TE Lvwg Erkenntnis 2017/11/24 LVwG-2017/23/1739-11

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Veröffentlicht am 24.11.2017
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Entscheidungsdatum

24.11.2017

Index

40/01 Verwaltungsverfahrensgesetze;
L40017 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung
Polizeistrafen Tirol;

Norm

VStG §35 Z1
LPolG Tir 1976 §11 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Vizepräsidenten Dr. Albin Larcher über die Beschwerde des AA, geb. am XX.XX.XXXX, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, **** Z, gegen die Landespolizeidirektion Tirol als belangte Behörde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 13.06.2017 gegen 22:15 Uhr nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

zu Recht erkannt:

1.   Gemäß § 28 Abs 6 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2.   Gemäß § 28 Abs 4 VwGVG iVm der VwG-Aufwandersatzverordnung hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens zu tragen und der belangten Behörde den Vorlageaufwand und den Kostenaufwand für die Gegenschrift sowie den Verhandlungsaufwand in der Höhe von insgesamt € 887,20 binnen 14 Tagen zu ersetzen.

3.   Gemäß § 25 Abs 4 VwGG ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, und außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof, Judenplatz 11, 1014 Wien, erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Schriftsatz vom 25.07.2017 erhob AA, geb. am XX.XX.XXXX, vertreten durch Rechtsanwalt BB, binnen offener Frist Beschwerde gemäß Art 130
Abs 1 Z 2 B-VG wegen Verletzung subjektiver Rechte durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und brachte darin im Wesentlichen vor wie folgt:

Am 13.06.2017 gegen 22:15 Uhr sei der Beschwerdeführer mit seinem Freund CC im Lokal „DD“, Adresse 2, **** Z gewesen. Da einige Gäste in dem zum Lokal zugehörigen Gastgarten zu laut gewesen seien, seien zwei Polizeibeamte zum Lokal beordert worden. Die einschreitenden Beamten hätten dabei gegenüber den anwesenden Gästen grundlos eine rücksichtslose Art an den Tag gelegt, wobei sie die anwesenden Gäste sowie das Personal mit „Du“ angesprochen hätten und auch sonst unhöflich behandelt hätten. So hätten sie die Gäste aufgefordert, sich auf der Stelle hinzusetzen, allerdings keinerlei Gründe genannt, was der Hintergrund der Amtshandlung gewesen sei.

Der Beschwerdeführer habe die einschreitenden Beamten zur Höflichkeit ermahnt und sei von diesen in weiterer Folge zur Ausweisleistung aufgefordert worden. Er habe sich sodann erkundigt, weshalb er sich ausweisen solle, worauf er jedoch keine Antwort erhalten habe. Er habe keinen Ausweis dabei gehabt. Daraufhin sei er von den Beamten darüber informiert worden, dass er die Wahl habe, zur Klärung der Identität freiwillig mit auf die Polizeiinspektion zu kommen, widrigenfalls die Festnahme ausgesprochen werde. Der Beschwerdeführer sei von den Beamten nicht gefragt worden, wie er denn heiße, geschweige denn seien sein Freund oder sonstige Gäste hierzu befragt worden.

Der Beschwerdeführer habe nicht ungebührlich Lärm erregt oder den öffentlichen Anstand verletzt. Vielmehr habe er die einschreitenden Beamten höflich ermahnt, einen gepflegteren Umgangston gegenüber den anwesenden Gästen anzuwenden und diese zu siezen. Keinesfalls habe er zu den Beamten gesagt: „Geht’s gscheider in den Y-Park, es Rotzlöffel. Seits da a so gscheid wie da im Lokal?“

Um eine Festnahme zu vermeiden, sei er zu den Beamten ins Polizeiauto gestiegen und auf die nächste Polizeidienststelle verbracht worden. Auf dem Weg dorthin sei er von den Beamten mehrfach in einer abwertenden Art und Weise gefragt worden, welche Nationalität er denn habe, und ob er das, was da jetzt auf ihn zukomme, überhaupt bezahlen könne. Die Beamten hätten ihn darüber hinaus weiterhin geduzt und trotz seines Verlangens nicht mit „Sie“ angesprochen. Auch auf der Dienststelle sei er weiterhin geduzt worden. Als er den OVT sprechen habe wollen, um sich über das Verhalten der einschreitenden Beamten zu beschweren, hätten diese lediglich gemeint, er könne dies in Form einer Beschwerde nachholen. Nachdem die Beamten mit dem Beschwerdeführer fertig gewesen seien, sei ihm schließlich erlaubt worden, zu gehen.

