TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/31 W124 2106454-2

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Veröffentlicht am 31.01.2018
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Entscheidungsdatum

31.01.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §18 Abs1 Z6
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

W124 2106454-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Indien, vertreten durch "XXXX", gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkte I. – VII. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 3, 8, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 46 und 55 Abs. 1a FPG und § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbots gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG auf 18 Monate herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren

1.1. Der Beschwerdeführer (nunmehr BF) reiste illegal in das Bundesgebiet und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. In der am selben Tag erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er an, aus dem Bundesstaat Punjab zu kommen, ledig zu sein und der Religionsgemeinschaft der Sikh und der Volksgruppe der Punjabi anzugehören. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF im Wesentlichen zu Protokoll, dass sein Vater ein Mitarbeiter einer Versicherungsfirma gewesen sei. Er habe mehreren Kunden Lebensversicherungen vermittelt. Dieses Geld sei vom Manager unterschlagen worden. Es habe sich um sehr viel Geld gehandelt. Der Manager sei in weiterer Folge untergetaucht. Der Vater des BF habe so viel Geld nicht zurückzahlen können. Aus diesem Grund sei er von den Kunden bedroht und körperlich angegriffen worden. Eines Tages, als der BF gemeinsam mit seinem Vater unterwegs gewesen sei, seien sie angegriffen worden und es sei ihnen damit gedroht worden, dass der BF verschleppt und falsche Anzeigen erstattet werden würden. Daraufhin habe die Familie des BF beschlossen, dass dieser das Land verlassen müsse.

1.2. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nunmehr BFA) am XXXX gab der BF im Wesentlichen zu Protokoll, dass seine Eltern und sein Bruder im Dorf XXXX leben und dort über ein Grundstück verfügen würden. Seine Schwester sei bereits verheiratet. Bis zu seiner Ausreise habe der BF bei seinen Eltern gelebt. Er stehe weiterhin in Kontakt zu seinen Eltern. Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, sein Leben in Indien sei in Gefahr, er habe Angst, dass er fälschlicherweise als Drogendealer angezeigt und in weiterer Folge verhaftet werde. Der Vater des BF sei als Versicherungsverkäufer tätig gewesen sei. Sein Vater habe das Geld einem Manager gegeben, der ihm gefälschte Rechnungen ausgestellt habe. Viele Dorfbewohner hätten ihr Geld samt Zinsen zurückverlangt, nachdem sie gemerkt hätten, dass sie gar keine Versicherung hätten. Der Vater habe das Geld jedoch nicht gehabt. Seitdem sei der Vater bedroht und ihm gesagt worden, man werde seine Familie schikanieren.

Der BF sei mit dem Vater gemeinsam ins College gegangen. Eines Tages seien sie angehalten und mit dem Tod bedroht worden. Sie hätten zu seinem Vater gesagt, sie würden ihn anzeigen und fälschlicherweise als Drogendealer beschuldigen. Die Dorfbewohner seien auch zu ihnen nach Hause gekommen. Sein Vater habe 17 bis 18 Jahre lang für die Versicherungsfirma gearbeitet, die genaue Adresse der Firma wisse der BF nicht. Die Namen der besagten Dorfbewohner und die genaue Geldsumme könne er ebenfalls nicht angeben. Das genaue Datum des Vorfalles, bei dem er persönlich angegriffen worden sei, könne er nicht angeben, es sei im August oder September 2014 gewesen.

Konkret sei er an diesem Tag mit seinem Vater auf dem Motorrad unterwegs gewesen, als er von zwei Männern aufgehalten worden sei. Diese hätten den Vater aufgefordert ihnen das Geld zurückzugeben. Der Vater habe um etwas Zeit gebeten, daher hätten sie ihm 2 Wochen gewährt. Diese Männer seien sehr mächtig und hätten damit gedroht, den BF als Drogendealer zu beschuldigen und verhaften zu lassen. Nachgefragt, weshalb der BF in der Erstbefragung von einem Angriff gesprochen und diesen jedoch bei der Einvernahme gar nicht erwähnt habe, gab er an, "die haben uns gestoßen". Das sei der einzige Vorfall gewesen.

