Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §42 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Grubner, über die Beschwerde des J R in X, vertreten durch Dr. Eigl und Mag. Pisar, Rechtsanwälte in Linz, Lederergasse 33b, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 15. September 1999, Zl. Wa-100183/64-1999-Pan/Ze, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Wasserrechtsangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. September 1999 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 7. Juli 1999, mit welchem der Gemeinde X die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb eines Regenentlastungskanales erteilt worden war, zurückgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es, bei der der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vorangegangenen mündlichen Verhandlung am 30. Juni 1999 sei der Beschwerdeführer nicht persönlich erschienen, sondern es sei eine von ihm verfasste und am Verhandlungstag bei der Gemeinde eingelangte Stellungnahme von einem Vertreter der Gemeinde dem Verhandlungsleiter übergeben, von diesem verlesen und als Beilage der Verhandlungsschrift angeschlossen worden. In dieser Stellungnahme habe der Beschwerdeführer ersucht, als Auflage die Errichtung eines mindestens 1,5 m hohen Bauzaunes entlang seiner Grundgrenze im Baustellenbereich vorzuschreiben, um eine Beanspruchung seiner Grundstücke auszuschließen. Auch habe er verlangt, die geplante Abwasserleitung im Einzugsbereich seiner Quelle gemäß ATV-Regelblatt doppelwandig mit Sicherheitseinrichtung auszuführen. Weiters habe er gefordert, dass seine Grundstücke entlang der Traun auch während der Bauzeit erreichbar bleiben müssten und er mindestens 14 Tage vor Baubeginn über die zuständige Baufirma und den für die Baustelle Verantwortlichen informiert werden müsse. Diesen Forderungen sei im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid der BH vom 7. Juli 1999 zum Teil nicht Rechnung getragen worden. Gegen den Bewilligungsbescheid habe der Beschwerdeführer berufen. Die Berufung sei aber unzulässig, weil der Beschwerdeführer seine Stellung als Partei verloren habe. Dies deswegen, weil er nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhoben habe. Die schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers hätte frühstens am Tag vor der Verhandlung bei der Behörde einlangen müssen. Auch wenn die Stellungnahme vom Verhandlungsleiter verlesen und der Verhandlungsschrift angeschlossen worden sei, handle es sich um keine rechtserheblichen Einwendungen, die die Parteistellung des Beschwerdeführers begründeten. Im Übrigen seien die Forderungen des Beschwerdeführers - aus näher dargestellten Gründen - auch inhaltlich unberechtigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht wird.
Der Beschwerdeführer bringt vor, im angefochtenen Bescheid werde nicht dargelegt, wann seine schriftliche Stellungnahme tatsächlich bei der Behörde erster Instanz eingelangt sei. Gesichert sei auf Grund der Aktenlage nur, dass die Stellungnahme des Beschwerdeführers am 30. Juni 1999 um 8.50 an Ort und Stelle in X gewesen sei. Aus der Verhandlungsschrift ergebe sich, dass die Stellungnahme nicht nur bei der Verhandlung verlesen, sondern auch der Verhandlungsschrift als Beilage angeschlossen worden sei. Dies bedeute, dass die Einwendungen am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde gewesen und in der Verhandlung selber vorgebracht worden seien, wenn auch vom Verhandlungsleiter. Wenn der Verhandlungsleiter im Wege seiner Leitungsvollmacht diese schriftlichen Einwendungen zugelassen habe, so müsse von einem erfolgreichen Vorbringen der Einwendungen ausgegangen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz AVG und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies gemäß § 42 Abs. 1 AVG zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde. Eine Kundmachungsform ist geeignet, wenn sie sicherstellt, dass ein Beteiligter von der Anberaumung der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt.
