TE Lvwg Erkenntnis 2017/8/4 VGW-141/035/10536/2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.08.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

04.08.2017

Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien
41/02 Passrecht Fremdenrecht
69/05 Fürsorgewesen

Norm

WMG §5 Abs1
WMG §5 Abs2
NAG §51 Abs1
NAG §51 Abs2
FürsorgeAbk BRD 1969 Jugendwohlfahrtspflege Art 2 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Lammer über die Beschwerde der Frau A. E. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 14.6.2017, Zl. MA 40 - Sozialzentrum ... - SH/2017/01712756-001, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin vom 27.4.2017 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als der Beschwerdeführerin für den Zeitraum 1.6.2017 bis 30.9.2017 eine Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts (samt Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs) von 837,76 Euro monatlich und eine Mietbeihilfe von 200 Euro monatlich zuerkannt wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.6.2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 27.4.2017 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs unter Hinweis auf § 5 Abs 1 und 2 WMG abgewiesen. Begründend wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin deutsche Staatsbürgerin sei und sich seit 1.10.2002 durchgehend in Österreich aufhalte. Sie sei vom 1.4.2003 bis 31.5.2003 und vom 1.10.2003 bis 31.12.2003 bei der R. geringfügig beschäftigt gewesen. Vom 1.3.2004 bis 30.6.2004 sei sie an der U. Wien, vom 1.12.2004 bis 31.12.2004 bei der Firma P. und vom 1.9.2007 bis 1.10.2008 bei der Firma An. Gesellschaft mbH geringfügig beschäftigt gewesen. Vom 15.2.2010 bis 18.7.2010 und vom 24.7.2010 bis 15.10.2010 habe sie Arbeitslosengeld bezogen. Mit Schreiben vom 15.5.2017 sei sie aufgefordert worden, sämtliche Versicherungszeiten in Österreich seit 1.1.2012 nachzuweisen. Laut übermitteltem Hauptverbandsausdruck würden in diesem Zeitraum lediglich die Versicherungszeiten der MA 40, jedoch keine eigenen Versicherungszeiten aufscheinen. Aus diesen Gründen sei keine Erwerbstätigeneigenschaft gegeben und erfülle sie nicht die Voraussetzungen für eine Gleichstellung gemäß § 5 Abs 2 WMG, weshalb ihr Antrag abzuweisen gewesen sei.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde führt die Beschwerdeführerin aus, dass sie sich in den letzten fünf Jahren nicht selbst versichern habe können. Im Auftrag der MA 40 sei sie arbeitsunfähig geschrieben worden und demnach habe sie nicht arbeiten und sich auch nicht selbst versichern können. Sie sei seit 15 Jahren in Österreich angemeldet und lebe hier. Sie sei deutsche Staatsbürgerin und seit 2007 in Deutschland abgemeldet. Laut den mitgeschickten Gesetzestexten müsste sie mit österreichischen Staatsbürgerinnen gleichgestellt sein. Seit 2007 habe sie Leistungen aus der Sozialhilfe erhalten, davor habe sie sich selbst finanziert, sie sei seit 2002 in Österreich. Da sie der Ablehnungsbescheid so plötzlich und unerwartet treffe, laufe sie nun Gefahr, ihre Wohnung zu verlieren und obdachlos zu werden. Dies sei wohl als soziale Härte zu bezeichnen.

Aufgrund des Akteninhalts in Verbindung mit den Angaben der Beschwerdeführerin wird folgender Sachverhalt festgestellt:

Die Beschwerdeführerin, geboren 1980, ist deutsche Staatsbürgerin und lebt seit Oktober 2002 in Österreich. In der Zeit vom 1.4.2003 bis 31.12.2004 war die Beschwerdeführerin monateweise geringfügig bei vier verschiedenen Dienstgebern beschäftigt. Danach war die Beschwerdeführerin vom 1.9.2007 bis 1.10.2008 wiederum geringfügig beschäftigt und bezog im Jahr 2010 auch Arbeitslosengeld. Seit 2007 hat die Beschwerdeführerin auch Leistungen aus der Sozialhilfe bzw der Bedarfsorientierten Mindestsicherung bezogen. Aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit bezog die Beschwerdeführerin seit August 2013 bis Mai 2017 Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung als Dauerleistung.

Am 27.4.2017 brachte die Beschwerdeführerin einen Folgeantrag auf Mindestsicherung und Mietbeihilfe ein. Entsprechend der Aufforderung gemäß § 16 Abs 1 und 2 WMG vom 15.5.2017 hat die Beschwerdeführerin die von ihr unterschriebene PVA-Zustimmungserklärung übermittelt. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde ihr Antrag vom 27.4.2017 jedoch mangels Gleichstellung abgewiesen.