1.3. Mit Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz wegen Unglaubwürdigkeit des Vorbringens abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen.

1.4. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX als unbegründet abgewiesen.

2. Gegenständliches Verfahren

2.1. Am XXXX stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und gab in der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch Orange des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, Österreich seit der Entscheidung im Erstverfahren nicht verlassen zu haben. Befragt zum neuerlichen Asylantrag gab er an, dass sein Vater getötet worden sei. Sie seien Angehörige der Kongress-Partei und hätten die Gegner, Mitglieder der "Akalidar-Partei" ihn getötet. Es gebe Wahlen am 04.02. und werde die "Akalidar-Partei" vom Staat unterstützt. Diese wollten schon immer, dass sein Vater die Mitgliedschaft bei der Kongress-Partei beende. Deswegen sei er umgebracht worden. Der Bruder des BF sei deswegen nach Kanada geflüchtet. Seine ganze Familie werde in der Heimat von der Gegenpartei belästigt. Die Änderung der Situation sei ihm seit XXXX bekannt.

2.2 In weiterer Folge tauchte der BF unter und wurde gegen ihn ein Festnahmeauftrag erlassen. Nach erfolgter Festnahme am XXXX wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen und gab an, die Sterbeurkunde seines Vaters beschaffen zu können. Der BF beherrsche Hindi und Punjabi in Wort und Schrift und spreche etwas Deutsch. Er habe keinen Deutschkurs besucht. Der BF sei in XXXX in XXXX, Indien geboren. Er gehöre der Volksgruppe der Jat an und sei Sikh. Von XXXX bis XXXX habe er die Grundschule und von XXXX bis XXXX die Universität in XXXX besucht. Dort habe er an einem Computerkurs teilgenommen. Er habe nicht gearbeitet. Der BF sei ledig und habe keine Kinder.

Sein Vater sei im XXXX verstorben. Dies sei während den Wahlen zwischen Congress & Akali Dal passiert und habe die Akali Dal-Partei ihn umgebracht. Seine Mutter lebe in XXXX und arbeite nicht. Sein Bruder wohne in Kanada und seine Schwester sei verheiratet und wohne in XXXX, XXXX. Außerdem habe er noch Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen in XXXX. Vor seiner Ausreise habe der BF in XXXX gelebt.

In Indien habe er nie Probleme mit Sicherheitsbehörden gehabt und habe er von sich aus nie eine Polizeidienststelle, ein Gericht oder sonstige Sicherheitsbehörden aufgesucht. Sein Vater sei bemühtes Mitglied der Congress-Partei gewesen und habe immer Werbung für die Partei betrieben. Er sei zu den Leuten gegangen und habe sie von ihrer Partei überzeugt. Befragt, wie er die Leute überzeugt habe, gab der BF an, dass er mit Mitgliedern zu den Leuten gegangen sei und über ihre Partei gesprochen und die Nachteile der gegnerischen Partei aufgezählt habe. Der BF selbst sei nicht Mitglied gewesen aber habe die Partei bevorzugt. Befragt zur Kongress-Partei gab der BF an, dass es das Ziel sei, den Drogenhandel in Punjab zu stoppen und gute Arbeitschancen zu schaffen. Die Gegenpartei helfe den Kriminellen an Drogen zu kommen. Befragt, was die Kongress-Partei von anderen Parteien unterscheide, gab der BF an, dass die Gegenpartei zwar gesagt habe, den Drogenhandel zu stoppen und Arbeitsplätze zu schaffen, dies aber nie getan habe.

Der BF habe Indien legal XXXX via Flugzeug nach Moskau verlassen. Mehrmals befragt von welcher Stadt aus er geflogen sei, gab er an, sich nicht daran erinnern zu können. Zur Finanzierung der Ausreise hätten sie ihr Grundstück verpachtet. Seinen Lebensunterhalt habe der BF durch die finanzielle Unterstützung seines Vaters bestritten. Seine Mutter lebe von finanzieller Hilfe durch seinen Bruder aus Kanada und erhalte auch staatliche Unterstützung seit dem Tod des Vaters.

