Bra Abschnitt VII/2018-17 betreffend Streichung der Arzneispezialität XXXX

14. Zl. VPM-68.1/17/Mu:Hch:Nl/Bra Abschnitt VII/2019-17 betreffend Streichung der Arzneispezialität XXXX

15. Zl. VPM-68.1/17/Mu:Hch:Nl/Bra Abschnitt VII/2020-17 betreffend Streichung der Arzneispezialität XXXX

aus dem Grünen Bereich des Erstattungskodex nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungs-gerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, und § 351f Abs. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 in der Fassung BGBl. I Nr. 130/2013, als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 351j Abs. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 in der Fassung BGBl. I Nr. 130/2013, hat die Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens in der Höhe von 39 300 Euro binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu tragen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 31. Mai 2017 leitete der Hauptverband ein Verfahren auf Streichung der im Spruch genannten Arzneispezialitäten (mit dem Wirkstoff: Olmesartanmedoxomil) aus dem Grünen Bereich des Erstattungskodex ein und begründete dies mit dem Eintritt neuer medizinisch-therapeutischer Umstände gemäß § 36 Abs. 1 VO-EKO.

Zu den Arzneispezialitäten bestünden Bedenken bzw. Zweifel:

Olmesartanmedoxomil sei 2002 in den USA und 2003 in der EU zugelassen worden. Der Wirkstoff Olmesartan befände sich seit 1.10.2004 im Heilmittelverzeichnis und sei am 1.1.2005 in den Erstattungskodex (EKO) überführt worden. Der Wirkstoff befände sich in mehreren Mono- und Kombinationspräparaten im EKO. Da zuletzt aus medizinischer Sicht kritische Informationen zu diesem Wirkstoff bekannt geworden seien, sei eine Erhebung des aktuellen medizinischen Wissensstands zu Olmesartan und seines Stellenwertes unter den Angiotensin-II-Antagonisten (auch als Angiotensin Rezeptor Blocker, ARB, bezeichnet) erfolgt.

Olmesartan sei gemäß Fachinformation indiziert bei essentieller Hypertonie. Gemäß der vorhandenen Datenlage scheine Olmesartan im Vergleich mit den anderen ARBs bezüglich Blutdrucksenkung in etwa gleich wirksam zu sein.

Gemäß der aktuellen Datenlage bestünden bei Olmesartan derzeit zwei Sicherheitsbedenken: Einerseits bezüglich einer möglicherweise erhöhten kardiovaskulären Mortalität unter Olmesartan-Behandlung, insbesondere bei Typ-2 Diabetes-PatientInnen, andererseits bezüglich des Risikos einer Olmesartan-assoziierten Enteropathie.

Es seien zahlreiche andere Arzneispezialitäten der gleichen Wirkstoffgruppe (Sartane) im EKO gelistet, die die oben genannten Sicherheitsbedenken nicht aufweisen würden. Daher sei aus medizinischer Sicht im Lichte der rezent verfügbaren Informationen eine Anführung von Arzneispezialitäten im EKO, die den Wirkstoff Olmesartanmedoxomil enthalten, nicht zweckmäßig. Die gegenständlichen Arzneispezialitäten sollten folglich aus dem EKO gestrichen werden.

2. Mit Schreiben vom 30. Juni 2017 nahm die Beschwerdeführerin zu den Bedenken des Hauptverbandes Stellung.

3. Nach Befassung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission wurden die im Spruch genannten Arzneispezialitäten mit Bescheiden vom 9. Oktober 2017 gemäß § 351f Abs. 1 ASVG iVm § 37 Abs. 1 VO-EKO aus dem Grünen Bereich des Erstattungskodex gestrichen.

Begründend führte der Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger im Wesentlichen die Empfehlungen der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission an, wobei er auch auf die umfangreiche Stellungnahme der Beschwerdeführerin einging.

Im Zuge der pharmakologischen Evaluation wurde zunächst ausgeführt, dass die Streichung nicht aus pharmakologischen Gründen erfolge. Im Rahmen der Festlegung der therapeutischen Alternativen und deren Dosierung als Grundlage für die medizinisch therapeutische Evaluation gemäß § 23 Abs. 1 Z 2 VO-EKO wurden folgenden Präparate zum Vergleich herangezogen:

Arzneispezialitäten mit dem ATC-Code C09CA sowie

Arzneispezialitäten mit dem ATC-Code C09DA sowie

Arzneispezialitäten mit dem ATC-Code C09DB sowie

Arzneispezialitäten mit dem ATC-Code C09DX

Eingangs der medizinisch-therapeutischen Evaluation wurde zunächst § 36 Abs. 1 VO-EKO zitiert um sodann als Begründung für die Streichung aus medizinisch-therapeutischer Sicht Folgendes auszuführen:

"Zu der oben angeführten Arzneispezialität bestehen folgende Bedenken bzw. Zweifel:

Olmesartan medoxomil wurde 2002 in den USA und 2003 in der EU zugelassen. Der Wirkstoff Olmesartan befindet sich seit 1.10.2004 im Heilmittelverzeichnis und wurde am 1.1.2005 in den EKO überführt. Der Wirkstoff befindet sich in mehreren Mono- und Kombinationspräparaten im EKO. Da zuletzt aus medizinischer Sicht kritische Informationen zu diesem Wirkstoff bekannt geworden sind (siehe dazu weiter unten), erfolgte eine Erhebung des aktuellen medizinischen Wissensstands zu Olmesartan und seines Stellenwertes unter den Angiotensin-II-Antagonisten (auch als Angiotensin Rezeptor Blocker, ARB, bezeichnet).

Olmesartan ist gemäß Fachinformation indiziert bei essentieller Hypertonie. Gemäß der vorhandenen Datenlage scheint Olmesartan im Vergleich mit den anderen ARB bezüglich Blutdrucksenkung in etwa gleich wirksam zu sein.

Ein systematischer Review der Cochrane Database von 2008 (Blood pressure lowering efficacy of angiotensin receptor blockers for primary hypertension, Heran BS. et al., Cochrane Database Syst Rev. 2008 Oct 8;(4):CD003822) schloss 46 RCTs (13451_PatientInnen) ein, welche die Dosis-bezogene blutdrucksenkende Wirkung von neun ARB, darunter auch Olmesartan, untersuchten. Es fanden sich keine klinisch bedeutsamen Unterschiede in der Blutdrucksenkung zwischen den einzelnen ARB.

Bei Mortalität und kardiovaskulären Ereignissen fanden sich bei den ARB keine signifikanten Unterschiede zu den ACE-Hemmern. Ein systematischer Review der Cochrane Database von 2014 (Angiotensin converting enzyme (ACE) inhibitors versus angiotensin receptor blockers for primary hypertension, Edmond CK. et al.: Cochrane Database Syst Rev. 2014 Aug 22;(8):CD009096) verglich die Effekte von ACE-Inhibitoren und verschiedenen ARB (nicht Olmesartan) auf die Gesamt- Mortalität und kardiovaskulären Ereignisse. Es wurden neun Studien eingeschlossen, die ACE-Hemmer mit ARB direkt verglichen und eine Dauer von mindestens einem Jahr aufwiesen. Es gab keine Evidenz für einen Unterschied zwischen ACE- Hemmern und ARB bezüglich der Gesamtmortalität (RR 0.98; 95% CI 0.88 to 1.10), der Gesamt-kardiovaskulären Ereignisse (RR 1.07; 95% CI 0.96 to 1.19) und der kardiovaskulären Mortalität (RR 0.98; 95% CI 0.85 to 1.13).

