TE Vfgh Beschluss 1997/10/16 KI-2/96

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Veröffentlicht am 16.10.1997
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art138 Abs1 lita
VfGG §46
VfGG §52
VfGG §86
VfGG §88

Leitsatz

Einstellung des Verfahrens über einen Antrag auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes zwischen einem Gericht und dem Landeshauptmann als zweite Instanz in einer Sache der mittelbaren Bundesverwaltung wegen Klaglosstellung; zwischenzeitig erfolgte inhaltliche Behandlung des gegenständlichen Feststellungsantrags durch einen Bescheid des Bundesministers; Kostenzuspruch

Spruch

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) ist schuldig, der Antragstellerin zu Handen ihres Vertreters die mit S 18.000,- bestimmten Kosten bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Begründung:

I. 1.1. Am 13. Juni 1952 beantragte die Gemeinde T, ihr die wasserrechtliche Bewilligung zum Bau, zum Betrieb und zur Erhaltung einer Wasserversorgungsanlage zu erteilen sowie ua., sollten gütliche Vereinbarungen nicht zustandekommen, ihr das Enteignungsrecht und Benützungsbefugnisse gemäß §47 Wasserrechtsgesetz (WRG) 1934 BGBl. 316 (wiederverlautbart als §60 WRG 1959 BGBl. 215) einzuräumen. Für das Projekt wurde ua. eine Liegenschaft in Anspruch genommen, die im Eigentum der Antragstellerin, der Agrargemeinschaft A S, steht (damals - vor ihrer Regulierung 1980 - noch "Ai S").

Am 31. Juli 1952 gab der damalige Alpobmann "als Vertreter der Ai 'S'" in der wasserrechtlichen Verhandlung über dieses Projekt folgende Erklärung ab:

"Die Ai S ist mit der Inanspruchnahme ihres Grundes auf der Alpe S, mit der Abtretung der zur Fassung vorgesehenen Quellen und der Errichtung einer vom sanitätspolizeilichen Sachverständigen vorzuschreibenden Schutzzone unter folgenden Bedingungen einverstanden: ..."

Es folgen insgesamt acht "Bedingungen".

Mit Bescheid vom 21. Februar 1953 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Bludenz, die dazu vom Landeshauptmann von Vorarlberg ermächtigt worden war, der Gemeinde T die wasserrechtliche Bewilligung für das erwähnte Vorhaben und die Bewilligung, bestimmte Grundstücke in Anspruch zu nehmen, und zwar unter einer Reihe von "Bedingungen". Darin ist von Quellfassungen auf der Alpe S die Rede; die "Bedingungen" 21 bis 28 entsprechen - mit geringfügigen stilistischen Änderungen - wörtlich den acht Bedingungen, die der Alpobmann am 31. Juli 1952 formuliert hatte. Gemäß §93 WRG 1934 (§111 WRG 1959) wurden im Bescheid mehrere Vereinbarungen beurkundet, jedoch keine mit der Ai S.

1.2.1. Am 4. August 1986 brachte die Agrargemeinschaft A S beim Bezirksgericht Montafon eine Klage gegen die Gemeinde T auf Feststellung ein, "daß die von ... (dem damaligen Alpobmann) am 31.7.1952 anläßlich einer von der Bezirkshauptmannschaft Bludenz durchgeführten wasserrechtlichen Verhandlung mit der beklagten Partei abgegebene Erklärung des Inhalts: (es folgt der Text der seinerzeitigen Erklärung einschließlich der acht Bedingungen) ... vollinhaltlich nichtig und ungültig" sei. Sie führte aus, nach damaliger Rechtslage wäre für die rechtsverbindliche Abgabe der Erklärung bzw. zum Abschluß jeder verbindlichen Vereinbarung die Zustimmung aller Mitglieder "der Alpe" erforderlich gewesen; zudem hätte es der Genehmigung der Agrarbezirksbehörde bedurft.

1.2.2. Mit Beschluß vom 28. Jänner 1987 wies das Bezirksgericht Montafon die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Mit näherer Begründung führte es aus, zur Entscheidung über das Begehren der Antragstellerin sei die Wasserrechtsbehörde zuständig.

Dieser Beschluß ist in Rechtskraft erwachsen; einem Kostenrekurs der beklagten Partei gab das Landesgericht Feldkirch teilweise Folge.

1.3.1. Am 10. August 1987 richtete die Antragstellerin an die Bezirkshauptmannschaft Bludenz den Antrag, bescheidmäßig festzustellen, daß die vom damaligen Alpobmann am 31. Juli 1952 abgegebene, mehrfach erwähnte Erklärung vollinhaltlich nichtig und ungültig sei und daß die in der angeführten Vereinbarung angegebenen Gegenleistungen nicht angemessen seien. Sie führte aus, der Alpobmann sei nicht berechtigt gewesen, namens und im Auftrag der Alpmitglieder Liegenschaften zu veräußern oder zu belasten oder für die Miteigentümer Erklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen. Weiters hätte die Vereinbarung vom 31. Juli 1952 der Zustimmung der Agrarbezirksbehörde bedurft.