Laut der im Akt einliegenden arbeitsmedizinischen Gutachten vom 2.8.2013, 29.9.2014 und 2.6.2016 wurde jeweils die Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin befristet festgestellt, zuletzt in der Zeit vom 6.5.2016 bis 6.5.2017. Ebenso war die Beschwerdeführerin zuletzt vom 6.5.2016 bis 6.5.2017 als kursunfähig eingestuft.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) lauten:

§ 4 WMG, der die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen regelt, lautet wie folgt:

(1) Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung hat, wer

1.   zum anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 5 Abs 1 und 2) gehört,

2.   seinen Lebensmittelpunkt in Wien hat, sich tatsächlich in Wien aufhält und seinen Lebensunterhalt in Wien bestreiten muss,

3.   die in § 3 definierten Bedarfe nicht durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, mit eigenen Mitteln oder durch Leistungen Dritter abdecken kann,

4.   einen Antrag stellt und am Verfahren und während des Bezuges von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung entsprechend mitwirkt.

(2) Ein Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs einschließlich Mietbeihilfe besteht ab einem errechneten Mindestbetrag von fünf Euro monatlich.

(3) Personen, die bereits eine für Erwerbszwecke geeignete abgeschlossene Ausbildung oder eine Schulausbildung auf Maturaniveau haben und ihre Arbeitskraft allein deshalb nicht voll einsetzen können, weil sie eine weiterführende Ausbildung absolvieren, steht ein Anspruch auf Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht zu.

§ 5 (1) Leistungen nach diesem Gesetz stehen grundsätzlich nur österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu.

(2) Den österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern sind folgende Personen gleichgestellt, wenn sie sich rechtmäßig im Inland aufhalten und die Einreise nicht zum Zweck des Sozialhilfebezuges erfolgt ist:

1.       Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte, denen dieser Status nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005) zuerkannt wurde;

2.       Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates oder der Schweiz, wenn sie erwerbstätig sind oder die Erwerbstätigeneigenschaft nach § 51 Abs 2 Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG) erhalten bleibt oder sie das Recht auf Daueraufenthalt nach § 53a NAG erworben haben und deren Familienangehörige;

3.       Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EG" oder „Daueraufenthalt – Familienangehöriger", denen dieser Aufenthaltstitel nach § 45 oder § 48 NAG erteilt wurde oder deren vor In-Kraft-Treten des NAG erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigung als solche gemäß § 81 Abs 2 NAG in Verbindung mit der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung – NAG-DV) weiter gilt;

4.       Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EG" eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, denen eine Niederlassungsbewilligung nach § 49 NAG erteilt wurde.

(3) Personen, die nach den Bestimmungen des AsylG 2005 einen Asylantrag gestellt haben, steht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens kein Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zu.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) lauten:

§ 51 (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1.       in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2.       für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3.       als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er

1.       wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;

2.       sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3.       sich als Arbeitnehmer bei ordnungsmäßig bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder

4.       eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.

§ 53a (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

Im Hinblick auf die insgesamt kurzen Beschäftigungszeiten der Beschwerdeführerin in den Jahren 2003, 2004, 2007 und 2008 und vor dem Hintergrund der Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen bzw Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung seit 2007 ist es durchaus fraglich, ob die Beschwerdeführerin, die nunmehr seit Oktober 2002 und somit fast 15 Jahre in Österreich lebt, ein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht im Sinne des § 53a NAG erworben hat. Die belangte Behörde hat ihrer abweisenden Entscheidung aber lediglich zugrunde gelegt, dass der Beschwerdeführerin die Erwerbstätigeneigenschaft nicht erhalten geblieben sei, weswegen eine Gleichstellung nach § 5 Abs 2 Z 2 WMG nicht vorliege. Da die Beschwerdeführerin jedoch deutsche Staatsangehörige ist, hätte die belangte Behörde vorweg zu prüfen gehabt, ob die Beschwerdeführerin nicht schon aufgrund des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege (Deutsch-Österreichisches Fürsorgeabkommen), BGBl. Nr. 258/1969, gleichgestellt ist.