Die Autoren dieses Reviews kommen zu dem Schluss, dass ACE Inhibitoren eine reduzierte Mortalität in Placebo-kontrollierten Studien nachgewiesen hätten, während dies für ARB nicht gelte, was bei der Wahl zwischen ACE-Hemmern und ARB berücksichtigt werden sollte: "On this note, placebo-controlled trials on ARBs for hypertension do not exist to our knowledge and are unlikely to occur in the future for ethical reasons.... In conclusion, while no evidence of a difference exists between ACE inhibitors and ARBs for total mortality and cardiovascular outcomes in treating hypertension, the small increase in tolerability for ARBs should be weighed against its less established degree of evidence of efficacy when choosing an ARB over an ACE inhibitor for hypertension."

Nur Losartan ist gemäß Fachinformation für eine Untergruppe von Hypertonikern auch zur Risikoreduktion der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität bei Hypertonikern mit linksventrikulärer Hypertrophie zugelassen. Es finden sich bei den ARB zumindest keine Hinweise auf eine erhöhte Mortalität verglichen mit Placebo, mit Ausnahme von Olmesartan. Bei Olmesartan bestehen Hinweise auf eine möglicherweise erhöhte kardiovaskuläre Mortalität bei Typ-2 Diabetes- PatientInnen, siehe unten.

Gemäß der aktuellen Datenlage bestehen bei Olmesartan derzeit zwei Sicherheitsbedenken: Einerseits bezüglich einer möglicherweise erhöhten kardiovaskulären Mortalität unter Olmesartan-Behandlung, insbesondere bei Typ-2 Diabetes-PatientInnen (1), andererseits bezüglich des Risikos einer Olmesartan-assoziierten Enteropathie (2). Im Folgenden wird auf diese beiden Sicherheitsaspekte anhand der aktuellen Studien näher eingegangen.

Zu (1):

In einem 2011 im New England Journal of Medicine publizierten RCT "Olmesartan for the Delay or Prevention of Microalbuminuria in Type 2 Diabetes" von Haller H. et al. (ROADMAP) wurden 4447 PatientInnen mit Typ-2 Diabetes und Normoalbuminurie eingeschlossen und erhielten entweder Olmesartan (40mg einmal täglich) oder Placebo für durchschnittlich 3,2 Jahre. Als sekundärer Endpunkt war die Zeit bis zum Auftreten von renalen und kardiovaskulären Ereignissen definiert. Es zeigte sich, dass die Gesamtmortalität mit 1,2% versus 0,7% in der Olmesartan-Gruppe numerisch höher war (p=0,1). Die nicht fatalen kardiovaskulären Ereignisse waren in etwa gleich verteilt (3,6% versus 4,1%, p=0.37), jedoch kam es zu einer größeren Anzahl an fatalen kardiovaskulären Ereignissen in der Olmesartan-Gruppe (15 PatientInnen [0,7%] versus 3 PatientInnen [0,1%] in der Placebo-Gruppe, p=0.01), was einer Number needed to Harm (NNH) von 167 entspricht. Die kardiovaskuläre Sterblichkeit unter Olmesartan war also fünffach höher als in der Placebo-Gruppe, wobei gemäß nachträglicher Subgruppenanalyse besonders PatientInnen mit vorbestehender koronarer Herzkrankheit betroffen waren, deren Blutdruck niedrig war oder stark gesenkt wurde. Ob letztlich eine zu straffe Blutdruckeinstellung oder ein Zufallseffekt durch die post hoc Subgruppenanalyse oder ein spezifischer unerwünschter Effekt von Olmesartan eine Rolle bei der erhöhten kardiovaskulären Mortalität spielte, ist nicht bekannt.

In einer 2014 publizierten retrospektiven Kohortenstudie (Comparative effectiveness of olmesartan and other angiotensin receptor blockers in diabetes mellitus: Padwal R. et al., Hypertension. 2014 May;63(5):977-83) wurden die US Versicherungsdaten von 45185 PatientInnen mit Diabetes, welche neu mit ARB (2004 bis 2009) behandelt wurden (davon 10370 (23%) mit Olmesartan), ausgewertet. Der primäre Endpunkt war Gesamt-Hospitalisation oder Gesamtmortalität und trat bei 10915 (24%) PatientInnen auf. Verglichen mit den anderen ARB fand sich bei Olmesartan kein erhöhtes Risiko bezüglich des primären Endpunkts. In einer Subgruppe von PatientInnen mit chronischer Nierenerkrankung fand sich ein um etwa 20% erhöhtes Risiko (adjusted hazard 1.21 [95% CI 1.04-1.41]) bezüglich des primären Endpunktes.

Die FDA prüfte weitere Daten und gab am 24.06.2014 in ihrem "Safety Anouncement" bekannt, dass die Datenlage bezüglich erhöhtem kardivaskulärem Risiko unter Olmesartan nicht schlüssig sei, möglicherweise sei das Risiko speziell bei Diabetes-PatientInnen erhöht: "Overall, these data raise concern of possible increased cardiovascular risk associated with the use of high-dose olmesartan in diabetic patients. Of the studies reviewed to assess the finding observed in ROADMAP, the large Medicare study was the only study to analyze the subgroup of interest, i.e., diabetic patients taking high-dose olmesartan. The results seem to support the finding in ROADMAP; however, there are concerns regarding the credibility of the results of the Medicare study because of the discrepant findings in diabetics and non-diabetics. The observation of a large decrease in survival in patients with diabetes taking high doses of olmesartan, coupled with a large increase in survival in non-diabetic patients taking olmesartan-all relative to other drugs of the same classis not a plausible finding" (https://www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/ucm402323.htm, zuletzt besucht am 29.03.2017).

In den aktuellen Fachinformationen von Olmesartan-haltigen Präparaten findet sich derzeit bezüglich Mortalität folgender Hinweis: "Die Wirkung von Olmesartan medoxomil auf Mortalität und Morbidität ist derzeit noch unbekannt."

Zu (2):

Die FDA verfügte am 07.03.2013 aufgrund 23 dem FDA Adverse Event Reporting System gemeldeten Fällen von Olmesartan-assoziierter Enteropathie, sowie weiteren 22 Fällen, die von der Mayo-Klinik publiziert wurden (Severe spruelike enteropathy associated with olmesartan: Rubio-Tapia A. et al., Mayo Clin Proc 2012;87:732-8) die Aufnahme eines Warnhinweises diesbezüglich in der Fachinformation (www.fda.gov/drugs/drugsafety/ucm359477.htm, zuletzt besucht am 29.03.2017). Die FDA untersuchte Datenbanken auf einen möglichen ARB Klasseneffekt auf "sprue-like enteropathie" und fand, dass PatientInnen nach einer mindestens 2 Jahre dauernden Einnahme von Olmesartan ein erhöhtes Risiko einer Zöliakie-Diagnose hatten, gegenüber PatientInnen, die mit anderen ARB behandelt wurden. Ein Klasseneffekt wurde nicht nachgewiesen. Die FDA empfiehlt, Olmesartan abzusetzen, wenn kein anderer Grund für eine schwere chronische Diarrhöe mit deutlichem Gewichtsverlust unter Olmesartan-Behandlung gefunden werden kann. Der Mechanismus für die Olmesartan- assoziierte Enteropathie ist nicht klar, histologisch finden sich teilweise Zottenatrophien im Dünndarm, welche nach Absetzen von Olmesartan reversibel scheinen (Villous atrophy and negative celiac serology: A diagostic and therapeutic dilemma.

