TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/18 I413 2110905-1

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Veröffentlicht am 18.04.2018
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Entscheidungsdatum

18.04.2018

Norm

ASVG §410
ASVG §73a
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I413 2110905-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, gegen den Bescheid der Vorarlberger Gebietskrankenkasse vom 22.05.2015, Zl. B/NA-02-01/2015, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.04.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer erhielt am 06.03.2015 seine Rente aus der zweiten Säule der Pensionsversicherung in der Schweiz durch eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe von CHF 379.399,00 von der XXXX AG, Pensionskasse der XXXX, CH-8022 Zürich, ausbezahlt.

2. Mit Schreiben vom 30.03.2015, Zl. B/WO/FE, teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass sich aus dieser Kapitalabfindung ein an die belangte Behörde zu bezahlender Krankenversicherungsbeitrag von monatlich EUR 93,89 ergebe.

3. Mit Schreiben vom 01.04.2015 beantrage der Beschwerdeführer die bescheidmäßige Absprache über die Pflicht zur Zahlung des Krankenversicherungsbeitrages, da seiner Auffassung nach ein anderer Umrechnungskurs angewandt hätte werden müssen.

4. Mit Bescheid vom 22.05.2015, Zl. B/NA-02-01/2015, verpflichtete die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 58 Abs 2 4. Satz ASVG, von seiner von der XXXX AG in CH-8022 Zürich ausgezahlten Kapitalabfindung seiner Rente aus der zweiten Säule in der Schweiz gemäß § 73a Abs 1 ASVG monatliche Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 93,89 an die belangte Behörde zu entrichten.

5. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 26.05.2015 zugestellten Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 27.05.2015, in der vorgebracht wurde, dass es sich bei dieser Kapitalabfindung um eine private Rentenversorgung aus der Schweiz handle, der Beschwerdeführer den Entscheid der EG abwarten wolle, bevor der Beitrag fällig werde und, weiters forderte, die Summe gegebenenfalls zur Berechnung heranzuziehen, die er tatsächlich bekommen habe. Aufgrund des Wechselkurses, welchen die belangte Behörde angenommen habe, und jenes Wechselkurses, zu dem er tatsächlich umgewechselt habe, würde sich eine Differenz von Euro 2.650,51 ergeben, welchen Betrag er nicht bekommen habe.

6. Am 21.07.2015 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

7. Mit Schreiben vom 09.08.2016 teilte das Bundesverwaltungsgericht mit, dass für das Beschwerdeverfahren die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in dem dort anhängigen Verfahren zur Zl. Ro 2014/08/0047 maßgeblich sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe nun in seiner Entscheidung vom 07.04.2016, Ro 2014/08/0047, ausgeführt, dass auch der überobligatorische Rentenanteil nach dem schweizerischen BVG, der überobligatorische Rentenanteil nach dem liechtensteinischen BPVG und die vorobligatorischen Rentenanteile unter die Beitragspflicht des § 73a ASVG fallen. Aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes würde nun das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht fortgesetzt. In Hinblick auf die dort vertretene Rechtsansicht ergehe die Anfrage, ob der Beschwerdeführer die Beschwerde weiter aufrechterhalte.

8. Mit Schreiben vom 29.08.2016 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er seine Beschwerde weiterhin aufrechterhalten werde. Die Einzahlungen in die zweite Säule seien frei vereinbart worden und dieses Element stelle das entscheidende Element/Kriterium dar, weshalb es eine private Vorsorge sei. Es handle sich um eine Abfindung aus einer privaten und nicht staatlichen Vorsorgeeinrichtung, die Krankenkassenbeiträge würden ihm von seiner staatlichen Pension aus der Schweiz ohnedies einbehalten. Hierzu verwies der Beschwerdeführer auf eine beigelegte Kopie.

9. Am 05.04.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer als Partei einvernommen wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer hat seinen ständigen Wohnsitz in Bregenz, Vorarlberg.

Der Beschwerdeführer war bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2015 bei der XXXX als Angestellter beschäftigt. Er leistete Beiträge in die Pensionskasse der XXXX, Zürich, im Rahmen der zweiten Säule des schweizerischen Pensionssystems nach dem schweizerischen BVG.

