Index
L46103 Tierhaltung Niederösterreich;Norm
TierschutzG NÖ 1985 §2 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 16. September 1999, Zl. RU5-TB-014/000, betreffend Hundehalteverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Gegen den Beschwerdeführer, der zunächst in Wien, in einer ca. 105 m2 großen Wohnung die Zucht von Dogo Argentinos betrieben hat, waren seit 1995 mehrere Straferkenntisse bzw. Strafverfügungen erlassen worden, weil er die in seiner Obhut befindlichen Hunde nicht so gehalten oder verwahrt hatte, dass von ihnen keine Gefährdung ausgehen konnte; neben der Verletzung von zwei Personen haben am 27. April 1998 drei seiner Hunde einen Yorkshire Terrier zu Tode gebissen, worauf mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 8. September 1998 die vorläufige Beschlagnahme dreier Hunde des Beschwerdeführers der Rasse "Dogo-Argentinos" ausgesprochen wurde, weil diese Hunde nicht mit Beißkorb gesichert waren.
Am 12. Jänner 1999 liefen im Bereich der A-Wiese in Wien drei Dogo-Argentino-Hunde des Beschwerdeführers frei herum, wobei diese einen anderen Hund so attackierten, dass er in der Folge eingeschläfert werden musste; die Hundehalterin wurde leicht verletzt. Am 4. März 1999 wurde im P-Park in Wien in der Hundezone einem Schäferhund von einem Hund des Beschwerdeführers eine Wunde am Ohr zugefügt, die genäht werden musste.
Zu Beginn des Jahres 1999 verlegte der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz nach B. Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft vom 18. Mai 1999 wurde dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf die vorliegenden Übertretungen des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes wegen eines Vorfalls am 18. April 1999 in B, bei welchem zwei der Hunde des Beschwerdeführers zwei Kinder "gestellt" und angebellt hatten und die Hunde sich in der Folge in den nahe gelegenen Wald entfernt hätten, mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, gegen ihn gemäß § 9 des Niederösterreichischen Tierschutzgesetzes vorzugehen.
Der Amtstierarzt der Bezirkshauptmannschaft erklärte in seiner Stellungnahme vom 15. Mai 1999, er befürworte ein Verbot der Hundehaltung durch den Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 1 des NÖ Tierschutzgesetzes. Der Beschwerdeführer habe wiederholt gegen das Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetz verstoßen; obgleich gegen die Haltung seiner eigenen Hunde laut Aktenlage kein Einwand erhoben werden könne, würden bzw. werden die eigenen Hunde derart mangelhaft verwahrt, dass es laufend zu schweren bzw. tödlichen Verletzungen anderer Hunde kommen konnte. Selbst auf Grund eines rechtskräftigen Bescheides vom 24. Juni 1998, in welchem die Verpflichtung ausgesprochen wurde, dass Dogo-Argentinos nur mit Beißkorb und Leine geführt werden dürften und jeweils nur ein Hund geführt werden dürfe, wenn öffentliche Plätze aufgesucht würden (weil die Hunde eine Gefahr darstellten), sei es auch nachher wegen der fortgesetzt mangelhaften Verwahrung seiner eigenen Hunde zu Vorfällen mit schweren Verletzungen anderer Hunde gekommen. Auf Grund der Aktenlage sei der Beschwerdeführer offensichtlich nicht einsichtig und verwahre seine Hunde weiterhin mangelhaft und nehme durch sein Verhalten in Kauf, dass erneut andere Hunde bzw. sogar Menschen verletzt würden. Durch die schweren Bissverletzungen, die die Tiere des Beschwerdeführers anderen Tieren zugefügt hätten, hätten diese zweifellos große Schmerzen, Leiden und Schäden erlitten. Es sei zu befürchten, ja geradezu zu erwarten, dass weitere Tiere durch die mangelhafte Hundehaltung des Beschwerdeführers verletzt oder getötet würden und diesen Tieren erneut schwere Leiden zugefügt würden, weil der Beschwerdeführer offensichtlich nicht Willens sei, seine durchaus korrekt gehaltenen Tiere so zu verwahren, dass Leiden anderer Tiere vermieden werden könnten.