Die Bezirkshauptmannschaft Bludenz wies mit Bescheid vom 16. Februar 1994 diesen Antrag zurück, weil, wie sie mit näherer Begründung ausführte, zur Entscheidung über das Begehren die ordentlichen Gerichte zuständig seien.

1.3.2. Aufgrund einer Berufung der Antragstellerin behob der Landeshauptmann von Vorarlberg mit Bescheid vom 12. Dezember 1995 den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz, weil diese Behörde nicht gemäß §101 Abs3 WRG 1959 zur Entscheidung ermächtigt gewesen sei (Spruchpunkt I), und wies den ursprünglichen Feststellungsantrag (von 1987) zurück (Spruchpunkt II). Er führte mit näherer Begründung aus, zur Entscheidung über diesen Antrag seien die ordentlichen Gerichte zuständig.

2. Auf die Verweigerung der Sachentscheidung durch das Gericht und durch den Landeshauptmann stützt sich der vorliegende Antrag auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes. Die Antragstellerin hat aber zugleich auch gegen die Entscheidung des Landeshauptmannes Berufung erhoben.

Mit Bescheid vom 20. Februar 1996 wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft diese Berufung, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Landeshauptmannes richtete, wegen Erschöpfung des Instanzenzuges zurück; die Berufung gegen Spruchpunkt II wurde abgewiesen. Begründend führte der Bundesminister aus, die Tatsache, daß die Alpinteressentschaft nicht reguliert gewesen sei, schließe die Vertretungsmacht des Alpobmannes für die einzelnen Miteigentümer nicht zwingend aus. Vielmehr sei anzunehmen, daß die Angelegenheit unter den Mitgliedern diskutiert worden sei und der Alpobmann ihre Vertretung wahrgenommen habe. Der Bescheid von 1953 sei nicht beeinsprucht worden und die Mitglieder der Alpinteressentschaft hätten die sich für sie daraus ergebenden Vorteile in Anspruch genommen; somit liege zumindest ihre nachträgliche Zustimmung vor. Im Bescheid von 1953 sei im übrigen kein Übereinkommen beurkundet worden. Schließlich würde die Feststellung der zivilrechtlichen Nichtigkeit oder Ungültigkeit der Vereinbarung der Antragstellerin nichts nützen, weil die Auflagen des Bescheides von 1953 dadurch nicht beseitigt wären.

II. Ein Kompetenzkonflikt liegt nicht - mehr - vor.

1.1. Ein Antrag auf Entscheidung eines verneinenden Kompetenzkonfliktes setzt nach §46 VerfGG die Erschöpfung des Instanzenzuges nicht voraus und unterbricht auch nicht ein anhängiges Verfahren; der Bundesminister war daher nicht gehindert, über die Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes zu entscheiden. In seiner Entscheidung setzte er sich inhaltlich mit der Behauptung der Antragstellerin, der Alpobmann sei zur Abgabe seiner Erklärung und zum Abschluß einer Vereinbarung nicht ermächtigt gewesen, und damit inhaltlich mit dem Feststellungsantrag auseinander. Zwar wird durch die Abweisung einer Berufung an sich ein dem angefochtenen Bescheid inhaltsgleicher Bescheid erlassen (VfSlg. 12861/1991), hier also ein Zurückweisungsbescheid; da der Bundesminister den Feststellungsantrag inhaltlich behandelte, wies er aber in Wahrheit nicht die Berufung, sondern diesen Antrag ab. Die unzutreffende Formulierung des Spruchs ändert daran nichts. Ob die Behörde eine Sachentscheidung getroffen oder eine Entscheidung in der Sache selbst abgelehnt hat, ergibt sich nämlich nicht ausschließlich aus der Formulierung des Spruches; vielmehr muß auf die Gründe Bedacht genommen werden (VfSlg. 5407/1966). Es ist nicht Gegenstand der Prüfung im vorliegenden Verfahren, ob der Bundesminister zu einer derartigen Entscheidung im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens berufen war und ob die Entscheidung inhaltlich richtig ist. Er fällte somit eine Sachentscheidung über den Feststellungsantrag und beseitigte damit auch den zurückweisenden Bescheid des Landeshauptmannes.

1.2. Im Hinblick auf diese Entscheidung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft hat der Verfassungsgerichtshof der Antragstellerin Gelegenheit gegeben, sich zur beabsichtigten Einstellung des Verfahrens über den Kompetenzkonflikt zu äußern. Die Antragstellerin hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.

2. Die Antragstellerin ist somit durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft klaglos gestellt. In sinngemäßer Anwendung der §§52, 86 und 88 VerfGG ist daher dem Bund der Ersatz der Kosten aufzuerlegen und das Verfahren als gegenstandslos geworden einzustellen (vgl. VfSlg. 13087/1992, 14188/1995). Im zugesprochenen Betrag sind S 3.000,- an Umsatzsteuer enthalten.

Diese Entscheidung konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z3 VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Kompetenzkonflikt, VfGH / Klaglosstellung, VfGH / Kosten, Auslegung eines Bescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:KI2.1996

Dokumentnummer

JFT_10028984_96K00I02_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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