Befragt zu seiner Freizeitgestaltung in Österreich gab er BF an schwarz für ein Unternehmen namens XXXX in Wien zu arbeiten und dort Medikamente zuzustellen. Er habe zu keiner Person in Österreich ein Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine enge Bindung. Seit sechs Monaten habe er eine österreichische Staatsangehörige als Freundin, lebe mit ihr aber nicht im gemeinsamen Haushalt. Sie wohne im XXXX, ihre genaue Adresse kenne er nicht. Befragt, wie er seinen Aufenthalt in Österreich bestreite gab der BF an, gearbeitet zu haben und von Freunden finanziell unterstützt zu werden. Manchmal habe er als Saisonarbeiter wie beispielsweise als Zeitungszusteller gearbeitet. Der BF verfüge über kein Geld.

Auf Vorhalt amtlich nicht gemeldet zu sein, gab der BF an, Zeit mit seiner Freundin verbracht zu haben und für die Ummeldung keine Zeit gehabt zu haben.

Der BF gehöre keinem Verein oder einer sonstigen Organisation an und verfüge in Österreich bzw. der EU über keine Verwandten.

Befragt zum Fluchtgrund gab der BF an, seit dem letzten Verfahren neue Gründe zu haben. Die Gegenpartei habe seinen Vater ermordet. Wenn er zurückkehre, werde er auch ermordet.

Aufgefordert, die Bedrohungshandlungen näher zu schildern, gab der BF an, dass die Mitglieder der Gegenpartei seinen Vater ermordet hätten. Dem BF sei gesagt worden, auch umgebracht zu werden. Seine Mutter lebe nun deshalb bei seiner Schwester. In Indien sei es so, dass der BF als Sohn seines Vaters umgebracht werde. Sonst seien keine Parteimitglieder ermordet worden. Der Vater des BF habe Streit mit der Gegenpartei gehabt, bei welchem ein Mitglied ihrer Partei mit einem Messer in den Bauch gestochen worden sei. Da sein Vater für die Partei verantwortlich und das wichtigste Mitglied gewesen sei, sei er ermordet worden. Der Vater sei der Vorsitzende der Partei in ihrem Dorf gewesen.

Auf Vorhalt, dass der BF im letzten Verfahren angegeben habe, dass sein Vater Versicherungsvertreter gewesen sei, gab der BF an, dass dies stimme und dieser sowohl aufgrund seiner Tätigkeit als Versicherungsvertreter als auch als Parteivorsitzender verfolgt worden sei.

Man wolle den BF umbringen, weil man denke, dass er mit der Partei verbunden sei. Befragt warum nicht andere Mitglieder umgebracht würden, gab der BF an, dass sie dies tun würde und es immer Streit gebe. Auf Vorhalt zuvor gesagt zu haben, dass außer seinem Vater niemand ermordet worden sei, gab der BF, dass niemand ermordet worden sei, es aber immer Streit gegeben habe.

Sie hätten der Mutter des BF gesagt, dass sie den BF und seinen Bruder umbringen würden.

2.3. Mit dem nun angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag des BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht gewährt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 und Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Das BFA stellte fest, dass das neue Fluchtvorbringen des BF, wonach sein Vater aufgrund politischer Aktivitäten in Indien ermordet worden sei, nicht glaubhaft sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass er in Indien asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. eine solche zukünftig zu befürchten hätten.

Der BF sei arbeitswillig, im arbeitsfähigen Alter, gesund, habe in Indien die Schule und Universität besucht und verfüge somit über alle erforderlichen Grundvoraussetzungen, um in Indien ein selbstständiges Leben zu führen. Er habe den Großteil seines Lebens in Indien verbracht und verfüge dort über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte. Der BF sei imstande, sich mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung und der Unterstützung seiner Angehörigen den Lebensunterhalt in Indien zu sichern. Es sei in einer Gesamtschau davon auszugehen, dass er bei seiner Rückkehr nach Indien nicht in eine Notlage entsprechend Art. 2 bzw. Art 3 EMRK gelangen würde.