Eine Maßnahmenbeschwerde sei zulässig, da es sich bereits bei der Drohung mit einer Festnahme um die Ausübung von unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handle, auch wenn der Beschwerdeführer letztlich aus eigenen Stücken zwecks Klärung seiner Identität mit auf die Polizeiinspektion gekommen sei.

Der Beschwerdeführer sei in seinem Recht, nur nach den Voraussetzungen des § 35 SPG seine Identität feststellen lassen zu müssen, verletzt worden. Die Identitätsfeststellung sei rechtswidrig gewesen, da die Voraussetzungen des § 35 SPG nicht gegeben gewesen seien. So habe kein „gefährlicher Angriff“ vorgelegen und habe er über einen solchen auch keine Auskunft geben können. Auch habe sich an diesem Ort keine mit beträchtlicher Strafe bedrohte Handlung ereignet.

Weiters sei eine Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers auf persönliche Freiheit gemäß Art 5 EMRK und PersFrBVG erfolgt. Die Freiheitsentziehung sei unverhältnismäßig gewesen, da die Identität auch durch andere Methoden, etwa durch einen Identitätszeugen, festgestellt werden hätte können. Im Lokal seien noch andere Personen anwesend gewesen, welche den Beschwerdeführer gekannt hätten und dessen Identität verlässlich bezeugen hätten können. Er sei daher auch in seinem Recht verletzt worden, nur auf Grundlage des § 35 VStG festgenommen zu werden.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol möge nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung die angefochtenen Akte unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklären und gemäß § 35 VwGVG dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde die Kosten des Verfahrens auferlegen.

Die Landespolizeidirektion Tirol als belangte Behörde erstatte am 08.08.2017 eine Gegenschrift und nahm darin zusammengefasst Stellung wie folgt:

Zunächst werde auf die schriftliche Stellungnahme des einschreitenden Organs der PI X vom 30.07.2017 verwiesen. Darin brachte der Beamte vor, er sei am 13.06.2017 gegen 22:15 Uhr mit seinem Kollegen zum Lokal „DD“ beordert worden, da sich mehrere Anrainer über Lärm vor dem Lokal beschwert hätten. Vor dem Lokal befinde sich ein kleiner Gastgarten mit ein paar Tischen, an welchen ca 10 Personen gesessen seien. Diese hätten beim Eintreffen der Polizei herumgebrüllt und gelärmt. Alle Anwesenden hätten einen alkoholisierten Eindruck gemacht. Im Gastgarten seien sie von der Kellnerin angesprochen worden, die sie sofort geduzt habe, weshalb auch sie die „Du“-Form verwendet hätten. Sie hätten die Kellnerin dann informiert, dass sich Anrainer über Lärm beschwert hätten, woraufhin diese die Gäste aufgefordert habe, leise zu sein. Alle Gäste außer dem Beschwerdeführer seien sofort leise gewesen. Dieser habe lautstark herumgeschrien und sich über ihr Auftreten beschwert. Er habe herumgebrüllt, dass es eine Frechheit sei, dass die Polizei hier herkomme und die Arbeit nicht dort mache, wo sie nötig sei. Daraufhin hätten sie den Beschwerdeführer ermahnt, sein lautstarkes Verhalten einzustellen. Er habe dann geantwortet: „Geht’s gscheider in den Y-Park, es Rotzlöffel. Seits da a so gscheid wie da im Lokal?“.

In weiterer Folge hätten sie den Beschwerdeführer aufgefordert, sich auszuweisen, da er zwei Verwaltungsübertretungen (nach § 1 und § 11 TLPG) begangen habe. Die Identitätsfeststellung sei nach § 25 VStG erfolgt. Warum der Beschwerdeführer als Grundlage § 35 SPG angebe, sei unverständlich. Der Beschwerdeführer habe keinen Ausweis dabei gehabt und seien die anderen Gäste, welche alkoholisiert gewesen seien, nicht als Identitätszeugen in Frage gekommen. Er sei deshalb gefragt worden, ob er freiwillig mit auf die PI X komme, um seine Identität festzustellen. Nachdem er sich allgemein über das Einschreiten der Beamten aufgeregt habe, habe er schließlich eingewilligt. Es sei zu keinem Zeitpunkt eine Festnahme ausgesprochen oder angedroht worden.

