Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer (Senat gemäß § 11a Abs 3 Z 1 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei W*****, Deutschland, vertreten durch BSP Rechtsanwälte Dr. Büttner, Dr. Seufert & Partner mbB in Traunstein (Einvernehmensanwalt: Dr. Stefan Ettmayer, Rechtsanwalt in Linz), gegen die beklagte Partei Salzburger Gebietskrankenkasse, 5020 Salzburg, Engelbert-Weiß-Weg 10, vertreten durch Vavrovsky Heine Marth Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Kinderbetreuungsgeld, infolge der Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. September 2017, GZ 11 Rs 59/17a-31, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. April 2017, GZ 20 Cgs 148/15k-27, teilweise als nichtig aufgehoben und teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das Verfahren 10 ObS 156/17i wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen vom 20. Dezember 2017 des Obersten Gerichtshofs (AZ 10 ObS 74/17f), Rechtssache C-32/18, Moser, unterbrochen.
Nach Ergehen dieser Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt für seine am 8. 1. 2013 geborene Tochter Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens für den Zeitraum vom 8. 1. 2014 bis 7. 3. 2014 als Ausgleichszahlung in Höhe von 18,98 EUR täglich.
Der Kläger, seine Ehegattin und ihre Tochter sind deutsche Staatsbürger. Sie leben seit der Geburt der Tochter in Deutschland in einem gemeinsamen Haushalt. Die Ehegatten beziehen seit der Geburt der Tochter in Deutschland Kindergeld.
Die Ehegattin des Klägers war vor der Geburt der Tochter bei einem österreichischen Arbeitgeber beschäftigt. Sie vereinbarte mit diesem aus Anlass der Geburt ihrer Tochter eine gesetzliche Karenz nach dem Mutterschutzgesetz (MSchG) für den Zeitraum von 6. 3. 2013 bis 7. 1. 2014, welche sie mit Vereinbarung von 14./24. 6. 2013 bis zum 31. 1. 2014 verlängerte. Am 1. 2. 2014 nahm die Gattin des Klägers wieder eine Teilzeitbeschäftigung beim österreichischen Arbeitgeber auf. Die Ehegattin des Klägers beantragte die Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum von 8. 1. 2013 bis 7. 1. 2014. Sie bezog von 6. 3. 2013 bis 7. 1. 2014 in Deutschland Elterngeld und für den gleichen Zeitraum von der beklagten Salzburger Gebietskrankenkasse eine Ausgleichszahlung.
Der Kläger war von 2009 bis 30. 6. 2015 ohne Unterbrechung als angestellter Rechtsanwalt in Deutschland beschäftigt. Während und wegen des Anstellungsverhältnisses war der Kläger in Deutschland kranken-, unfall-, pensions- und pflegeversichert. In Österreich war der Kläger nie erwerbstätig. Mit seinem deutschen Arbeitgeber vereinbarte der Kläger für den Zeitraum von 8. 1. 2014 bis 8. 3. 2014 Elternteilzeit. Der Kläger bezog für diesen Zeitraum in Deutschland Elterngeld.
Die Beklagte hält dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch unter anderem auch entgegen, dass der Kläger in Österreich keine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt habe (§ 24 Abs 1 Z 2 iVm § 24 Abs 2 KBGG). Eine Unionsrechtswidrigkeit liege im Fall des Klägers deshalb nicht vor, weil Deutschland für die Gewährung von Familienleistungen vorrangig zuständig sei und der Kläger dort erwerbstätig gewesen sei, sodass eine Diskriminierung des Klägers nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
In seinem Vorabentscheidungsersuchen vom 20. 12. 2017, AZ 10 ObS 74/17f, legte der Oberste Gerichtshof zu einem vergleichbaren Sachverhalt dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor (Rechtssache C-32/18, Moser):
„1. Ist Art 60 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über die Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit (Verordnung Nr 883/2004) dahin auszulegen, dass ein nachrangig zuständiger Mitgliedstaat (Österreich) einem Elternteil mit Wohnsitz und Beschäftigung in einem nach Art 68 Absatz 1 lit b sublit i der VO Nr 883/2004 vorrangig zuständigen Mitgliedsstaat (Deutschland) den Unterschiedsbetrag zwischen dem im vorrangig zuständigen Mitgliedstaat geleisteten Elterngeld und dem einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld des anderen Mitgliedstaats als Familienleistung zu zahlen hat, wenn beide Eltern mit den gemeinsamen Kindern im vorrangig zuständigen Mitgliedstaat wohnen und nur der andere Elternteil im nachrangig zuständigen Mitgliedstaat als Grenzgänger beschäftigt ist?
Für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird:
2. Bemisst sich das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld nach dem im Beschäftigungsstaat (Deutschland) tatsächlich erzielten Einkommen oder nach dem im nachrangig zuständigen Mitgliedstaat (Österreich) aus einer vergleichbaren Erwerbstätigkeit hypothetisch zu erzielenden Einkommen?“
Die Beantwortung dieser Fragen ist auch für die vorliegende Klage maßgeblich. Da der Oberste Gerichtshof auch in Rechtssachen, in denen er nicht unmittelbar Anlassfallgericht ist, von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszugehen und diese auch für andere als die unmittelbaren Anlassfälle anzuwenden hat, ist das vorliegende Verfahren aus prozessökonomischen Gründen zu unterbrechen (RIS-Justiz RS0110583 mwH).
Textnummer
E121645European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00156.17I.0417.000Im RIS seit
14.06.2018Zuletzt aktualisiert am
14.06.2018