TE OGH 2017/4/19 17R46/17m

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Veröffentlicht am 19.04.2017
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Kopf

         Das Landesgericht Wiener Neustadt als Rekursgericht hat durch den Richter Mag. Edelmann als Vorsitzenden sowie die weiteren Richter Mag. Schirnhofer und MMag. Hornberg in der Rechtssache des Antragstellers E... H..., 2700 Wiener Neustadt, Ghegagasse 13/3, vertreten durch Dr. Alois Eichinger, Rechtsanwalt in Wien, über den Rekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 25.01.2017, 19 S 54/15v-52, in nicht öffentlicher Sitzung den

                                        Beschluss

gefasst:

Spruch

                 Dem Rekurs wird Folge gegeben.

                 Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

                                             

Text

Begründung:

                 Mit Schriftsatz vom 16.07.2015 begehrte der Antragsteller die Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens, die Annahme eines Zahlungsplans, in eventu die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens. Er habe vor ca zehn Jahren gemeinsam mit seiner Ehegattin eine Wohnung in B... kreditfinanziert gekauft. In der Folge sei er arbeitslos geworden und habe die Kreditraten nicht mehr bedienen können, sodass die Wohnung verkauft habe werden müssen. Es bestehe eine längere Zeit der Arbeitslosigkeit, er erhalte Leistungen vom AMS und Mindestsicherung. Er sei für drei minderjährige Kinder sorgepflichtig. Auch seine Ehegattin habe die Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens beantragt.

                 Mit Beschluss vom 27.07.2015 wurde das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Es befindet sich im Stadium vor Abstimmung über den Zahlungsplan.

                 Mit Schriftsatz vom 24.01.2017 beantragte der Schuldner unter Vorlage einer Kopie des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2015 ihm den Guthabensbetrag des Finanzamts von € 902,-- zur freien Verfügung zu überlassen.

                 Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht diesen Antrag abgewiesen. Gemäß § 2 Abs 2 IO werde durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehöre oder das er während des Insolvenzverfahrens erlange (Insolvenzmasse) dessen freier Verfügung entzogen. Vor der Abstimmung über den Zahlungsplan sei sämtliches verwertbares Vermögen zu realisieren. Die Gläubiger würden dann neben den im Zahlungsplan vorgesehenen Leistungen aus dem Verwertungserlös eine separate Sonderzahlung erhalten. Ein Guthaben aus einem Lohnsteuerausgleich falle zur Gänze in die Konkursmasse. Einkommensteuergutschriften seien negative Abgabenansprüche und keine nachträglichen Einkünfte aus (nicht) selbstständiger Tätigkeit. Sie würden daher nicht dem Pfändungsschutz unterliegen und seien auch nicht in Höhe des Existenzminimums an den Abgabepflichtigen zurückzuzahlen, sondern dem Insolvenzgericht zu überlassen.

                 Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs des Schuldners mit dem Begehren, ihm die Steuergutschrift pfändungsfrei zu belassen.

                 

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses berechtigt.

                 Der Rekurswerber argumentiert, nicht der Exekution unterworfenes Vermögen sei dem Gemeinschuldner zu belassen. Es sei bereits mehrfach judiziert worden, dass ein Steuerguthaben nicht in die Konkursmasse falle, wenn das Gesamteinkommen des Schuldners unter dem Existenzminimum nach § 291a EO liege. Die Erstattung von Lohnsteuer aufgrund einer nachträglichen steuerlichen Veranlagung sei als eine Nachzahlung im Sinne des § 290c Abs 3 EO anzusehen und für jenen Zeitraum zu berücksichtigen, auf den sie sich beziehe. Da aufgrund des Einkommensteuerbescheides dokumentiert sei, dass das Einkommen des Antragstellers im Jahr 2015 die Pfändungsgrenzen nicht überstiegen habe, hätte ihm die Steuergutschrift zur freien Verfügung überlassen werden müssen.

                 Hiezu wurde erwogen:

                 Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört, oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 2 Abs 2 IO). Soweit das Insolvenzvermögen nicht zur Befriedigung der Masseforderungen und der Ansprüche der Absonderungsberechtigten verwendet wird, bildet es die gemeinschaftliche Insolvenzmasse, aus der die Insolvenzforderungen, unbeschadet der §§ 56 und 57, nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu befriedigen sind (§ 50 IO). Hingegen bleibt insolvenzfreies Vermögen dem Schuldner zur freien Verfügung. Zum insolvenzfreien Vermögen zählen auch die pfändungsfreien (unpfändbaren) Bezüge bzw Bezugsteile. Die durch § 2 IO verfügte Spaltung des Schuldnervermögens in die Insolvenzmasse einerseits und in das insolvenzfreie Vermögen andererseits gilt auch im Schuldenregulierungsverfahren (vgl 10 ObS 63/12f mwN).