DeGaetani M. et al., Am J Gastroenterol 2013: 108:647-53.)

2016 wurde eine große französische Kohortenstudie publiziert (Severe intestinal malabsorption associated with olmesartan: a French nationwide observational cohort study, Basson M. et al.: Gut 2016;65:1664-1669), in die insgesamt 4 546 680 PatientInnen (9.010. 303 Personen-Jahre PY) eingeschlossen wurden, welche von 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2012 eine Behandlung mit ARB oder ACE-Inhibitoren (ACEI) begonnen hatten und keine vorangehende Hospitalisation wegen intestinaler Malabsorption hatten. Die Daten stammten aus der "French National Health Insurance claim database". Der primäre Endpunkt war das Eintreten einer Hospitalisation mit der Entlassungsdiagnose einer intestinalen Malabsorption, der sekundäre Endpunkt das Eintreten einer Hospitalisation mit der Entlassungdiagnose einer Zöliakie. Im Ergebnis zeigte sich unter Olmesartanbehandlung ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Hospitalisation wegen Enteropathie, verglichen mit anderen ARB und ACEI, welches mit zunehmender Behandlungsdauer stark anstieg: 218 Ereignisse wurden beobachtet. Die rohe Inzidenzrate betrug 2.4 pro 100 000 PY in der ACEI-Gruppe, 5.6 pro 100 000 PY in der Olmesartan-Gruppe und 1.8 pro 100 000 PY mit anderen ARB Verglichen mit ACEI, betrug das adjustierte Relative Risiko einer Hospitalisation mit der Entlassungsdiagnose einer intestinalen Malabsorption 2,49 (95% CI 1.73 to 3.57, p<0.0001) und verglichen mit anderen ARB 3.17 (95% CI 2.22 to 4.53, p<0.0001) bei Olmesartan-behandelten PatientInnen. Nach Behandlungsdauer stratifiziert war verglichen mit ACEI das adjustierte Relative Risiko 10.65 (95% CI 5.05 to 22.46, p<0.0001) ab 2 Jahren Olmesartan-Einnahme. Die Number needed to Harm (NNH) war 12 500 Patientenjahre nach 2 Jahren Olmesartan-Behandlung. Es ist anzunehmen, dass die Studie die wahre Inzidenz unterschätzt und die NNH nur die schwersten Formen der Olmesartan-assoziierten Enteropathie widerspiegelt, da möglicherweise auch leichtere Fälle einer intestinalen Enteropathie existieren, welche nicht hospitalisiert wurden.

Der französischen ANSM (Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé, deutsch: Nationale Agentur für die Sicherheit von Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten) wurden von 2004 bis 2015 320 Fälle einer Olmesartan-assoziierten Enteropathie gemeldet. (Olmésartan: l'ANSM rappelle le risgue de survenue d'entémpathie grave chez les patients traités par ces médicaments - Point d'information 21.07.2015, abrufbar unter http://ansm.sante.fr/S-informer/Points-d-information-Points-dinformation/Olmesartan-l-ANSM-rappelle-le-risque-de-survenue-d-enteropathiegrave-chez-les-patients-traites-par-cesmedicaments-Point-d-information, zuletzt besucht am 30.03.2017) Mehrmals wurden an ÄrztInnen Warnungen bezüglich dieses Risikos ausgegeben. Seit Januar 2017 wird Olmesartan in Frankreich nicht mehr von den Krankenkassen erstattet.

In den entsprechenden Fachinformationen findet sich bezüglich

Enteropathie nunmehr folgender Hinweis: "Sprue-ähnliche

Enteropathie: In sehr seltenen Fällen wurden bei Patienten, die Olmesartan einnahmen, einige Monate bis Jahre nach Therapiebeginn schwere, chronische Diarrhöen mit erheblichem Gewichtsverlust berichtet, die möglicherweise auf eine lokale, verzögerte Überempfindlichkeitsreaktion zurückzuführen sind. Intestinale Biopsien bei diesen Patienten wiesen häufig eine Zottenatrophie auf. Falls ein Patient während der Behandlung mit Olmesartan die beschriebenen Symptome entwickelt und falls keine andere offensichtliche Ätiologie vorliegt, sollte die Behandlung mit Olmesartan sofort und dauerhaft beendet werden. Falls sich die Durchfälle innerhalb einer Woche nach Behandlungsende nicht bessern, sollte weiterer fachärztlicher Rat (z.B. eines Gastroenterologen) in Betracht gezogen werden."

In der tabellarischen Liste der Nebenwirkungen wird die "Sprue-ähnliche Enteropathie" als sehr selten angegeben (< 1:10.000)."

Für Olmesartan bestünden somit zusammenfassend Hinweise auf erhöhte kardiovaskuläre Mortalität bei Typ- 2-Diabetes- PatientInnen, wobei insgesamt die Datenlage nicht schlüssig sei. Mit der Sprue-ähnlichen Enteropathie weise Olmesartan eine klinisch relevante Nebenwirkung auf. Das Risiko-/Nutzenverhältnis von Olmesartan sei unter dem Aspekt, dass im EKO diverse weitere ARB als therapeutische Alternativen zur Verfügung stünden, die gemäß der aktuellen Datenlage die oben beschriebenen Sicherheitsbedenken nicht aufweisen, als negativ zu bewerten.

Im Fazit der Pharmainformation vom März 2017 (Jahrgang 32/Nr. 1) heiße es: "Olmesartan- Therapie hat auf kardiovaskuläre Endpunkte keinen belegten positiven Effekt, hingegen liegen negative Daten vor. Mit schweren Diarrhöen ist eine zwar seltene, aber klinisch relevante Nebenwirkung gegeben. Dies spricht klar dafür, andere Sartane mit gut belegtem Nutzen zu verordnen."

Es seien zahlreiche andere Arzneispezialitäten der gleichen Wirkstoffgruppe (Sartane) im EKO gelistet, die die oben genannten Sicherheitsbedenken nicht aufweisen. Daher sei aus medizinischer Sicht im Lichte der rezent verfügbaren Informationen eine weitere Anführung von Arzneispezialitäten im EKO, die den Wirkstoff Olmesartanmedoxomil enthalten, nicht zweckmäßig.

Zu den Punkten der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme führte der Hauptverband zunächst zu seiner Zuständigkeit aus, er habe den Erstattungskodex regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob die angeführten Arzneispezialitäten den Prüfmaßstäben nach den §§ 31 Abs. 3 Z 12 und 351c ASVG entsprechen. Er habe im Rahmen des ihm nach diesem Bundesgesetz eingeräumten Ermessens mit schriftlicher Entscheidung eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex, zu streichen, in einen anderen Bereich zu übernehmen oder die Anführung auf bestimmte Verwendungen einzuschränken, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme nicht oder nur mehr für bestimmte Verwendungen erfüllt seien, insbesondere weil neue pharmakologische oder medizinisch-therapeutische oder gesundheitsökonomische Umstände eingetreten sind (§ 351f Abs. 1 ASVG). Wenn neue pharmakologische oder medizinisch-therapeutische oder gesundheitsökonomische Umstände eingetreten seien, habe der Hauptverband die betreffende Arzneispezialität gegebenenfalls aus dem Erstattungskodex zu streichen. Wenn das Unternehmen nun behaupte, dass die gegenständliche Streichung aus dem EKO nicht in die Zuständigkeit des Hauptverbandes falle, so sei diese Annahme verfehlt.

