Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1991 §6 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des A in Kapfenberg, vertreten durch Dr. Günter Tews, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Volksfeststraße 32, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 24. Mai 1995, Zl. Fr 73/95, betreffend Ausweisung sowie Zurückweisung von Anträgen auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung und auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes,
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Erlassung der Ausweisung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und insoweit, als mit ihm der Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan zurückgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben;
2. den Beschluss gefasst:
Soweit sich die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes richtet, wird sie als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
3. Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 24. Mai 1995 wurde der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 und Abs. 3 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen. Seine Anträge auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan und auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes wurden zurückgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde neben der Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am 7. Dezember 1994 illegal - ohne im Besitz des erforderlichen Reisedokumentes und des entsprechenden Sichtvermerkes zu sein - nach Österreich eingereist und habe am 9. Dezember 1994 einen Asylantrag eingebracht. Dieser Antrag sei mit Bescheid vom 13. Dezember 1994 gemäß § 3 Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992, abgewiesen worden. Dieser Paragraph besage, dass die Asylbehörde einem Asylantrag nur dann stattzugeben habe, wenn es sich bei dem Asylwerber um einen Flüchtling handle und der Tatbestand der direkten Einreise vorliege. Das "Bundesasylamt Traiskirchen" habe dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung komme nur jenen Asylwerbern zu, die gemäß § 6 Asylgesetz 1991 direkt ins Bundesgebiet eingereist seien. Da sich der Beschwerdeführer bereits vor seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet 25 Tage lang in Pakistan aufgehalten habe und in diesem Land vor Verfolgung sicher gewesen wäre, komme ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach den §§ 6 und 7 Asylgesetz 1991 nicht zu; sein Aufenthalt im Bundesgebiet unterliege somit uneingeschränkt den fremdenpolizeilichen Bestimmungen. Der rechtskräftige Abschluss des Asylverfahrens sei für die Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörde nicht erforderlich.
Weiters führte die belangte Behörde aus, dass mit Afghanistan kein Sichtvermerksabkommen bestehe und der Beschwerdeführer daher zur sichtvermerksfreien Einreise in das Bundesgebiet nicht berechtigt sei. Auch benötige er für die Einreise und den Aufenthalt einen gültigen Reisepass. Der Beschwerdeführer sei sohin unter Missachtung der Bestimmungen des 2. Teiles des Fremdengesetzes in das Bundesgebiet gelangt. Er sei innerhalb eines Monats nach der Einreise betreten worden. Zum Einwand des Beschwerdeführers, wonach gemäß Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention Flüchtlinge weder wegen illegaler Einreise noch wegen rechtswidriger Anwesenheit bestraft werden dürften, hielt die Behörde fest, dass die Ausweisung keine Strafe, sondern eine administrativrechtliche Maßnahme darstelle. Die in der Berufung gemachten Ausführungen, dass sich der Beschwerdeführer in Bundesbetreuung befinde und somit nicht mehr mittellos im Sinn des Fremdengesetzes sei, erachtete die belangte Behörde nicht als ausreichend, weil ein durchsetzbarer Rechtsanspruch darauf nicht gegeben sei.
Im § 37 FrG sei die Unzulässigkeit einer Ausweisung nicht angeführt. Bei der Erlassung des Ausweisungsbescheides sei nicht zu prüfen, in welches Land der Beschwerdeführer allenfalls abgeschoben werde. Mit der Verfügung der Ausweisung sei aber nicht zwangsläufig die Abschiebung in das Heimatland verbunden. Auch eine neuerliche Einreise in das Bundesgebiet sei dem Beschwerdeführer durch die Ausweisung nicht verwehrt.
Die Anträge des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan sowie auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes wurden von der belangten Behörde mit der Begründung zurückgewiesen, dass zur Entscheidung über diese Anträge die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde, diese zuständig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 FrG in der Fassung vor der FrG-Novelle 1996 können Fremde im Interesse der öffentlichen Ordnung mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie innerhalb eines Monats nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen (Z. 4) oder wenn sie unter Missachtung der Bestimmungen des 2. Teiles des Fremdengesetzes oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen eines Monats betreten werden (Z. 6).
Nach § 9 Abs. 1 Asylgesetz 1991 findet § 17 FrG auf Asylwerber mit einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Asylgesetz 1991 keine Anwendung. § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 stellt auf die Einreise gemäß § 6 leg. cit. sowie auf die Einbringung eines Asylantrages innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet ab. Gemäß § 7 Abs. 3 Asylgesetz 1991 kommt die vorläufige Aufenthaltsberechtigung einem Asylwerber ab dem Zeitpunkt nicht mehr zu, zu dem das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen wird oder einem Rechtsmittel gegen eine Entscheidung der Asylbehörden keine aufschiebende Wirkung zukommt.
