TE Vwgh Erkenntnis 2000/7/19 97/13/0231

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Veröffentlicht am 19.07.2000
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §21 Abs1;
GewStG §7 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fössl, über die Beschwerde der G GmbH in W, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien I, Elisabethstraße 22, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat XI) vom 20. Oktober 1997, Zl. GA 6-93/2224/10, betreffend Gewerbesteuer 1988 bis 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Rechtsnachfolgerin der M-Leasing GmbH. Streitpunkt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bildet die Hinzurechnung von Zinsen gemäß § 7 Z. 1 GewStG in den Jahren 1988 bis 1991. Einem Bericht über eine abgabenbehördliche Prüfung vom 8. Jänner 1993 ist dazu unter Tz 18 zu entnehmen, zur Finanzierung einer (Anm.: im Jahr 1987 geleisteten) Mietvorauszahlung für das Objekt W, B. Gasse 83, in Höhe von 18 Mio S sei Fremdkapital in Höhe von ca. 16 Mio S verwendet worden. Als Darlehensgeber seien neben der CA-Bank (im Folgenden: CA) auch kurzfristig die Österreichische Leasing (10 - 12/1991) und die F Immobilien Treuhand GmbH (16. 10. 1989 - 18. 12. 1989) aufgetreten. Die Fremdfinanzierung der Mietvorauszahlung habe nach Meinung des Betriebsprüfers Dauerschuldcharakter und die bisher in diesem Zusammenhang über Aufwand gebuchten Zinsen seien gemäß § 7 Z. 1 GewStG hinzuzurechnen.

Im Berufungsschriftsatz vom 26. Februar 1993 wurde der Unternehmensgegenstand der M-Leasing GmbH mit "Abschluss von Mobilien- und Immobilien-Leasinggeschäften, Abschluss von Miet- und Pachtverträgen und Handel mit Waren aller Art, Gewerbe der Versicherungsmakler" bezeichnet. Aufgabe des Unternehmens sollte die Abwicklung größerer Projekte sein, wobei neben typischen Leasinggeschäften die Abwicklung anderer Geschäfte beabsichtigt gewesen sei, die "durchaus auch in der Durchführung von Investitionen bestehen konnten". Als solches Großprojekt sei mit Mietvertrag vom 29. Juni 1987 das Objekt B. Gasse gemietet worden. Im Rahmen dieses Mietverhältnisses sei eine Mietvorauszahlung geleistet worden, die überwiegend in Form von 1-monatigen, ausnahmsweise 3-monatigen Barvorlagen und mit einem Kontokorrentkredit fremdfinanziert worden sei. Die Barvorlagen seien bis Oktober 1989 von der CA eingeräumt worden. In der Zeit vom 16. Oktober bis 18. Dezember 1989 sei an ihre Stelle die F Immobilien Treuhand GmbH und in der Zeit vom 20. Juni (richtig wohl: Oktober) bis 20. Dezember 1991 die Österreichische Leasing GmbH getreten. Jeden Monat habe über die neuerliche Einräumung von Barvorlagen und deren Konditionen neu verhandelt werden müssen, wobei nie sicher gewesen sei, ob weiter Kredit gewährt werde. Die Barvorlagen seien nur deshalb bei der CA aufgenommen worden, weil diesem Institut bei Vorliegen der gleichen Konditionen der Vorzug gegeben worden sei. Ein Gläubigerwechsel habe immer dann stattgefunden, wenn günstigere Konditionen angeboten worden seien, wie z.B. von der F Immobilien Treuhand GmbH und der Österreichischen Leasing GmbH. Das Charakteristikum der Barvorlage bestehe darin, dass sie nur kurzfristig mit fest vereinbarten Konditionen abgewickelt werde. Da Barvorlagen "nicht verlängert werden können und das Fremdkapital immer wieder von neuem aufgetrieben werden muss", eigneten sich Barvorlagen nicht zur " nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals" iSd § 7 GewStG. Jede einzelne Barvorlage sei für sich allein zu beurteilen. Mehrere nacheinander eingeräumte Barvorlagen könnten auf Grund ihrer Besonderheit auch dann nicht als Einheit betrachtet werden, wenn sie beim selben Kreditgeber in Anspruch genommen würden. Soweit keine Barvorlagen bestanden hätten, sei der Fremdmittelbedarf über ein Kontokorrentkonto bei der CA abgedeckt worden. Im Zeitablauf sei etwa der gleich hohe Fremdmittelbetrag zur Verfügung gestanden.