Am 06.03.2015 wurde dem Beschwerdeführer auf seinem Konto bei der St. Galler Kantonalbank eine Zahlung der zweiten Säule der XXXX AG, Pensionskasse der XXXX, in Höhe von CHF 379.399,00 gutgeschrieben. Mit dieser Auszahlung wurde dem Beschwerdeführer seine gesamte Rente aus der II. Säule in der Schweiz abgebunden (Austrittsleistung). Die erhaltene Kapitalabfindung wechselte der Beschwerdeführer in insgesamt sechs Überweisungen bzw Behebungen von seinem Schweizer Bankkonto von Schweizer Franken in Euro.

Der Beschwerdeführer bezieht eine Rente der schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung (I. Säule) und eine österreichische Alterspension von der Pensionsversicherungsanstalt. Er hat in Österreich Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung.

Das schweizerische Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und invalidenvorsorge (BVG) vom 25. Juni 1982, SR 831.40, trat am 01.01.1985 in Kraft. Gemäß Art 1 Abs 1 BVG umfasst die "[b]erufliche Vorsorge [ ] alle Massnahmen auf kollektiver Basis, die den älteren Menschen, den Hinterbliebenen und Invaliden beim Eintreten eines Versicherungsfalles (Alter, Tod oder Invalidität) zusammen mit den Leistungen der eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV/IV) die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise erlauben." Das BVG wurde nicht als vom sachlichen Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 notifiziert.

Am 16.03.2015, dem Tag der Ausführung der Überweisung des Kapitalabfindungsbetrages durch die Pensionskasse der XXXX auf das Konto des Beschwerdeführers betrug der Wechselkurs 1 EUR = 1,0648

CHF.

2. Beweiswürdigung:

Beweise wurden aufgenommen durch Einsicht in den Verwaltungsakt, insbesondere in den bekämpften Bescheid und in die dagegen erhobene Beschwerde, durch Befragung des Beschwerdeführers als Partei im Rahmen der mündlichen Verhandlung, sowie durch Einsicht in die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Beilagen A bis C.

Dass der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz in Österreich hat, und zwar in Bregenz, ergibt sich aus der glaubhaften Aussage des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie aus dem eingeholten Auszug aus dem ZMR.

Die Feststellungen zur Einmalabfindung ergeben sich aus den glaubhaften und widerspruchsfreien Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 05.04.2018, aus dem im Akt einliegenden Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt vom 12.03.2015, sowie der Bescheinigung über den Quellensteuerabzug in der Schweiz vom 05.03.2015. danach steht unzweifelhaft und unstrittig fest, dass der Beschwerdeführer aus der sogenannten II. Säule gemäß dem schweizerischen BVG eine Kapitalabfindung (Austrittsleistung) in Höhe von CHF 379.399,00 erhalten hat.

Dass der Beschwerdeführer eine Pension aus der schweizerischen Alters- und Hinterbliebenenversicherung (I. Säule) und in Österreich durch die Pensionsversicherungsanstalt eine Pension bezieht, ergibt sich aus der diesbezüglich glaubhafter Aussage im Rahmen der mündlichen Verhandlung, sowie aus den im Akt befindlichen Unterlagen.

Dass die Kapitalabfindung dem Beschwerdeführer am 06.03.2015 auf seinem Konto bei der St. Galler Kantonalbank gutgeschrieben hat, basiert auf der glaubhaften Aussage des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen hinsichtlich des Inkrafttretens und der bis dato nicht erfolgten Notifizierung des BVG ergeben sich zweifelsfrei durch Internetabfrage des vom Bundesrat bereitgestellten Portals der Schweizer Regierung (https://www.admin.ch).