Die Fragen nach der Nationalität und dem Führerschein seien notwendig gewesen, um eine Führerscheinanfrage und eine Identitätsdokumentenregisteranfrage durchführen zu können. Die Fragen seien daher weder unsachlich noch voreingenommen gewesen. Was die Verwendung der „Du“-Form betreffe, so sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer auch keine Höflichkeitsform verwendet habe und beleidigend gewesen sei.

Der Beschwerdeführer sei mehrmals über den Grund des Einschreitens aufgeklärt worden. Es sei richtig, dass der diensthabende Offizier nicht verständigt worden sei. Dies sei nicht vorgesehen und sei der Beschwerdeführer über die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde aufgeklärt worden. Der Beschwerdeführer sei während der gesamten Amtshandlung äußerst unhöflich und auch beleidigend gewesen. Er sei der einzige Gast gewesen, der sich über das Einschreiten der Beamten beschwert habe.

In der Gegenschrift wird weiters erörtert, dass es sich im gegenständlichen Fall um keine Festnahme gehandelt habe. Die Feststellung bzw Überprüfung der Identität sei auf der nahe gelegenen Dienststelle durch Einsicht in Evidenzen rasch und mit anlassbezogener Verlässlichkeit möglich gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich zu diesem Vorschlag kooperativ und einsichtig gezeigt, weshalb das Mitfahren freiwillig erfolgt sei. Andere Möglichkeiten, wie etwa Identitätszeugen oder ein naher Verwahrungsort eines Lichtbilddokuments, seien vom Beschwerdeführer nicht ins Spiel gebracht worden. Selbst wenn man die Identitätsfeststellung an sich schon als Befehl bzw Zwang werte, so sei diese in verhältnismäßiger Weise durchgeführt worden.

Die Landespolizeidirektion Tirol stellte daher den Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und dem Beschwerdeführer gemäß § 1 Z 3, 4 und 5 der VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl II 517/2013, die Kosten für den Vorlageaufwand in Höhe von € 57,40, den Schriftsatzaufwand in Höhe von € 368,80 und den Verhandlungsaufwand in Höhe von € 461,--, sohin gesamt € 887,20, aufzuerlegen.

II.      Sachverhalt:

Am Abend des 13.06.2017 befanden sich AA und CC im Gastgarten des Lokals „DD“ in der Adresse 2 in **** Z. Gegen 22:15 Uhr wurden Insp. EE und RI FF der PI X wegen Anrainerbeschwerden aufgrund von Lärm zum Lokal beordert. Im Gastgarten waren zu diesem Zeitpunkt etwa zehn Personen anwesend. Dort angekommen sprachen die Beamten zunächst mit der Kellnerin GG und dem Wirt JJ darüber, dass es Beschwerden wegen Lärm gebe und sie die Gäste ersuchen sollten, sich etwas ruhiger zu verhalten. Dieser Aufforderung kamen die Gäste nach. Der Beschwerdeführer mischte sich in das Gespräch mit den Polizeibeamten ein und verhielt sich weiterhin laut. Es entstand ein Streitgespräch zwischen dem Beschwerdeführer und den Beamten. Der Beschwerdeführer war dabei leicht alkoholisiert. Sinngemäß sagte er zu den Beamten, dass sie in den Y-Park gehen sollten, da dort die Amtshandlung wichtiger wäre, als hier im Lokal und beschimpfte sie als „Rotzlöffel“. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer zur Ausweisleistung aufgefordert. Er wurde dabei darüber informiert, dass er eine Verwaltungsübertretung begangen habe und hierfür seine Identität festgestellt werden müsste. Der Beschwerdeführer hatte jedoch keinen Ausweis bei sich. Es wurde keine der im Lokal anwesenden Personen als Identitätszeuge herangezogen. Derartiges schlug der Beschwerdeführer auch nicht vor. Die Beamten forderten ihn daraufhin auf, mit auf die PI zu kommen. Der Beschwerdeführer antwortete darauf, wenn er müsse, dann würde er mitkommen. Eine Festnahme wurde zwar nicht explizit ausgesprochen, aber dem Beschwerdeführer wurde mitgeteilt, dass es zu einer Festnahme kommen würde, sollte er nicht freiwillig mitkommen. Er stieg sodann in den Streifenwagen und wurde auf die PI X verbracht. Dort konnte die Identität des Beschwerdeführers mittels Abfrage des Führerscheinregisters geklärt werden. Nach wenigen Minuten durfte er die PI wieder verlassen.

Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 14.08.2017 zu GZ: ****, wurde AA zur Last gelegt, er habe am 13.06.2017 um 22:19 Uhr in Z, Adresse 2, vor dem Lokal „DD“ durch das Zubrüllen gegen die Beamten „Geht’s gscheider in den Y-Park, es Rotzlöffel. Seits da a so gscheid wie da im Lokal?“ den öffentlichen Anstand verletzt. Dieses Verhalten habe von mehreren Personen wahrgenommen werden können. Er habe hierdurch eine Verwaltungsübertretung nach § 11 Abs 1 TLPG begangen und wurde über ihn gemäß § 13 TLPG eine Geldstrafe in Höhe von € 80,--, im Uneinbringlichkeitsfall 3 Tage und 2 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt. Zudem wurde ihm die Zahlung von € 10,-- als Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens aufgetragen.

III.    Beweiswürdigung:

Am 26.09.2017 und 23.10.2017 fanden vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol öffentliche mündliche Verhandlungen statt, anlässlich derer am 26.09.2017 der Beschwerdeführer und als Zeugen JJ, RI FF und Insp. EE sowie am 23.10.2017 die Zeugen GG und CC einvernommen wurden.

Unstrittig sind die Feststellungen hinsichtlich Ort und Zeit der Amtshandlung.

Den Umstand, dass sich der Beschwerdeführer in das Gespräch mit den Beamten einmischte, gab er selbst zu. Die Äußerung des Beschwerdeführers gegenüber den Polizisten, sie sollten in den Y-Park gehen, da dort die Amtshandlung wichtiger wäre, gestand der Beschwerdeführer ebenfalls selbst zu. Auch RI F konnte die Äußerung betreffend den Y-Park dem Beschwerdeführer zuordnen. Dass der Beschwerdeführer die Beamten als „Rotzlöffel“ beschimpfte, konnte Insp. E glaubwürdig wiedergeben. Er sei damals vom Beschwerdeführer nur einen Meter entfernt gestanden, dieser sei gesessen und der einzige von den Gästen gewesen, der gesprochen habe. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Polizeibeamte eine Beschimpfung erfinden solle, die in Wirklichkeit gar nicht vorgefallen sei. Des Weiteren erklärte Zeugin G, dass der Beschwerdeführer „unschöne Worte“ gegenüber den Beamten verwendete, genaueres hierzu konnte sie allerdings nicht angeben. Dass es jedenfalls zu einem Streitgespräch zwischen dem Beschwerdeführer und den Beamten kam, wurde sowohl von beiden Beamten als auch von Zeugin G nachvollziehbar geschildert und vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt. Demgegenüber steht die Aussage des Zeugen C, der behauptete, der Beschwerdeführer habe sich während des Gesprächs mit den Polizisten ruhig verhalten. Diese Aussage erscheint allerdings nicht glaubwürdig, zumal der Beschwerdeführer selbst zugab, sich in das Gespräch eingemischt zu haben und die Beamten aufforderte, in den Y-Park zu gehen. C behauptete weiters, die Aussage mit dem Y-Park stamme nicht vom Beschwerdeführer, obwohl letzterer dies selbst zugestand.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer während des Gesprächs mit den Beamten leicht alkoholisiert war, ergibt sich daraus, dass er selbst angab, gerade bei seinem zweiten Bier gewesen zu sein, als die Polizei eingetroffen sei. Insp. E sagte aus, dass der Beschwerdeführer zwar wesentlich besser als die anderen Gäste beisammen gewesen sei, aber offensichtlich auch Alkohol konsumiert habe.

Die Umstände, dass der Beschwerdeführer im Zuge des Streitgesprächs zur Ausweisleistung aufgefordert wurde und er keinen Ausweis bei sich hatte, sind unstrittig. Die Feststellung, dass er über den Grund für die Identitätsfeststellung aufgeklärt wurde, ergibt sich aus den diesen Punkt betreffend unbedenklichen Aussagen der Beamten. Die Polizisten sagten weiters aus, dass keine der anwesenden Personen als Identitätszeuge befragt worden sei, zumal diese einen alkoholisierten Eindruck gemacht hätten. Der Beschwerdeführer gab zu Protokoll, dass sowohl die Kellnerin als auch sein Begleiter Herr C seine Identität bezeugen hätten können und dass auch sein Postzusteller anwesend gewesen sei. Er bestätigte aber selbst, dass er diese Personen den einschreitenden Beamten nicht konkret als Identitätszeugen angeboten hatte.

Die Aufforderung der Beamten an den Beschwerdeführer, dass er mit auf die PI kommen solle, wurde vom Beschwerdeführer und beiden Beamten im Wesentlichen übereinstimmend geschildert. Die Antwort des Beschwerdeführers, wenn er müsse, dann würde er mitkommen, ergibt sich aus seiner eigenen Aussage. Der Beschwerdeführer behauptete nicht, dass eine förmliche Festnahme ausgesprochen wurde und ergibt sich auch aus der Aussage beider Beamten, dass eine solche nicht ausdrücklich erfolgte. Damit stimmt auch die Aussage von Zeugin G überein, die sich erinnern könne, dass die Polizisten zum Beschwerdeführer gesagt hätten, er solle jetzt mitkommen. Dies bestätigte auch Zeuge C. Zeuge J habe ebenfalls mitbekommen, dass die Beamten zum Beschwerdeführer gesagt hätten, sie würden ihn mitnehmen. Wie sie ihn tatsächlich mitgenommen hätten, habe er nicht mehr mitbekommen.

Dass eine Festnahme jedoch insofern thematisiert wurde, dass eine solche erfolgen werde, sofern der Beschwerdeführer nicht freiwillig mitkomme, wurde sowohl vom Beschwerdeführer als auch den einschreitenden Beamten im Wesentlichen übereinstimmend wiedergegeben. Zudem hielt der anzeigende Beamte in seiner Anzeige vom 30.07.2017 zu GZ: ****, fest, dass dem Beschwerdeführer erklärt worden sei, dass es zur Festnahme kommen würde, wenn er seine Identität nicht nachweisen könne.

Der Ablauf der Anhaltung auf der PI X und deren Dauer von wenigen Minuten sind unstrittig.

Das gegen den Beschwerdeführer erlassene Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 14.08.2017 zu GZ: ****, wonach er eine Verwaltungsübertretung gemäß § 11 Abs 1 TLPG begangen habe, erliegt im Akt.

IV.      Rechtslage:

Gemäß § 25 Abs 1 VStG, BGBl Nr 52/1991 idF BGBl I Nr 120/2016, sind Verwaltungsübertretungen mit Ausnahme des Falles des § 56 von Amts wegen zu verfolgen.

Gemäß § 25 Abs 2 VStG sind die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden.

Gemäß § 25 Abs 3 VStG sind die Gerichte und Verwaltungsbehörden nicht verpflichtet, der Behörde die Begehung einer Verwaltungsübertretung anzuzeigen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat gering sind.

Gemäß § 35 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn

1.   der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist oder

2.   begründeter Verdacht besteht, dass er sich der Strafverfolgung zu entziehen suchen werde, oder

3.   der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht.

Gemäß § 11 Abs 1 TLPG, LGBl Nr 60/1976 idF LGBl Nr 56/2017, ist es verboten, den öffentlichen Anstand zu verletzen.

Gemäß § 11 Abs 2 TLPG gilt als Verletzung des öffentlichen Anstandes jedes Verhalten, das einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit darstellt.

V.       Rechtliche Erwägungen:

Beschwerdegegenständlich ist die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt von zwei Polizeibeamten der PI X am 13.06.2017 gegen 22:15 Uhr im Gastgarten des Lokals „DD“ in Z, anlässlich derer der Beschwerdeführer einer Identitätsfeststellung unterzogen und hierzu auf die Polizeiinspektion X verbracht wurde.

Eine Festnahme liegt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs dann vor, wenn Amtsorgane im Zuge der Amtshandlung unter Anwendung physischen Zwangs persönliche Ortsveränderungen entweder überhaupt unterbinden oder auf bestimmte, nach allen Seiten hin begrenzte Örtlichkeiten oder Gebiete, die nicht verlassen werden dürfen, einschränken (VfSlg 15.465/1999). Die „Aufforderung zum Mitkommen“ kann je nach den konkreten Begleitumständen als bloße „Einladung“, beispielweise zum Mitkommen zwecks Ausfolgung des Führerscheins (VfSlg 12.728/1991), oder auch als Festnahme aufzufassen sein (Lewisch/Fister/Weilguni, VStG² § 35 Rz 2).

Eine Festnahme setzt voraus, dass die festzunehmende Person sich eine als Verwaltungsübertretung strafbare Handlung zuschulden kommen lässt und bei Begehung dieser Tat angetroffen werden muss, wobei die erste dieser beiden Voraussetzungen schon dann erfüllt ist, wenn das Organ die Verübung der Verwaltungsübertretung mit gutem Grund, und damit vertretbar, annehmen konnte (VfSlg 11.426/1987, 11.692/1988; VfGH 20.9.2012, B 1436/10; VwSlg 14.905 A/1988; VwGH 18.06.2008, 2005/11/0048; 13.10.2015, Ra 2015/01/0154). Dass die hierbei vorzunehmende rechtliche Beurteilung der Tat richtig sein muss, ist nicht erforderlich. Ist die Beurteilung des Verhaltens als Verwaltungsübertretung aber unvertretbar, kommen auch die Festnahmegründe gemäß § 35 nicht in Betracht (Lewisch/Fister/Weilguni, VStG² § 35 Rz 5).

Auf frischer Tat betreten wird der Täter dann, wenn das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Setzung des Tatbildes unmittelbar selbst wahrnimmt, ohne dass zur Feststellung der Tat Erhebungen notwendig sind und Schlüsse gezogen werden müssen (VfSlg 7309/1974; VfGH 20.09.2012, B 1436/10; VwSlg 12.282 A/1986; VwGH 8.7.1993, 93/18/0273). Die Festnahme darf daher auch nur in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Betretung – und nicht zu einem späteren Zeitpunkt – erfolgen (Lewisch/Fister/Weilguni, VStG² § 35 Rz 5).

Der Festnahmegrund der mangelnden Identifizierbarkeit gemäß § 35 Z 1 VStG ist gegeben, wenn der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst, dh anders als durch Ausweisleitung (VwSlg 15.936 A/2002), nicht sofort feststellbar ist. Als alternative Methode der Identitätsfeststellung kommt etwa eine Identitätsbezeugung durch eine unbedenkliche dritte Person in Betracht (VwSlg 15.936 A/2002; Lewisch/Fister/Weilguni, VStG² § 35 Rz 7).

Im gegenständlichen Fall wurde der Beschwerdeführer von den einschreitenden Beamten auf frischer Tat betreten, als dieser sich einer Verwaltungsübertretung nach dem Tiroler Landespolizeigesetz schuldig machte. Er verhielt sich gegenüber den amtshandelnden Organen laut und äußerte sich ihnen gegenüber sinngemäß dahingehend, dass diese in den Y-Park gehen sollten, zumal dort die Amtshandlung wichtiger wäre und beschimpfte sie vor den anderen Gästen als „Rotzlöffel“. Diese Äußerung des Beschwerdeführers qualifizierte der amtshandelnde Beamte als Verletzung des öffentlichen Anstands und daher als Verwaltungsübertretung nach § 11 Abs 1 TLPG. Diesbezüglich wurde über ihn seitens der Landespolizeidirektion Tirol am 14.08.2017 ein Straferkenntnis erlassen. Unabhängig davon, ob dieses Verhalten rechtlich als Verwaltungsübertretung zu beurteilen ist (dies ist hier nicht verfahrensgegenständlich), wurde eine Verletzung des öffentlichen Anstands von den einschreitenden Beamten aufgrund der vom Beschwerdeführer geäußerten Beschimpfung zumindest vertretbar angenommen. Indem der einschreitende Beamte die Äußerung unmittelbar selbst wahrgenommen hatte, zumal dieser nur etwa einen Meter vom Beschwerdeführer entfernt stand, wurde der Täter auf frischer Tat betreten.

Gemäß § 35 Z 1 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist. Daraus ergibt sich unzweifelhaft, dass Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zunächst einer Identitätsfeststellung zu unterziehen sind. Dies geschah im konkreten Fall dadurch, dass der Beschwerdeführer zur Ausweisleistung aufgefordert wurde. Dieser Aufforderung konnte er nicht nachkommen, da er keinen Ausweis mit sich führte.

Insofern der Beschwerdeführer beanstandet, die Identitätsfeststellung sei rechtswidrig erfolgt, zumal die Voraussetzungen des § 35 SPG nicht vorgelegen seien, ist auszuführen, dass § 35 SPG im gegenständlichen Fall nicht als gesetzliche Grundlage zur Feststellung der Identität herangezogen wurde.