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen deswegen für rechtswidrig, weil er mit einem gültigen Reisepass in das Bundesgebiet eingereist sei und ihm - infolge rechtzeitiger Stellung eines Asylantrages - eine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung zugekommen sei.
Dass der Beschwerdeführer seinen Asylantrag innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet gestellt hat, ist unstrittig. In seiner Berufung hat er unter anderem auch vorgebracht, ohne Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist zu sein und bis zum rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Asylgesetz 1991 zu haben.
Der Beschwerdeführer ist zwar nicht direkt aus seinem Heimatstaat eingereist, in dem Verfolgung befürchten zu müssen er behauptet, weshalb ihm ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht zukommt. Ein vorläufiges Aufenthaltsrecht steht einem Asylwerber jedoch gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 2 leg. cit. dann zu, wenn er in den Durchreisestaaten verfolgt oder von einer Rückschiebung bedroht gewesen ist und daher wegen des Vorliegens der in § 37 Abs. 1 oder 2 FrG genannten Gründe bei seiner Einreise nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1999, Zl. 96/21/0350, m.w.N.). Dazu hatte der Beschwerdeführer bei seiner aktenkundigen, niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 9. Dezember 1994 vorgebracht, er habe während seines Aufenthaltes in Pakistan auf Anraten das Zimmer nicht verlassen, er habe über BBC in Kabul gehört, dass afghanische Flüchtlinge aus Pakistan abgeschoben würden. Angesichts dieses Vorbringens und des unbestritten noch offenen Asylverfahrens hätte sich die belangte Behörde mit der Frage auseinander setzen müssen, ob der Ausweisung wegen der Gefahr der Rückschiebung aus Pakistan ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach § 7 Abs. 1 i.V.m.
§ 6 Abs. 2 leg. cit. entgegenstand (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1999, Zl. 96/21/0350, m.w.N.).
Soweit die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers auf § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG, somit darauf stützt, er habe den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermocht, hat sie die Rechtslage verkannt, wenn sie zum Ergebnis gelangte, dass dies beim Beschwerdeführer trotz seiner Aufnahme in die Bundesbetreuung der Fall und seine Ausweisung im Interesse der öffentlichen Ordnung geboten sei. Die Ausweisung eines Asylwerbers, dessen Lebensbedarf aus Mitteln des Bundes nach den Vorschriften des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. Nr. 405/1991, bestritten wird, kann nicht als eine Maßnahme im Interesse der öffentlichen Ordnung angesehen werden. Hat der Gesetzgeber nämlich die Förderungswürdigkeit bestimmter Asylwerber während des Asylverfahrens anerkannt, so kann ihm nicht unterstellt werden, er hätte gleichzeitig gemäß § 17 Abs. 3 FrG die sofortige Beendigung von deren Aufenthalt als im Interesse der öffentlichen Ordnung geboten angeordnet (vgl. auch dazu das bereits genannte Erkenntnis vom 25. September 1998, Zl. 95/21/1092).
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid im Umfang der Erlassung der Ausweisung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Soweit mit dem angefochtenen Bescheid der Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan zurückgewiesen wurde, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben. Zur näheren Begründung wird dazu gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 20. September 1999, Zl. 96/21/0355, verwiesen.
Hinsichtlich der Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes ist gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf den Beschluss eines verstärkten Senates vom 27. Juni 1997, Zl. 96/21/0377, Slg. 14.711/A, hinzuweisen, wonach ein Fremder die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes längstmöglich für den Zeitraum eines Jahres, gerechnet ab dem Einlangen des Antrages bei der Behörde, erreichen kann. Da vorliegend dieser Zeitraum bereits verstrichen ist und sich die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei durch eine Aufhebung des - den Antrag vom 28. Dezember 1994 zurückweisenden - angefochtenen Bescheides im bezeichneten Umfang nicht ändern würde, liegen die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof insoweit nicht (mehr) vor, weshalb das Verfahren hinsichtlich der Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit der Beschwerde einzustellen war.
Festgehalten wird, dass dieser Beschluss die Behörde weder von ihrer Verpflichtung entbindet, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 oder 2 des Fremdengesetzes 1997 von einer Abschiebung abzusehen und bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 56 Abs. 2 leg. cit. von Amts wegen einen Abschiebungsaufschub zu erteilen, noch den Beschwerdeführer daran hindert, einen Antrag gemäß § 56 Abs. 2 leg. cit. zu stellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. März 2000
Schlagworte
Einstellung des Verfahrens wegen Klaglosstellung gemäß VwGG §56 erster SatzOrganisationsrecht Instanzenzug VwRallg5/3Einstellung des Verfahrens wegen Klaglosstellung gemäß VwGG §33 Abs1Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1996210198.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
15.04.2010