Weiters wurde in der Berufung ausgeführt, für die Qualifikation als Dauerschuld seien nicht ausschließlich die Laufzeit, sondern die "wirtschaftlichen Auswirkungen" das maßgebliche Kriterium. Schulden hätten demnach nur dann Dauerschuldcharakter, wenn sie zur Finanzierung von Anlagevermögen verwendet würden. Wenn Anlagevermögen, beispielsweise auch eine vermietete Liegenschaft, objektiv dazu bestimmt sei, dauernd dem Betrieb zu dienen, handle es sich regelmäßig um eine "nicht nur vorübergehende Verstärkung des Betriebskapitals". Schulden im Zusammenhang mit Umlaufvermögen hätten demgegenüber auch dann nicht Dauerschuldcharakter, wenn sie länger als ein Jahr bestünden und die Art des Geschäftes die längere Laufzeit rechtfertige. Die laufende Geschäftstätigkeit habe darin bestanden, das Objekt B. Gasse 83 zu mieten und gleichzeitig weiter zu vermieten. In einem (anderen) Betriebsprüfungsverfahren sei das Finanzamt zur Ansicht gelangt, die bei Abschluss des Mietvertrages geleistete Mietvorauszahlung sei als "aktiv abgegrenzte Mietvorauszahlung" anzusehen, weil ein unüblich niedriger Bestandzins von monatlich 32.000 S vereinbart worden sei. Diese Rechtsansicht sei akzeptiert worden, obwohl es dadurch zur Aberkennung der Investitionsprämie gekommen sei. Wenn nunmehr die Finanzbehörde behaupte, es liege ein zum Anlagevermögen gehörendes Mietrecht vor, verstoße dies gegen Treu und Glauben. Es könne weder das Mietobjekt selbst noch ein Mietrecht wirtschaftlich zugerechnet werden. Da mit den Barvorlagen kein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens, sondern Leistungen finanziert worden seien, die unmittelbar einem Dritten weitergegeben würden (wirtschaftlich sei dieser Vorgang mit Warenlieferungen zu vergleichen) und daher zum laufenden Geschäftsbetrieb gehörten, könne die Vorschrift des § 7 Z. 1 GewStG nicht zur Anwendung kommen. Auch die mittlerweile (Anm.: mit Ende 1991) erfolgte einvernehmliche Vertragsauflösung und dabei vereinbarte Abstandszahlung könne nicht zur Beurteilung der Mietvorauszahlung als Mietrecht führen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Abweichend von der Beurteilung durch die Betriebsprüfung habe es sich bei der Mietvorauszahlung um ein Wirtschaftsgut (Mietrecht) gehandelt. Eine anteilige Rückzahlung der laut Rechnung vom 29. Juni 1987 bezahlten Mietvorauszahlung sei vertraglich ausgeschlossen gewesen (die anteilige Rückzahlung bei der vorzeitigen Vertragsauflösung sei nur deshalb erfolgt, weil die Vermieterin aus dem Vertrag "aussteigen wollte"). Die Vermieterin habe für 20 Jahre auf ihr Kündigungsrecht verzichtet gehabt. Für diese Dauer habe für die Beschwerdeführerin insofern eine gesicherte Rechtsposition bestanden, als sie in Verbindung mit der Mietrechtsablöse das Objekt zu einem sehr niedrigen Zins habe anmieten können. Die Abschreibung der Ablöse (des Mietrechtes) auf 20 Jahre, wie sie von der Beschwerdeführerin vorgenommen worden sei, sei somit zu Recht erfolgt. Durch die Schuldaufnahme für das als Anlagevermögen zu wertende Mietrecht sei eine Verstärkung des Betriebskapitals eingetreten. Die An- und Vermietung der Liegenschaft sei die einzige Tätigkeit gewesen, die je von der Beschwerdeführerin (bzw. deren Rechtsvorgängerin) ausgeübt worden sei. Für die Frage, ob eine nicht nur vorübergehende Verstärkung des Betriebskapitals, also eine Dauerschuld vorliege, sei hauptsächlich die Dauer maßgeblich, für die das dem Betrieb zugeführte Kapital dem Betrieb gedient habe. Eine Umschuldung lasse den Dauerschuldcharakter unberührt. Eine Schuld verliere den Charakter einer Verstärkung des Betriebskapitals nur dann, wenn die Mittel zur Rückzahlung jederzeit bereit stünden. Die Beschwerdeführerin habe aber nicht die nötigen finanziellen Mitteln gehabt, sie sei auf Dauer auf die Aufnahme von Fremdkapital angewiesen gewesen. Das zeitliche Element der Dauerschuld sei daher erfüllt. Sämtliche Schuldverhältnisse der Beschwerdeführerin seinen in einem konkreten wirtschaftlichen Zusammenhang gestanden, sodass die privatrechtliche Begründung mehrerer Schuldverhältnisse als formaler Gesichtspunkt in den Hintergrund trete.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 7 Z. 1 GewStG waren Zinsen sowie nominelle Mehrbeträge auf Grund einer Wertsicherung u.a. für Dauerschulden, worunter Schulden zu verstehen sind, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzuzurechnen.