Welche alternativen Methoden der Identitätsfeststellung in Betracht kommen, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich. Nach dem Zweck der Vorschrift (Sicherung der Strafverfolgung; vgl Art 2 Abs 1 Z 3 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit) ist jedoch klar, dass die Maßnahmen zur "sonstigen Identitätsfeststellung" ausreichende Verlässlichkeit bieten müssen, und zwar in einem solchen Maß, wie es üblicherweise durch Vorzeigen eines Ausweises erreicht wird. Umgekehrt dürfen - auch vor dem Hintergrund des allgemein bestimmenden Verhältnismäßigkeitsgebotes (vgl Art 1
Abs 3 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit) - nicht zu strenge Anforderungen gestellt werden, weil andernfalls die Möglichkeit einer Identitätsfeststellung ohne Ausweis weitgehend leer liefe. In Betracht kommt daher etwa eine "Identitätsbezeugung" durch eine unbedenkliche dritte Person, wovon jüngst auch der Verfassungsgerichtshof implizit ausgegangen ist (vgl das E vom 5. Dezember 2001, B 1216/00; VwGH 22.10.2002, 2000/01/0527).

Der Beschwerdeführer moniert, dass keine der anwesenden Personen als Identitätszeuge befragt wurde. Er brachte vor, dass sowohl die Kellnerin als auch sein Begleiter Herr C seine Identität bezeugen hätten können und dass auch sein Postzusteller anwesend gewesen sei. Er bestätigte aber selbst, dass er diese Personen den einschreitenden Beamten nicht konkret als Identitätszeugen angeboten hatte. Dem ist zu entgegnen, dass es den Beamten nicht zumutbar ist, in Anbetracht der Umstände sämtliche im Lokal anwesenden Personen, welche zudem zumindest teilweise alkoholisiert waren, nach der Identität des Beschwerdeführers zu befragen. Der Beschwerdeführer hätte dahingehend mitwirken müssen, als er den Beamten eine konkrete Person anbietet, welche im Stande ist, seine Identität zu bezeugen. Derartiges wurde seitens des Beschwerdeführers im Rahmen der Amtshandlung nicht thematisiert, weshalb seine Identität „auch sonst nicht sofort feststellbar“ im Sinne des § 35 Z 1 VStG war.

Des Weiteren gilt es zu erörtern, ob die „Aufforderung zum Mitkommen“ als Festnahme zu qualifizieren ist. Ungeachtet des Umstands, ob im gegenständlichen Fall eine Festnahme förmlich ausgesprochen wurde, ist die seitens der Beamten an den Beschwerdeführer gerichtete Aufforderung, er müsse jetzt mitkommen, als Festnahme zu werten. Der Beschwerdeführer lief nämlich Gefahr, unverzüglich physischer Zwangsgewalt unterworfen zu werden, sollte er der Aufforderung nicht „freiwillig“ Folge leisten. Die Aufforderung zum Mitkommen war intentional auf eine Freiheitsbeschränkung gerichtet und kam der Beschwerdeführer dieser nur deshalb nach, um eine Festnahme zu vermeiden. Eine derartige Aufforderung zum Mitkommen unter gleichzeitiger „Androhung“ einer Festnahme ist jedoch einer solchen gleichzuhalten (vgl VfGH 7.6.1985, B654/84; 14.3.1988, B 397/87).

Gemäß § 35 Z 1 VStG waren die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im konkreten Fall berechtigt, den Beschwerdeführer festzunehmen, da er auf frischer Tat betreten wurde, den Organen unbekannt war, sich nicht ausweisen konnte und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar war. Die Verbringung des Beschwerdeführers auf die PI X zwecks Identitätsfeststellung erfolgte daher mangels verfügbarer gelinderer Mittel zu Recht und war verhältnismäßig. Es erfolgte daher keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf persönliche Freiheit gemäß Art 5 EMRK und BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 28 Abs 4 VwGVG in Verbindung mit der VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl II Nr 517/2013. Der Kostenersatz wurde von der belangten Behörde in der Gegenschrift beantragt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 3 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Albin Larcher

(Vizepräsident)

Schlagworte

Verletzung des öffentlichen Anstandes; Identitätsfeststellung; Festnahme;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.23.1739.11

Zuletzt aktualisiert am

15.12.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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