Die Feststellung bezüglich des relevanten Umrechnungskurses ergibt sich zum einen aus der nicht bekämpften Feststellung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid und andererseits durch Abfragen des Wechselkurses über die Homepage der Österreichischen Nationalbank.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 414 Abs 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag der Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind. Im gegenständlichen Verfahren wurde kein entsprechender Antrag gestellt. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.2. Gemäß § 73a Abs 1 ASVG ist von ausländischen Renten, die den Geltungsbereich der VO (EG) Nr. 883/2004 und 987/2009 oder der VO (EWG) Nr 1408/71 und 574/72 oder eines auch Regelungen über die Krankenversicherung beinhaltenden bilateralen Abkommens über die soziale Sicherheit unterliegen, ein Krankenversicherungsbeitrag nach § 73 Abs 1 und 1a ASVG zu entrichten, sofern ein Anspruch des Beziehers der ausländischen Rente auf Leistungen der Krankenversicherung besteht. Nach der Bestimmung des § 657 Abs 3 ASVG in Verbindung mit der Verordnung zur Feststellung der Verfügbarkeit der technischen Mittel für den Einbehalt von Beiträgen zur Krankenversicherung, BGBl II Nr 295/2011, ist § 73a ASVG seit dem 01.10.2010 anwendbar.

Mit § 73a ASVG wird unter anderem die in der VO (EG) Nr 883/2004 enthaltenen Rechtsgrundlangen zur Möglichkeit der Einbehaltung von Krankenversicherungsbeiträgen von Rentenleistungen eines anderen Mitgliedstaates (vgl EBRV 937 BlgNR 24.GP, 1 f). Speziell zur Einbehaltung von Krankenversicherungsbeiträgen ist nur jener Mitgliedstaat berechtigt, der auch für die Tragung der Kosten im Versicherungsfall der Krankheit zuständig ist [vgl Art 30 Abs 1 VO (EG) Nr 883/2004]. Als Grenze für die von Auslandsrenten einzuhebenden Beiträge setzt Art 30 VO (EG) Nr 987/2009 jenen Betrag fest, der einzuheben wäre, würde es sich um eine Inlandsrente handeln. § 73a Abs 1 ASVG bezieht alle vom zwischenstaatlichen Koordinierungsrecht erfassten Leistungen in die Beitragspflicht ein, ohne die ausländische Leistung an einen Katalog, der nach nationaler Systematik der Beitragspflicht in der Krankenversicherung unterliegenden österreichischen Pensionen zu messen. Nicht erfasst werden Leistungen, die nicht der VO (EWG) Nr 1408/71 oder VO (EG) Nr 883/2004 bzw. der in diesen Verordnungen angesprochenen Rechtsvorschriften unterliegen (Spiegel in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm, § 73 ASVG, Rz 6, 8 und 13/1, VwGH 07.04.2016, Ro 2014/08/0047, Ro 2014/08/0064).

Von den von § 73a Abs 1 ASVG erfassten Leistungen aus gesetzlichen Rentensystemen, auf die sich das Koordinierungssystem der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 bzw der VO (EG) Nr 883/2004 bezieht oder in Bezug auf die ein Mitgliedsstaat eine Erklärung nach Art 5 der VO (EWG) Nr 1408/71 bzw Art 9 der VO (EG) Nr 883/2004 abgegeben hat, sind die "ergänzenden Rentensysteme" im Sinne der Richtlinie 98/49/EG des Rates zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern und Selbstständigen, die innerhalb der europäischen Gemeinschaft zu- und abwandern, zu unterscheiden (VwGH 07.04.2016, Ro 2014/08/0047, Ro 2014/08/0064). Dem dritten Erwägungsgrund dieser Richtlinie zufolge bezieht sich die VO (EWG) Nr 1408/71 und gemäß Art 90 Abs 2 der VO (EG) Nr 883/2004 auch diese nur auf die den Koordinierungssystem unterworfenen gesetzlichen Rentensysteme. Dem fünften Erwägungsgrund der genannten Richtlinie zufolge darf keine Rente oder Leistung sowohl in Bestimmungen dieser Richtlinie, als auch den Bestimmungen der Verordnungen (EWG) Nr 1408/71 und (EWG) Nr 574/72 bzw der VO (EG) Nr 883/2004 unterworfen sein.