Der BF verfüge in Österreich weder über Verwandte noch Familienangehörige iSd Artikels 8 EMRK und führe auch keine Lebensgemeinschaft. Es bestünden keine Abhängigkeitsverhältnisse oder engen Freundschaften zu Personen in Österreich. Der BF gehe in Österreich der Schwarzarbeit nach und verfüge nicht über ein legales Einkommen. Er verfüge über keine Sprachkenntnisse in Deutsch und gehöre in Österreich keinem Verein bzw. keiner sonstigen Organisation an. Es bestehe kein schützenswertes Privat- und Familienleben, oder eine integrative Bindung zu Österreich.

Der BF vermöge den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen und befinde sich nicht in der Grundversorgung. Er gehe in Österreich der Schwarzarbeit nach. Er sei im Bundesgebiet untergetaucht und habe sich der behördlichen Greifbarkeit entzogen, weshalb sein Asylverfahren bereits einmal eingestellt worden sei. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass der erste Asylantrag des BF bereits negativ beschieden worden sei und er im gegenständlichen Verfahren gänzlich andere Fluchtgründe vorgebracht habe. So habe er im ersten Verfahren angegeben, dass sein Vater aufgrund seiner Tätigkeit als Versicherungsmakler verfolgt werden würde. Im gegenständlichen Verfahren habe er völlig widersprüchlich erklärt, dass sein Vater Parteivorsitzender der Congress-Partei in seinem Heimatdorf sei. Gegen seine Glaubwürdigkeit spreche auch sein demonstratives Desinteresse am Asylverfahren, da er im Bundesgebiet untergetaucht sei und sich der behördlichen Greifbarkeit entzogen habe.

Der BF habe ein höchst vages, nicht nachvollziehbares und abstraktes Vorbringen dargelegt. Der BF war nicht dazu imstande, gehaltvolle Angaben über die Aktivität seines Vaters oder seiner Partei zu machen, obwohl er behauptet habe, selbst die Congress Partei zu "bevorzugen". Von einer gebildeten Person wie dem BF wäre in jedem Fall zu erwarten, ausführlich auf das Parteiprogramm bzw. die Unterschiede zwischen den konkurrierenden Parteien eingehen zu können, vor allem dann, wenn sein Vater politisch aktiv gewesen sei und sich der Fluchtgrund des BF auf dessen politische Tätigkeit wie geschildert stütze. Die Beschreibung der Partei stütze sich auf allgemeine Floskeln, die jeder erdenklichen Partei zuzuschreiben wären.

Ebenso habe der BF keine nachvollziehbare Verbindung von der behaupteten Ermordung seines Vaters zur Verfolgung seiner Person herstellen können.

Der BF habe sich in Widersprüche verstrickt, indem er zunächst behauptet habe, sein Vater wäre das einzige ermordete Mitglied ihrer Partei gewesen und seine Behauptung danach zweimal abgeändert habe. Darüber hinaus entbehre es jeglicher Logik und Nachvollziehbarkeit, warum sich seine Mutter gezwungen sehe, zur Schwester zu ziehen, wenn man Frauen ohnehin nichts antun würde. Grundsätzlich ergebe sich aus dem Vorbringen, dass im Zuge des Streits zwischen den politischen Parteien niemand außer seines Vater ermordet worden sei. Auch seine Familienangehörigen habe man nicht persönlich bedroht, sondern lediglich indirekte Drohungen an den BF und seinen in Kanada befindlichen Bruder weiterleiten lassen. Warum man dies tun sollte, habe der BF nicht nachvollziehbar darlegen können.

Für die Behörde sei der Tod des Vaters nicht feststellbar, da der BF auch keine entsprechenden Beweismittel in Vorlage gebracht habe. Darüber hinaus sei es dem BFA auch nicht möglich, den Angaben zum Tod des Vaters eine entscheidende Gewichtung zuzuschreiben, da der BF von dessen Ermordung nur durch Dritte erfahren habe. Dass der BF zum Tod seines Vaters nicht mehr zu berichten habe, lasse darauf schließen, dass er sich nicht viele Gedanken um die Umstände seiner Ermordung gemacht habe und würde der BF mehr Informationen über den Tod seines Vaters einholen, wenn dieser tatsächlich ermordet worden wäre und der BF aufgrund seiner Ermordung einer unmittelbaren Gefahr ausgesetzt wäre.