Bei der Entscheidung, ob sich eine Schuld als zurechenbare so genannte Dauerschuld darstellt, kommt es nicht auf ihren Entstehungsgrund oder auf den mit ihrer Aufnahme unmittelbar verfolgten Zweck an - diese Momente könnten nur allenfalls Schlüsse auf das Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses gestatten -, sondern ausschließlich darauf, ob die Schuld objektiv nach ihrer Laufzeit und ihrer wirtschaftlichen Auswirkung eigenes Betriebskapital ersetzt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1982, 81/14/0109, 0110, mit Hinweisen auf Vorjudikatur). Einen solchen Verstärkungseffekt des Betriebskapitals kann auch eine Summe mehrerer kurzfristiger Schulden haben; auf die äußere Erscheinungsform der Schuldaufnahme kommt es nicht an (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 1971, B 186/70, SlgNr. 6471, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Oktober 1978, 557/76).

Mag eine Schuldaufnahme zur Anschaffung von Anlagevermögen im Zweifel auch Dauerschuldcharakter haben (vgl. Philipp, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, Tz 7 - 59), kann nicht gesagt werden, dass Schulden außerhalb der Finanzierung von nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen als Anlagevermögen zu wertenden Wirtschaftsgütern keine Qualifikation als Dauerschuld iSd § 7 Z. 1 GewStG zukommen könnte. Der im angefochtenen Bescheid und in den Schriftsätzen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausgetragene Streit, ob mit der als Mietvorauszahlung bezeichneten Leistung ein Mietrecht (als Wirtschaftsgut des Anlagevermögens) angeschafft wurde oder nur ein vorausbezahlter, aktiv abgegrenzter Aufwand (Entgelt für die Gebrauchsüberlassung) vorliegt, kann damit letztlich dahingestellt bleiben.

Im Beschwerdefall wurde von der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin beginnend mit 1. Juli 1987 gegen einen monatlichen Mietzins von 32.000 S eine Liegenschaft auf unbestimmte Zeit angemietet. Bei Abschluss des Mietvertrages wurde weiters eine Mietvorauszahlung von 18 Mio S geleistet. Die Vermieterin hat - so die Sachverhaltsschilderung in der Beschwerde - auf die Dauer von 20 Jahren auf das Recht auf Vertragskündigung verzichtet. Das Objekt wurde an die A GmbH weitervermietet, wobei ein Bestandzins von 188.000 S pro Monat vereinbart war. Der (Unter)Mieter hat auf die Dauer von 15 Jahren auf das Recht auf Vertragskündigung verzichtet. Nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid stellte die An- und Vermietung der Liegenschaft die einzige Tätigkeit der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin dar.

Damit diente aber die Schuldaufnahme zur Finanzierung der - auch von der Beschwerdeführerin auf einen Zeitraum von 20 Jahren "verteilten" - Mietvorauszahlung objektiv dazu, ihrer wirtschaftlichen Auswirkung nach langfristig eigenes, zur betrieblichen Tätigkeit notwendiges Betriebskapital zu ersetzen. Bei der laut Rechnung vom 29. Juni 1987 "verlorenen" Mietvorauszahlung handelte es sich auch bei einer Beurteilung als vorausbezahlter Aufwand nicht bloß um Umlaufvermögen ("Warenlieferung"), deren Finanzierung als laufende Schuld beurteilt werden könnte.

Der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nach § 21 Abs. 1 BAO gilt auch für die Hinzurechnungsvorschrift des § 7 Z. 1 GewStG. Demnach hat etwa der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 20. Februar 1973, 1894/71, ausgesprochen, dass das Tatbestandsbild der Dauerschuld nicht dadurch vermieden werden kann, dass ein wirtschaftlich fortdauerndes Schuldverhältnis willkürlich in mehrere kurzdauernde Wechselschuldverhältnisse aufgelöst wird. Auch im vorliegenden Beschwerdefall war der Kapitalbedarf und dessen Deckung durch Kredite ein ununterbrochener. Bei diesem dauernden Fremdfinanzierungsbedarf ändert die Wahl der Fremdfinanzierung in Form von wiederkehrenden, neu zu begründenden Barvorlagen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nichts an der Qualifikation als einheitliches Dauerschuldverhältnis iSd der zitierten Hinzurechnungsbestimmung (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Oktober 1978, 557/76). Am wirtschaftlichen Zusammenhang der einzelnen kurzfristigen Schuldverhältnisse gebricht es auch nicht, wenn etwa die Barvorlagen wegen günstigerer Bedingungen teilweise von wechselnden Gläubigern in Anspruch genommen wurden (dass eine Umschuldung an sich am Dauerschuldcharakter einer Schuld nichts ändert, räumt im Übrigen auch die Beschwerde ein).

Der angefochtene Bescheid ist somit im Ergebnis nicht rechtswidrig. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Juli 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997130231.X00

Im RIS seit

21.12.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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