Unter das Regime des § 73a ASVG fallen die von dem jeweiligen internationalen Instrument erfassten ausländischen Pensionen. Für die unter den Geltungsbereich der VO (EG) Nr 883/2004 fallenden ausländischen Pensionen sind Beiträge einzuheben. Hierzu zählen auch die zur zweiten Säule der Pensionsversicherung zählenden betrieblichen Pensionssysteme der Schweiz (Spiegel in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm, § 73a ASVG, Rz 13).

3.3 der Beschwerdeführer erhielt unstrittig eine Kapitalabfindung aus der sogenannten zweiten Säule gemäß schweizerischem BVG aus der Pensionskasse der XXXX. Mit dieser Einmalabfindung sind seine sämtlichen Ansprüche gegenüber der zweiten Säule abgedeckt. Es handelt sich um eine Austrittsleistung im Sinne des BVG.

In der Schweiz gelten die VO (EWG) Nr 1408/71 und (EWG) Nr 574/72 mit Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens vom 21.06.1999 zwischen der europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits am 01.06.2000 (Beschluss 2002/309/EG, Euratom, des Rates und der Kommission vom 04.04.2002, ABl L 2002/114,1). Die VO (EG) Nr 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gilt seit dem Inkrafttreten ihrer Durchführungsverordnung VO (EG) Nr 987/2009 am 01.05.2010 in den EU-Mitgliedsstaaten und hat die bisher gültigen VO (EWG) Nr 1408/71 und (EWG) Nr 574/72- bis auf wenige Ausnahmen [vgl Art 90 VO (EG) Nr 883/2004]- ersetzt. Seit dem 01.04.2012 gelten die VO (EG) Nr 883/2004 und deren Durchführungsverordnung VO (EG) Nr 987/2009 auch im Verhältnis zur Schweiz (Beschluss Nr 1/2012 des gemischten Ausschusses eingesetzt im Rahmen des Abkommens zwischen der europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 31.03.2012 zur Ersetzung des Anhanges II. dieses Abkommens über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl L 2012/103, 51).

3.4 Unstrittig bezog der Beschwerdeführer eine Abfindungsleistung in Form einer Kapitalauszahlung aus der Pensionskassa der XXXX. Diese Kapitalabfindung ersetzt monatliche Pensionsleistungen aus der sogenannten zweiten Säule gemäß dem BVG. Art I lit b der VO (EG) Nr 883/2004 definiert "Renten" im Sinne der Verordnung nicht nur die Renten im engeren Sinn, sondern auch Kapitalabfindungen, die an deren Stelle treten können, und Beitragserstattungen sowie, soweit nichts anderes bestimmt, Anpassungsbeträge und Zulagen. Daher ist die Kapitalabfindung als Rente im Sinne der VO (EG) Nr 883/2004 zu qualifizieren und somit nach § 73a ASVG krankenversicherungsbeitragspflichtig.

Dies ist insofern konsequent, da ansonsten die Kapitalabfindung gegenüber einer monatlichen Rentenauszahlung aus der zweiten Säule bevorzugt wäre. Hierfür bestehen keine sachlichen Grundlagen. Der Hinweis des Beschwerdeführers, es liege eine private und keine staatliche Pensionsversicherung vor, geht dagegen ins Leere. Im Erkenntnis VwGH 07.04.2016, Ro 2014/08/0047, Ro 2014/08/0064, qualifizierte der Verwaltungsgerichtshof die Leistungen aus der sogenannten zweiten Säule der schweizerischen beruflichen Vorsorge als die den von österreichischen gesetzlichen Pensionssystem bezogenen Leistungen bei Alter gleichartige Leistungen im Sinne des Art 5 lit a der VO (EG) Nr 883/2004. Beide Systeme verfolgen dasselbe Ziel, ihren Empfängern die Beibehaltung eines Lebensstandards zu gewährleisten, der jenem vor ihrem Ruhestand entspricht. Die genannten Leistungen bei Alter sind daher als gleichartig im Sinne des Art 5a der VO (EG) Nr 883/2004 zu qualifizieren. Die Tatsache, dass es insbesondere in Bezug auf die Art und Weise des Erwerbs der Ansprüche auf diese Leistungen oder die Möglichkeit für Versicherte, in den Genuss überobligatorischer Leistungen zu kommen, Unterschiede gibt, rechtfertigt nicht die Schlussforderung, wonach Leistungen bei Alter wie die in Rede stehenden nicht als vergleichbar anzusehen werden. Die Leistungen aus der schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung (erste Säule) verfolgen ebenfalls das Ziel, ihren Empfängern die Beibehaltung eines Lebensstandards zu gewährleisten, der jenem vor ihrem Ruhestand entspricht. Auch sie sind gleichartig im Sinne des Art 5 lit a der VO (EG) Nr 883/2004 (VwGH 07.04.2016, Ro 2014/08/0047, Ro 2014/08/0064).

Dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Wahl, sich das gesamte ersparte Pensionsguthaben der zweiten Säule abfinden zu lassen, mit einer hohen Einkommenssteuerforderung konfrontiert wurde, ist in diesem Zusammenhang irrelevant. Zum einen wären auch die monatlichen Pensionsleistungen aus der zweiten Säule einkommensteuerpflichtig - wenn auch höchstwahrscheinlich in einer geringeren Progressionsstufe. Zum anderen kam der Beschwerdeführer so in den Genuss des gesamten Abfindungsbetrages, während er bei der Wahl einer monatlichen Rente aus der zweiten Säule das Risiko hätte, im Falle eines vor dem Aufbrauchen des gesamten eingezahlten Guthabens in die Pensionskasse erfolgten Ablebens nicht das gesamte Guthaben erhalten hätte. Insofern besteht aus dem Umstand der Versteuerung des Gesamtbetrages kein Grund, die grundsätzliche Sozialversicherungspflicht dieses Betrages in Hinblick auf Krankenversicherungsbeiträge in Frage zu stellen.

Die Bemessungsgrundlage der sich aus versicherungsmathematischen Grundsätzen errechneten monatlichen Beitragsleistung erfolgt auf einer Verrentung der Kapitalabfindung. Hierbei kann nicht - wie der Beschwerdeführer vermeint - nur der Nettobetrag - also jener Betrag, der dem Beschwerdeführer verblieben ist, nachdem er die Einkommensteuer bezahlt hatte - der Verrentung zu Grunde gelegt werden. Würde man der Argumentation des Beschwerdeführers folgen, hätte er im Verhältnis zu jedem Bezieher einer monatlichen Rente aus der zweiten Säule den Vorteil, dass er eine wesentlich geringere Ausgangsbasis für die Berechnung des Krankenversicherungsbeitrages hätte, was zu einer unzulässigen Bevorzugung von Beziehern von Kapitalabfindungen gegenüber Rentenbeziehern aus der II. Säule führen würde. Daher war die belangte Behörde im Recht, wenn sie bei der Verrentung der Kapitalauszahlung den Bruttobetrag - vor Abzug von Steuern - der Berechnung zugrunde legte.

Gegen die Art der Berechnung - Verrentung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen in der Weise, dass unter Anwendung eines Umwandlungssatzes von 6,2% und hiervon ein Zwölftel des Betrages als monatliches Renteneinkommen - erhob der Beschwerdeführer keine Einwände. Auch die rechnerische Richtigkeit des Krankenversicherungsbeitrages wurde vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen, sodass die Höhe und Grundlage der Verrentung, sowie der vorgeschriebene monatliche Krankenversicherungsbeitrag seiner Höhe nach nicht Gegenstand dieser Beschwerde und daher nicht zu beurteilen ist.

3.8 Der Beschwerdeführer wendet sich jedoch in seiner Beschwerde gegen den der Kapitalabfindung zugrundegelegten Umrechnungskurs des Betrages von Schweizer Franken in Euro. Hierbei legt er in der Beschwerde den tatsächlich erzielten Umrechnungskurs seiner in sechs verschiedenen Tranchen erfolgten Behebungen des Gesamtbetrages des Rentenbeitrages seiner Berechnung zu Grunde, womit er auf eine Wechselkursdifferenz von Euro 2.450,51 kommt.