Rechtlich wurde ausgeführt, dass das Fluchtvorbringen unglaubwürdig sei und dem BF keine asylrelevante Verfolgung drohe.

Es würden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, dass der BF im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr liefen, in Indien einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, womit festzustellen sei, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung zulässig sei.

Der BF verfüge in Österreich über kein Familienleben. Er gehöre weder einem Verein noch einer sonstigen Organisation an und führe in Österreich keine Lebensgemeinschaft. Eine sechsmonatige Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin könne allein noch zu keinem schützenswertes Privatleben führen. Ein Abhängigkeitsverhältnis zu irgendwelchen anderen Personen in Österreich habe er nicht behauptet. Der BF verfüge über keine Deutschkenntnisse. Er sei im Bundesgebiet untergetaucht, sei mittellos und gehe der Schwarzarbeit nach. Der BF verfüge über kein ausgeprägtes Privatleben.

Hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung liege gegenständlich der Fall von § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG vor. Vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz habe eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bestanden. Aufgrund seiner Mittellosigkeit stelle der BF eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Betreffend das Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass der BF nicht über die erforderlichen Mittel verfüge, um seinen Lebensunterhalt auch nur mittelfristig aus Eigenem zu finanzieren.

2.4. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF gemäß § 52 BFA-VG die XXXX amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.

2.5. Mit fristgerecht eingebrachter Beschwerde wurde der angefochtene Bescheid zur Gänze aufgrund unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtliche Beurteilung angefochten.

Die Beweiswürdigung der Behörde sei nicht nachvollziehbar und stimme mit dem Protokoll der Einvernahme nicht überein. Entgegen der Behauptungen der Behörde habe der BF Details zu seinen Fluchtgründen angegeben.

Die indischen Behörden seien dem BF gegenüber nicht schutzwillig und –fähig. Die Behörde setze sich mit der Frage der Schutzwilligkeit nicht auseinander und liege daher ein Begründungsmangel vor. Betreffend subsidiärer Schutz seien dem Bescheid nur rudimentäre Erklärungen zu entnehmen.

Das Vorbringen des BF entspreche der Wahrheit und wäre ihm Asyl zu gewähren. Allenfalls wäre dem BF aufgrund der katastrophalen Sicherheitslage sowie der fehlenden innerstaatlichen Fluchtalternative subsidiärer Schutz zu gewähren oder aufgrund seiner Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung zu erklären.

Die Verhängung des Einreiseverbotes sei willkürlich, da der BF weder eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle noch mittellos sei. Der BF bewohne eine ortsübliche Unterkunft, habe eine österreichische Lebensgefährtin und sei auf selbständiger Basis erwerbstätig.

Die Behörde habe verabsäumt, sich mit der konkreten Situation des BF auseinanderzusetzen und stelle dies eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar.

Es werde beantragt dem BF die Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen, allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren, allenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an die erste Instanz zurückzuverweisen, aufschiebende Wirkung zu gewähren, einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Indien befasst, zu recherchieren, ob die Fluchtgründe des BF der Wahrheit entsprechen, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, allenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären, allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, allenfalls festzustellen, dass die Abschiebung nach Indien unzulässig sei, das Einreiseverbot aufzuheben, allenfalls die Dauer des Einreiseverbots zu kürzen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Der BF ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger von Indien, gehört der Volksgruppe der Jat und der Religionsgemeinschaft Sikhs an und stammt aus XXXX im Bundesstaat XXXX in Indien.

1.2. Der BF stellte erstmal am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid vom XXXX und letztlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX abgewiesen wurde.

1.3. Am XXXX stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit dem nun angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX abgewiesen wurde.

1.4. Das Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen ist nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder zu einer sozialen Gruppe von staatlicher Seite oder von privaten Dritten verfolgt wird. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass dem BF in Indien individuelle Verfolgung durch Mitglieder der Akali Dal-Partei droht.