In den EKO seien jene für Österreich zugelassenen, erstattungsfähigen und gesichert lieferbaren Arzneispezialitäten aufzunehmen, die nach den Erfahrungen im In- und Ausland und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten und Patientinnen im Sinne der Ziele der Krankenbehandlung (§ 133 Abs. 2) annehmen lassen (§ 31 Abs. 3 Z 12 Satz 1 HS 2 ASVG). Diese Voraussetzungen zur Aufnahme würden gemäß § 351f Abs. 1 ASVG auch die Voraussetzungen zum Verbleib in den EKO darstellen.

Lediglich eine von mehreren Voraussetzungen sei daher das Vorliegen einer arzneimittelrechtlichen Zulassung. In einer Frage betreffend Aufnahme in den EKO habe der VfGH bereits in seinem Erkenntnis vom 15.10.2005 zu B 446/05 ua (VfSlg 17686) festgestellt, dass dem arzneimittelrechtlichen Zulassungsbescheid nur insoweit Tatbestandswirkung zukomme, als nur zugelassene Arzneispezialitäten für die Aufnahme in den Erstattungskodex in Betracht kämen, und es somit dem Hauptverband obliege, die Frage des therapeutischen Nutzens einer Arzneispezialität selbständig - aus dem Blickwinkel des § 133 Abs. 2 ASVG ("Die Krankenbehandlung muss ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.") zu beurteilen.

Ferner halte der VfGH in diesem Erkenntnis fest, dass aus dem Umstand, dass dem Antrag auf Zulassung stattgegeben wurde, nicht folge, dass die Frage der Wirksamkeit einer Arzneispezialität im Verfahren betreffend ihre Aufnahme in den Erstattungskodex eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG darstelle und daher vom Hauptverband nicht abweichend vom arzneimittelrechtlichen Zulassungsbescheid beurteilt werden dürfe. Die Beurteilung des Hauptverbandes sei somit losgelöst von der Entscheidung über die Zulassung einer Arzneispezialität und nicht an diese gebunden.

"Umfassende" Prüfung der Arzneimittelsicherheit:

Zu diesem in der Stellungnahme aufgeworfenen Punkt führte der Hauptverband aus, er sei im Rahmen der medizinisch-therapeutischen Evaluation verpflichtet zur Festlegung und Quantifizierung des Nutzens für PatientInnen durch die Behandlung mit der beantragten Arzneispezialität im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen (§ 24 Abs. 1 Z 2 VO-EKO). Ein Nutzen für PatientInnen im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen ergebe sich dabei aber nur dann, wenn der medizinische Nutzen das Gesundheitsrisiko durch Nebenwirkungen, das bei medikamentösen Behandlungen immer vorhanden sei, im Vergleich zur Alternativbehandlung, übersteige. Da die Alternativbehandlung (im gegenständlichen Fall die Behandlung mit anderen Sartanen) die oben beschriebenen Sicherheitsrisiken nicht in dieser Form bzw. Häufigkeit aufweise, sei sie demnach als sicherer einzustufen und sollte deshalb bevorzugt zur Anwendung kommen. Die gegenständlichen Arzneispezialitäten (bzw. sämtliche Arzneispeispezialitäten, die den Wirkstoff Olmesartan enthalten) sollte nicht mehr erstattet werden, da deren Risiken durch die Anwendung der therapeutischen Alternativen vermeidbar seien. Damit könne betroffenen PatientInnen unnötiges Leid erspart werden. Den Vergleich mit den im EKO vorhandenen therapeutischen Alternativen zu führen, sei nicht die Aufgabe von Zulassungsbehörden, womit sich deren Bewertungen grundsätzlich von den medizinisch-therapeutischen Evaluationen des Hauptverbandes unterscheide. Nebenwirkungsprofile und Sicherheitsaspekte von Medikamenten müssten in den medizinisch-therapeutischen Evaluationen des Hauptverbandes berücksichtigt werden, da sie einen Einfluss auf den PatientInnennutzen hätten.

Ökonomische Betrachtungsweise:

Dass bei der Evaluierung des Hauptverbandes eine ökonomische, nicht wirkungsorientierte Betrachtung im Vordergrund stehen würde, sei unrichtig und nicht Intention des Gesetzes. Der durch das Unternehmen gezogene Schluss lasse sich im Übrigen nicht durch die in der Stellungnahme zitierte Fundstelle ableiten, im Gegenteil. Vielmehr könne der Hauptverband den Nutzen einer Arzneispezialität selbstständig beurteilen, wobei es sich nicht um eine reine Ökonomieprüfung handle (vgl. Seyfried in Sonntag (Hrsg), ASVG7, Rz 20f). Im gegenständlichen Verfahren stünden medizinische Aspekte im Mittelpunkt. Des Weiteren sei anzumerken, dass es regelmäßig zu Verschiebungen von Arzneispezialitäten vom Gelben in den Grünen Bereich des EKO komme, wenn wirkstoffgleiche Nachfolgeprodukte aufgenommen würden. In diesem Fall werde oft auch die vorgeschriebene Verwendung - die Verschreiberegel - angepasst, wozu eine medizinisch-therapeutische Prüfung geradezu notwendig sei.

Die Pharmainformation, eine unabhängige Publikation herausgegeben von namhaften PharmakologInnen und Fachärzten, welche vierteljährlich kritisch über in Österreich zugelassene Medikamente berichte, empfehle in der Ausgabe von März 2017 aufgrund der bei Olmesartan nicht belegten positiven kardiovaskulären Endpunkte sowie dem Auftreten der schweren Sprue-ähnlichen Enteropathie, andere Sartane mit gut belegtem Nutzen zu verordnen. Die Inhalte der Pharmainformation sind von der Österreichischen Ärztekammer und der Österreichischen Akademie als relevante Kenntnisse bei Facharztprüfungen im Fach Pharmakologie und Toxikologie anerkannt (siehe UHK GZ 00000-121/0001-UHK/2010 vom 27.1.2011). Es wäre ethisch bedenklich, wenn der Hauptverband diese Empfehlung, neben den anderen verfügbaren Daten, in seiner Evaluation nicht ernsthaft prüfen würde und stattdessen Arzneispezialitäten mit dem Wirkstoff Olmesartan unkritisch weiter erstatten würde, nur weil durch Aufnahme von Olmesartan-Generika in den EKO (die letztlich nicht erfolgte) möglicherweise ökonomische Vorteile zu erwarten gewesen wären.

Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit:

Die Streichung einer Arzneispezialität aus dem EKO könne keinen ungerechtfertigten Eingriff in die nach Art. 6 StGG gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit darstellen. Die Abgabe im Inland, die durch die Zulassung der Arzneispezialität in Österreich erlaubt sei, sei dadurch nicht betroffen. Der Hauptverband hingegen habe mit den Beitragsgeldern der Versicherten sorgsam umzugehen und Ressourcen möglichst nutzbringend einzusetzen. Ihm obliege die Wahrnehmung der gesamtwirtschaftlichen Interessen der Sozialversicherung im Vollzugsbereich (§ 31 Abs. 2 Z 1 ASVG). Konsequenterweise habe der Hauptverband auch Arzneispezialitäten aus dem EKO zu streichen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme in den EKO nicht mehr vorliegen.

Zur Wirksamkeit von Olmesartan wurde ergänzend zu den Argumenten der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme ausgeführt:

Gemäß der ESC-Guidelines 2013 für die arterielle Hypertonie würden Diuretika, Betablocker, Kalzium-Antagonisten, ACE-Hemmer und ARB (Sartane) gleichwertige Therapiealternativen für Beginn oder Erhaltung der Behandlung des Bluthochdrucks sowohl als Mono-als auch Kombinationstherapie darstellen. Der unterschiedliche Einsatz der einzelnen Substanzklassen der Antihypertensiva ergäbe sich durch Vor- und Nachteile von Wirk- und Nebenwirkungsprofil bei unterschiedlichen Patientengruppen. Die für das gegenständliche Verfahren wichtigere Frage, nämlich ob Olmesartan gegenüber den anderen Sartanen einen klinisch relevanten Vorteil bezüglich Wirksamkeit bei Hypertonie aufweise, müsse verneint werden. Wie oben beschrieben habe das Cochrane-Review von Heran BS keine klinisch bedeutsamen Unterschiede in der Blutdrucksenkung der einzelnen Sartane gefunden. Somit könne Olmesartan bedenkenlos durch eines der anderen gleich wirksamen Sartane ersetzt werden, mit dem Vorteil, dass die PatientInnen nicht mehr dem erhöhten Sicherheitsrisiko unter Olmesartan ausgesetzt sein würden.

Die Behauptung des Unternehmens, dass Olmesartan ein besonderes Wirksamkeitsprofil aufweise, sei nicht haltbar, denn Hinweise für Atherom-stabilisierende Eigenschaften würden auch für andere Sartane und darüber hinaus auch für andere Antihypertensiva gefunden (siehe

z. B: Ludwig M et al., Comparison of the effects of losartan and atenolol on common carotid artery intimamedia thickness in patients with hypertension: results of a 2-year, double-blind, randomized, controlled study. Clin Ther. 02;24:1175-1193.) Dass, so wie das Unternehmen behaupte, durch eine Umstellung von Olmesartan auf ein anderes Sartan ein relevantes Gesundheitsrisiko mit kardiovaskulären Ereignissen resultieren könne, sei nicht nachvollziehbar. Die beiden vom Unternehmen herangezogenen Studien VALUE (Julius S. et al.:

Outcomes in hypertensive patients at high cardiovascular risk treated with regimens based on valsartan or amlodipine: the VALUE randomised trial, THE LANCET, Vol 363, June 19, 2004), und HYVET (Becket N. S. et al.: Treatment of Hypertension in Patients 80 Years of Age or Older, N Engl J Med 358;18, May 1, 2008) würden sich nicht eignen, um eine solche Behauptung zu stützen. In beiden Studien sei es nicht um Umstellungen von einem Antihypertensivum auf ein anderes gegangen. VALUE habe die Auswirkungen einer Langzeittherapie mit Amlodipin (Kalziumkanalblocker) oder Valsartan (ARB) auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität verglichen. HYVET habe die Auswirkungen einer Therapie mit Indapamid (Diuretikum) mit oder ohne Perindopril (ACE-Hemmer) auf die Häufigkeit von Schlaganfällen in Vergleich zu Placebo bei Patientinnen >80 Jahre untersucht. Die Ergebnisse beider Studien würden keine Aussagen zu der Fragestellung einer Umstellung von Olmesartan auf eine therapeutische Alternative erlauben. Die vom Unternehmen aus den beiden Studien gezogenen Schlüsse seien in diesem Zusammenhang untauglich und nicht nachvollziehbar. Bei der Behandlung der Hypertonie sei es in der Praxis oft notwendig, die Umstellung von einem Hypertensivum (Anmerkung: gemeint wohl: Antihypertensivum) auf ein anderes vorzunehmen, z.B. wegen nicht ausreichender Wirksamkeit oder Verträglichkeit. Es sei eine nicht belegte Behauptung des Unternehmens, dass es bei Umstellungen von einem Hypertensivum (Anmerkung: gemeint wohl: Antihypertensivum) zu einem anderen zu gesundheitlichen Risiken komme. Der Arzneimittel-Markt und der EKO würden im Übrigen laufenden Veränderungen unterliegen, sodass es generell in der klinischen Routine zu Medikationsumstellungen komme.

Zum Risiko einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität bei Diabetikerinnen wurde ergänzend ausgeführt:

Die Datenlage zur erhöhten kardiovaskulären Mortalität bei Diabetikerinnen unter Olmesartanbehandlung sei nicht schlüssig. Nicht schlüssig bedeute, dass dieses Risiko anhand der vorhandenen Daten weder eindeutig belegt noch ausgeschlossen werden könne.

In der ROADMAP Studie (n= 4447) habe sich eine kardiovaskuläre Mortalität bei 15 Patientinnen (0,7% ) in der Olmesartan-Gruppe versus 3 (0,1%) in der Placebo-Gruppe gezeigt, in der ORIENT-Studie (n=557) habe sich eine kardiovaskuläre Mortalität bei 10 Patientinnen (3.5%) in der Olmesartan-Gruppe versus 3 (1.1%) in der Placebogruppe ergeben.

Gemäß Safety Announcement der FDA vom 24.06.2014 seien mehr als 300 000 Patientenjahre untersucht worden: Bei Diabetes- Patientinnen mit hoher Olmesartan Dosierung (40mg) habe sich ein 2-fach erhöhtes Mortalitäts-Risiko gegenüber anderen Sartanen ergeben, jedoch sich bei Nicht-Diabetikerinnen das Risiko genau umgekehrt gezeigt, was nicht plausibel erklärbar sei.

Wie immer man auch das Zustandekommen der erhöhten kardiovaskulären Mortalität in der ROADMAP-Studie zu erklären versuche (z.B:

Editorial von J.Ingelfinger, Preemptive Olmesartan for the Delay or Prevention of Microalbuminuria in Diabetes, N Engl J Med 364:10, March 10, 2011), es gäbe keine Beweise für diese Erklärungen. Letztlich entscheidend sei die Tatsache, dass die FDA die Sicherheitssignale aus den Studien ROADMAP und ORIENT als so bedeutend eingestuft habe, dass sie weitere Untersuchungen veranlasst habe. Sie habe das Risiko der erhöhten kardiovaskulären Mortalität bei Diabetikerinnen unter Olmesartan-Therapie nicht ausschließen können und schließlich die Datenlage als nicht schlüssig eingestuft.

Die vom Unternehmen eingereichte Metaanalyse von Wang et al. (Assessment of the Cardiovascular Risk of Olmesartan Medoxomil-Based Treatment: Meta-Analysis of Individual Patient Data, Am J Cardiovasc Drugs (2016) 16:427-437) sei nicht geeignet, um die Frage eines möglichen erhöhten kardiovaskulären Risikos bei Diabetikerinnen zu klären. Sie sei von der FDA und dem BfArM (German Federal institute for Drugs and Medical Devices) in Auftrag gegeben worden, um das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Gesamt-Mortalität unter Olmesartan versus Placebo oder aktiver Kontrolle, anhand vorhandener RCTs zu untersuchen. Außer ROADMAP und ORIENT seien jedoch keine Studien speziell mit diabetischen Patientinnen eingeschlossen worden. Ohne die beiden genannten Studien seien lediglich 15% der eingeschlossenen Patientinnen anhand von Medikation bzw HBA1c Werten als Diabetikerinnen (nachträglich?) definiert worden, was keine sicheren Diagnosekriterien für Diabetes seien. Zudem sei der Anteil zu gering, um aussagekräftig zu sein, weshalb dieser Review nichts zur Fragestellung, ob ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bei Patientinnen mit Typ 2 Diabetes unter Olmesartan - Behandlung im Vergleich zu anderen ARB bestehe, beitrage.