Zur angekündigten Erlassung eines Hundehalteverbotes äußerte sich der Beschwerdeführer dahingehend, die im Gesetzestext geforderte Befürchtung, dass ein Täter "weiterhin" Tiere quälen könnte, könne im Beschwerdefall keinesfalls als berechtigt angenommen werden. Gerade der Umstand, dass der Beschwerdeführer nunmehr seit einigen Monaten in B aufhältig sei, ohne dass es zu irgendwelchen Vorfällen gekommen sei, verdeutliche die ordnungsgemäße Verwahrung der Tiere durch ihn.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 27. Juli 1999 wurde dem Beschwerdeführer mit sofortiger Wirkung das Halten von Hunden sowie der Umgang mit Hunden auf unbestimmte Zeit verboten.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 16. September 1999 abgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Niederösterreichische Tierschutzgesetz habe das Ziel, zu verhindern, dass Tieren durch Handlungen oder Unterlassungen ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt würden. Augenscheinlich habe der Gesetzgeber zwei fallbezogene Schadenswirkungen im Auge gehabt, nämlich den Schaden, der einem Tier von einem Menschen zugefügt werde, und den Schaden, der einem Tier von einem anderen Tier zugefügt werde. Nicht explizit im Gesetz genannt seien Fälle, in denen ein Tier infolge unterlassener ordnungsgemäßer Haltung Schaden zufüge, sei es Menschen oder anderen Tieren. Die mangelhafte Verwahrung der Hunde stelle jedoch auch eine Form der Tierquälerei dar, zwar nicht durch aktive Handlungen, aber durch Unterlassungen. Am 4. Juli 1999 hätten zwei Hunde des Beschwerdeführers in B, Hühner gejagt und ein Huhn tot gebissen. Wie dem gesamten Verwaltungsakt und insbesondere den Berichten des Gendarmeriepostens B zu entnehmen sei, komme der Beschwerdeführer seiner Halteverpflichtung in derart nachlässiger Weise nach, dass sich die Hunde in der Öffentlichkeit frei und unbeaufsichtigt bewegen könnten und damit wiederholt Schäden verursachten. Die Hunde stellten somit, da frei und vollkommen unbeaufsichtigt, eine potenzielle Gefahr für die Umwelt dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 des Niederösterreichischen Tierschutzgesetzes 1985, LGBl. 4610-1, ist Ziel dieses Gesetzes, zu verhindern, dass Tieren durch Handlungen oder Unterlassungen ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Gemäß § 2 Abs. 1 dieses Gesetzes darf niemand einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, besonders darf nach Abs. 2 Z. 10 dieser Bestimmung niemand ein Tier auf ein anderes Tier hetzen oder es an einem anderen Tier auf Schärfe abrichten oder prüfen.
Gemäß § 9 Abs. 1 dieses Gesetzes kann die Bezirksverwaltungsbehörde Personen, die wegen wiederholter oder besonderes schwerwiegender Verstöße gegen dieses Gesetz, das Tierschutzgesetz eines anderen Bundeslandes oder gegen § 222 des Strafgesetzbuches bestraft wurden, das Halten von Tieren und den Umgang mit Tieren verbieten, wenn zu befürchten ist, dass der Täter weiterhin Tiere quälen wird. Die Dauer und der Umfang des Verbotes sind nach den Erfordernissen des Tierschutzes festzusetzen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist ein Verbot im Sinne des Abs. 1 auch dann auszusprechen, wenn der Täter wegen mangelnder Zurechnungsfähigkeit, wegen Strafunmündigkeit oder wegen verzögerter Reife zur Zeit der Tat nicht zu bestrafen war.