1.5. Es kann nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des BF nach Indien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Der BF ist gesund, arbeitsfähig und verfügt über eine zwölfjährige Schulbildung als auch über eine dreijährige Hochschulbildung. Der BF verfügt im Heimatstaat über familiären Anschluss.

1.5. Der BF verfügt in Österreich bzw. der EU über keine Familienangehörigen. Er ist strafgerichtlich unbescholten und führt laut eigenen Angaben eine Beziehung zu einer österreichischen Staatsangehörigen, lebt mit dieser aber nicht im gemeinsamen Haushalt. Der BF verfügt über keine nennenswerten Deutschkenntnisse und geht laut eigenen Angaben einer illegalen Erwerbstätigkeit nach. Es können keine Anhaltspunkte für die Annahme einer außergewöhnlichen Integration des BF in Österreich in sprachlicher, sozialer und beruflicher Sicht festgestellt werden.

1.6. Zur Lage im Herkunftsstaat werden die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Länderberichte herangezogen. Es werden folgende Feststellungen getroffen:

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 11.4.2017: Acht Tote und über 200 Verletzten bei Demonstrationen bei Wahl in Srinagar, Kaschmir (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 3.1)

Im Zuge einer Nachwahl zur Besetzung eines freien Sitzes im indischen Unterhaus, kam es am Sonntag, dem 9.4.2017, in Srinagar, Kaschmir, zu Zusammenstößen zwischen separatistischen, die Wahl boykottierenden Demonstranten und den indischen Sicherheitskräften. Während des Konflikts wurden acht Demonstranten getötet und über 200 Personen, Demonstranten und Sicherheitsbeamte, verletzt (Reuters 10.4.2017).

Am Montag den 10.4.2017 verhängte die indische Polizei eine Ausgangssperre für die Bevölkerung mehrerer Gebiete Kaschmirs, errichtete Straßensperren und schränkte den Verkehr ein (Reuters 10.4.2017).

Die Wahlbeteiligung lag bei nur 7% (Times of India 11.4.2017). Eine zweite Nachwahl, ursprünglich geplant für den 12.4.2017 in Anantnag, wurde in Anbetracht der aktuellen Lage auf den 25.5.2017 verschoben (Reuters 10.4.2017).

Indien beschuldigt Pakistan die Separatisten zu unterstützen, was in Islamabad bestritten wird (Reuters 10.4.2017).

Bei einem weiteren Vorfall am Montag sind vier mutmaßliche Kämpfer erschossen worden, als sie versuchten die umstrittene Grenze von Pakistan kommend, in der Nähe des Keran-Sektors zu infiltrieren (Reuters 10.4.2017).

Da sich seit der Tötung des einflussreichen Separatistenkämpfers Burhan Wani im Juli 2016, die Spannungen in der Region erhöht haben (BBC 10.4.2017), und es seither in Kaschmir wiederholt zu gewalttätigen Protesten kam, in deren Verlauf bisher 84 Zivilisten getötet und über 12.000 Zivilisten und Sicherheitskräfte verletzt wurden (Reuters 10.4.2017), sind vorsorglich etwa 20.000 zusätzliche indische Truppen in die Region entsandt worden (BBC 10.4.2017).

Quellen:

-

BBC (10.4.2017): Kashmir violence: Eight killed in clashes during by-election, http://bbc.in/2oo04gV, Zugriff 11.4.2017

-

Reuters (10.4.2017): India clamps down on Kashmir transport after poll violence kills 8,

http://in.reuters.com/article/india-kashmir-idINKBN17B06F, Zugriff 11.4.2017

-

Times of India (11.4.2017): Lack of pre-emptive policing led to low voter turnout in Kashmir

http://timesofindia.indiatimes.com/india/lack-of-pre-emptive-policing-led-to-low-voter-turnout-in-kashmir/articleshow/58118340.cms, Zugriff 11.4.2017

Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die – auch sprachliche – Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP – Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations – ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

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CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2016): The World Factbook

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India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (11.2016): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.12.2016

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_09493FC61FD08185D486477F8D93E1EE/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile – Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 5.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2016a): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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SATP - South Asia Terrorism Portal (9.1.2017): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2016,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 9.1.2017

Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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