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E000 EU- Recht allgemein;Norm
12010E267 AEUV Art267;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Rossmeisel, den Hofrat Mag. Stickler sowie die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des C E, in W, vertreten durch Mag. Christoph Henseler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Nibelungengasse 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. April 2017, W153 2148196-1/8E, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 und Anordnung zur Außerlandesbringung nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union über die mit Vorlageentscheidung des Raad van State (Niederlande) vom 27. September 2017 (C-583/17) vorgelegten Fragen ausgesetzt.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger von Nigeria, gelangte über Niger und Libyen nach Europa und stellte am 1. November 2016 in Österreich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Bei seiner Erstbefragung am 2. November 2016 gab er an, über Italien in das Gebiet der Europäischen Union gelangt zu sein. Danach sei er in die Schweiz gereist, wo er sich von Juni 2013 bis Juni 2016 aufgehalten und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Dieser wurde laut "Eurodac-Treffer" am 24. Juni 2013 aufgenommen. In der Folge habe sich der Revisionswerber vier Monate in Italien aufgehalten und sich anschließend nach Österreich begeben.
2 Am 11. November 2016 wurde ein Konsultationsverfahren mit der Schweiz eingeleitet und ein Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) gestellt. In der Folge teilte die Schweizer Asylbehörde mit, dass sie selbst ein Konsultationsverfahren mit Frankreich geführt habe und der Revisionswerber nach Zustimmung Frankreichs am 26. Februar 2015 dorthin überstellt worden sei.
3 Erst in der Revision gab der Revisionswerber an, dass er sich im Anschluss an seine Einreise über Italien für drei Tage in Frankreich befunden habe und dann in die Schweiz weitergereist sei.
4 Aufgrund der Auskunft der Schweizer Asylbehörden wurde am 18. November 2016 ein Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung an Frankreich gerichtet, welches mit Mitteilung vom 24. November 2016 zustimmte, den Antragsteller gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. a Dublin III-Verordnung zu übernehmen. Nach einer niederschriftlichen Einvernahme wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 8. Februar 2017 den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 AsylG 2005 zurück und stellte fest, dass gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. a Dublin III-Verordnung Frankreich zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Zudem wurde die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Frankreich zulässig sei. Die Zuständigkeit Frankreichs ergebe sich aus dessen Zustimmung vom 24. November 2016. Das Vorbringen des Antragstellers zu seiner Einreise über Italien wurde nicht behandelt.
5 In der Beschwerde wurden sämtliche Spruchpunkte des Bescheids angefochten. Im Rahmen einer ergänzenden Stellungnahme brachte der Revisionswerber vor, dass der zur Begründung der Zuständigkeit Frankreichs herangezogene Art. 18 Abs. 1 lit. a Dublin III-Verordnung kein eigenes Zuständigkeitskriterium sei, sondern die Pflichten eines Mitgliedstaates für den Fall seiner Zuständigkeit normiere. Bei ausreichender Ermittlungstätigkeit und richtiger Würdigung hätte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Zuständigkeit Italiens zur inhaltlichen Prüfung des Antrags feststellen müssen. Schutzsuchende hätten nämlich ein Recht auf richtige Anwendung der im Kapitel III der Dublin III-Verordnung normierten Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates.
6 Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 24. April 2017 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Es schloss sich den Feststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur "Allgemeinsituation" in Frankreich an und hielt fest, dass sich die Zuständigkeit Frankreichs aus dem festgestellten Sachverhalt und aufgrund seiner Zustimmung ergebe. In der Darstellung des Verfahrensgangs und der Wiedergabe des Beschwerdeinhalts wurde die behauptete Einreise über Italien zwar erwähnt, inhaltliche Ausführungen über eine etwaige Zuständigkeit dieses Mitgliedstaates wurden jedoch nicht getätigt. Zudem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gegen diese Entscheidung die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision. 8 Mit Vorlageentscheidung vom 27. September 2017 (C-583/17)
hat der Raad van State (Niederlande) dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
9 1. Ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. 2013, L 180), dahin auszulegen, dass nur der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, mit der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats betraut ist, mit der Folge, dass ein Ausländer nur in diesem Mitgliedstaat gemäß Art. 27 der Dublin-Verordnung gegen die fehlerhafte Anwendung eines der in Kapitel III, darunter Art. 9, der Dublin-Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriterien rechtlich vorgehen kann?
10 2. Inwiefern ist bei der Beantwortung der ersten Frage von Bedeutung, dass in dem ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, bereits eine Entscheidung über diesen Antrag ergangen ist oder der Ausländer den Antrag vorzeitig zurückgenommen hat?
11 Der Beantwortung dieser Fragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union kommt auch für die Behandlung der vorliegenden Revision Bedeutung zu. Es liegen daher die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor, weshalb das Revisionsverfahren auszusetzen war.
Wien, am 13. Dezember 2017
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017190206.L00.1Im RIS seit
12.01.2018Zuletzt aktualisiert am
26.01.2018