In der Rechtsrüge trägt der Beschwerdeführer vor, dass die Verhängung eines Tierhalteverbotes gemäß § 9 Abs. 1 des NÖ Tierschutzgesetzes nur gerechtfertigt sei, wenn zu befürchten sei, dass jemand seine eigenen Tiere quälen werde.
Diese Rechtsansicht findet im Niederösterreichischen Tierschutzgesetz 1985 keine Deckung, ist doch Abs. 1 des § 2 dieses Gesetzes, der die Überschrift "Tierquälerei" trägt, allgemein darauf abgestellt, dass niemand einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Schutzobjekt ist daher das Tier schlechthin, ohne Rücksicht darauf, ob es im Eigentum eines Menschen steht. Gemäß § 2 Abs. 2 Z. 10 leg. cit. ist es ausdrücklich verboten, ein Tier auf ein anderes Tier zu hetzen, ohne dass dabei Tatbestandsvoraussetzung wäre, dass das eigene Tier bei dieser Hetze Schmerzen, Leiden oder einem Schaden ausgesetzt würde. Das zu schützende Gut dieser Bestimmung ist eindeutig jenes Tier, auf das das Tier gehetzt wird, oder an dem ein anderes Tier auf Schärfe abgerichtet oder geprüft werden soll. Ziel dieses Gesetzes ist es somit auch, andere Tiere zu schützen, die Qualen ausgesetzt werden, die von Tieren des Tierhalters verursacht werden.
Auch die weitere Rechtsrüge, § 9 Abs. 1 des Niederösterreichischen Tierschutzgesetzes 1985 stelle lediglich auf vorsätzlich bzw. geradezu absichtliches Vorgehen im Zusammenhang mit dem Quälen von Tieren ab, trifft nicht zu. Vielmehr kommt es auf die Befürchtung an, dass der Täter weiterhin Tiere quälen wird. Die von der belangten Behörde zutreffend festgestellte Befürchtung, der Beschwerdeführer werde seine Hunde weiterhin derart mangelhaft verwahren, dass dadurch letztlich anderen Tieren ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden, kann jedenfalls dem Tatbestandsmerkmal des § 2 Abs. 1 leg. cit. unterstellt werden, hiefür reicht aber fahrlässiges Verhalten des Täters aus.
Dem umfangreichen Verwaltungsakt ist zu entnehmen, dass über den Beschwerdeführer seit 1995 mehrere rechtskräftige Strafen wegen Übertretung des Wiener Tierschutzgesetzes verhängt wurden. Unbestritten ist auch, dass Hunde des Beschwerdeführers dreimal in Wien andere Hunde gebissen haben, und zwar so, dass ein Yorkshire Terrier starb, ein weiterer Hund auf Grund der ihm zugefügten Bisswunden eingeschläfert werden musste und ein Schäferhund genäht werden musste. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die diesen drei Hunden zugefügten Bisse den betroffenen Tieren Schmerzen und Schäden zufügten.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist es seit der Übersiedlung des Beschwerdeführers nach B sehr wohl "zu Vorfällen" gekommen, denn am 4. Juli 1999 wurde ein Huhn von Hunden des Beschwerdeführers zu Tode gebissen, wobei der Beschwerdeführer angab, er tue sein Bestes, die Hunde in seinem Gewahrsam zu halten, es sei ihm aber unmöglich, zu jeder Zeit auf die Hunde aufzupassen, sodass sie immer wieder davon laufen. Dass die Hunde tatsächlich gelegentlich frei und unbeaufsichtigt herumlaufen, geht auch aus der Dokumentation eines anderen Vorfalles hervor, bei welchem Kinder von den frei laufenden Hunden des Beschwerdeführers verschreckt und verbellt wurden.
Da der Beschwerdeführer die Hunde unbeaufsichtigt herumlaufen lässt und demgemäß zu befürchten ist, dass seine Hunde weitere Tiere durch Bisse quälen bzw. töten würden, wurde das Hundehalteverbot zu Recht verfügt.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.
Wien, am 30. Mai 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999050236.X00Im RIS seit
20.11.2000