Das PRAC (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee) der EMA sei zum gleichen Schluss wie die FDA gekommen: Gemäß Besprechungsprotokoll des PRAC vom 10-13. Juni 2014 (page 43-44, abrufbar unter http://www.ema.europa.eu/docs/en GB/document library/Minutes/2014/07/WC500169997.pdf) seien die Daten bezüglich Mortalität und kardiovaskulärem Risiko bei Olmesartan im Vergleich zu anderen Sartanen nicht schlüssig. Zusätzlich sollte das Signal des erhöhten kardiovaskulären Mortalitätsrisikos bei Diabetes-Patientinnen weiter engmaschig überwacht werden, und es werde weitere Evidenz gefordert:

"The PRAC also agreed that the recently published epidemiological studies aiming to evaluate the risk of mortality and cardiovascular endpoints in olmesartan users, as compared to other ARB users, were not conclusive.

The PRAC therefore agreed that there was still a need to closely monitor the signal of increased risk of cardiovascular events in diabetic patients to gain further evidence. This should be done within the ongoing clinical trials, as well as within epidemiological studies, both for olmesartan individually and for the ARB class as a whole".

Offensichtlich seien zwischenzeitlich vom Unternehmen keine weiteren Studien mit DiabetesPatientinnen gemacht worden, denn es seien bisher keine neuen klinischen oder epidemiologischen Studien vorgelegt worden. Somit könne dieses Sicherheitsrisiko auch weiterhin weder bestätigt noch ausgeschlossen werden. Es seien auch keine Studien vorgelegt worden, die für Olmesartan eine Mortalitätsverbesserung zeigen würden. Daher sei es auch gerechtfertigt, dass die Zulassungsbehörde die Fachinformation (März 2017) im Rahmen der Prüfung auf Zulassungsverlängerung diesbezüglich unverändert belassen habe: "Die Wirkung von Olmesartan medoxomil auf Mortalität und Morbidität ist derzeit noch unbekannt."

Zur Sprue-ähnliche Enteropathie wies der Hauptverband in Erwiderung zur Stellungnahme zunächst zum behaupteten Klasseneffekt auf Folgendes hin:

Aufgrund der derzeitigen Datenlage gäbe es für die Behauptung des Unternehmens, dass die Sprue-ähnliche Enteropathie im gleichen Maße bei den anderen Sartanen vorkomme, und damit ein sogenannter "Klasseneffekt" bestehe, keinen Beleg.

Die vom Unternehmen vorgelegte Analyse von Ripellino C et al. (Unspecified Intestinal Malabsorption Associated with Angiotensin Receptor Blocker Therapy: Results from a Nationwide, Population-Based Study in Italy and Germany, Value in Health Nov. 16, Vol 19) mit Daten des IMS, einem Unternehmen für Pharmadienstleistungen, welche keinen Unterschied zwischen dem Auftreten von unspezifischer Darm-Malabsorption zwischen den ARB gefunden haben soll, enthalte aufgrund der nur knappen Darstellung im Sinne eines Posters unzureichende Informationen und sei vom Hauptverband daher nicht auf Validität überprüfbar. Die Daten eines Pharmadienstleisters seien als Grundlage für eine wissenschaftliche Analyse auch kaum geeignet, da sie nicht überprüfbar und daher nicht nachvollziehbar seien.

Methodologisch erscheine diese Analyse unzureichend und in ihrer Aussagekraft stark eingeschränkt. Sie könne in keinerlei Hinsicht mit der qualitativ hochwertigen, unabhängigen Kohortenstudie von Basson M et al. verglichen werden, wie es vom Unternehmen fälschlicherweise gemacht wurde. Bei Basson M et al. seien etwa 4,5 Millionen Patientlnnen-Daten aus der nationalen französischen Krankenversicherungs-Datenbank (Zeitraum 2007 bis 2012) inkludiert, sorgfältige Ein- und Ausschlusskriterien angewendet, z.B. um Patientinnen mit vorbestehender Zöliakie auszuschließen, sowie statistische Methoden angewendet, um potentielle Confounder (Störfaktoren, die Einfluss auf das Ergebnis haben) zu identifizieren. Weiters seien die Ergebnisse auf die Dauer der Behandlung stratifiziert. Bei Ripellino C et al. sei lediglich eine kleine Anzahl von (bezüglich Auswahlkriterien nicht nachvollziehbaren) IMS- Daten (ca. 266.000) für einen im Vergleich kurzen Zeitraum (2010 bis 2013) ausgewertet worden, die Ergebnisse weder von potentiellen Confoundern bereinigt noch mit der Dauer der Behandlung korreliert, obwohl anhand der bisherigen Datenlage ein eindeutiger Zusammenhang mit der Dauer der Behandlung und der Häufigkeit der Sprue-ähnlichen Enteropathie gezeigt werden konnte. Wegen der geringen methodologischen Qualität und der nicht ausreichend überprüfbaren Validität seien die Ergebnisse dieser Analyse somit nicht verwertbar.

Basson et al. zeige, dass es bei Olmesartan verglichen mit ACE-Hemmern und anderen Sartanen zu einem starken Anstieg des Risikos, wegen einer Enteropathie hospitalisiert zu werden, komme, je länger die Behandlung dauere. Das Risiko wachse von ca. doppelt so hoch im ersten Jahr, auf etwa zehnfach so hoch ab dem dritten Jahr. Da die AntihypertensivaBehandlung eine langfristige Behandlung sei, die unter Umständen bis ans Lebensende fortgeführt werden müsse, seien die PatientInnen einem immer unverhältnismäßigeren, weil durch die Behandlung mit therapeutischen Alternativen vermeidbaren, gesundheitlichen Risiko ausgesetzt, je länger sie Olmesartan einnehmen würden.

Daten aus der österreichische Realversorgung (Abrechnungs-Daten der österreichischen Sozialversicherung, publiziert in Vertragspartnerzeitschriften, z.B. "Blickpunkt-Info" oder "top tipps") würden ebenfalls auf einen Zusammenhang zwischen Hospitalisation wegen Sprueähnlicher Enteropathie und der Behandlungsdauer hinweisen: Im Analysezeitraum von 2013 bis 2014 seien insgesamt 545.827 PatientInnen mit Olmesartantherapie oder Therapie mit einem anderen Sartan, einer Therapiedauer kürzer oder länger als einem Jahr zugeordnet worden: Die Häufigkeit eines Krankenhausaufenthaltes mit einer Sprue-ähnlichen Enteropathie als Entlassungsdiagnose sei nach einer Behandlungsdauer mit Olmesartan von 0,35/10.000 im ersten Jahr auf 1,89/10.000 PatientInnen bei größer als einem Jahr gestiegen, bei den anderen Sartanen von 0,32 auf 0.44/10.000 PatientInnen. Das entspräche unter Olmesartan-Therapie nach einer Behandlungsdauer von größer als einem Jahr einem mehr als vierfach so hohen Risiko wegen einer Sprue-ähnlichen Enteropathie hospitalisiert zu werden, im Vergleich zu den anderen Sartanen.

Die FDA (Safety-Announcement vom 7.3.2013) habe anhand von Medicare-Versicherungsdaten untersucht, ob ein ARB-Klasseneffekt für Enteropathie bestehe und befunden, dass nach einer 2-jährigen Behandlungsdauer diese unter Olmesartan häufiger auftrete, als bei den anderen Sartanen, was ein Fehlen eines Klasseneffekts wahrscheinlich mache.