                 Bei unselbstständig Erwerbstätigen bereitet die insolvenzrechtliche Behandlung von Gutschriften aus der Arbeitnehmerveranlagung immer wieder Probleme (Kodek, Privatkonkurs2 Rz 812ff).

                 Die Bestimmung des § 2 Abs 2 IO, wonach das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen des Schuldners auch konkursunterworfen ist, enthält einen Generalverweis auf alle Bestimmungen der EO über die (Ermittlung der) Pfändbarkeit (Kodek aaO, Rz 255).

                 Zu prüfen ist also, ob es sich bei einer Gutschrift aus einer Arbeitnehmerveranlagung um eine beschränkt pfändbare Forderung im Sinne des § 290a EO handelt und ob diese als Nachzahlung gemäß § 290c Abs 3 EO zu behandeln ist.

                 Nach einem Großteil der Lehre und Rechtsprechung gehören Nachzahlungen zu jener Auszahlung, in der sie bei sofortiger Auszahlung geleistet werden hätten sollen. Für diese Perioden hat dem Verpflichteten bzw Schuldner von der Nachzahlung jener unpfändbare Freibetrag zu verbleiben, der hievon unpfändbar wäre, wenn man den Freibetrag schon damals vom Gesamtbezug errechnet hätte. Das gilt auch dann, wenn sich im Zuge der jährlichen Arbeitnehmerveranlagung ein Rückforderungsanspruch gegen den Fiskus ergibt. Es wäre sachlich nicht gerechtfertigt, wenn durch eine unbeschränkte Pfändbarkeit solcher Rückforderungsansprüche der unpfändbare Freibetrag insgesamt reduziert würde (Oberhammer in Angst/Oberhammer EO3 Rz 10 zu § 291 mwN; Kodek aaO Rz 816 mwN, Markovetz/Resch in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, Rz 15ff zu § 290c EO mwN; Zechner, Forderungsexekution § 290c Rz 8, LG für ZRS Wien vom 10.09.2009, 46 R 317/09x).

                 Diesen Ansatz teilweise bejahend wird auch argumentiert, bei Rückforderungsansprüchen wie dem verfahrensgegenständlichen handle es sich um nichts anderes als um negative Abgabenansprüche, die kraft Gesetzes entstünden. Der Abgabenanspruch auf Einkommensteuer des Bundes setze zwar Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit voraus, seine Rechtsgrundlage finde sich aber im öffentlichen Recht. Es handle sich nicht um ein Arbeitseinkommen, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegen den Abgabengläubiger, der keinem Pfändungsschutz unterliege (BFG vom 25.02.2016 RV/7106388/2015, VwGH vom 18.12.2008, GZ 2006/15/0155 je mwN).

                 Unter Abwägung der wechselseitigen Argumente schließt sich der Rekurssenat der erstgenannten Auffassung vor allem aus der Überlegung an, dass bei einer unbeschränkten Pfändbarkeit derartiger Rückforderungsansprüche der unpfändbare Freibetrag insgesamt reduziert werden würde.

                 Ausgehend von dieser Rechtsauffassung wird das Erstgericht bei der neuerlichen Beschlussfassung die Höhe des Schuldnereinkommens aus beschränkt pfändbaren Forderungen im Jahr 2015 gemäß §§ 290aff EO festzustellen und daraus den unpfändbaren Freibetrag gemäß § 291a EO zu ermitteln haben. Dem Schuldner hat vom Lohnsteuerguthaben jener unpfändbare Freibetrag zu verbleiben, der hievon unpfändbar wäre, wenn man den Freibetrag schon damals vom Gesamtbezug errechnet hätte. Ob das Erstgericht dafür eine Verfahrensergänzung für notwendig erachtet, bleibt seiner Entscheidung vorbehalten.

                 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

                                             

Textnummer

EWN0000027

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LG00239:2017:01700R00046.17M.0419.000

Im RIS seit

19.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

20.02.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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