Wurde eine mündliche Verhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge gemäß § 42 Abs. 2 AVG nur auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 18. Dezember 1984, 84/07/0258, ausgesprochen, dass schriftliche Einwendungen spätestens am Tag vor der Verhandlung bei der Behörde eingelangt sein müssen. Aus diesem Erkenntnis ist aber für den Standpunkt der belangten Behörde nichts zu gewinnen. In dem diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Fall war eine schriftliche Stellungnahme erst am Tag der Verhandlung bei der Behörde eingelangt. Der dem vorliegenden Fall zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich davon in einem wesentlichen Punkt. Die von den Vertretern der Gemeinde dem Verhandlungsleiter überreichte Stellungnahme des Beschwerdeführers wurde nämlich vom Verhandlungsleiter verlesen und der Verhandlungsschrift als Beilage angeschlossen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 19. August 1993, 91/06/0031, und in der darin zitierten Vorjudikatur den Standpunkt vertreten, dass dann, wenn der Verhandlungsleiter ein schriftliches Vorbringen entgegennimmt und dem Protokoll als dessen Bestandteil anschließt, dies so gewertet werden muss, als ob ein korrekter Antrag gestellt worden wäre. Dies bewirkt, das auf diesem Weg vorgebrachte Einwendungen als rechtzeitig eingebracht anzusehen sind.
Die belangte Behörde erwähnt in der Gegenschrift selbst dieses Erkenntnis, meint aber, daraus sei für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil im Beschwerdefall anders als in dem mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. August 1993, 91/06/0031, entschiedenen Fall der Beschwerdeführer bei der Verhandlung nicht persönlich anwesend gewesen sei.
Dieser Umstand ist ohne Bedeutung. Warum die Rechtzeitigkeit einer Einwendung davon abhängen sollte, ob ein schriftlicher Antrag von der Partei bei der Verhandlung persönlich dem Verhandlungsleiter überreicht wird oder ob die Einwendungen dem Verhandlungsleiter von anderer Seite zukommen, ist nicht ersichtlich.
Die Bestimmung des § 42 Abs. 1 AVG, dass Einwendungen entweder spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung oder während der Verhandlung vorgebracht werden müssen, bedeutet nur, dass sie am Verhandlungstag vor Beginn der Verhandlung nicht rechtswirksam vorgebracht werden können. Dies findet seinen praktischen Sinn darin, dass der Verhandlungsleiter am Verhandlungstag mit dem Akt allenfalls schon unterwegs zum Verhandlungsort ist und die Einwendungen mangels Kenntnis daher in der mündlichen Verhandlung nicht berücksichtigen könnte (vgl. Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 290). Auf diese Fälle bezieht sich jene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die fordert, dass schriftliche Einwendungen spätestens am Tag vor der Verhandlung bei der Behörde eingelangt sein müssen. Wird aber eine schriftliche Stellungnahme am Verhandlungstag überreicht, dann fällt das Argument, dass Verhandlungsleiter und übrige Verhandlungsteilnehmer keine Möglichkeit haben, von dieser Stellungnahme Kenntnis zu erlangen, weg. Es kann dem auch nicht entgegengehalten werden, der Verhandlungsleiter und die übrigen Verhandlungsteilnehmer hätten keine Möglichkeit gehabt, sich vor der Verhandlung mit dieser Stellungnahme auseinander zu setzen, da Gleiches auch für die vom Gesetz eindeutig als zulässig angesehenen mündlichen Vorbringen bei der Verhandlung gilt. Wenn in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst solche schriftliche Einwendungen, die gegen das Verbot des § 44 Abs. 2 AVG verstossen, dass Teilnehmer an der mündlichen Verhandlung ihre Erklärungen nicht schriftlich abgeben dürfen, im Falle ihrer Annahme durch den Verhandlungsleiter als zulässige Einwendungen gewertet werden, dann muss dies um so mehr für schriftliche Einwendungen gelten, die dem Verhandlungsleiter von einem Boten übergeben werden und für die das Verbot des § 44 Abs. 2 AVG nicht gilt.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Die Umsatzsteuer ist im Schriftsatzaufwand enthalten; eine gesonderte Vergütung von Umsatzsteuer konnte daher nicht zugesprochen werden, weshalb das Mehrbegehren abzuweisen war. Wien, am 3. Februar 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999070191.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
15.10.2008