Anhand der aktuellen Datenlage zeige sich somit klar, dass eine Sprue-ähnliche Enteropathie unter Olmesartanbehandlung wesentlich häufiger auftrete, als unter den anderen Sartanen: Bei letzteren gäbe es bisher nur sehr wenige publizierte Einzelfallberichte. Es seien mindestens 10-fach so viele Fallberichte von Sprue-ähnlicher Enteropathie unter Behandlung mit Olmesartan publiziert, wie unter allen anderen Sartanen zusammengenommen: mehr als 56 Fallberichte mit Olmesartan (siehe z.B. Rubio-Tapia A et al., sowie Marthey L. et al., sowie Scialom S. et al.: Gastrointestinal Disorder Associated with Olmesartan mimics Autoimmune Enteropathy.PLoS One 2015 Jun 23;10(6):e0125024.) versus 7 Fallberichte von anderen ARB. Letztere seien vom Unternehmen vorgelegt worden: 2 Fallberichte mit Telmisartan, jeweils 1 Fallbericht unter Irbesartan, Losartan, Eprosartan, Valsartan und Candesartan.

Die Fachinformation (z.B. XXXX März 2017) sei daher im Rahmen der Zulassungsverlängerung nicht geändert worden, einen Warnhinweis bezüglich Sprue-ähnlicher Enteropathie gäbe es weiterhin nur bei Olmesartan. Sämtliche zur Zeit vorhandenen Daten würden daher belegen, dass die Sprue-ähnliche Enteropathie fast ausschließlich bei Olmesartan vorkomme, bei den anderen Sartanen seien bisher nur Einzelfälle beschrieben, weshalb aktuell davon auszugehen sei, dass kein ARB-Klasseneffekt bestehe.

Es bestehe kein Zweifel, dass es sich bei der Sprue-ähnlichen Enteropathie um eine Nebenwirkung bei Olmesartan handle, die inzwischen durch zahlreiche von Behörden und Wissenschaftlern untersuchten Fälle sowie große Studien wissenschaftlich als eindeutig belegt gelte. Dementsprechend fände sich der Warnhinweis bezüglich dieser schwerwiegenden Nebenwirkung auch in der Fachinformation sämtlicher Arzneispezialitäten mit Olmesartan. Für sich genommen reiche diese eindeutig belegte Nebenwirkung, die mit zum Teil lebensbedrohlichen Verläufen und Hospitalisationen einhergehen könne, bereits aus, um das Nutzen-Risiko Profil von Olmesartan im Vergleich zu den anderen Sartanen als negativ erscheinen zu lassen. Da es im EKO zahlreiche therapeutische Alternativen aus der Gruppe der Sartane gäbe, bei denen diese Nebenwirkung gemäß der aktuellen Datenlage nicht oder zumindest wesentlicher seltener auftrete, sei es aus Perspektive der Sozialversicherung, die sich um eine optimale medizinische Betreuung ihrer Versicherten bemühe, nicht gerechtfertigt, PatientInnen diesem Risiko auszusetzen.

Häufigkeit der Sprue-ähnlichen Enteropathie:

Das Unternehmen argumentiere, dass die Daten aus Frankreich hinterfragt werden sollten, da 75% aller europaweit bis 2015 gemeldeten Sprue-ähnlichen Enteropathie-Fälle (insgesamt 334 Fälle) unter Olmesartan-Behandlung aus Frankreich (250 Fälle) stammen würden. In Frankreich hätte eine größere Aufmerksamkeit aufgrund öffentlicher Information zu diesem Thema zu einer erhöhten Melderate beigetragen. Dies mag aus Sicht des Hauptverbandes tatsächlich der Fall sein. Nur auf Probleme, die bewusst seien, könne reagiert werden. Diarrhoe sei ein häufiges medizinisches Symptom und könne sehr vielfältige Ursachen haben. Wenn Ärzte nicht an einen möglichen Zusammenhang zwischen Olmesartan-Behandlung und Diarrhoe denken, dann könnten sie einerseits diese Nebenwirkung nicht melden und andererseits betroffene PatientInnen nicht richtig diagnostizieren und behandeln. Das führe zu einem langen Leidensweg der PatientInnen, welcher durch ein Absetzen von Olmesartan verkürzt werden könnte.

In der Umfrage-Studie von Marthey L et al. (Olmesartan-associated enteropathy: results of a national survey, Aliment Pharmacol Ther 2014; 40: 1103-1109) seien französische Gastroenterologen per elektronischem Fragebogen aufgefordert worden, Fälle von Sartan-assoziierter Enteropathie zu melden. Zu beachten sei, dass zu allen Sartanen Rückmeldungen erbeten worden seien, nicht nur zu Olmesartan! Patientinnen mit Diarrhoe und histologischen Auffälligkeiten im Dünndarm seien in die Studie inkludiert worden. Es seien insgesamt 48 Fälle rückgemeldet worden, 47 mit Olmesartan, nur ein Fall mit Beteiligung eines anderen Sartans (Irbesartan). 36 Patientinnen mit Olmesartan-assoziierter Enteropathie seien eingeschlossen worden, sowie ein Fall mit Irbesartan-assoziierter Enteropathie. 31 dieser PatientInnen seien hospitalisiert gewesen, vier auf der Intensivstation. Die Autoren würden auf den schweren Verlauf verweisen, welcher bei den zuletzt gemeldeten Fällen kürzer war aufgrund von früherem Absetzen von Olmesartan: "Patients included in this study had a severe course. Some of them had life-threatening diarrhoea with acute renal failure, severe hypokalaemia and metabolic acidosis, leading to prolonged hospitalisation and, sometimes a visit to the ICU. They recovered after olmesartan withdrawal. The most recent cases had a shorter course than the early cases, thanks to the awareness of Gastroenterologists who immediately stopped olmesartan." Die Autoren kämen zu dem Schluss, dass Olmesartan eine schwere immun-mediierte Enteropathie auslöse, während dies bei den anderen Sartanen sehr selten vorkommt: "Olmesartan causes a severe and immune- mediated enteropathy, with or without villous atrophy. Enteropathy associated with other sartans seems to be very rare."

Die Olmesartan-assoziierte Sprue-ähnliche Enteropathie sei eine schwerwiegende und potentiell lebensbedrohliche Nebenwirkung, deren Häufigkeit anhand der vorhandenen Daten nur unzureichend geschätzt werden könne. Es sei anzunehmen, dass die Anzahl der Nebenwirkungsrückmeldungen die tatsächliche Häufigkeit nicht repräsentiere, sondern diese stark unterschätzt werde. Die rezente Publikation von Alatawi YM et al. (Empirical estimation of under-reporting in the U.S. Food and Drug Administration Adverse Event Reporting System (FAERS). Expert Opin Drug Saf. 2017 Jul;16(7):761-767) zeige, dass die meisten in dieser Studie untersuchten Medikamente ein "under-reporting" aufgewiesen hätten. Selbst bei Medikamenten mit normalerweise höherer Melderate, nämlich bei Biologika und Medikamenten mit geringer therapeutischer Breite sei die Report-Rate der schweren Nebenwirkungen nur bei 20 bis 33% der minimal zu erwartenden Anzahl gelegen.