Hierbei übersieht der Beschwerdeführer, dass es nicht nach § 73a ASVG auf den effektiven Zeitpunkt der Umrechnung ankommt. § 73a Abs 1 ASVG normiert, dass der zu entrichtende Krankenversicherungsbeitrag in dem Zeitpunkt fällig ist, in dem die ausländische Rente unbeschadet allfälliger individueller Vereinbarungen mit dem ausländischen Träger über Modalitäten des Rententransfers, nach den gesetzlichen Bestimmungen auszuzahlen ist. Nach dem schweizerischen BVG ist die Rente ab dem Monat zur Zahlung fällig, an dem der Berechtigte seine Pension angetreten hat. Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer im Feber 2015 in Pension gegangen. Er hat am 06.03.2015 gemeinsam mit seinem letzten Monatslohn auch die Kapitalauszahlung auf seinem schweizerischen Konto gutgeschrieben erhalten. Damit ist auch der Zeitpunkt des Wechselkurses bestimmt.

Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang den Beschluss H3 vom 15.10.2009 über den Bezugszeitpunkt für die Festlegung der Umrechnungskurse gemäß Art 90 der Verordnung (EG) Nr 987/2009, der auch im Verhältnis zur Schweiz maßgeblich ist, herangezogen. Demnach ist der Tageskurs anzuwenden, der von der Europäischen Zentralbank veröffentlicht wird. Sofern keine Ausnahmeregelung vorliegt, ist somit der Kurs heranzuziehen, der an dem Tag veröffentlicht wurde, an dem der Träger den entsprechenden Vorgang ausgeführt hat. Die gegenständliche Berechnung des Krankenversicherungsbeitrages wurde von der belangten Behörde am 16.03.2015 ausgeführt. An diesem Tag betrug der relevante Wechselkurs 1 EUR = 1,0648 CHF. Damit war der Abfindungsbetrag von CHF 379.399,000 dem Betrag von EUR 356.310,10 entsprechend. Diesen Wechselkurs hat die belangte Behörde zu Recht der Verrentung des Kapitalabfindungsbetrages zu Grunde gelegt und hat somit rechnerisch richtig den sich ergebenden Krankenversicherungsbeitrag errechnet.

Somit erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG abzuweisen war.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Bislang fehlt es im Hinblick auf den auf die Kapitalabfindung anzuwendenden Wechselkurs an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VwGH 07.04.2016, Ro 2014/08/0047 zwar grundsätzlich geklärt, dass ausländische Renten der II. Säule der Schweiz als österreichischen Renten gleichwertig dem Regime des § 73a ASVG unterliegen und daher krankenversicherungsbeitragspflichtig sind. In dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Anlassverfahren war es allerdings nicht zu klären, ob auch eine Kapitalabfindung diesem Regime unterliegt und ob die von der belangten Behörde gewählte und auch dem Bundesverwaltungsgericht sachgerecht erscheinende Art der Berechnung der Grundlage des Krankenversicherungsbeitrages in Form einer Verrentung des Abfindungsbetrages § 73a ASVG entspricht. Ebenso ist durch höchstgerichtliche Erkenntnisse bislang nicht geklärt, ob die Umrechnung der Kapitalabfindung entsprechend dem Beschluss H3 vom 15.10.2009 und der daraus resultierende Wechselkurs zum Zeitpunkt des Tages, an dem der Sozialversicherungsträger den entsprechenden Vorgang der Berechnung des Krankenversicherungsbeitrages vorgenommen hat, zutreffend ist. Diese Fragen gehen weit über den Anlassfall hinaus und stellen eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Da höchstgerichtliche Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs hinsichtlich dieser Fragestellungen fehlen, war die Revision zuzulassen.

Schlagworte

Auslandsbezug, Bemessungsgrundlage, Krankenversicherung,
Pensionsversicherung, Rechtsanschauung des VwGH, Revision zulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I413.2110905.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.05.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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