TE Lvwg Erkenntnis 2018/5/2 LVwG-S-1605/001-2017

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Veröffentlicht am 02.05.2018
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Entscheidungsdatum

02.05.2018

Norm

GewO 1994 §366 Abs1 Z1
VStG 1991 §32 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Marzi als Einzelrichter über die Beschwerde des A in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn vom 26. Mai 2017, Zl. ***, betreffend Bestrafungen nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zu Recht:

1.   Das angefochtene Straferkenntnis wird zur Gänze aufgehoben und die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.

2.   Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Aus dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt und der Beschwerde ergibt sich nachstehender, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

1.1.  Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt (Anonymisierungen in eckiger Klammer durch das Landesverwaltungsgericht):

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

Zeit: zu 1.) und 2.) zwischen 01.04.2016 und 06.06.2016

Ort: zu 1.) und 2.) [näher genannter Tatort]

Tatbeschreibung:

1. Sie haben zu oben genannter Tatzeit an oben genanntem Tatort an einem

abgebrannten Haus Abrissarbeiten durchgeführt und damit das reglementierte

Gewerbe "Baumeister" (§ 99 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994) ausgeübt, obwohl Sie die

entsprechende Gewerbeberechtigung nicht erlangt hatten.

2. Sie haben zu oben genannter Tatzeit an oben genanntem Tatort elektronische

Anschlüsse ausgeführt und damit das reglementierte Gewerbe "Elektrotechnik"

ausgeübt, obwohl Sie die entsprechende Gewerbeberechtigung nicht erlangt hatten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

zu 1. § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994

zu 2. § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994

Über den Beschwerdeführer wurden deshalb Geldstrafen in der Höhe von jeweils 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 47 Stunden) verhängt und ein Kostenbeitrag in der Höhe von insgesamt 100 Euro zur Bezahlung vorgeschrieben.

1.2.  Gegen dieses Straferkenntnis wendet sich die näher begründete Beschwerde, mit dem Antrag dieses aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

2.   Rechtliche Erwägungen:

2.1.  Gemäß § 1 Abs. 2 GewO 1994 wird eine Tätigkeit gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994, begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu 3 600 € zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

2.2.1  Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu § 44a Z 1 VStG dargelegt hat, ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandselemente ermöglicht wird und die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Es sind daher insbesondere in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch die bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Auch muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren (Wiederaufnahmeverfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen. Schließlich muss der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. VwGH vom 2. Juni 1999, Zl. 99/04/0055 mit Hinweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Zl. 82/03/0265, VwSlg. 11466 A/1984).

An die Verfolgungshandlung gemäß § 32 Abs. 2 VStG sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses nach § 44a Z 1 VStG (vgl. VwGH vom 18. Oktober 2012, Zl. 2012/04/0020 mit ausführlicher Begründung, sowie vom 27. Juni 2007, Zl. 2006/04/0131), wobei auch ein Straferkenntnis in seiner „Gesamtheit“ als Verfolgungshandlung zu werten ist (vgl. abermals VwGH vom 5. September 2013, Zl. 2013/09/0065).

2.2.2.  Der Verwaltungsstraftatbestand des § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 enthält nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes u.a. das Tatbestandselement, dass jemand „ein Gewerbe ausübt“. Zur Verwirklichung des genannten Tatbestandes genügt es jedoch noch nicht, dass eine Tätigkeit ausgeübt wird, die dem Tätigkeitsbereich eines Gewerbes vorbehalten ist, sondern es müssen zudem auch die Merkmale der Gewerbsmäßigkeit iSd § 1 Abs. 2 GewO 1994 vorliegen (vgl. zB VwGH vom 15. September 1999, Zl. 99/04/0110 sowie vom 8. Oktober 1996, Zl. 96/04/0081 betreffend den bloßen Vorwurf durch das Anstreichen einer Unterdachschalung, Balkone und andere Holzverschalungen das Maler- und Anstreichergewerbe ausgeübt zu haben).

2.3.  Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung reichen die gegenständlich erhobenen Tatvorwürfe des „Durchführens von Abrissarbeiten“ bzw. der „Ausführung elektrischer Anschlüsse“ für eine taugliche Verfolgungshandlung einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 nicht hin, da sich daraus keinerlei Merkmale für ein gewerbsmäßiges Vorgehen des Beschwerdeführers ergeben. Wenngleich das Straferkenntnis nach der Rechtsprechung des VwGH in seiner „Gesamtheit“ als Verfolgungshandlung zu werten ist (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 5. September 2013, Zl. 2013/09/0065), ist eine diesbezügliche Konkretisierung des Tatvorwurfes des angefochtenen Straferkenntnisses fallbezogen ebenfalls nicht möglich, ergibt sich der Hinweis auf die Gewerbsmäßigkeit doch auch nicht aus der Begründung des Straferkenntnisses (die alleinige Bezugnahme, dass die Arbeiten „über einen Auftrag“ durchgeführt wurden, enthält keinen Hinweis auf die Merkmale der Selbständigkeit).

Dabei spielt es keine Rolle, dass dem Beschwerdeführer (möglicherweise) bewusst ist, dass er gewerbsmäßige Tätigkeiten entfaltet hat, kann doch nicht einmal ein Geständnis eine rechtmäßige Verfolgungshandlung ersetzen (vgl. VwGH vom 15. Dezember 1993, 92/03/0249).

Das angefochtene Straferkenntnis ist daher schon aufgrund der Aktenlage – gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG unter Entfall einer Verhandlung – zur Gänze aufzuheben und die zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahren infolge Eintretens der Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG einzustellen.

Zur Vermeidung von Missverständnissen auf Seiten des Beschwerdeführers sei angemerkt, dass diese Aufhebung aus rein formalen Gesichtspunkten zu erfolgen hat und damit nicht ausgesagt wird, das vom Beschwerdeführer gesetzte Verhalten sei rechtmäßig gewesen.

2.4.  Die Revision ist nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Ob eine Tatumschreibung den Anforderungen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entsprochen hat, ist einzelfallbezogen vom Verwaltungsgericht zu prüfen und stellt regelmäßig keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. VwGH vom 4. Juli 2016, Ra 2016/04/0053).

Schlagworte

Gewerberecht; Verwaltungsstrafe; Tatvorwurf; Konkretisierung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.S.1605.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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