Dass in Österreich in den letzten 12 Jahren nur 4 Fälle mit Sprue-ähnlicher Enteropathie gemeldet worden seien, sei nicht verwunderlich: Insgesamt sei die Anzahl gemeldeter Fälle von Nebenwirkungen in Österreich sehr gering: Nur ca. 6000 Erst-Meldungen bei über 120 Millionen Medikamenten-Verordnungen pro Jahr (siehe XXXX NÖ PPA, Laut gedacht: Meldung von Nebenwirkungen, Juli 2017, abrufbar unter www.patientenanwalt.com, Zugriff am 21.07.2017). Seit Jahren würden von der AGES Anstrengungen unternommen, die Nebenwirkungs-Rückmelde-Rate zu erhöhen, mit mäßigem Erfolg. Aus den in Österreich gemeldeten Fällen könnten somit keine Schlüsse zu der tatsächlichen Häufigkeit einer Nebenwirkung gezogen werden.

Nicht nur in spontanen Nebenwirkungs-Meldesystemen, sondern auch in Studien, wie die Studie von Marthey L et al. könne die wahre Häufigkeit einer Nebenwirkung unterschätzt werden, wie die Autoren anmerken: "However, only gastroenterologists were contacted. This could have led to underestimate the frequency of olmesartan-associated enteropathy and biased the results towards the most severe forms." Das gleiche gelte auch für die französische Kohortenstudie von Basson M et al., die die wahre Inzidenz unterschätze: "However, caution is needed to interpret these values as this study was not aimed to measure the incidence of olmesartan associated enteropathy, but rather to estimate the strength of the association between olmesartan and severe forms of enteropathy and malabsorption. As a consequence, this study underestimates the true incidence and only provides the incidence of the most severe forms of olmesartan- associated enteropathy." Es könne also weder aus spontanen Nebenwirkungs-Meldesystemen, noch aus den vorhandenen Studiendaten eine tatsächliche Zahl sämtlicher Olmesartan-assoziierter Enteropathie-Fälle berechnet werden, diese könne aus den vorhandenen Daten lediglich grob geschätzt werden, wobei insbesondere leichtere und mittelschwere Fälle nicht aufscheinen würden. Die tatsächliche Anzahl von Olmesartan-assoziierter Enteropathie-Fällen sei unbekannt, eine beträchtliche Unterschätzung der Häufigkeit aus den vorhandenen Daten ist sehr wahrscheinlich. Aufgrund des Untersuchungszeitraumes (2007-2012) sei auch nicht zu erwarten, dass die Studie von Basson et al. durch die geänderte Awareness aufgrund der Studie von Rubio-Tapia et al. von 2012 beeinflusst worden sei.

Die Publikation von Rossi A et al. (Ulcerogenicity of piroxicam: an analysis of spontaneously reported Data. BRITISH MEDICAL JOURNAL VOLUME 294 17 JANUARY 1987) untersuche Faktoren, die das spontane Nebenwirkungs-Meldesystem für NSAR (Nicht Steroidale Antirheumatika) beeinflussen. Als wichtiger Faktor sei das Marketing identifiziert worden: Besonders in der Zeit nach Neu-Einführung von Medikamenten komme es zu einer höheren Nebenwirkungs-Rückmelde-Rate, die danach abnehme.

Der systematische Review von Lopez-Gonzales E et al. (Determinants of under-reporting of adverse drug reactions: a systematic review.Drug Saf. 2009;32(1):19-31) untersuche Gründe bei ÄrztInnen für das geringe Melden von Nebenwirkungen und habe befunden, dass vor allem das Wissen und die Einstellungen der ÄrztInnen entscheidend seien, ob Nebenwirkungen gemeldet würden oder nicht. Tendenziell würden eher schwerere und bekanntere Nebenwirkungen gemeldet werden. Insofern seien also Informationsschreiben für ÄrztInnen und Pressemitteilungen von Behörden über die Olmesartan-Nebenwirkungen, wie sie von der französischen Arzneimittelbehörde oder der FDA vorgenommen worden seien, im Sinne der Sicherheit der PatientInnen äußerst wichtig. Damit könnten gefährliche Nebenwirkungen leichter erkannt und an Behörden gemeldet werden.

Die Anführung von Nebenwirkungen als Warnhinweis in der Fachinformation sei notwendig, jedoch selbst durch Kenntnis der Olmesartan-assoziierten Enteropathie könnten die Krankheitsverläufe allenfalls verkürzt, nicht vermieden werden. Eine Streichung von Olmesartan aus dem Erstattungskodex sei daher in Anbetracht des Vorhandenseins von mehreren gleich wirksamen Alternativen, die diese Nebenwirkung nicht oder nicht in dem Ausmaß aufweisen würden, im Interesse des PatientInnennutzens sinnvoll.

4. In den nunmehr verfahrensgegenständlichen fristgerecht eingebrachten Beschwerden führte die Beschwerdeführerin eingangs nach Darlegung des Verfahrensganges an, die Begründung des Hauptverbandes sei in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Zum Einen beschäftige sich der Hauptverband mit einer möglicherweise erhöhten kardiovaskulären Mortalität bei Diabetikern. Erst als zweiten Grund für die Streichung nenne er die "klinisch relevante" Nebenwirkung der Sprue-ähnlichen Enteropathie. Letztlich stütze er die Streichung dann aber ausschließlich auf die Sprue-ähnliche Enteropathie (und nicht auch auf die möglicherweise erhöhte kardiovaskuläre Mortalität bei Diabetikern). Der Grund hiefür dürfte sein, dass die Datenlage betreffend die kardiovaskuläre Mortalität bei Diabetikern - wie sich im Folgenden zeigen werde - nicht schlüssig sei. Trotzdem dürfte sich der Hauptverband im Hinblick auf die Sprue-ähnliche Enteropathie auch nicht so sicher gewesen sein, weshalb er "sicherheitshalber" beide Nebenwirkungen in seiner Entscheidung anführe und so den Schein zu erwecken versuche, beide wären "relevant".

Zum Zweiten beanspruche der Hauptverband für sich die Zuständigkeit, Arzneispezialitäten mit (möglicherweise) relevanten Nebenwirkungen aus dem EKO zu streichen - wobei die Relevanz hier einzig und alleine vom Hauptverband bewertet werde -, sollte es andere therapeutische Alternativen geben. Damit nehme der Hauptverband eine Zuständigkeit in Anspruch, die in den Bereich der Pharmakovigilanz falle und die ihm (so) nicht zukomme. Unterstelle man dem Hauptverband nicht Willkür, müsste dies in naher Zukunft zum Ausschluss einer Vielzahl von Arzneispezialitäten aus dem EKO führen, weil es praktische keine Arzneispezialitäten ohne Nebenwirkungen gäbe - im Gegenteil nahezu jedes Arzneimittel weise gemäß Art 11 Punkt 5.4 der Richtlinie 2001/83/EG ua in der Fachinformation unter der Rubrik "Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung" ebendiese Vorsichtsmaßnahmen auf.

Der angefochtene Bescheid habe daher eine weit über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Zugespitzt sei daraus nämlich abzuleiten, dass lediglich immer nur das "beste" bzw "sicherste" Medikament einer Substanzklasse im EKO verbleiben dürfte, weil sämtliche Arzneispezialitäten mit mehr oder anderen (relevanten) Nebenwirkungen zu streichen wären, nehme man die angefochtene Entscheidung ernst, dass Medikamente mit Nebenwirkungen aus dem EKO zu entfernen seien, wenn es gleichwirksame therapeutische Alternativen gäbe, die - aus Sicht des HV - weniger "relevante" Nebenwirkungen aufweisen (wobei natürlich offenbleibe, welche Nebenwirkungen "klinisch relevan

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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