Das Deutsch-Österreichische Fürsorgeabkommen ist am 1.1.1970 in Kraft getreten und wurde bis dato von keiner der beiden Vertragsparteien aufgekündigt, sodass es nach wie vor in Geltung ist. Das Deutsch- Österreichische Fürsorgeabkommen wurde ohne Erfüllungsvorbehalt abgeschlossen und richtet sich unmittelbar an die Behörden (Gerichte) der unterzeichneten Staaten; der Norminhalt ist ausreichend bestimmt. Artikel 2 dieses Abkommens lässt keinen Zweifel aufkommen, dass Staatsangehörige eines Vertragsstaates, die sich im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten, ua Fürsorge – worunter nach der Definition in Art 1 Z 4 auch Mindestsicherungsleistungen fallen – in gleicher Weise, in gleichem Umfang und unter den gleichen Bedingungen wie den Staatsangehörigen des Aufenthaltsstaates gewährt wird. Das Deutsch-Österreichische Fürsorgeabkommen ist daher unmittelbar anwendbar. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass auch der Verwaltungsgerichtshof von der Anwendung des Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommens ausgeht, wenn auch in einem anderen Zusammenhang (vgl VwGH vom 17.12.1990, 90/19/0326 ua). Ebenso wird in der deutschen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass das Deutsch-Österreichische Fürsorgeabkommen Anwendung findet, dass sich österreichische Staatsbürger auf das Gleichbehandlungsgebot des Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommens berufen können (vgl Beschluss des Landessozialgerichtes Mecklenburg-Vorpommern vom 07.03.2012, L 8 B 489/10 ER, Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.06.1980, Az.:BVerwG 5 C). Dem steht auch die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihren Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, nicht entgegen, weil nach Art 37 der Unionsbürgerrichtlinie Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten, die für die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallenden Personen günstiger sind, unberührt bleiben. Als eine solche günstigere Rechtsvorschrift ist das Deutsch-Österreichische Fürsorgeabkommen anzusehen, die den Rang eines innerstaatlichen Gesetzes hat.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass das Deutsch-Österreichische Fürsorgeabkommen nach wie vor in Geltung steht und von den Behörden und Gerichten anzuwenden ist.

Nach der gewöhnlichen Bedeutung des Wortlautes des Artikel 2 des Deutsch- Österreichischen Fürsorgeabkommens, dem textlichen Zusammenhang und dem Ziel und Zweck des Vertrages ergibt sich somit eindeutig, dass deutschen Staatsangehörigen, die sich im österreichischen Bundesgebiet aufhalten – wobei der „gewöhnliche“ Aufenthalt genügt - in gleicher Weise und im gleichen Umfang Mindestsicherungsleistungen zu gewähren sind wie österreichischen Staatsangehörigen (vgl dazu auch die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 21.01.2016, LVWG-9/214/24-2016, LVWG-9/215/24-2016 und vom 11.04.2016, 405-9/5/1/5-2016; sowie jüngst das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 23.1.2017, GZ: VGW-141/010/14781/2016-7).

Es haben sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Beschwerdeführerin zum Zweck der Inanspruchnahme von Fürsorgeleistungen in das Bundesgebiet eingereist ist, zumal die Beschwerdeführerin seit 2002 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig ist, 2003/2004 und 2007/2008 in Österreich beschäftigt war und 2007 erstmals Fürsorgeleistungen (Sozialhilfe/Mindestsicherung) in Anspruch genommen hat.

Die Beschwerdeführerin ist somit als deutsche Staatsangehörige den österreichischen Staatsbürgerinnen gleichgestellt.

Die Beschwerdeführerin bezog bis 31.5.2017 Mindestsicherungsleistungen (als Dauerleistung) und bezieht sich sohin der gegenständliche Folgeantrag vom 27.4.2017 auf Leistungen der Mindestsicherung und Mietbeihilfe ab 1.6.2017. Bis zum Vorliegen eines aktuellen arbeitsmedizinischen Gutachtens war mangels eines entgegenstehenden Hinweises davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin nach wie vor arbeitsunfähig ist. Bei der Berechnung ihres Anspruches war somit der Mindeststandard für volljährige alleinstehende Personen von 837,76 Euro heranzuziehen. Dieser Mindeststandard enthält im gegenständlichen Fall gemäß § 1 Abs 1 lit b WMG-VO 2016 einen Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs von 113,10 Euro. Bei der Berechnung der Mietbeihilfe war von einer Mietbeihilfenobergrenze von 313,10 Euro auszugehen, von dem nun der im Mindeststandard der Beschwerdeführerin bereits enthaltene Grundbetrag von 113,10 Euro in Abzug zu bringen ist. Dies ergibt einen Differenzbetrag von 200 Euro, bei dem es sich um den über den Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs hinausgehenden Bedarf (Mietbeihilfe) handelt. Da sich die Einholung eines aktuellen arbeitsmedizinischen Gutachtens zur Beurteilung der Frage, ob die bereits seit 2013 vorliegende Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin nach wie vor gegeben ist, als notwendig erweist, erfolgte die gegenständliche Zuerkennung von Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs vorerst nur bis September 2017.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Mindestsicherung; ausländischer Staatsbürger; Gleichstellung; Aufenthalt, rechtmäßiger, gewöhnlicher; Sozialhilfebezug; Fürsorgeabkommen; unmittelbare Anwendbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.141.035.10536.2017

Zuletzt aktualisiert am

16.02.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten